Protokoll der Sitzung vom 10.10.2019

Meine Damen und Herren, das ist nicht das, was wir unter Rechtsstaat verstehen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland setzt dem völlig anderes entgegen, nämlich die freie Entfaltung der Persönlichkeit, nicht nur irgendeine sozialistische Entfaltung, echte Schutzrechte gegenüber dem Staat, Mitsprache, Gewaltenteilung und Pluralität. Das ist etwas, was wir gerade in diesen Zeiten wieder bedenken sollten. Die DDR war in diesem Sinne natürlich ein Unrechtsstaat nach unserem Verständnis von Recht, Gesetz und Ordnung.

Meine Damen und Herren, zu unseren heutigen Grundwerten, zu unserem Verständnis von Rechtsstaat, gehören natürlich auch die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Medien. Darüber, dass diese Freiheiten von der AfD angegriffen werden, kann ich nur den Kopf schütteln. Ich kann darüber nur den Kopf schütteln als einer, dem viele Kommentare, die er über sich selber lesen durfte, nicht gepasst haben. Ich glaube, das geht jedem Kollegen so. Jeder hat schon Berichte und Beiträge im Hörfunk und im Fernsehen erlebt, die ihm nicht gepasst haben. Aber, meine Damen und Herren, in Sendungen aufzustehen, weil einem die Fragen nicht passen, und dann zu unterstellen, dass hier ein staatlicher Apparat zugange sei, dass Regierungsstellen Medien in unserem freiheitlichen Rechtsstaat irgendwie beeinflussen würden, ist nicht nur Märchenerzählerei, sondern das geht weit darüber hinaus. Denn damit wird unser demokratischer Rechtsstaat auf übelste Weise verleumdet. Das weisen wir deutlich zurück.

(Beifall bei der CSU, den GRÜNEN, den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Unsere Medien sind frei. Das beste Merkmal dafür ist, dass es allen Politikern gleich geht. Jeder hat es schon erlebt, dass ihm irgendetwas nicht gepasst hat. Die von der AfD gewählte Überschrift lautet: "30 Jahre friedliche Revolution – Demokratie und Meinungsfreiheit täglich neu erkämpfen". Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, es liegt an uns, diesen Kampf gegen die Gefahren durch Rechtsextreme, Rechtsradikale und Rechtspopulisten täglich zu führen, damit wir unsere Meinungsfreiheit behalten.

(Beifall bei der CSU, den GRÜNEN, den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Schuberl. Bitte schön, Herr Schuberl, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! "30 Jahre friedliche Revolution – Demokratie und Meinungsfreiheit täglich neu erkämpfen". Welch ein schönes und wichtiges Thema! Und welch ein Hohn, dass ausgerechnet die Feinde von Demokratie und Freiheit versuchen, dieses Thema zu missbrauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN)

Zunächst möchte ich über die Begriffe "Demokratie" und "Meinungsfreiheit" sprechen, bevor ich zur friedlichen Revolution komme. Die AfD scheint etwas missverstanden zu haben. Ich kläre sie gern auf: Demokratie heißt nicht Unterdrückung von Minderheiten durch die Mehrheit. Demokratie ist die Herrschaft des Volkes, und zwar des gesamten Volkes. Sie funktioniert nur auf der Basis von Freiheit und Gleichheit aller Menschen. Niemand darf wegen seiner Abstammung, seiner Herkunft oder seines Glaubens benachteiligt werden. Wer also meint, Deutsche und Ausländer anhand von Äußerlichkeiten auseinanderhalten zu können, unabhängig von der Staatsbürgerschaft, der ist ein Rassist und damit ein Feind der Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann den Rassismus in der AfD exemplarisch an einem von Ihnen belegen: Der AfD-Abgeordnete Ralf Stadler spricht nicht nur regelmäßig von "Negern", er hetzt auch gegen Bewohner eines Anker-Zentrums, als wären sie eine kriminelle Zuhälterbande, nur weil sie eine dunklere Hautfarbe haben. Dafür hat er zu Recht einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung erhalten, dafür haben wir vor Kurzem seine Immunität aufgehoben. Auf Facebook schreibt Stadler, Zitat:

Der Krieg gegen Deutschland hat längst begonnen, anstatt Militär wird Deutschland mit fremden nicht integrierbaren Kulturen kontaminiert. PARASITEN: Schmarotzer, Lebewesen, die dauernd oder vorübergehend auf [...] oder in [...] einem andersartigen Organismus, dem Wirt, leben und diesen schädigen, ihn aber höchstens zu einem späteren Zeitpunkt töten.

(Zurufe von den GRÜNEN und der SPD: Pfui!)

Ein weiteres Zitat von Stadler:

Irgendwie Paranoid, kein Politiker traut sich das Wort "Geburtenkontrolle" auszusprechen, damit wäre das überhand nehmende Inzuchtproblem bei Muslimen sicher eindämmbar.

"Ja pfui Deifi!", kann ich da nur sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CSU, den FREIEN WÄHLERN, der SPD und der FDP)

Und damit sind wir bereits beim zweiten Begriff, der Meinungsfreiheit. Sie ist in der Demokratie so essenziell, dass sogar der ganze Krampf, den die AfD kübelweise über die Gesellschaft und hier im Landtag ausschüttet, von diesem Grundrecht geschützt ist. Sie dürfen hier stehen und quatschen, wir müssen es aushalten.

(Katrin Ebner-Steiner (AfD): Uns geht es genauso!)

Nur die gröbste Hetze, die reine Schmähung und die vorsätzliche Lüge sind zu Recht nicht mehr vom Schutzbereich umfasst.

Jetzt komme ich zu Ihren "Leistungen" in der DDR: Sie machen Ihre Partei ja älter, als sie ist, und versuchen, eine Traditionslinie zu konstruieren. Ja, auch die DDR

hatte ein Problem mit Rechten. Afrikaner wurden ermordet, es gab Brandanschläge und pogromartige Aktionen an Ausländerunterkünften. Jüdische Friedhöfe wurden geschändet. 1987 ist ein Konzert in der Ostberliner Zionskirche durch Neonazis gestürmt worden. Die Angreifer riefen "Skinheadpower!", "Juden raus aus deutschen Kirchen!", "Ihr roten Schweine!" und "Sieg Heil!". In Cottbus agierte eine Wehrsportgruppe, aus der dann interessanterweise 1990 die Partei mit dem Namen Deutsche Alternative hervorging. Nomen est omen. Ist das Ihre Traditionslinie?

Das passt zu einem weiteren Spruch Stadlers, Zitat:

Den bevorstehenden Bürgerkrieg kann man schon länger fühlen. Unsere "lieben Flüchtlinge" warten nur auf das Kommando.

In anderen Posts fordert er die Bewaffnung der Bevölkerung, um gegen Fremde zu kämpfen.

Im Bezirk Rostock gab es zu DDR-Zeiten die Gruppe "SS-Division Walter Krüger", die Uniformen, Waffen und anderes Beiwerk aus der NS-Zeit sammelte und zur, Zitat, "Traditionspflege" am 20. April ehemalige KZs besuchte. In Gruppen wurden Waffen angesammelt und Kämpfe geübt. Kurz nach der Wiedervereinigung kam es in Rostock-Lichtenhagen zur größten rassistischen Ausschreitung der Nachkriegszeit.

Nein, Rassismus ist mitnichten ein spezifisch ostdeutsches Problem. Doch im Unterschied zur DDR wurde in der BRD, zumindest ab 1968, damit begonnen, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Aber für die AfD ist das Gedenken an die Opfer ja nur ein "Denkmal der Schande", wie Höcke sagte. Oder, um bei den Worten von Stadler zu bleiben, die deutsche Bevölkerung sei, Zitat: "seit über 70 Jahren mit Schuldkomplexen manipuliert […]".

Die DDR versuchte, Erkenntnisse über den Nazismus zu vertuschen, um einen Imageschaden zu verhindern. Die Angreifer in der Zionskirche wurden nur wegen Rowdytum verurteilt. Gewaltbereite Rechte wurden als reines Jugendproblem angesehen. Heute würde man sie als "besorgte Bürger" bezeichnen. Hier erlaube ich mir einen Hinweis zu Bayern: Es ist der falsche Weg, Mitglieder rechtsextremer Netzwerke als Einzeltäter oder Rechtsterroristen nur als psychisch Kranke darzustellen. Probleme, die man nicht offen angeht, werden mit der Zeit chronisch.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es ist sehr schade, dass ich zu diesem schönen Thema nun so viel Negatives sagen musste; denn die Protestbewegung in der DDR wollte eine offene, plurale und freie Gesellschaft. Sie forderte Frieden, Demokratie und auch Frauenrechte und Umweltschutz. Sie war es, die die Mauer einriss und eine Diktatur hinwegfegte. Die wichtigsten Bewegungen waren das Neue Forum, Demokratie Jetzt und die Initiative Frieden und Menschenrechte. Diese drei schlossen sich am 6. Februar 1990 zu einem Wahlbündnis mit dem Namen Bündnis 90 zusammen. In der ersten gesamtdeutschen Wahl zog übrigens nur die ostdeutsche Listenverbindung von Bündnis 90 und den Grünen in den Deutschen Bundestag ein. Die westdeutschen Grünen hatten damals bereits den Klimawandel als großes Problem erkannt. Der Slogan lautete: "Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter."

Für die Wählerinnen und Wähler war das zu früh, und die West-Grünen flogen aus dem Bundestag. Manchmal muss man sich dreißig Jahre lang den Mund fusselig reden, bis es auch bei den anderen ankommt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

1993 vereinigten sich die beiden Parteien Bündnis 90 und die Grünen zur neuen Partei Bündnis 90/Die Grünen, als deren Vertreter ich Ihnen heute zurufen darf: Wir sind Bündnis 90, und wir werden niemals zulassen, dass Sie wieder eine formierte, autoritäre und geschlossene Gesellschaft errichten, weder in Ost noch in West. Wir werden weiterhin für unsere freie, offene, plurale, gerechte, ökologische und demokratische Gesellschaft kämpfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schuberl. – Ich darf jetzt den Kollegen Mehring aufrufen. Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! "Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf." – Dieses Zitat von Hermann Glaser stammt zugegebenermaßen nicht aus dem Kontext der friedlichen Revolution in Deutschland und schon gar nicht aus der Feder einer Vertreterin oder eines Vertreters der AfD. Ich glaube aber, es eignet sich trotzdem, vielleicht sogar weil es aus der Zeit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Schrecken des Nationalsozialismus stammt, um zu illustrieren, wie richtig die AfD mindestens mit der Überschrift, die sie uns für die heutige Aktuelle Stunde ins Stammbuch geschrieben hat, liegt. Die AfD erklärt nämlich, sie wolle ab heute an der Seite von uns Demokratinnen und Demokraten an jedem Tag für Demokratie und Meinungsfreiheit eintreten, sich Demokratie und Meinungsfreiheit an jedem Tag neu erkämpfen.

Kolleginnen und Kollegen von der AfD, auch den Bezug zur friedlichen Revolution in Deutschland, den Sie herstellen, stellen Sie nach meiner festen Überzeugung sehr zu Recht her. An kaum einer anderen Stelle der Geschichte nicht nur unseres Landes, sondern der ganzen Welt haben die Kräfte der Meinungsfreiheit so positiv und so erfolgreich auf dem Resonanzboden der Demokratie gewirkt wie zum Zeitpunkt der friedlichen Revolution in Deutschland. Kolleginnen und Kollegen, nicht zuletzt zeigen die gestrigen Ereignisse eindrucksvoll, wie fragil unsere Werte von Meinungs- und Religionsfreiheit sind und wie wichtig es ist, diese täglich zu schützen und täglich für sie zu kämpfen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der CSU, den GRÜNEN und der SPD)

Ich unterstreiche und unterschreibe deshalb den Titel Ihrer Aktuellen Stunde und will Sie in Ihrem Ansinnen bestärken, ab heute sozusagen an unserer Seite für Demokratie und Meinungsfreiheit einzutreten. Wenn ich auf Ihre Performance im Parlament während des letzten Jahres zurückblicke, stelle ich nämlich fest, dass da bei Ihnen noch ein gutes Stück weit Luft nach oben ist.

Ich möchte Ihnen deshalb helfen und meine heutige Redezeit nicht einer weiteren pathetischen Rede zur friedlichen Revolution widmen, sondern mir die Zeit nehmen, Ihnen zehn Tipps zu geben, wie Sie es schaffen können, dass in Zukunft vielleicht auch Ihre Partei für Demokratie und Meinungsfreiheit steht. Wie würde der Kollege Müller, der heute leider nicht da sein kann, sagen: Hören Sie gut zu, vielleicht lernen Sie was!

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN – Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Zu Ihrem Ansinnen, die Demokratie zu befördern, ein erster Tipp: Wenn Wahlen stattfinden, die das konstitutive Merkmal von Demokratie sind, gehen Sie hin und wählen Sie. Treffen Sie keine Vorabsprachen, verändern Sie nichts an den Fraktionszulagen, sondern wählen Sie.

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN – Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der CSU, den GRÜNEN und der SPD)

Ihre Fraktionschefin, die Kollegin Ebner-Steiner, ist ja durchaus visionär. Sie hat erkannt, wie wichtig Wahlen für die Demokratie sind. Deshalb lässt sie Sie gelegentlich üben. Sie lässt Sie quasi im Monatsrhythmus den Fraktionsvorstand neu wählen.

(Christoph Maier (AfD): Können Sie auch zur Sache sprechen?)

Heute Nachmittag lässt sie uns üben, lässt sie den Bayerischen Landtag wieder wählen. Sie hat’s erkannt. Gut wäre nur, wenn nicht nur 12 von 20 kommen würden, sondern wenn Sie auch ernsthaft wählen würden und das Ergebnis von Wahlen akzeptierten. Das ist mein erster Tipp.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der CSU und der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, mein zweiter Tipp richtet sich an den Kollegen Stadler. Er lautet: Erst denken, dann reden.

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN – Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Denn nicht alles, was Sie sich denken, hört sich, wenn Sie es sagen, so klug an, wie es sich für Sie anfühlt, wenn Sie es denken.

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN – Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)