(Beitrag nicht autorisiert) Frau Präsident, meine Damen und Herren! In Artikel 13 des Integrationsgesetzes heißt es:
Wer […] zum Ausdruck bringt, dass er die freiheitliche demokratische Grundordnung, insbesondere die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten […] ablehnt, kann durch die Sicherheitsbehörden verpflichtet werden, sich einem Grundkurs über die Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu unterziehen.
Sehr geehrter Herr Maier, Sie und Ihre Fraktion können drei Kreuze machen, dass das vom Gericht kassiert wurde. Sie wären die Ersten, die man zum Nachsitzen schicken müsste.
Nun ist dieses Gesetz und insbesondere dieser Passus als verfassungswidrig gewürdigt worden. Es ist leider nicht das einzige Gesetz der vergangenen Legislaturperiode der CSU-Alleinregierung, das handwerklich derart schlecht war, dass es einer Überprüfung nicht standgehalten hat. Wir haben dies schon beim Polizeiaufgabengesetz erlebt und erleben es nun auch bei diesem Integrationsgesetz. Es ist in Teilen verfassungswidrig und muss korrigiert werden.
Die Leitkultur kann eben nicht von oben verordnet werden, schon gar nicht durch Einschränkungen der Meinungsfreiheit und der Rundfunkfreiheit. Dabei stehen in dem Gesetz, insbesondere in der Präambel durchaus Aspekte, auf die wir uns alle einigen könnten. Ich zitiere:
Die Würde des Menschen, die Freiheit der Person, die Gleichheit und Gleichberechtigung aller Menschen, das Recht jedes Einzelnen auf ein selbstbestimmtes, aber auch selbstverantwortliches Leben und die Unterscheidung von Staat und Religion sind als Frucht der Aufklärung tragende Grundlage unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung.
Es wäre doch gut gewesen, wenn man dieses Gesetz im Konsens entwickelt hätte, wozu jeder hier hätte Ja sagen können. Jedoch finden wir in diesem Gesetz sehr häufig den Begriff des christlichen Abendlandes und des Christentums, sodass es mit der Trennung von Staat und Religion nicht besonders weit her ist. Es drängt sich der Eindruck auf, dass es eher darum geht, bestimmte Personen aus der Gesellschaft auszugrenzen, anstatt sie zu integrieren.
Meine Damen und Herren, diesem Gesetz fehlt komplett die Würdigung des Beitrags, den Migrantinnen und Migranten in den vergangenen Jahrzehnten für unser Gemeinwesen geleistet haben. Stattdessen heißt es lapidar, die Migrantinnen und Migranten hätten sich in unserem Land eingelebt. Da Sie es nicht tun, mache ich es an dieser Stelle: Herzlichen Dank an alle Bürgerinnen und Bürger Bayerns, egal
ob zugewandert oder hier geboren, für das, was sie in den vergangenen Jahrzehnten geleistet haben, damit wir dieses wunderbare Land zu dem machen konnten, was es heute ist.
Es gibt in der Ausländerpolitik in Deutschland zwei große Lebenslügen. Die erste Lebenslüge ist die der Konservativen, die früher gedacht haben, Gastarbeiter, die Menschen, die zu uns kommen, seien Gäste, die irgendwann auch wieder gehen; deshalb müsste man nichts für eine gelingende Integration tun. Die andere Lebenslüge ist die der Linken, die geglaubt haben, ein Nebeneinander verschiedener Kulturen bedürfe keiner verbindlichen Normen; das führe automatisch zu einer Art romantischen Multikulti-Idylle. Beides hat sich nicht bewahrheitet. Integration muss aktiv angegangen werden. Integration braucht Regeln, und Integration braucht auch Orientierung.
Eine solche Orientierung bietet die bayerische Identität. Das ist etwas Wunderbares, an das wir anknüpfen können; denn die Tatsache, dass die bayerische Bevölkerung einen positiven Bezug zu ihrer Identität hat, ist eine Stärke unseres Landes, die hilft, anderen Menschen zu zeigen, worin sie sich integrieren müssen. Integration muss eine Richtung und ein Ziel haben. Meine Damen und Herren, das Gemeinwesen, das wir in Bayern geschaffen haben, ist doch ein sehr erstrebenswertes Ziel. Die bayerische Identität, wie wir sie verstehen, ist vor allem Dreierlei: Sie ist inklusiv, sie ist vielfältig, und sie ist dynamisch.
Sie ist inklusiv, weil sie eben nicht ausgrenzt, sondern weil man sie als Einladung an alle Menschen, die zu uns kommen, verstehen muss, Teil unserer Gesellschaft zu werden. Sie ist vielfältig, weil wir eine pluralistische Gesellschaft haben, eine Gesellschaft, die aus Individuen besteht und bei der nicht eine Leitkultur allen übergestülpt werden kann. Und sie ist dynamisch, weil sie sich seit jeher weiterentwickelt, sowohl durch Impulse von innen als auch durch Einflüsse von außen. Das war immer so. Das hat Bayern und seine Kultur zu dem gemacht, was sie heute sind.
Dieses bayerische Wir lässt sich nicht in eine CSU-Leitkultur pressen. Wir alle müssen dieses bayerische Wir tagtäglich neu gestalten und erarbeiten. Es ist ein Auftrag an uns als Gesellschaft und an die Politik, gemeinsam an dieser bayerischen Identität zu arbeiten und über diese bayerische Identität zu sprechen. Das von Ihnen vorgelegte Gesetz hat dazu keinen guten Beitrag geleistet. Deswegen wurde es zu Recht als verfassungswidrig eingestuft.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Integrationsbeauftragte bin ich seit gut einem Jahr viel im Land unterwegs. Ich besuche Kindertagesstätten, hospitiere an Schulen, treffe mich mit Geflüchteten, rede mit Unternehmern, tausche mich mit Behörden, Verbänden, Haupt- und Ehrenamtlichen und natürlich auch mit Arbeitsmigranten aus. Vielen Dank an alle Genannten. Meine Zwischenbilanz: Die bayerische Integrationsstrategie kann sich sehr wohl sehen lassen, liebe Damen und Herren von der Opposition; denn wir helfen und wir fördern. Wir fordern aber gleichzeitig entsprechende Integrationsanstrengungen ein.
Diese beiden Komponenten sind absolut wichtig. Das ist keine Illusion der Staatsregierung. Diese Aussage bekomme ich immer wieder zu hören, wenn ich mit eh
renamtlichen Helfern spreche, wenn ich mich mit den vom Freistaat getragenen Integrationslotsen, mit den Bildungskoordinatoren oder mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sozialverbände austausche.
Warum funktioniert Integration in Bayern besser als anderswo? – Weil unser Ansatz ideologiefrei, ganzheitlich und effizient ist und weil unsere Bausteine Sprache, Bildung und Teilhabe am Arbeitsmarkt über alle Generationen hinweg besonders wichtig sind.
Wir setzen damit bereits bei den Kleinsten an. Heute wurde bereits angeführt: Sprache ist der Türöffner. Wir verhindern damit Defizite, die zu schlechten Start- und Entwicklungschancen führen würden. Wir haben den Vorkurs Deutsch und höhere Förderquoten für Kitas mit Migrantenkindern eingeführt. Damit beugen wir vor.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wie läuft es an den Schulen? – Für die Übergangsklassen, ab diesem Schuljahr Deutschklassen, wurde Großartiges geleistet. Auch an kleineren Schulstandorten mit weniger Migrantenkindern haben wir eine entsprechende Versorgung geschaffen. Alle, die sich im Schulwesen auskennen, wissen, dass dies ein gewaltiger Kraftakt war. Aber es ist geglückt. Es hat geklappt. Ich bedanke mich bei allen Lehrkräften und Unterstützern, die dies gemeistert haben.
Bayern arbeitet im Übrigen auch mit Drittkräften aus den Herkunftsländern, zum Beispiel aus dem arabischen Sprachraum. Diese Leute arbeiten als Dolmetscher und gleichzeitig als Lehrkräfte und sind sehr effizient.
Zur Berufsausbildung: Unsere Berufsintegrationsklassen sind zu einem Abziehbild für viele andere Bundesländer geworden. Momentan haben wir 500 Berufsintegrationsklassen und 50 Sprachklassen in den beruflichen Schulen. Ich freue mich immer, wenn ich in diesen Klassen bin und dieses Engagement erlebe. Wichtig ist, dass wir diese gute Betreuungsqualität auch künftig sichern, wenn die Schülerzahlen zurückgehen. Das wird natürlich irgendwann der Fall sein.
Was sticht in Bayern besonders hervor? – Ich möchte den Beschäftigungspakt "Integration durch Arbeit" erwähnen, der von der Vbw und der Arbeitsverwaltung auf Initiative der Bayerischen Staatsregierung eingerichtet wurde. Wir rechnen zum Jahresende mit 120.000 Menschen mit Fluchthintergrund, die sich in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung befinden, und mit ungefähr 13.000 Ausbildungsverhältnissen. Nicht eingerechnet sind Praktika und Weiterbildungen. Ein Nachfolgepaket ist geplant. Ich war gestern Nachmittag bei der Vbw im Bildungsausschuss. Wir müssen es erreichen, dass wir über den Beschäftigungspakt Frauen mit Migrationshintergrund noch besser in Lohn und Brot bekommen. Hier ist noch Luft nach oben.
Integration lebt letztlich nicht von gesetzlichen Grundlagen, sondern vom Zusammenhalt der Menschen und davon, dass sie sich zugehörig fühlen. Sie lebt außerdem von ihrer Identifikation mit Bayern und ihrem Wohnort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese gute Entwicklung gelingt nicht, wenn Integration dem Zufall überlassen wird, wie sich das einige Träumer auf bestimmten Seiten des Hohen Hauses vorstellen.
Für mich war die Überreichung von Zertifikaten an zehn junge muslimische Männer, die am HEROES-Projekt in Schweinfurt teilgenommen haben, ein besonderes Erlebnis. Sie sind jetzt Botschafter für Werte wie Gleichberechtigung, Toleranz und Religionsfreiheit in ihren Peergroups. Liebe Leute, hier könnte man sich einmal briefen lassen, wenn man meint, die CSU möchte irgendwelche Parteiprogramme überstülpen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer das VGH-Urteil als Klatsche für die Staatsregierung tituliert, hat das Gesetz entweder nicht ganz gelesen oder nicht verstanden. Wer, wie das in dieser Woche geschehen ist, von "Verbohrtheit" schreibt, mit der die CSU der freiheitlichen Gesellschaft ihre Leitkultur aufzwingen wolle, der sollte einmal bei den Absolventen unserer zahlreichen Projektangebote nachfragen. Unsere Devise lautet: miteinander und voneinander lernen. Auf diesem Weg werden wir weitergehen. Ich freue mich immer wieder, wenn ich von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern höre: Das muss man euch Bayern lassen, ihr setzt Integration wirklich gut um.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte gern eine Staatsregierung, die verfassungskonforme Gesetze vorlegt. Ich hätte auch gerne eine Landtagsmehrheit, die verfassungskonforme Gesetze beschließt.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat Sie erneut in die Schranken gewiesen und Ihnen einen Grundkurs in den Werten unserer Verfassung geben müssen. Es war gut und richtig, dass wir GRÜNE gegen Ihr Spaltungsgesetz geklagt haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, dass nun ausgerechnet die AfD und nicht Ihr Koalitionspartner das Gesetz verteidigt, müsste Ihnen zu denken geben.
Die "deftige Watschn" wie die "SZ" gestern getitelt hat, hätten Sie sich ersparen können. Ich erinnere mich noch gut an den 8. Dezember 2016 hier im Landtag. Damals haben wir in einer Marathonsitzung 16 Stunden lang bis um 05:08 Uhr über Ihr Spaltungsgesetz debattiert. Herr Kollege Kreuzer – er ist jetzt schon wieder weg –, Sie und Ihre Fraktion haben es vielleicht schon wieder verdrängt, dass damals unsere Kolleginnen und Kollegen – ich nenne nur die Kolleginnen Bause, Kamm, Gote sowie Herrn Kollegen Dürr und andere GRÜNE und Oppositionspolitiker – mit all unserer parlamentarischen Kraft versucht haben, Sie zu stoppen. Sie haben aber bestimmt nicht die vielen Tausend Menschen vergessen, die damals in den Verbänden, bei den Kirchen und auf der Straße bei den "Ausgehetzt"-Demos gegen Ihre Politik protestiert haben. Vorgestern war sicherlich für alle Menschen, die sich für Geflüchtete und für Integration einsetzen, ein Freudentag.
Ihr Spaltungsgesetz hat die Gesellschaft auseinandergetrieben. Es hat Unfrieden geschürt. Frau Brendel-Fischer, ich bin davon überzeugt, dass Sie 2016 eben nicht von der Sorge getrieben waren, wie Integration am besten gelingen kann. Sie waren stattdessen von der Sorge getrieben, wie Sie bei der Landtagswahl Ihre ab
solute Mehrheit verteidigen können. Es ging Ihnen also um die Macht, der Sie bekanntlich sehr viel unterordnen.
Kolleginnen und Kollegen, wir GRÜNE ticken da anders. Wir wollen den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken. Wir sagen Ja zur gleichberechtigten Teilhabe an Arbeit, Bildung, Kultur und gesellschaftlichem Leben. Unsere Maßstäbe für die Integration lauten: gleiche Würde aller Menschen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wir wollen Integration auf der Basis der Bayerischen Verfassung und des Grundgesetzes. Wir bauen Brücken.
Deshalb war der Gesetzentwurf der GRÜNEN zur Integration ein Gesetzentwurf für den Zusammenhalt. Ihre Schlappe vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist deshalb für uns auch ein Auftrag, erneut einen Gesetzentwurf zur Integration und für den Zusammenhalt in unserem Land einzubringen. Kollegin Demirel hat darauf verwiesen.
Wir GRÜNE wissen, dass Bayern schon immer ein Ort des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Biografie und kultureller Prägung war. Gerade die vielerorts gelebte Vielfalt und die damit verbundene gesellschaftliche Dynamik machen das moderne Bayern aus. Wir können es uns nicht mehr leisten, wichtige Weichenstellungen zu verpassen. Wir gefährdeten damit nicht nur die Zukunftschancen der einzelnen Menschen, sondern ganz grundsätzlich den gesellschaftlichen Zusammenhalt und auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bayerns. Ich kann beispielsweise bis heute nicht fassen, wie Sie als christliche Partei weiterhin Menschen ins unsichere Afghanistan abschieben können.