Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 87. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Wir tagen auch heute wieder in hälftiger Besetzung. Mit den Parlamentarischen Geschäftsführern habe ich vereinbart, dass wir die geltende Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung am Platz außer Kraft setzen, das heißt, dass Sie nun alle ohne Mund-Nasen-Bedeckung am Platz sitzen dürfen, allerdings nur, wenn die Inzidenz in ganz Bayern unter 25 liegt. Wir werden zu Beginn der Sitzung immer bekannt geben, welche Regelung gerade gilt.
Zu Beginn unserer Sitzung wollen wir heute hier im Bayerischen Landtag der Opfer des Attentats von Würzburg gedenken. Wir trauern um die drei ermordeten Frauen. Unsere Gedanken gelten natürlich ihren Familien und ihren Freunden. Wir beten für eine rasche und auch vollständige Genesung der zum Teil sehr schwer Verletzten.
Wir danken den mutigen Menschen, die den Täter in Schach gehalten haben, bis ihn die Sicherheitskräfte überwältigen konnten. Diese Menschen haben selbstlos Hilfe geleistet und eine unglaubliche Zivilcourage bewiesen. Ihr Mut hat noch Schlimmeres verhindert, ja wahrscheinlich auch Menschenleben gerettet. Unabhängig von ihrem Hintergrund und ihrer Herkunft hat sie das Motiv geeint, Menschen in Gefahr beizustehen und ihnen zu helfen. Das verdient tief empfundenen Dank und die allergrößte Wertschätzung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Tat wie jene in Würzburg ist neben Trauer und Schmerz auch begleitet von Wut und von offenen Fragen. Manche werden unbeantwortet bleiben. Einige Antworten werden vielleicht unbefriedigend sein, vielleicht auch nachgereicht werden müssen; denn schnelle, einfache Antworten sind meist wenig wert.
Richtig ist: Wir haben ein Recht auf Antworten. Wir wollen auch die Wahrheit erfahren. Zugleich sollten wir aber großen Wert darauf legen, dass die Fakten sorgfältig ermittelt und bewertet werden. Ich persönlich habe volles Vertrauen in unseren Rechtsstaat. Politik, Sicherheitsbehörden und Justiz werden Fakten bewerten, Antworten liefern und, wo das erforderlich ist, natürlich auch die Konsequenzen ziehen.
Lassen Sie mich losgelöst von dem konkreten Fall den Bürgerinnen und Bürgern versichern: Politik, Sicherheitsbehörden und Justiz müssen die Augen weit geöffnet haben für die Wahrheit und für die Lehren, die daraus zu ziehen sind, etwa im Umgang mit psychisch kranken Schutzsuchenden, in der Integration, im Kampf gegen extremistische und terroristische Gefährder unserer Verfassung und unserer Lebensweise und in der konsequenten Bekämpfung von Menschenverachtung jedweder Art. Auch die Abgründe, die ein Mensch haben kann – und zwar egal, woher er kommt –, sind für uns Handlungsauftrag, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn schon der Einzelfall hat katastrophale Folgen für die Opfer und für unser Zusammenleben.
Für die gesellschaftliche Debatte wünsche ich mir, dass die mörderische Tat von Würzburg und ihre Opfer nicht für Stimmungsmache missbraucht werden. Ich wünsche mir, dass wir, zumal in Zeiten des Wahlkampfes, unsere Worte und unsere Bewertungen genau abwägen, dass wir sehr genau hinschauen und dass wir sehr genau differenzieren, ohne zu relativieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie jetzt bitten, sich zum Gedenken an die Opfer von Ihren Plätzen zu erheben. Die Erinnerung an sie wird Teil unseres Landes bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in unsere Gedanken schließen wir auch die zwölf deutschen Soldaten ein, die bei dem Anschlag auf die Friedensmission der UN im Norden von Mali zum Teil schwer verletzt worden sind. Unter ihnen sind auch sechs Soldaten von den bayerischen Standorten in Freyung und Roding. Wir hoffen auf ihre baldige Genesung. Wir fühlen auch mit ihren Familien, und wir beten für ihre Kameradinnen und Kameraden, die im In- und Ausland im Einsatz sind – als Parlamentsarmee. Sie sind dort in unserem Interesse, und das muss uns auch eine Verpflichtung sein. –
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun folgt ein etwas harter Schnitt. Aber auch an einem solchen Tag gibt es frohe Ereignisse, die wir gemeinsam feiern dürfen. Ich freue mich, dass ich unserer Staatsministerin Kerstin Schreyer zu einem runden Geburtstag gratulieren darf, ebenso dem Kollegen Karl Straub zu einem runden Geburtstag und den Kollegen Alfons Brandl und Franz Pschierer zu einem halbrunden Geburtstag. Unseren Geburtstagkindern alles Gute, Glück, Gesundheit und natürlich Mut und Zuversicht – diese gehören auch dazu. Alles Gute.
Dieses Mal beginnt die SPD mit Fragen, gefolgt von FDP, CSU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, FREIEN WÄHLERN und AfD. Es gelten die beschlossenen Regelungen für Wortmeldungen bzw. für die Zeiten.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur schlaglichtartig berichte ich zur heutigen Situation in Bezug auf Corona. Wir hatten heute 70 neue Infektionsfälle und sechs neue Todesfälle. Die Inzidenz ist in Bayern mit 5,4 erfreulich niedrig. Wir haben insgesamt ein niedriges Infektionsgeschehen. Das ist positiv zu bewerten. Gott sei Dank sind auch in den Krankenhäusern nur wenige Betten im Bereich ICU mit COVID-19-Patienten belegt. Das sind Dinge, die uns insgesamt positiv stimmen könnten.
Allerdings ist die Delta-Variante – das nehmen Sie in der Diskussion ja wahr –, aus meiner Sicht auch in unserem Land inzwischen die beherrschende Variante. In Bayern ist diese Variante mit 25 % vertreten. Ich glaube aber, dass es durchaus eine Dunkelziffer gibt und die Durchsetzungsrate höher ist. Von daher werden wir uns darauf einstellen müssen, dass die Delta-Variante in den nächsten Wochen das bestimmende Thema ist. Wie können wir die Maßnahmen weiter vorantreiben? Wie können wir auf der anderen Seite diese Variante in den Griff bekommen, gerade auch in Bezug auf die Hospitalisierung und auf die Frage, wie sich die Krankheitsverläufe bei der Delta-Variante darstellen?
Was uns in diesem Zusammenhang tatsächlich hilft, ist das Impfen. Bei den Erstimpfungen haben wir eine Impfquote von 54,4 %, bei den Zweitimpfungen von über 38 %. Die Zweitimpfung und damit der vollständige Impfschutz ist in Anbetracht der Delta-Variante tatsächlich entscheidend und wichtig. Deswegen bitte ich auch von dieser Stelle aus noch einmal die Menschen in unserem Lande, sich impfen zu lassen.
Wir erleben gerade tatsächlich ein Stück weit einen Paradigmenwechsel: Bis vor Kurzem wollten noch viele Menschen einen Impftermin haben, und jetzt suchen wir Menschen, die bereit sind, sich impfen zu lassen.
Wir werden uns in Kürze über Auffrischungsimpfungen sehr intensiv unterhalten müssen, auch mit der Ständigen Impfkommission, insbesondere in Bezug auf die vulnerablen Gruppen in den Alten- und Pflegeheimen, die wir zu Anfang besonders geschützt haben. Ich lese, dass es dort kürzlich nur noch fünf Neuinfektionen gab: das ist wirklich ein Erfolg, auch des Impfens. Davon profitieren gerade diese Menschen. Dort hatte es ja furchtbare Ausbrüche gegeben.
Wir sollten das Erreichte nicht aufs Spiel setzen und müssen dranbleiben, was Auffrischungsimpfungen angeht. Wir brauchen zu diesem Thema auch valide Aussagen der Wissenschaft. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Als erstem Fragesteller erteile ich Herrn Kollegen Florian von Brunn das Wort. Die Frage richtet sich an den Leiter der Staatskanzlei, Dr. Florian Herrmann.
Sehr geehrter Herr Minister Herrmann, die Regierungsfraktionen legen einen Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetenrechts vor und haben schon Gespräche mit den anderen demokratischen Fraktionen angekündigt. Beides hatten wir gefordert; wir begrüßen auch Ihre Initiative.
Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Wir sprechen hier über die dringend notwendigen Konsequenzen aus den Skandalen der vergangenen Monate – Stichwort Alfred Sauter, Stichwort Frau Tandler und Co. Die Tatsache, dass zum Beispiel Frau Tandler Millionen an Provision erhalten haben soll, sagt schon viel aus. Es ist schwierig, dies den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären.
Aus unserer Sicht verweigert die Staatsregierung immer noch hartnäckig eine umfassende und echte Aufklärung der Vorgänge im Zusammenhang mit den CoronaBeschaffungen – Masken, Schnelltests, Desinfektionsmaschinen – sowie die Vorlage der Akten, und das trotz wiederholter Aufforderungen, trotz zahlreicher Anfragen, trotz einer laufenden Klage vor dem Verfassungsgerichtshof, die meine Fraktion und ich eingereicht haben.
Deshalb frage ich Sie, Herr Staatskanzleiminister Dr. Herrmann: Sind Sie bereit, dem Landtag jetzt die Akten dieser umstrittenen und fragwürdigen Vorgänge vorzulegen, um die Corona-Beschaffungen endlich transparent zu machen und die noch bestehenden Zweifel auszuräumen?
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege von Brunn, die Staatsregierung wird selbstverständlich ihren Auskunftspflichten in der gebotenen Art und Weise nachkommen – Punkt.
Leider muss ich feststellen, dass Sie dazu jetzt keine Aussage machen wollen. Es ging ja sehr konkret um die Herausgabe der entsprechenden Akten. Deshalb frage ich weiter: Sind Sie bereit, einen unabhängigen
Also, Herr Kollege von Brunn, meines Erachtens handelt es sich hier zwar um die Befragung der Staatsregierung in Sachen Corona. Dieses Instrument dient der Klärung aktueller Fragen, aber nicht dem, was Sie schon seit Monaten im Schilde führen; Sie fahren nämlich eine Generalkampagne gegen die Staatsregierung und ihre in den vergangenen eineinhalb Jahren unternommenen Bemühungen, die Menschen in Bayern in einer außergewöhnlichen Notfall- bzw. Sondersituation zu schützen.
Wir werden irgendwann alle Themen vernünftig aufarbeiten und alle Fragen, die zu beantworten sind, beantworten. Das ist aber nicht etwas für eine Aktuelle Stunde hier im Bayerischen Landtag.
Nächster Fragesteller ist Herr Kollege Matthias Fischbach. Auch diese Frage geht an die Staatskanzlei.
Sehr geehrter Herr Staatsminister, da der Ministerpräsident heute leider nicht persönlich kommen konnte, möchte ich Sie als Chef der Staatskanzlei an seiner Stelle um eine Klarstellung bitten. Der Ministerpräsident hat in der vergangenen Woche in der Pressekonferenz formuliert – Zitat –, "… dass wir eigentlich als Vorgabe haben wollen, dass im September in jedem Klassenzimmer ein Lüfter, ein mobiler Lüfter" sei.
Es gab weder von mir noch von einem anderen Mitglied der Staatsregierung die Zusage, dass jedes Klassenzimmer mit einem mobilen Luftreiniger ausgestattet wird.
Wie ist jetzt eigentlich die Linie der Staatsregierung? Wird es also entgegen den Worten des Ministerpräsidenten von vergangener Woche keine verbindliche Vorgabe zur Ausstattung von Klassenzimmern mit Luftreinigern bis September geben?
Frau Präsidentin! Kollege Fischbach, erstens: Gegen die Auffassung und Meinung des Ministerpräsidenten passiert hier mal gar nichts. Nummer eins.
Nummer zwei: Wir haben heute noch einmal sehr deutlich gemacht, dass wir alle, also die gesamte Staatsregierung, uns darauf vorbereiten bzw. alle Anstrengungen dafür unternehmen, dass – so, wie aktuell – auch nach den großen Ferien der Präsenzunterricht infektionsgerecht stattfinden kann.
Das Ganze hat mehrere Säulen: Eine Säule ist das Testen. Eine weitere Säule sind – aus pädagogischer Sicht – die Maßnahmen, die auch über den Sommer erfolgen können, was das Aufhol- oder Nachholprogramm betrifft; diese Maßnahmen fördern der Bund und der Freistaat. Die dritte Säule sind tatsächlich die Lüfter. Der Freistaat Bayern fördert die Sachaufwandsträger, also die Kommunen, mit 50 % bei den Anschaffungskosten der Lüftungsgeräte für die einzelnen Klassenzimmer. Wir schreiben die Anschaffung den Kommunen nicht vor, das heißt, sie ist nicht
verpflichtend; aber wir raten dazu, und zwar mit Nachdruck, weil wir sie für eine dringliche und wichtige ergänzende Maßnahme halten.
Der Gesundheitsminister hat heute im Kabinett dargelegt, welche Wirkung im positiven Sinne ein Lüftungsgerät im Klassenzimmer entfalten kann – als Ergänzung anderer Maßnahmen. Ich wiederhole: Wir halten die Anschaffung für richtig; deshalb empfehlen wir sie mit Nachdruck. Dies äußert sich in der 50-prozentigen Förderung, die der Freistaat dafür zur Verfügung stellen wird. Das sind keine unbeachtlichen Summen; es sind sogar sehr große Summen. Damit verdeutlichen wir, dass wir die Notwendigkeit sehen.
Die praktische Abwicklung wurde gestern mit den kommunalen Spitzenverbänden erörtert. Dabei muss man möglichst pragmatisch vorgehen. Eine Frage betrifft die Ausschreibung, die auch bei einem Auftrag solchen Umfangs möglichst unkompliziert erfolgen muss. Es geht auch um die Spezifizierung. Alles muss so sein, dass am Ende in den Klassenzimmern tatsächlich Lüfter ankommen, die dort die entsprechende – positive – Wirkung entfalten. Daran wird mit allem Nachdruck gearbeitet – so pragmatisch wie möglich und so schnell wie möglich.