Aber am wichtigsten ist und bleibt die Frage nach den Kosten; dazu ist schon einiges gesagt worden. Im vorliegenden Gesetzentwurf ist lediglich im Vorblatt die Absicht erklärt, eine Kostenevaluation zu machen. Das ist zu wenig. Wir brauchen eine echte Verpflichtung des Freistaates zum Mehrkostenausgleich dem Grunde nach im Gesetz. Das machen andere Bundesländer übrigens auch. Natürlich kann keiner schon jetzt alle Kosten dieses neuen Leistungssystems absehen; aber es ist klar, dass mehr Kosten entstehen werden, wenn wir eine bessere Teilhabe organisieren. Das ist unser gemeinsames Ziel. Damit dürfen wir die Bezirke und die Kommunen nicht im Regen stehen lassen. Da reicht es nicht, eine Absichtserklärung ins Vorblatt zu schreiben, sondern da brauchen wir tatsächlich eine im Gesetz verankerte Verpflichtung dem Grunde nach, diesen Mehrkostenausgleich vorzunehmen.
Den Bezirken sind schon jetzt viele Kosten entstanden, allein schon dafür, dass sie das Personal aufstocken mussten.
Das alles ist kein Bürokratiemonster; die Bedarfsermittlung ist wirklich das interessanteste und zentralste Element. Sie wirklich individuell, gut und sorgfältig vorzunehmen – es geht schließlich darum, wer etwas bekommt und warum –, ist notwendig. Dabei ist Sorgfalt angebracht. Das Geld dafür ist gut investiert.
Wir hätten gerne gemeinsam mit Ihnen ein Signal für die Inklusion, für die Teilhabe, für das neue Teilhaberecht gesetzt. Leider können wir nicht zustimmen, weil die
Kosten und die Belastungen für die Bezirke und die Kommunen offengelassen werden. Deswegen müssen wir uns leider enthalten, was uns tatsächlich leidtut.
Ich bedanke mich, Frau Kollegin. – Als Nächste hat die Frau Abgeordnete Julika Sandt von der FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Satte sechs Änderungsanträge liegen nun zu dem Entwurf eines Bayerischen Teilhabegesetzes II vor, und das nicht ohne Grund. Der Gesetzentwurf hat einfach gravierende Mängel; da ist viel Luft nach oben. Wir haben konkrete Vorschläge gemacht, wo Nachbesserungsbedarf ist. Was macht die Regierungskoalition, wie sieht ihr Änderungsantrag aus? – So!
Nein. Sie machen nichts. Sie ignorieren einfach die Bedenken der Betroffenen. Sie lassen die Betroffenen im Stich. Ich sage Ihnen ein Beispiel: das Budget für Arbeit. Wir machen einen konkreten Vorschlag, wie man das Instrument in einem ersten Schritt zu einer echten Alternative zur Beschäftigung in einer Werkstatt ausbauen kann, zum Beispiel, die Grenze für das Budget von derzeit 48 % auf 60 % der Bezugsgröße anzuheben, wie das auch in Rheinland-Pfalz, übrigens einem von der FDP mitregierten Bundesland, gemacht wird. Wir haben neben diesem Änderungsantrag zu diesem Gesetzentwurf – wir werden Sie auch weiterhin daran erinnern – ein weitergehendes Antragspaket zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt vorgelegt.
Ich war jetzt mal so neugierig – weil Sie sagen, dass der Gesetzentwurf schon so gut sei – und habe nachgefragt, wie viele der 40.000 Beschäftigten in bayerischen Werkstätten bisher vom Budget für Arbeit profitieren – das Gesetz zum Budget für Arbeit gibt es seit zwei Jahren –; das sind ganze 30 von 40.000. Das sind 0,075 %. Das ist Homöopathie – ich weiß, Sie haben eine andere Haltung zur Homöopathie als wir. Aber Politik in homöopathischen Dosen gerade für Menschen mit Behinderung, gerade für Menschen mit Inklusionsbedarf kann nicht unser Anspruch sein. Das akzeptieren wir nicht.
Ein weiterer Mangel des Gesetzes besteht bei der Bedarfsermittlung, die für die Betroffenen auch sehr wichtig ist. Der Bundesgesetzgeber hat Sie im Jahr 2016, also vor drei Jahren, aufgefordert, ein Bedarfsermittlungsinstrument zu schaffen. Bis heute haben Sie keines erstellt. Die Betroffenen wissen nicht, wie die Bedarfe ermittelt werden. Sie lassen sie im Regen stehen.
Des Weiteren sind die Bedenken des Bayerischen Bezirketags zu nennen – hierauf haben die Kolleginnen bereits hingewiesen –, der mit erheblichen Mehrkosten rechnet, für die einfach kein Ausgleich vorgesehen ist.
Alles in allem besteht hier viel Änderungsbedarf. Im Bundestag gilt übrigens das sogenannte Strucksche Gesetz, das besagt: Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht wurde. Im Bayerischen Landtag gilt wohl das Söder-Aiwanger-Gesetz, das besagt: So, wie wir es eingebracht haben, kommt es auch aus dem Landtag heraus, egal welche Mängel es hat, egal welcher Veränderungsbedarf besteht.
Das Gesetz hat erhebliche Mängel. Das habe ich Ihnen gerade vor Augen geführt. Das kann doch nicht unser Anspruch als Parlamentarier sein.
Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen; denn es ist ein Minimalpaket, in dem Dinge stehen, die bis zum Ende dieses Jahres umgesetzt werden müssen. Es ist nur das Notwendigste. Wir werden also zustimmen, aber loben werden wir Sie nicht, und an die Mängel, an den noch bestehenden Verbesserungsbedarf werden wir Sie immer wieder erinnern. Darauf können Sie sich verlassen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Sandt. – Die zuständige Staatsministerin, Frau Kerstin Schreyer, hat sich noch zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Ministerin.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Großteil dessen, was anzusprechen ist, wurde schon angesprochen. Herr Jäckel und Frau Enders haben die wesentlichen Punkte abgeräumt und es erklärt: Es gibt ein Bundesgesetz, und wenn es ein Bundesgesetz gibt, ist klar, wer die Entscheidungen liefert.
Bei uns in Bayern sind nun einmal die Bezirke für die Eingliederungshilfe zuständig. Insofern ist klar, dass sie dies auch umsetzen. Das, was das BTHG liefert, bedeutet keine Änderung des Sachverhalts, sondern es ist eben so, dass die Konnexität an der Stelle nicht gegeben ist, weil dies in den Zuständigkeitsbereich der Bezirke fällt.
Der Bund hat uns ein Gesetz beschert, über das ich grundsätzlich sehr froh bin. Es war auch eine Initiative Bayerns, dass Menschen, die eine Behinderung haben, nicht mehr Bittsteller sind, sondern dass sie wirklich Auftraggeber werden. Dies ist ein Quantensprung, wenn man davon ausgeht, dass sie früher Bittsteller waren. Heute kann der Betreffende für sich entscheiden, wie er seine Belange regelt. Das hat etwas mit Teilhabe und auch damit zu tun, dass wir alle froh sind, wenn Menschen, die ihre Belange regeln können, dann auch die Entscheidungen treffen und nicht zu Bittstellern werden.
Die finanzielle Mehrbelastung, die hier angesprochen wurde, ist in der Tat völlig offen. Der Bund hat eine Kostenfolgeschätzung vorgenommen und behauptet sogar, dass es eine Kosteneinsparung geben wird. Insofern ist es schwierig herauszufinden, wie es künftig ausschauen wird. Da nützt es auch nichts, wenn jeder von uns sagt, was er glaubt, wie es sich entwickeln wird. Wir wissen es faktisch nicht. Deswegen haben wir gesagt, wir werden eine Evaluation durchführen, wir werden anschauen, wie sich das Ganze entwickelt.
Ich möchte aber an der Stelle deutlich sagen: Es ist ein Bundesgesetz. Wenn die Kollegin von der SPD der Auffassung ist, dass es dafür mehr Geld braucht, wäre es hilfreich, wenn der zuständige Bundesminister, der dieses Gesetz einbringt, dann auch das Geld weiterreichen würde; denn am Ende des Tages können wir es dann den Kommunen geben. Was aber nicht geht, ist, dass ein Bundesminister der SPD ein Gesetz schafft und danach der Freistaat das Geld bereitstellen soll, um es an die Kommunen weiterzugeben. So herum funktioniert es nicht!
Der Vollständigkeit halber möchte ich aber sagen, dass der Bund die Kommunen an einer Stelle entlastet hat, weshalb der Bund sagt, er entlastet um fünf Milliarden jährlich.
Deswegen ist der Bund der Auffassung, dass es keine Mehrbelastung gibt. Die Bezirke sagen, sie befürchteten eine Mehrbelastung, der Bund sagt, sie würden entlastet und es gebe keine Mehrbelastung. Wir sagen: Wir schauen uns das an, und dann reden wir erneut. Meiner Ansicht nach ist das die solide Basis, dass wir nicht von Grundannahmen ausgehen. Wenn es zu einer Mehrbelastung der Bezirke kommt, muss selbstverständlich der Bund dafür aufkommen. Er hat das Gesetz gemacht, er ist zuständig.
Ich freue mich auf die breite Unterstützung all derer hier, die im Bund mitregieren, sodass wir dann vom Bund das Geld dafür bekommen. – Danke schön.
Ich bedanke mich bei der Frau Staatsministerin. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Der Abstimmung zugrunde liegen der Gesetzentwurf der Staatsregierung auf der Drucksache 18/3646, die Änderungsanträge der Fraktionen der FDP, der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 18/3998, 18/3999, 18/4020, 18/4021, 18/4422 und 18/4162 sowie die Beschlussempfehlung des endberatenden Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration auf der Drucksache 18/5056.
Vorab ist über die von den Ausschüssen zur Ablehnung empfohlenen Änderungsanträge der FDP- und der SPD-Fraktion sowie der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 18/3998, 18/3999, 18/4020, 18/4021, 18/4422 und 18/4162 abzustimmen. Die Fraktionen sind übereingekommen, dass über die Änderungsanträge unter Zugrundelegung des Votums des endberatenden Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration insgesamt abgestimmt werden soll. Ich lasse daher so abstimmen.
Wer hinsichtlich der Änderungsanträge auf den Drucksachen 18/3998, 18/3999, 18/4020, 18/4021, 18/4422 und 18/4162 mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. des Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion im endberatenden Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenhaltungen? – Bei Stimmenthaltung des fraktionslosen Abgeordneten Plenk und bei Abwesenheit des fraktionslosen Abgeordneten Swoboda übernimmt der Landtag diese Voten. Die Änderungsanträge sind abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie empfiehlt Zustimmung. Der endberatende Ausschuss empfiehlt ebenfalls Zustimmung. Ergänzend schlägt er vor, in § 4 als Datum des Inkrafttretens den "1. Januar 2020" einzufügen. Wer dem Gesetzentwurf mit dieser Ergänzung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Stimmenthaltungen? – Bei Enthaltung der SPD-Fraktion ist das so beschlossen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussab
stimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht.
Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das sind außer der SPD-Fraktion alle Fraktionen und der fraktionslose Abgeordnete Plenk bei Abwesenheit des fraktionslosen Abgeordneten Swoboda. Wer ist dagegen? – Niemand. Wer enthält sich der Stimme? – Die SPDFraktion.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist das Gesetz angenommen. Es hat den Titel: "Bayerisches Teilhabegesetz II".
Ich bedanke mich für die Gesetzesberatung. Ich glaube, es ist ein wichtiges Gesetz, das für Menschen mit Behinderung auf den Weg gebracht wurde.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Einführung eines bayerischen Krippengeldes (Drs. 18/3888) - Zweite Lesung
Änderungsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Johannes Becher u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hier: Evaluation der Einkommensgrenze verankern (Drs. 18/4163)
Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Vereinbarung im Ältestenrat 32 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Die Verteilung sieht wie folgt aus: CSU neun Minuten, GRÜNE sechs Minuten, FREIE WÄHLER fünf Minuten, AfD vier Minuten, SPD vier Minuten, FDP vier Minuten, Staatsregierung neun Minuten, die beiden fraktionslosen Abgeordneten jeweils zwei Minuten.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Sylvia Stierstorfer von der CSUFraktion das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.