Protokoll der Sitzung vom 28.11.2024

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die 34. Vollsitzung des Bayerischen Landtags eröffnen. Im Anschluss folgt die Regierungserklärung des Staatsministers für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie Hubert Aiwanger mit Aussprache. Das BR-Fernsehen wird live übertragen.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, bitte ich Sie, sich vom Platz zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)

Bereits am 3. November ist im Alter von 88 Jahren Peter Schnell verstorben. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1966 bis 1972 an und vertrat die CSU im Stimmkreis Ingolstadt Stadt und Land.

Peter Schnell studierte in Erlangen und München Rechtswissenschaften und war in der bayerischen Justiz als Staatsanwalt bzw. Amtsgerichtsrat tätig.

Im Bayerischen Landtag war er insbesondere Mitglied im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen. 1972 schied er aus dem Landtag aus und wurde Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt, und das für 30 Jahre. In dieser prägenden Zeit führte er mit fachlichen und menschlichen Qualitäten seine Heimatstadt in die Moderne – von einer strauchelnden Industriestadt mit knapp 90.000 Einwohnern zu einer Boom-Stadt der Bundesrepublik mit knapp 120.000 Menschen. Er zählt zu den Oberbürgermeistern mit der längsten Amtszeit, den überzeugendsten Wahlergebnissen und der besten Bilanz. Für sein herausragendes politisches und gesellschaftliches Wirken wurde er vielfach ausgezeichnet, insbesondere mit dem Bayerischen Verdienstorden und mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.

Der Bayerische Landtag trauert mit seinen Angehörigen und wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. –

Vielen Dank, dass Sie sich erhoben haben.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich darauf hinweisen, dass der Tagesordnungspunkt 4, die Erste Lesung zum Gesetzentwurf der AfD-Fraktion betreffend "Änderung der Bayerischen Bauordnung - Abschaffung des SolardachZwangs", Drucksache 19/3998, entfällt, da die Initiatoren ihren Gesetzentwurf zurückgenommen haben.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung des Staatsministers für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie "Für einen starken Wirtschaftsstandort!"

Dazu hat Staatsminister Hubert Aiwanger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland muss wieder wettbewerbsfähig werden. Das, glaube ich, ist die Arbeitsüberschrift; das ist die Richtung; das ist die Zielsetzung; das beschreibt, wohin wir müssen. Das zeigt zugleich, wo wir heute nicht sind.

Deutschland ist zunehmend nicht mehr wettbewerbsfähig. Wir sehen gerade am Industriestandort Bayern zunehmende Kurzarbeit. Wir sehen ein Abwandern von Arbeitskräften. Wir sehen, dass die Auftragsbücher nicht mehr voll sind. Wir sehen Verunsicherung in der Branche, vom Handwerk über den Bau bis zu Maschinen

bau, Chemie und Automobilindustrie. Wir sehen, dass unsere Schlüsselindustrien, die uns in den letzten Jahren den Wohlstand garantiert haben, immer mehr unter Druck geraten. Wir hören draußen bei den Unternehmen überall dasselbe.

Sie sagen uns: Wir sind mittlerweile zu teuer; die Energiepreise sind zu hoch; die Personalkosten sind zu hoch; die internationalen Wettbewerber sind schneller. Länder, die bisher unsere Waren abgenommen haben, wie zum Beispiel China, produzieren diese Waren mittlerweile selber, seien es Automobile, seien es Maschinen, die dort vielfach günstiger, in vielen Fällen – das müssen wir zugeben – auch besser als die Produkte sind, die in Deutschland, die in Europa gefertigt werden, die den Kundenwünschen mehr entsprechen.

Da wir gerade beim Thema Automobil sind: Die Chinesen haben ein Faible für Digitalisierung, für Anwendungen, die unsere Anbieter vielfach nicht leisten. Der Chinese, der noch vor ein paar Jahren mit glänzenden Augen bayerische Produkte gekauft hat, schaut sich jetzt am heimischen Markt um, greift auf heimische Ware zurück. Mittlerweile gehört es zum chinesischen Patriotismus zu sagen: Wir können das ja selber. Das heißt: Wir müssen diese Dinge zur Kenntnis nehmen.

Wir sehen auf der anderen Seite die Amerikaner, die schon in den vergangenen Jahren mit dem Inflation Reduction Act massiv auf die Subventionstube gedrückt haben, die unsere Unternehmen abgeworben haben, die mit billiger Energie, mit niedrigen Lohnkosten, mit schneller Genehmigung und mit Subventionen vielfach günstigere Rahmenbedingungen geboten haben, als wir sie bieten konnten. Von dort kommen weitere Signale einer Steuersenkung Richtung 15 % – das hat Trump angekündigt. Die Energiepreise sollen weiter nach unten gedrückt werden, mehr fossile Energie soll gefördert werden, und es soll weiterhin darauf hingearbeitet werden, dass unsere Unternehmen nach Amerika gehen.

Selbiges konnte ich vor wenigen Wochen in China wahrnehmen und feststellen: Auch die chinesische Führung ist wild entschlossen, weiterhin die Weltmärkte zu ihren Gunsten zu beeinflussen, weiterhin massiv in Schlüsseltechnologien zu gehen, weiterhin unsere Produkte zu unterbieten.

Und wenn heute die Debatte ist: Wer produziert das billige Volksauto der Zukunft? Dann hat sich VW auf den Weg gemacht und gesagt: Wir wollen bis 2028 ein billiges Elektroauto in einer Preisklasse um die 20.000 Euro anbieten. Gebaut wird das aber – wenn überhaupt – in Osteuropa. Die Frage ist, ob dieses Konzept überhaupt aufgeht oder ob nicht bis dahin die Chinesen mit ihren Produkten in unseren Märkten sind.

Das heißt also, die Großwetterlage ist alles andere als rosig, und gleichzeitig leistet es sich Deutschland, auf diese Fragen keine Antwort zu finden. Die Dringlichkeit des Themas hohe Stromkosten wurde einige Male erkannt, allein, es fehlten die Lösungsansätze. Als Scholz angekündigt hatte, die Netzentgelte zu bezuschussen, wozu 5,5 Milliarden Euro nötig gewesen wären, hat man zeitgleich festgestellt, dass man sich beim Bürgergeld um zehn Milliarden verrechnet hat, das Geld dorthin gehen muss und die Netzentgelte eben nicht gesenkt werden können.

Habeck kündigt aktuell wieder an, dieses Thema müsse gelöst werden; er stünde bereit, dieses Thema zu lösen. Ja, sie hatten drei Jahre Zeit und haben die Lösung eben nicht gefunden. Schlimmer noch: Ich habe in den letzten Tagen mehrere Gespräche mit niederländischen Vertretern geführt, mit dem niederländischen Wirtschaftsminister und auch mit Vertretern hier im Bayerischen Wirtschaftsministerium, mit der Botschafterin und mit der Generalkonsulin. Ich habe das Thema TenneT angesprochen. Deutschland ist ja dringend darauf angewiesen, dass die Niederländer hier über TenneT Deutschland investieren. Sie wissen, dass seit Monaten Verhandlungen mit der Bundesregierung über eine eventuelle Bundesbeteili

gung liefen. Am Ende war eine Summe von über 20 Milliarden Euro im Gespräch, die seitens Deutschlands aufgewendet werden müsste, damit wir hier den Fuß in die Tür bekommen und diese Investitionen in die Leitungen auch wirklich getätigt werden. Die Antwort war am Ende irgendwie schulterzuckend: Na ja, dieser Zug ist teilweise abgefahren. – Wir sind uns nicht einig geworden. Jetzt gehen wir eben in die größeren Märkte und schauen mal, was internationale Investoren hierfür zu zahlen bereit sind. Am Ende ist dann nicht ausgeschlossen, dass Ölstaaten und dergleichen mehr dort einsteigen.

Das sind die Rahmenbedingungen. Man hat das große Ganze nicht im Blick, man ist nicht in der Lage, die Steuern zu senken. Man sendet im Gegenteil noch große Verwirrsignale Richtung Vermögensteuer und Richtung höherer Erbschaftsteuer. Richtung Grundsteuer kommt jetzt teilweise von klammen Kommunen das Signal, die auch nicht mehr wissen, wie sie ihre Kassen füllen sollen. Der Druck steigt also.

Es ist dringend nötig, dass wir diese Großwetterlage zur Kenntnis nehmen, dass wir daraus die Schlüsse ziehen und dass wir uns zunächst mal auf das Grundsätzliche committen: Wollen wir überhaupt Industriestandort bleiben? – Ja, das müssen wir, ja, das wollen wir. Aber selbst das war bei der amtierenden Bundesregierung nicht immer so klar, nach dem Motto, ewiges Wachstum gäbe es ja nicht. Oder, vom damaligen Staatssekretär Graichen, rechte und linke Hand von Habeck: Die Wirtschaft, die billige Energie will, muss eben dort hingehen, wo es die billige Energie gibt. Auf gut Deutsch: Schleicht‘s euch, wenn‘s euch bei uns zu teuer ist. – Und das tut die Wirtschaft jetzt zunehmend.

Trotzdem wollen wir als Bayern uns diesem Trend widersetzen, hoffen natürlich auf bessere Bedingungen auf Bundesebene, wo die Weichen gestellt werden, tun aber trotzdem alles, um hier im Rahmen unserer Möglichkeiten gegenzusteuern. Ich glaube, wir tun es sehr erfolgreich. Ich glaube es nicht nur, sondern ich kann es mit Zahlen belegen:

Wir haben mit Abstand die niedrigste Arbeitslosigkeit. Bei uns ist immer noch die Drei vorne dran, beim Bund ist längst die Sechs vorne dran, und diese Zahl ist mittlerweile geschönt durch die guten bayerischen Zahlen. Wir haben mit Abstand die meisten Start-up-Gründungen in Bayern, über 1.000 Gründungen in den letzten zwei Jahren. Das ist mehr, als das bisherige Start-up- und Gründerparadies Berlin, wie es immer bezeichnet wurde, oder die Gründerhauptstadt Deutschlands, Berlin, aufweisen kann.

Bayern hat überholt, Bayern ist hier vorne dran, und Bayern tut hier sehr viel, auch abgeleitet von der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten und aufgrund vieler anderer Weichenstellungen in den vergangenen Monaten, um dranzubleiben. Ich habe gestern bei BayStartUP vor Investoren, die in die Start-up-Branche investieren wollen, unseren neuen Förderfonds vorgestellt, der über Bayern Kapital ausgespielt wird, der 500 Millionen Euro in einen Wachstums- und ScaleUp-Fonds steuert. Wir haben unseren Innovationskredit vorgestellt, ebenfalls über Bayern Kapital, über 100 Millionen Euro, und unseren Dachfonds von 150 Millionen Euro über die LfA.

Hier wird also gearbeitet, hier werden in den nächsten Jahren 750 Millionen Euro zusätzlich in die aufstrebenden kleinen Betriebe gesteckt, die morgen und übermorgen die Lücken füllen müssen, die heute gerissen werden, weil der eine oder andere Automobilzulieferer, Chemiebetrieb und Ähnliches abbauen. Wir investieren in die Zukunft mehr als jedes andere Bundesland.

(Lebhafter Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der CSU)

Wir haben hierzu die Förderbedingungen verbessert. Wir haben es den Investoren gestern vorgestellt: eine Verdoppelung des staatlichen Invests auf bis zu 50 Millionen Euro Kreditvergünstigungen und vieles mehr, was jetzt wirklich auf fruchtbaren Boden fällt, was dazu führt, dass die sagen: Okay, dann investiere ich eben doch noch mal in good old Germany und gehe nicht weg über den großen Teich.

Genau diese Signale brauchen wir heute, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen: It’s over. Vielmehr müssen wir jetzt den jungen Leuten Mut machen. Die jungen Leute sind besser als ihr Ruf. Das hat sich auch gestern bei BayStartUP gezeigt: In der Start-up-Branche, im Bereich Energie, gibt es viele tolle junge Leute, die im Bereich Recycling von Batterien Preise gewinnen, die wir unterstützen, die wir finanziell begleiten, die wir über unsere Gründeragenturen begleiten und über die digitalen Gründerzentren zunächst mal nach oben bringen. Diese Leute müssen wir jetzt in Geschäftsmodelle bringen und in Geschäftsmodellen halten. Dazu haben wir eine Reihe von Förderkrediten, von Begleitinstrumenten.

Genau das ist bayerische Wirtschaftspolitik. Sie besteht nicht aus ideologischen Debatten, nicht darin, sich über alles Mögliche den Kopf zu zerbrechen, woran man eh nichts ändern kann, sondern setzt dort an, wo wir können, um die jungen Leute nach vorne zu bringen; in dieser Start-up-Branche, aber genauso auch im Bereich des Handwerks, wo wir über den Tag des Handwerks wieder Mut machen und auch den Eltern sagen: Wenn dein Kind nicht unbedingt zum Studieren geboren ist, lass es doch zunächst mal Handwerksmeister werden. Schick es in die Betriebe raus, damit es mal die reale Wirtschaft kennenlernt. Studieren kann es später immer noch.

Wir brauchen eine massive Förderung auch des Handwerks, der Ausbildungsbetriebe draußen. Wieder lässt uns der Bund hier stehen und im Stich, meine Damen und Herren: Wir schieben einen deutschlandweiten Förderstau im Bereich der betrieblichen Ausbildungsstätten von drei Milliarden Euro vor uns her. Der Bund hat uns eine Zuzahlung von bis zu 45 % versprochen, wenn eine Handwerksorganisation eine Lehrlingsfortbildungseinrichtung schafft. 45 % sind versprochen. Bayern gibt 30 % dazu. Die restlichen 25 % zahlen die Betriebe selber. Die 45 % des Bundes kommen aber nicht. Das bayerische Geld liegt auf dem Tisch. Der Bund rührt sich aber nicht. Der Bund antwortet nicht mal. Der Bund lässt hier die Bildung absaufen,

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN sowie Abgeordneten der CSU)

weil er das Geld längst für ideologische Projekte verplant hat und nicht weiß, wo er zuerst hinlangen soll.

Meine Damen und Herren, genauso verhält es sich im gesamten Bereich der Energiepolitik, während Bayern liefert. Darauf wird sich die Opposition, wie ich sie kenne, am meisten einschießen. Sie werden fragen, weshalb wir noch nicht genügend Windräder und genügend Photovoltaikanlagen hätten. Meine Damen und Herren, ich entgegne: Wir haben mittlerweile ein Luxusproblem, was die PV-Anlagen angeht. Wir haben so viele PV-Anlagen in Bayern, dass wir die Energie aus diesen Anlagen nicht in die Netze einspeisen können.

(Barbara Fuchs (GRÜNE): Nein!)

Wir haben so viele Pläne für Windkraftanlagen, dass uns häufig vorgehalten wird, die Netze könnten so viel Energie noch nicht aufnehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Stümpfig (GRÜNE))

Wir haben einen massiven Ausbaubedarf bei Umspannwerken. Das muss man den Leuten aber erst erklären.

(Zuruf des Abgeordneten Arif Taşdelen (SPD))

Wir benötigen Hunderte Umspannwerke in Bayern. Umspannwerke haben gewöhnlich eine Größe von 15 bis 25 Hektar. Das bedeutet, ein durchschnittlicher Bauernhof verschwindet unter einem Umspannwerk.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Stümpfig (GRÜNE))

Wir benötigen in fast jeder Kommune ein Umspannwerk. Wir erklären das und treiben die Dinge voran. Aber auch hier liefert der Bund nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Paul Knoblach (GRÜNE))

Ich habe Ihnen gerade Ihre Versäumnisse in der Trassenpolitik und in der Bezuschussung der Netze aufgezeigt. Sie liefern auf Bundesebene nicht, sondern schreien nur.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN sowie Abgeordneten der CSU – Lachen bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch hier muss ich zunächst wohl mit einem ideologischen Missverständnis Ihrerseits aufräumen. Natürlich tun wir alles, um Photovoltaik-, Windkraft- und Wasserkraftanlagen usw. auszubauen. Sie können aber niemals, zumindest nicht auf absehbare Zeit, ein so dicht besiedeltes Land wie Bayern bzw. einen Industriestandort nur mit Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen aufrechterhalten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN sowie Abgeordneten der CSU und der AfD)

Wir brauchen dazu auch die Grundlast, wir brauchen dazu die Moleküle. Auch hier hat Herr Habeck mit seinem Herrn Graichen damals den Rückbau der Gasnetze als Erstes vorangetrieben, und zwar nach dem Motto: Wir wollen nur Elektronen und keine Moleküle.