Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, gebe ich bekannt, dass die SPD-Fraktion zum aktuell aufgerufenen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 19/3339 namentliche Abstimmung beantragt hat. Die CSU-Fraktion hat zum nachfolgenden Antrag auf Drucksache 19/3340 – "Pflegerevolution jetzt!" – ebenfalls namentliche Abstimmung beantragt.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es verwundert mich schon ganz besonders, mit welchem Wirbel wir so ein Thema besprechen. Ich war vor meiner Zeit hier, also bis vor 11 Monaten, an einer Realschule als Lehrer tätig, 23 Jahre lang. Ich war Verbindungslehrer, ich war Personalrat, und ich war an vielen Elternsprechtagen und Lehrerkonferenzen beteiligt. Ich habe so eine hitzige Debatte zu diesem Thema in keinem der Gremien erlebt. Wir sollten die Entscheidung lieber denjenigen überlassen, die diese Entscheidung umsetzen und damit leben müssten. Wir sollten uns nicht die Köpfe über etwas zerbrechen, das uns letzten Endes überhaupt nicht betrifft. Liebe Leute, wir müssen schon die Kirche im Dorf lassen!
Als ehemaliger Schüler verwundert mich die Debatte nicht. Da hätte ich mir natürlich vieles gewünscht. Damals hätte der Schulalltag ohne Exen ganz anders ausgesehen. Ich bin aber im Nachhinein froh darüber, dass der Schulalltag so ausgeschaut hat, wie er ausgeschaut hat. Ich bin froh darüber, dass ich in der Früh rechtzeitig habe aufstehen müssen, dass ich meine Sachen beieinanderhaben musste, dass ich das Wissen über das am Vortag Gelernte parat haben musste. Ich bin froh, dass ich nicht fünf Ankündigungen dafür gebraucht habe. Mir hat nicht jeden Abend jemand sagen müssen, dass ich morgen Früh um sechs Uhr aufstehen muss. Das habe ich spontan selber gemacht.
Als ehemaliger Lehrer überrascht mich diese Debatte auch nicht. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es doch selbstverständlich ist, dass man als Jugendlicher gerne einen einfacheren Weg geht. Man sucht sich nicht wirklich jeden Stolperstein und jede Hürde aus. Man versucht, unkompliziert durchs Leben zu kommen. Aber das wird sich später rächen. Deshalb bin ich nicht überrascht. Ich muss einfach
sagen: Der ganze Dringlichkeitsantrag ist für mich zu pauschal und fachlich unzureichend. Deshalb frage ich mich, warum wir hier so einen Wirbel veranstalten.
Ich möchte ausdrücklich der Kultusministerin Anna Stolz danken, dass sie eine moderne Politik praktiziert. Eine moderne Politik setzt auf Dialog und nicht aufs Anschaffen und darauf, dass etwas ins Hausaufgabenheft geschrieben wird.
Man versucht, miteinander zu arbeiten. Das ist auch die Arbeitsweise eines jeden Lehrers. Die Kollegin hat vorhin schon gefragt, wo die Wertschätzung für die Lehrkräfte bleibt. Ich glaube, wir Lehrer arbeiten mit den Schülern gut zusammen. Das ist uns ein ganz großes Anliegen. Niemand von uns schreibt eine Ex, weil er Kinder schikanieren möchte.
Deshalb bin ich nicht Lehrer geworden, sondern weil ich die jungen Leute auf das Leben vorbereiten möchte und weil ich ihnen sagen möchte, wie man gut durchs Leben kommt.
Deshalb bin ich der Ministerin ausgesprochen dankbar. Wenn ich wieder zurückgehe als Lehrer, wenn meine Zeit hier einmal zu Ende ist, dann profitiere ich von dieser Bildungspolitik; da bin ich mir ganz sicher.
Es ist klar, dass wir diese Prüfungskultur erörtern, dass wir in einen gemeinsamen Dialog eintreten und so die bayerische Bildungspolitik weiterentwickeln. Wir wollen uns aber nicht wieder ein engeres Korsett anlegen, wollen nicht mehr Vorschriften und alles Mögliche. Wir müssen die Dinge dort bearbeiten und besprechen, wo sie wirklich gebraucht sind und wo sie stattfinden. Wir müssen denen vor Ort wesentlich mehr zutrauen. Wir haben diese Kompetenzen. Wir haben gut ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen. Ich traue es ihnen zu, dass sie das selber und ohne Vorschriften durch uns hinbekommen.
Es wäre meines Erachtens vermessen zu glauben, weil es 20.000 Unterschriften gibt, dass von den 1,7 Millionen Schülerinnen und Schüler alle genau diesen Weg wollen. Es gibt ganz viele Schüler, die rückmelden, dass sie geprüft werden wollen. Sie wollen zeigen, was sie können. Sie wollen beweisen, dass sie spontan etwas leisten können. Sie werden bei der Feuerwehr, im Trachtenverein und überall dort, wo sie engagiert sind, auch nicht alles angekündigt machen. Auch dort müssen sie spontan reagieren können. Das wollen sie in der Schule genauso. Die Schule soll nämlich Teil des Lebens sein und kein eigener Kosmos.
Deshalb finde ich, dass wir die Schüler hier unterstützen müssen, damit sie leistungsbewusst denken, dass man Anreize schaffen muss, damit sie Leistungen erbringen wollen. Nur so können sich die Schüler zu wirklich starken Schülern und starken jungen Leuten entwickeln. Ich bin nie deshalb Lehrer geworden, weil ich wollte, dass nach zehn Jahren ganz brave Kinder rauskommen, sondern die Schülerinnen und Schüler sollen selbstbewusst sein, sie sollen etwas können, sie sollen Vertrauen in die Gesellschaft haben, und sie sollen sich engagieren. Wir wollen nicht, dass die Schülerinnen und Schüler in einem Bällebad groß werden und dann schauen müssen, wie sie später zurechtkommen.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU – Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Außer sie wollen Generalsekretär bei den GRÜNEN werden! – Arif Taşdelen (SPD): Das ist vermessen!)
Mir ist es wichtig, dass wir die jungen Leute auf die heutige Leistungsgesellschaft, auf den Druck, der in der Berufswelt auf den jungen Leuten lastet, vorbereiten.
Vor meinem Beruf als Lehrer habe ich eine Lehre zum Schreiner gemacht. Mich hat mein Chef nicht am Vortag angerufen und darauf vorbereitet, dass ich am nächsten Tag einen Fensterstock setzen muss. Er hat mich vielleicht mittags wohin geschickt, wo die Fenster nicht funktioniert haben, und dann habe ich das machen müssen. Da war ich auch 16. Ich war auch mit 16 Jahren in der Realschule als Schüler, und ich habe keinen Unterschied erkennen können, warum das in der Schule anders sein soll als in der Lehre. Wir müssen da dranbleiben.
Es freut mich, dass wir hier in einen Prozess einsteigen, dass wir am Anfang eines Dialogs stehen, den wir gemeinsam gestalten können. Ich lade alle Fraktionen dazu ein. Ich denke, wir arbeiten im Bildungsausschuss gut zusammen, und wir sollten uns nicht von einer überhitzten Debatte auseinanderdividieren lassen. Es ist jeder eingeladen, seine Ideen einzubringen. Ich glaube, der Dialogprozess ist offen gestaltet. Wir müssen aber immer im Blick behalten, die jungen Leute zu fördern und zu fordern. Dieses Prinzip müssen wir beibehalten. Wir wollen Herz, Hand und Charakter der jungen Leute bilden, und das muss man mit allen Möglichkeiten, die es gibt.
Manche tun so, als gäbe es nur die klassischen schriftlichen Prüfungen und als ginge es nur mit Druck und Angsteinflößen; so ist es aber nicht. Man bewertet Projekte. Es gibt die Projektarbeit, mündliche Prüfungen und schriftliche Leistungsnachweise. Es gibt ein breites Portfolio. Dieses können kompetente Lehrerinnen und Lehrer nach ihrem besten Wissen und Gewissen nutzen. Diese Freiheit haben wir.
In dem Dringlichkeitsantrag heißt es also, an den Realschulen wäre es quasi verpflichtend. – Ich habe 23 Jahre an einer Realschule gearbeitet. Ich kann also ganz ehrlich sagen, das stimmt so nicht.
Ich möchte betonen, dass wir den Lehrerinnen und Lehrern sowie der Schule selbst schon bisher sehr viele Freiräume gewährt haben und dass wir dieses Prinzip beibehalten wollen,
Ich fände es einfach gut, wenn wir uns jetzt miteinander gut um unsere Schulen kümmerten, damit wir uns gut für die neuen Prozesse mit KI und ChatGPT aufstellen. Wir sollten aber nicht möglichst viel umschmeißen und ein Durcheinander erzeugen. Ich finde, wir müssen gemeinsam das Beste für die Schülerinnen und Schüler wollen; der Lehrer und die Lehrerin vor Ort wissen das am allerbesten. Deshalb dazu eine herzliche Einladung!
Ich wünsche mir aber, dass sich die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer von unserer Debatte nicht durcheinanderbringen lassen, sondern dass sie erfolgreich ins Schuljahr gestartet sind, dass sie alle die Kinder im Blick haben, dass man die Eltern unterstützt, wo es notwendig ist. Dann können Schule und Ausbildung gelingen. Ich danke allen, die dazu beitragen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Bleiben Sie bitte noch. – Es liegt eine Meldung zu einer Zwischenbemerkung der Kollegin Nicole Bäumler vor.
Herr Kollege, Sie haben gerade erwähnt, dass Sie zunächst Schreiner waren und dann als Fachlehrer an die Realschule gekommen sind. Ich gehe also davon aus, dass Sie die Fachlehrerausbildung an einem Staatsinstitut gemacht haben. Mich würde schon einmal interessieren: Gab es da unangekündigte Leistungsnachweise? Hat der Dozent da jemanden aufgerufen und zur Abfrage gebeten? Wenn nein, hätten Sie sich gewünscht, dass es so ist, damit Sie besser auf Ihr Berufsleben vorbereitet worden wären?
Das ist eine ideale Frage. Liebe Nicole, es freut mich, dass du mich das fragst, denn unangekündigte Abfragen hat es an der Stelle gegeben.
Es war eine sehr praxisnahe Ausbildung, die ich nur sehr loben kann. Also, Sie sehen, es ist aus mir etwas geworden. – Vielen herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe im vergangenen Schuljahr wirklich sehr viele Gespräche geführt: mit Lehrkräften, mit Schülerinnen und Schülern, mit Eltern. Ich bin auch im Rahmen meiner Veranstaltungsreihe "Zukunftswerkstatt Bildung in Bayern" in Dialog getreten und habe mich intensiv darüber ausgetauscht, wie wir die Bildung in Bayern weiterentwickeln, wie wir sie noch besser machen können.
Da wurde überall auch diskutiert, wie das digitale Lernen, insbesondere auch KI, unsere Schulen, das Lernen und Lehren verändert. Damit einher geht natürlich auch die Frage, wie sich diese Veränderungen auf die Prüfungskultur auswirken müssen, damit sie noch zeitgemäßer wird.
Ich habe deshalb zu Beginn des Schuljahres vor wenigen Wochen einen Dialogprozess angekündigt, um die Fragen intensiv zu beleuchten, was, wie und wie viel wir prüfen. Meine Damen und Herren, dieser Dialogprozess ist auch nicht abgebrochen, sondern wir starten ihn jetzt mit der gesamten Schulfamilie.
Wir müssen uns damit einhergehend natürlich damit befassen, wie wir in der Schule mit Druck umgehen. Das Thema war in allen meinen Gesprächen beherrschend, und ich nehme es sehr ernst. Für mich hat das Thema Druck zwei Facetten: Auf der einen Seite müssen wir selbstverständlich darüber nachdenken, ob wir an der einen oder anderen Stelle Druck rausnehmen müssen. An den Schulen sind in den letzten Jahren viele zusätzliche Aufgaben hinzugekommen. Auf der anderen Seite – das zu betonen, ist mir schon sehr wichtig – kann es nicht die alleinige Lösung sein, von den Kindern immer weniger zu fordern; denn mein oberstes Ziel ist es ja, die Kinder stark zu machen – für das Leben, für die Arbeitswelt und natürlich auch
Druck als Phänomen an sich ist für mich auch nicht per se schlecht. Er ist nur schlecht, wenn er entweder zu viel ist oder man nicht die Fähigkeit hat, angemessen damit umzugehen. Unangekündigte Leistungsnachweise, wozu im Übrigen nicht nur Exen, sondern auch mündliche Abfragen und Unterrichtsbeiträge gehören, können dazu beitragen, Schülerinnen und Schüler
dazu zu befähigen, spontan adäquat mit Drucksituationen umzugehen, sie stark und damit fürs Leben fit zu machen. Meine Damen und Herren, das ist mir wichtig.