Protokoll der Sitzung vom 17.07.2024

Liebe CSU, liebe FREIE WÄHLER, kriegen Sie doch einmal Ihren Kopf frei, kommen Sie einmal ein bisschen runter, chillen Sie einmal! Dann können wir auch konstruktiv über Drogenpolitik sprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie der Abgeordneten Anna Rasehorn (SPD))

Herr Kollege, es liegt eine Meldung zu einer Zwischenbemerkung vor. – Hierzu erteile ich Herrn Kollegen Franc Dierl von der CSU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Kollege Schuberl, ich habe jetzt mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen, dass Sie ein großer Kämpfer gegen Drogen sind. Das haben Sie uns hier jetzt eindeutig erklärt.

(Lachen bei der AfD)

Im gleichen Atemzug sprechen Sie von Schlagzeilen. Wird Ihnen nicht ein bisschen mulmig, wenn Sie daran denken, dass Sie sich so in Szene gesetzt und groß angekündigt haben, hier einen Joint zu rauchen? Sie haben auch noch Kamerateams bestellt und den Joint medienwirksamst auf den Südarkaden geraucht. Im Nachgang haben Sie sich dann beschwert, dass der Landtag Verbote erlässt, die die Rechte beschränken, die im Übrigen auch vom Präsidium mit den Stimmen der dort vertretenen grünen Abgeordneten und des grünen Vizepräsidenten beschlossen wurden. Herr Schuberl, kommen Sie nicht ein bisschen ins Überlegen, dass das, was Sie hier erzählen, an der Realität komplett vorbeigeht?

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Ich war vor ein paar Tagen auf dem 150-jährigen Gründungsfest der Feuerwehr Zenting. Dort hat der Bürgermeister ein Fass angezapft.

(Tanja Schorer-Dremel (CSU): Alkohol ist etwas anderes als Drogenrauchen!)

Wir haben das Bier in der Hand gehalten und fröhlich in die Kamera geprostet, damit dieses Fest, das sehr viel mit Trinken zu tun hat, in der Zeitung auch beworben wird. Ja, es ist komisch, da haben Sie recht, aber es ist legal. Das andere war genauso legal.

(Tanja Schorer-Dremel (CSU): Der Vergleich ist nicht haltbar!)

Ja, Sie haben recht, der Vergleich hinkt.

(Tanja Schorer-Dremel (CSU): Der hinkt total!)

An Cannabis stirbt niemand,

(Tanja Schorer-Dremel (CSU): An einem Glas Bier auch nicht!)

aber wir haben in Deutschland jedes Jahr 60.000 Tote allein durch Alkohol.

(Tanja Schorer-Dremel (CSU): Man kann sich eine Statistik auch schönreden!)

Nein, eine Statistik kann man nicht schönreden. Reden Sie diese Statistik bitte einmal schön! Jedes Jahr 140.000 Tote durch Tabakrauch, 60.000 Tote durch Alkohol und null Tote durch Cannabis. Bitte reden Sie diese Statistik einmal schön. Wie wollen Sie das denn tun?

(Beifall bei den GRÜNEN sowie der Abgeordneten Anna Rasehorn (SPD) – Tanja Schorer-Dremel (CSU): Sie vergleichen Äpfel mit Birnen!)

Danke schön, Herr Kollege. – Nächster Redner ist Herr Kollege Horst Arnold für die SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir nehmen die Gefahren des Cannabiskonsums sehr ernst. Wir verkennen nicht drogeninduzierte Psychosen, und dies schon seit Jahrzehnten, und stellen fest, dass dieser Missstand nicht erst seit dem 01.04. eingetreten ist, sondern unter dem Stichwort der Kriminalisierung dieser Verhaltensweisen seit vierzig Jahren andauert und sich verschlechtert. Wir stellen fest, dass Kriminalisierung in diesem Zusammenhang keinen Gesundheitsschutz bietet. Das hat nichts gebracht.

Sie legen unter dem Etikett des Gesundheitsschutzes ein Gesetz vor, das bei konkreter Anwendung Bürger, Verbraucher, aber auch die Ordnungsbehörden angesichts der bundesgesetzlichen Teillegalisierung von Cannabis eigentlich schika

niert. Der mündige Bürger, der mit dem legalen Konsum von Cannabis möglicherweise relativ verantwortlich umgeht, wird von Ihnen verwaltungsrechtlich kriminalisiert. Jugendliche, auf die Sie sich immer beziehen, werden im Hinblick auf die Strafbarkeit gar nicht erfasst. Das bleibt so und ist sogar verschärft worden. Daher hat das überhaupt keine Rolle zu spielen.

Im Rahmen Ihres Kulturkampfes und Ihrer Ereiferung merken Sie nicht einmal, dass Sie auf diese Art und Weise die erkannten fatalen Folgen des Tabakkonsums manifestieren. Frau Ministerin Gerlach hat Ende Mai festgestellt, dass in Bayern 16.000 Tote durch Tabak zu beklagen sind. Keine einzige Sequenz in Ihrem Gesetz dazu, dass in Raucherräumen und Schutzzonen Wasserpfeifen oder E-Zigaretten verboten sind und Minderjährige dort nicht sein dürfen. All das ist jetzt unter dem Gesichtspunkt legal, nur darf dort nicht gekifft werden. Geht’s noch? Ist es tatsächlich so, dass Tabakrauch gesundheitsunschädlich ist und die Jugendlichen neben ihrem Vater oder ihrer Mutter sitzen dürfen, wenn sie Tabak rauchen?

Sie spalten den Gesundheitsschutz! In Wahrheit wollen Sie legale Verhaltensweisen diskriminieren. Das ist eigentlich keine ehrliche Gesundheitspolitik. Im Bundesgesetz sind Ordnungstatbestände hinreichend thematisiert. Während Sie sich noch über Rauchverbote in 100 Metern Luftlinie bzw. Sichtweite von Kitas und Schulen mokieren, legen Sie Ihrerseits fest, dass auf Volksfesten – Stichwort Oktoberfest, ich wünsche viel Vergnügen – oder in entsprechenden Außenbereichen von Schankgaststätten – wer soll das ermitteln? – ein Konsum von Cannabis nicht möglich ist. Jeder, der raucht und möglicherweise selbst dreht, wird von Ihnen unter Verdacht gestellt, weil er dabei unter Umständen Cannabisbröckchen einbezieht. Wie wollen Sie das im geregelten Verfahren beweisen, absichern und umsetzen? Das ist eine tatsächliche Unmöglichkeit. Praktisch kann das nicht kontrolliert werden.

Jetzt noch einmal zu der Sache mit den brachialen Ordnungswidrigkeiten: Herr Kollege Schuberl hat die im vierstelligen Bereich liegenden Strafen genannt. Ihnen scheint nicht so wichtig zu sein, Hundekot an Spielplätzen zu unterbinden. Hierfür sind gerade einmal 50 Euro fällig. Es ist doch auch ein gesundheitsgefährdender Tatbestand, dass derartige verurteilungswürdige Verhaltensweisen so billig tarifiert sind, während man hart bestraft wird, wenn man in 100 Metern Distanz Cannabis konsumiert. Das ist auch nicht zu billigen, aber denken Sie einmal über die Verhältnismäßigkeit nach! Deswegen bin ich froh, dass die Gerichte diese Verhältnismäßigkeit wiederherstellen; denn diese entscheiden darüber.

Eine Anfrage bei der Polizei hat ergeben, dass seit dem 01.04. in ganz Bayern 328 Ordnungswidrigkeiten festzustellen waren. Insofern verbreiten Sie hier Hysterie. Wir sagen Ja zu einem Cannabishysteriefolgenbegrenzungsgesetz. Ihres ist keines. Deswegen lehnen wir es ab.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Susann Enders für die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Teillegalisierung von Cannabis hat meines Erachtens gar nichts mit verantwortungsvoller Regierungsarbeit zu tun. Haben die in Berlin tatsächlich nichts anderes zu tun, als eine Droge zu legalisieren oder zu teillegalisieren? Die Ampel packt weder die großen, wirklich wichtigen Themen an – ich sage nur Krankenhäuser, Pflege, Rente, innere Sicherheit, Fachkräftemangel, Migration und Zuwanderung –,

(Toni Schuberl (GRÜNE): Was macht ihr dafür?)

noch ist man sich in Berlin über die Konsequenzen Ihrer Fehlentscheidungen im Klaren. Der riesige Verwaltungsapparat dient einfach nur dazu, Amnestie für alte Cannabisstraftaten erreichen. Ich schüttle nur den Kopf darüber, wofür Sie alles Geld ausgeben. Wie war das noch? Drei Milliarden Euro zusätzlich für das Bürgergeld, einfach einmal so noch mehr. Wofür geben Sie in Berlin noch Geld aus?

(Toni Schuberl (GRÜNE): Für die Ärmsten der Armen!)

Man kann darüber wirklich nur noch den Kopf schütteln. Geben Sie es gezielt und ordentlich dafür aus, was die Menschen in Bayern und in Deutschland brauchen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir sind hier in Bayern jetzt in der Situation, dass wir das retten müssen, was zu retten ist. Mit dieser Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs zur Begrenzung der Folgen des Cannabiskonsums kämpfen wir für ein Gesetz, das den Gesundheitsschutz tatsächlich aufrechterhalten wird. Mit der teilweisen Legalisierung von Cannabis besteht nun einmal die Gefahr, dass durch den Cannabiskonsum an besonders frequentierten Orten Konsumanreize für eine Vielzahl von Personen gesetzt werden, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Hier kann ich nur sagen: Schämen Sie sich in Berlin, dass Sie das völlig außer Acht gelassen haben. Da der Konsum von Cannabis mit erheblichen negativen gesundheitlichen Folgen einhergeht, besteht insoweit auch eine Gefahr für das Gemeinwohl. Für uns als FREIEWÄHLER-Landtagsfraktion hat die Suchtprävention seither oberste Priorität. Die gesundheitlichen Schäden durch den Konsum von Cannabis dürfen keinesfalls unterschätzt werden; oder wie Kollege Schuberl sagt: Ja, chillt mal, kommt mal runter! – Nein, wir sind hier zum Arbeiten, und zwar mit klarem Kopf, ohne vorher einen Joint geraucht zu haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Bei all dem Verharmlosen von Cannabis – das habe ich bei der Ersten Lesung schon gesagt – ist es tatsächlich zu bezweifeln, ob es wirklich jedem Bürger oder auch jedem Politiker so bewusst ist, dass schon beim ersten Konsum von Cannabis schwerste Psychosen möglich sind. Das vergessen die meisten, wenn sie sich darüber lustig machen, dass wir den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger und vor allen Dingen auch der Kinder und Jugendlichen im Freistaat ernst nehmen.

Das vom Bundestag verabschiedete Cannabisgesetz ist inhaltlich und gestalterisch mangelhaft und lässt viele wichtige Fragen, auch in Bezug auf die Umsetzung der Teillegalisierung sowie die Kontrolle im Umgang mit Cannabis völlig unbeantwortet. Es läuft den Erfordernissen des Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutzes sowie der Suchtprävention diametral entgegen.

Darüber hinaus wird ein immenser Vollzugsaufwand verursacht; da sind wir wieder beim Geldausgeben. Manches ist für die Umsetzung in der Praxis überhaupt noch nicht geklärt. Wie wollen Sie denn klären, ob es bei jemandem, der einen Autounfall verursacht, im Auto nach Cannabis riecht oder nicht oder ob er vorher auf dem Parkplatz einen Joint geraucht hat? Ich kann hier wieder nur den Kopf schütteln.

Gerade der Kinder- und Jugendschutz ist im Zusammenhang mit den Regelungen zum Konsum von Cannabis besonders wichtig. Deswegen ist es richtig, an Orten, die auch Minderjährige besuchen, das Rauchen und Verdampfen von Cannabis einfach zu untersagen. Zu solchen Orten zählen nun einmal auch die Außengelände von Biergärten, Straßencafés oder Volksfeste und auch hier der Bayerische

Landtag; denn dieses Hohe Haus ist ein Ort für uns zum Arbeiten und ein Ort für unzählige Schulklassen zum Lernen, und es ist eben kein Ort zum Kiffen.

Daher lautet unsere ganz klare Ansage: Der Konsum von Cannabis muss in der Öffentlichkeit streng begrenzt werden. Wir müssen Kinder und Jugendliche schützen. Ebenso müssen wir auch unsere Kommunen auf diese neuen Herausforderungen vorbereiten und ihnen da einen Rahmen geben, wo der Bundestag keinen Rahmen gegeben hat. Die Regelungen bzw. Nachschärfungen sind unsere Pflicht, um die passiv betroffene Bevölkerung und dabei insbesondere Kinder und Jugendliche so weit wie möglich vor der Bundesregierung und vor den von Cannabis ausgehenden gesundheitlichen Gefahren zu schützen. Deshalb bitte ich dringend um Zustimmung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist hiermit geschlossen, und wir kommen zur Abstimmung.

Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf der Fraktionen CSU und FREIE WÄHLER auf Drucksache 19/2073 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Prävention auf Drucksache 19/2834 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Prävention empfiehlt Zustimmung zum Gesetzentwurf. Der endberatende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration empfiehlt ebenfalls Zustimmung mit der Maßgabe, dass mehrere Änderungen vorgenommen werden. Im Einzelnen verweise ich dazu auf Drucksache 19/2834.

Wer dem Gesetzentwurf mit den empfohlenen Änderungen zustimmen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der FREIEN WÄHLER, die CSU-Fraktion und die AfD-Fraktion. Gegenstimmen bitte ich ebenso anzuzeigen. – Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Gesetzentwurf so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch dagegen erhebt sich nicht.

Wer dem Gesetzentwurf in der soeben beschlossenen Fassung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich jetzt von seinem Platz zu erheben. – Das sind die Fraktionen der CSU, der FREIEN WÄHLER und der AfD. Gegenstimmen bitte ich auf die gleiche Weise anzuzeigen. – Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SPD. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist das Gesetz damit angenommen. Es hat den Titel: "Bayerisches Gesetz zur Begrenzung der Folgen des Cannabiskonsums (Bayerisches Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz)".

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, möchte ich hiermit bekannt geben, dass zum Tagesordnungspunkt 20, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend "Landkreise für den Mangel an staatlichem Personal in den Landratsämtern kompensieren" auf Drucksache 19/1976, von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN namentliche Abstimmung beantragt worden ist.

Ich rufe hiermit den Tagesordnungspunkt 15 auf: