Protokoll der Sitzung vom 22.06.2022

Dem Grundsatz nach begrüßen wir allerdings als AfD-Fraktion, wenn die tatsächliche Praxis auf eine fundierte gesetzliche Grundlage gestellt wird. Die eingeschränkten Besuchsmöglichkeiten in den Gefängnissen während der Corona-Lage haben dazu geführt, dass der Kontakt der Gefängnisinsassen zur ihren Freunden und Angehörigen nur auf fernmündlichem Wege möglich war. Die gesetzliche Einschränkung, dass dies nur in dringenden Fällen möglich sein soll – wir haben es eben gehört –, erweist sich aus heutiger Sicht als zu eng. Nach der Neuregelung ist die Gestattung von Telefonaten nicht mehr vom Vorliegen eines dringenden Falles abhängig. Wie bisher gibt es jedoch grundsätzlich keinen Anspruch – und das ist richtig – der Gefangenen darauf, Telefongespräche zu führen. Das halten wir so für richtig. Damit wird dem Grundsatz der Resozialisierung ausreichend Rechnung getragen. Telefongespräche sollen damit sowohl für Strafgefangene als auch für Untersuchungsgefangene unter geringen Anforderungen möglich sein.

Andererseits gilt für uns auch uneingeschränkt, dass Sicherheit und Ordnung im Vordergrund stehen müssen. Wie ist jetzt dieses sichergestellt? – Indem unabhängig von der Erlaubnis durch die Anstalt zusätzlich Voraussetzung für eine Kommunikation durch Untersuchungsgefangene bleibt – dabei sind wir gerade –, dass das Gericht von einem eigenen Erlaubnisvorbehalt abgesehen oder ebenfalls eine entsprechende Erlaubnis erteilt hat. Insbesondere bei Untersuchungsgefangenen sind damit die Voraussetzungen noch restriktiver geblieben.

Andere Formen der Telekommunikation, also Videotelefonie, sind nur bei Strafgefangenen möglich, nicht jedoch bei Untersuchungsgefangenen und im Jugendarrest.

Außerdem sollen sogenannte weiße Listen – der Gesetzentwurf spricht von "White-Lists", wir als AfD sprechen Deutsch und plädieren dafür, dass Gesetze in deutscher Sprache verfasst sind – eingeführt werden,

(Zuruf von den GRÜNEN)

die ausschließlich zuvor sicherheitsüberprüfte Rufnummern enthalten, die von den Gefangenen angerufen werden können. Einschränkend werden wir allerdings einen Änderungsantrag dahin gehend stellen, dass die Kommunikation nur für Inlandsgespräche möglich sein soll. Hintergrund ist, dass wir als AfD-Fraktion eine Resozialisierung in die deutsche Gesellschaft fördern wollen. Für straffällige Ausländer hingegen fordern wir, dass sie nach Verbüßung der Haftstrafe in ihre Heimat abgeschoben werden;

(Beifall bei der AfD)

denn die bayerischen Gefängnisse sind voll mit Ausländern, meine sehr geehrten Damen und Herren. Der Ausländeranteil, also der Anteil von Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, in bayerischen Gefängnissen betrug im Jahr 2021 44 %. Inklusive der Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit lag der Anteil bei über 46 %. Zwischen 2015 und 2021 ist der Anteil deutscher Insassen in bayerischen Gefängnissen von circa 70 % auf 56 % gesunken. Wie Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren, vollzieht sich der Bevölkerungsaustausch in den Haftanstalten noch schneller als in der Gesellschaft; auch dagegen werden wir als AfD-Fraktion vorgehen.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Horst Arnold das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Vorredner, ich sage Ihnen mal eines: Grundrechte sind keine Deutschen-Rechte, sondern Menschenrechte. Sie gelten in dem Zusammenhang für alle. Da brauche ich nicht nachzudenken, ob ein Telefonat innerhalb Deutschlands stattfindet oder ob die Insel Helgoland möglicherweise ein zollfreies Gebiet ist. Es geht einfach nicht an, diese Dinge so herunterzubrechen, dass es schon wieder peinlich wird.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der GRÜNEN)

Grundsätzlich muss man zu diesem Gesetz schon sagen: Ja, wir haben eine Gesetzgebung, die in ganz Deutschland die restriktivste aller Ländergesetzgebungen ist. – Tatsächlich ist die jetzige Telefonie darauf beschränkt, einen wichtigen Grund als Anlass dafür vorzubringen, und auch darüber muss man streiten. Der Kommentator, der jetzige Amtschef des Justizministeriums, hat im Kommentar erwähnt, dass es ja auch brieflich gehe bzw. dass in dem Zusammenhang auf den Briefverkehr verwiesen werden müsse.

Das ist schlecht, weil es unseren Bedürfnissen der Kommunikation in der heutigen Zeit überhaupt nicht gerecht wird. Diese Erkenntnis hat sich auch durchgesetzt. Ich bin dem Justizminister Herrn Eisenreich, dem unsere Fraktion bei dieser Gelegenheit beste Genesungswünsche übermittelt, was die Pandemie anbetrifft, dankbar, dass er sich bereits vorher durchgesetzt und verkündet hat, dass dieser Artikel im Strafvollzugsgesetz so nicht mehr anwendbar ist; auch wegen Corona, aber nicht

nur wegen Corona, sondern weil er einfach untragbar ist, was die menschliche Situation angeht.

Wir als SPD haben diesbezüglich schon in der letzten Legislatur und zuvor derartige Lockerungen gefordert. Diese Lockerungen haben natürlich nicht die Mehrheit gefunden. Die tatsächlichen Lebensbedingungen haben sich aber auch nicht geändert. Um das noch einmal deutlich zu sagen: Ja, die Möglichkeit zu telefonieren hängt jetzt auf der einen Seite nicht mehr von einem wichtigen Grund ab. Auf der anderen Seite ist es klar und deutlich, dass zwei Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe anhängig sind, die wie ein Damoklesschwert über der Staatsregierung schweben, weil dort nämlich bereits Erörterungen stattgefunden haben, die deutlich machen, dass diese Regelung in Bayern absolut nicht sozial ist bzw. auch nicht dem Grundgedanken von Artikel 6, Schutz von Ehe und Familie, entspricht. Die Kinder und Angehörigen, die zum Besuch in die JVA gehen müssen, haben darunter zu leiden. Empirische Untersuchungen zur Rückfallwahrscheinlichkeit haben ergeben, dass es in den Bundesländern, in denen mehr Telefonie erlaubt ist, weniger zu Rückfällen kommt.

(Beifall bei der SPD)

Eines ist von unserer Seite aus auch festzustellen: Das Leben ist mehr und mehr digital. Natürlich wird in diesem Gesetzentwurf die Möglichkeit eröffnet, auch über Videotelefonie vorzugehen. Wir hatten in der letzten Legislatur schon das Anliegen, im Strafvollzug einen überwachten Zugang zum Internet für Straf- und Untersuchungsgefangene digital zu ermöglichen. Das wird auch Gegenstand unserer Änderungsanträge sein. Wer A sagt, muss auch B sagen. Ich denke, die Kommunikation in der heutigen Zeit – wir alle reden über Digitalisierung – muss auch im Strafvollzug eine Bedeutung haben; denn tatsächlich ist der sogenannte Angleichungsgrundsatz, nämlich das Wieder-Heranführen von Gefangenen an die Gesellschaft, nur dann möglich, wenn man die Sache ganzheitlich sieht. Der Strafvollzug ist in Bayern leider Gottes auch jetzt noch analog. Es gibt viel zu tun, insbesondere was die Umsetzung angeht. Da nehme ich auf die Ausführungen vom Kollegen von den GRÜNEN Bezug.

Ich darf noch sagen, dass es Gangtelefonie, Büroraumtelefonie und Haftraumtelefonie gibt. Das Einzige, was in dem Zusammenhang tatsächlich zu einer sorgenfreien Telefonie führt, ist die Haftraumtelefonie. Alles andere beschränkt schon wieder die Psyche, weil auf dem Gang möglicherweise andere zuhören; im Büro hört der Sekretär, die Sekretärin zu. Irgendwo muss es mit der persönlichen Privatsphäre eine Bewandtnis haben, sodass diesbezüglich noch einiges zu diskutieren sein wird.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Redner ist der Kollege Martin Hagen für die FDP-Fraktion.

Der Vorvorredner, Kollege Maier, hat ja erklärt, die Staatsregierung halte es anscheinend nicht für notwendig, das Gesetz hier zu begründen. Herr Maier, Sie sind zwar nicht, wie behauptet, die einzige Oppositionsfraktion, aber offenbar die einzige Fraktion, die nicht imstande ist, ihre E-Mails zu lesen. Vor zwei Stunden wurden wir nämlich alle per E-Mail darüber informiert, dass der Herr Kollege Eisenreich in Corona-Quarantäne ist. Das ist doch ein guter Grund, warum er nicht hier ist, und stattdessen die Kollegin dieses Gesetz einbringt.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abgeordneten Christoph Maier (AfD))

Wir haben heute einen Gesetzentwurf vorliegen, über den ich mich sehr freue, vor allem deswegen, weil er etwas abräumt, was die FDP bereits im vergangenen Jahr beantragt hat. Nicht nur hat eine Petition, die von 1.113 Strafgefangenen unterschrieben wurde, den Landtag erreicht – das haben wir bereits gehört –, sondern nach einem Gespräch mit Strafvollzugsbediensteten haben wir auch als FDP-Fraktion entschieden, hier einen Gesetzentwurf einzubringen, der die Möglichkeit der Videotelefonie für Strafgefangene eröffnen soll; denn gerade in der Corona-Krise hat sich dieses Instrument, das da ohne gesetzliche Grundlage schon aufgrund der eingeschränkten Besuchsmöglichkeiten genutzt wurde, sehr bewährt.

Es ist bekannt und unumstritten, dass es der Resozialisierung dient, wenn Strafgefangene mit ihren Angehörigen Kontakt halten können. Das sollen auch Angehörige sein, die im Ausland leben. Es ist aberwitzig zu sagen: Wenn meine Frau oder meine Kinder im Ausland leben, soll ich sie nicht anrufen können. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD, das zeigt einmal wieder, wessen Geistes Kind Sie sind. Es ist in jedem Fall gut, wenn ein Häftling mit seiner Familie kommunizieren kann. Auch kann es gute Gründe geben, warum man zum Beispiel seine Kinder lieber per Videotelefonie anruft, als sie in der Umgebung einer Justizvollzugsanstalt persönlich zu treffen.

Insofern ist dies ein sehr begrüßenswerter Gesetzentwurf. Wir haben im Oktober 2021 bereits etwas Entsprechendes eingebracht. Das wurde damals von den Regierungsfraktionen mit der Begründung abgelehnt, ein Gesetzentwurf des Justizministers sei bereits in der Mache. Jetzt hat es noch einmal acht Monate gedauert. Wir stellen also fest: Es war gut, dass wir da Druck gemacht haben, und es ist schön, dass sich heute tatsächlich anscheinend alle Fraktionen einig sind.

(Beifall bei der FDP)

Dann erteile ich dem fraktionslosen Abgeordneten Raimund Swoboda das Wort.

Hohes Haus, verehrte Bürger! Auch im Knast wollen Dr. Söder und seine CSU und FREIEN-WÄHLER-Koalitionäre mit digitalem Fortschritt glänzen. Uns wird diese Einführung der digitalen Telefonie für Knastbrüder und -schwestern als folgenlose, notwendige Rechtsanpassung verkauft. Aber Vorsicht, das könnte sich auch als ein neues Celler Loch per Neuer Medien erweisen! Strafvollzug muss sein und bleiben, was der Name schon sagt: zweckbezogener Vollzug der gerichtlich verhängten Strafe als gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge für widerwärtige Verbrechen.

Richtig, Zweck der Strafe ist die Resozialisierung, und zwar in die Gesellschaft, auch in die deutsche Gesellschaft. Das ist richtig. Zweck ist aber auch Schutz und Sicherheit für die Bevölkerung. Das muss vorgehen. Letzteres bedeutet, dass aus dem Knast heraus begehbare Straftaten oder die Verdunkelung von Straftaten verhütet werden müssen. Das ist im geschlossenen Vollzug auch notwendig, da dort die notorischen Wiederholungstäter, Berufsverbrecher, Mörder und Totschläger sitzen. Bedrohung von Zeugen, von Opfern, milieutypische Erpressungen bis hin zur Fortsetzung von Banden-, Clan- und Rockerkriminalität, um nur einige Beispiele zu nennen, dürfen unter keinen Umständen von Staats wegen begünstigt werden.

Sie mögen es alle als modern empfinden, die voraussetzungs- und anlasslose Ausweitung der Telekommunikationsmöglichkeiten der Straf- und Untersuchungshäftlinge in Bayern voranzutreiben. Aber ohne hinreichende wissenschaftlich-kriminologische Studienlage und ohne eine breite Anhörung der Träger von öffentlichen Belangen und privater Interessengruppen – zum Beispiel zum Opferschutz oder auch zur Resozialisierung – ist das alles eine fragwürdige Effekthascherei.

Das ist schon daran erkennbar – –

Herr Kollege, die Zeit ist vorbei.

Ich komme zum Schluss. – Es ist daran erkennbar, dass die Finanzierung in diesem Gesetz nicht einmal angesprochen ist, sondern in die nächste Plenarperiode vertagt wurde.

Ich hoffe, die Zweite Lesung ergibt Bedingungen und Voraussetzungen für diese Telefonieart.

Vielen Dank. – Die Debatte ist geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration als federführendem Ausschuss zu überweisen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Sehe ich nicht. Dann ist das damit beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Abstimmung über eine Verfassungsstreitigkeit und Anträge, die gem. § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage 1)

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Liste.

(Siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. des Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das scheint mir das gesamte Haus zu sein. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Keine. Dann übernimmt der Landtag diese Voten.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Florian von Brunn, Diana Stachowitz, Doris Rauscher u. a. und Fraktion (SPD) für ein Bayerisches Gesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestlohn bei öffentlichen Auftragsvergaben (Bayerisches Vergabegesetz - BayVergG) (Drs. 18/20023) - Zweite Lesung

Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt auch hier wieder 32 Minuten. Ich eröffne die Aussprache. Als Erster erteile ich der Kollegin Diana Stachowitz für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wieder das Tariftreue- und Vergabegesetz hier heute. Es ist mehr denn je wichtig. Worum geht es heute? – Es geht um soziale Gerechtigkeit. Wir sehen aus den Medien und den ganzen Informationen über Gewerkschaften, dass das mehr als dringend ist. Wir wollen faire Löhne aus den Steuermitteln und deswegen ein Tariftreue- und Vergabegesetz. Wir wollen Sicherheit für die Beschäftigten, damit sie mit den Geldern, die sie verdienen, eben auch ihr Leben bestreiten können. Das stärkt die Sicherheit, aber stärkt auch unsere Demokratie.

Wir wollen einen fairen Wettbewerb für Unternehmen, die sich verpflichten, gute Arbeit zu finanzieren, und ihre Gewinne nicht aus Lohndumping ziehen.

(Beifall bei der SPD)

Ja, schieben Sie der Ausbeutung einen Riegel vor! Stimmen Sie dafür, dass wir Arbeit mit Qualität und Arbeit, die fair bezahlt wird, haben! Stimmen Sie unserem Tariftreuegesetz zu! Seien Sie nicht Schlusslicht, sondern gehen Sie voran!

In zwei Jahren wird es sowieso schon so weit sein, dass uns die Europäische Richtlinie anmahnen wird, weil Mindestlohn und Tarifvergaben europaweit erst dann möglich sind, wenn wir 80 % Tarifbindung haben. Geben Sie sich also einen Ruck! Seien Sie nicht nur ein Schlusslicht ohne Licht – wir sind nämlich das einzige Bundesland, das noch kein Tariftreue- und Vergabegesetz hat –, sondern stimmen Sie heute zu, damit wir wenigstens noch im europäischen Rahmen dabei sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Redner ist der Kollege Steffen Vogel für die CSU-Fraktion.