Protokoll der Sitzung vom 26.09.2024

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Genau deshalb starten wir jetzt den Dialogprozess. Für mich ist aber schon jetzt klar: Es gibt keine pauschalen Lösungen für alle Schularten. Es braucht einen sehr differenzierten Blick. Nicht ohne Grund haben wir in Bayern ein sehr erfolgreiches differenziertes Schulsystem, in dem wir alle Schülerinnen und Schüler nach ihren individuellen Talenten und Fähigkeiten in der jeweiligen Schulart passgenau fördern.

Noch einmal zur Klarstellung: Es geht in diesem Dialogprozess also nicht nur um unangekündigte Leistungsnachweise und schon gar nicht nur um die Ex. Es geht um viel mehr. Es geht um innovative, zeitgemäße Prüfungsformate. Es geht um die Anzahl und natürlich auch um die Inhalte.

Wir werden uns für diese so wichtigen Fragen die erforderliche Zeit nehmen, die beste Bildung verdient.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Apropos beste Bildung: Herr Atzinger, "Husch, husch ins Körbchen" können Sie sich im Übrigen sparen.

(Arif Taşdelen (SPD): Bravo! Buh! – Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Bravo! – Arif Taşdelen (SPD): Schämen Sie sich, Herr Atzinger! – Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der CSU, den GRÜNEN und der SPD)

Ich bin ein Mensch, ich bin kein Hund. Zu guter Bildung, die trotz Exen bei Ihnen nicht geklappt zu haben scheint, gehört auch ein respektvoller Umgang.

(Anhaltender Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der CSU, den GRÜNEN und der SPD – Arif Taşdelen (SPD): Der beste Beweis, dass Exen nichts bringen!)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, pauschale Lösungen, Schnellschüsse sind sicherlich nicht der richtige Weg. Wir sind auch gegen generelle Verbote. Wir setzen auf Vertrauen in unsere Lehrkräfte. Wir setzen auf Eigenverantwortung, und wir setzen auf Dialog. Deswegen lehnen wir auch den Dringlichkeitsantrag und den Nachzieher ab. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU – Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Bravo!)

Vielen Dank. – Wir haben eine Meldung zu einer Zwischenbemerkung des Kollegen Arif Taşdelen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, meine Tochter ist auf dem ältesten Gymnasium Deutschlands. Ich lade Sie gerne ein, nach Nürnberg zu kommen, um gemeinsam diese Schule zu besuchen, die 500 Jahre alt geworden ist. Meine Tochter war Unterstufensprecherin; vor zwei Jahren kam sie auf mich zu und sagte, die Exen stressten alle sehr.

(Zurufe von der CSU, den FREIEN WÄHLERN und der AfD: Oh!)

Das sei Thema bei ihnen. Sie fragte, ob wir im Bayerischen Landtag das Ganze nicht einmal diskutieren könnten. Daraufhin habe ich mit unseren Bildungspolitikerinnen am 21.12.2022 einen Antrag mit der Drucksache 18/25829 gestellt. Er wurde abgelehnt; damit war das Thema erledigt. Jetzt hat das Thema Aktualität.

Frau Ministerin, auf der einen Seite wollen Sie mit der "Verfassungsviertelstunde" Demokratie quasi erlebbar machen. Auf der anderen Seite haben 20.000 Schülerinnen und Schüler eine Petition unterschrieben, und wir bügeln das im Bayerischen Landtag einfach ab.

(Unruhe)

Das ist kein demokratischer Prozess.

Bitte achten Sie auf Ihre Redezeit.

Der Weg, den Sie ursprünglich eingeschlagen haben, war der richtige. Deswegen lade ich Sie dazu ein, diesen Weg weiterzugehen, um den Schülerinnen und Schülern zu zeigen, dass Demokratie auch tatsächlich Diskussion bedeutet.

Frau Ministerin.

Noch einmal ganz herzlichen Dank für den Beitrag. – Das Gegenteil ist der Fall. Wir bügeln das nicht ab. Ich starte jetzt einen Dialogprozess. Er ist viel umfassender und – ich muss auch sagen – viel komplexer als in Ihrem Antrag dargestellt. Er erlaubt keine Schnellschüsse. Dafür ist das Thema zu wichtig. Dafür sind unsere Kinder und Jugendlichen in Bayern zu wichtig. Es braucht eine differenzierte Betrachtungsweise, und diese haben wir.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu werden die Anträge wieder getrennt.

Wir führen zunächst die namentliche Abstimmung über den Antrag mit der Drucksache 19/3339 "Abschaffung von unangekündigten Leistungsnachweisen an allen Schularten" durch. Die Abstimmung erfolgt elektronisch. Die Abstimmzeit ist eröffnet und dauert fünf Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 17:01 bis 17:06 Uhr)

Die Abstimmzeit ist beendet. Das Ergebnis wird ermittelt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich bitte um Ruhe. Jetzt stimmen wir über den nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 19/3425 ab.

Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der GRÜNEN und der SPD. Gegenstimmen! – Das sind die Fraktionen der CSU, der FREIEN WÄHLER und der AfD. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Bevor ich den nächsten Dringlichkeitsantrag aufrufe, gebe ich bekannt, dass auch zum Dringlichkeitsantrag der Fraktion FREIE WÄHLER auf der Drucksache 19/3341 "Bahnausbau im Nordosten Bayerns beschleunigen – Verbindung nach Tschechien verbessern!" namentliche Abstimmung beantragt wurde.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich nun auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Klaus Holetschek, Michael Hofmann, Prof. Dr. Winfried Bausback u. a. und Fraktion (CSU), Florian Streibl, Felix Locke, Thomas Zöller u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Pflegerevolution jetzt! (Drs. 19/3340)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Johannes Becher, Andreas Krahl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Pflege in Bayern gestalten - zukunftsweisende Ansätze im Freistaat umsetzen und auf demografische Entwicklungen reagieren! (Drs. 19/3426)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und erteile dem Kollegen Bernhard Seidenath das Wort.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sicherstellung einer menschenwürdigen Pflege

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

ist eine der zentralsten politischen Aufgaben der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Es ist das politische Megathema, zu dem wir auch ethisch verpflichtet sind. Eine menschenwürdige Pflege gehört zur Humanität unserer Gesellschaft. Auch die Menschen in Bayern sehen das so. Eine aktuelle Umfrage belegt: Medizinische Versorgung und Pflege werden von den Bürgerinnen und Bürgern Bayerns als die wichtigsten Themen angesehen – mit Abstand: 94 % sagen, das sei sehr wichtig oder wichtig –, gefolgt von den Themen "Wirtschaft und Arbeitsplätze" sowie "Kriminalität und Sicherheit".

Das Thema Pflege ist absolut dringend; denn bildlich gesprochen rast hier ein ICE auf eine Felswand zu. Grund ist unsere demografische Entwicklung: Wir werden älter, und mit dem Alter steigt das Risiko der Pflegebedürftigkeit. Das heißt, die Zahl der Pflegebedürftigen steigt ebenfalls an. Seit den 1970er Jahren wurden deutlich weniger Kinder geboren. Damit fehlt es am Nachwuchs für die Pflegetätigkeiten. Es gibt also einerseits eine höhere Nachfrage nach Pflegeleistungen und andererseits weniger Menschen, die diese erbringen können. Die Kerze brennt von beiden Seiten. Das geht noch einige Jahre so weiter; der Peak ist hier noch längst nicht erreicht. Das wird erst in 20 bis 25 Jahren der Fall sein.

Für alle, die sich mit dem Thema schon einmal beschäftigt haben, ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Anzahl der Pflegebedürftigen steigt. Den Bundesgesundheitsminister hat das Ende Mai dieses Jahres allerdings überrascht. "In den letzten Jahren ist die Zahl der Pflegebedürftigen geradezu explosionsartig gestiegen", hat er in einem Interview erklärt, demografisch bedingt sei 2023 nur mit einem Zuwachs von rund 50.000 Personen zu rechnen gewesen. Doch tatsächlich beträgt das Plus über 360.000, sagt Herr Prof. Lauterbach, der betont, dass sein Haus und er noch nicht genau verstünden, woran das liege. Sie würden sich nun an die Ursachenforschung machen. Für eine Pflegereform in dieser Legislaturperiode habe er jedenfalls keine freien Valenzen mehr. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht mehr und nicht weniger als eine Bankrotterklärung der Pflegepolitik auf Bundesebene.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Wir müssen nicht die Ursachen erforschen. Wir brauchen keine wissenschaftlichen Arbeiten. Wir müssen nicht verifizieren, ob dieser Trend wirklich stimmt, sondern wir müssen dringlichst und schleunigst handeln. Die Vorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch. Wir müssen sie nun endlich umsetzen; denn die Situation ist dramatisch. Niemanden, der sich auskennt, hat das überrascht.

Der Bundesgesundheitsminister ist ratlos und bleibt tatenlos. Das macht mich, das macht uns fassungslos; denn schon im Mai 2024 zu wissen, dass er bis September 2025 keine Kraft mehr für eine Pflegereform hat, dass er nichts mehr auf die Kette bekommt, ist einfach ungeheuerlich. Ganz offenbar hat das BMG mit der Legalisierung von Cannabis sein ganzes Pulver für diese Wahlperiode verschossen.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Vernünftige und wirklich wichtige Initiativen wie die Pflegereform bleiben dagegen liegen. Es ist zum Weinen. Nicht Forschen, sondern Handeln lautet die Devise; sonst laufen wir in eine humanitäre Notlage.

Wir dürfen auch nicht nur irgendwie und ein bisschen handeln, sondern wir brauchen Mut. Ja, es klingt zwar markig, aber es ist nicht übertrieben: Wir brauchen eine Revolution und nicht nur ein Pflegereförmchen, wie wir es 2021 am Ende der Regierungszeit der letzten Bundesregierung erlebt haben. Wir brauchen einen großen Wurf. Genau diesen fordern wir mit unserem heutigen Dringlichkeitsantrag ein und liefern gleich die Punkte mit, die umgesetzt werden müssen; denn wir müssen Pflege neu, wir müssen sie anders und wir müssen sie groß denken, um die vielen Baustellen anzugehen.

Pflege darf kein Armutsrisiko mehr sein. Wir brauchen deshalb eine auskömmliche Finanzierung. Wir müssen pflegende Angehörige wirksam entlasten und deutlich stärker als bisher unterstützen. Wir müssen Bürokratie abbauen. Wir brauchen wirksame Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der Pflege. Wir brauchen eine Vereinfachung und eine Regionalisierung der Strukturen. Wir brauchen Entbürokratisierung und mehr Digitalisierung. All dies fordern wir in unserem heutigen Dringlichkeitsantrag und umschreiben die notwendigen Maßnahmen näher. Mit dem Antrag bauen wir auf einer Resolution auf, die wir in der letzten Woche auf unserer Klausurtagung in Kloster Banz erarbeitet und beschlossen haben.

Für die notwendige umfassende Pflegestruktur auf Bundesebene darf es keine Denkverbote geben. Deshalb sprechen wir uns auch dafür aus, eine Vollversicherung in der Pflege zu prüfen. Pflege muss nämlich den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden, unabhängig davon, wo sie stattfindet: daheim, in einer Wohngemeinschaft, im betreuten Wohnen, stambulant oder in einem Heim. Wir müssen ganz klar die starren Grenzen zwischen den Sektoren Ambulant und Stationär

überwinden. Jeder soll sein Ränzlein Pflege dorthin mitnehmen und einlösen können, wo er es braucht und wie er es braucht.