Protokoll der Sitzung vom 10.12.2024

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf heute die 36. Vollsitzung eröffnen und den Tagesordnungspunkt 1 aufrufen:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der SPDFraktion "Mehr Herz für Bayerns Kinder!"

Sie kennen das Prozedere. Als erste Rednerin ist die Kollegin Doris Rauscher gemeldet, die zehn Minuten spricht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lassen Sie mich, bevor ich einsteige, meinen und unseren allerherzlichsten Glückwunsch nachträglich zu Ihrem Geburtstag zum Ausdruck bringen, sicher im Namen des gesamten Hauses.

(Allgemeiner Beifall)

So viel Zeit muss sein, wenn man als erste Rednerin dran ist.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Ministerin! Die Adventszeit ist für viele von uns eine ganz besondere Zeit, die Zeit der Lichter, des Zusammenkommens und der Besinnlichkeit. Für mich ist es hier im Maximilianeum

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

immer auch ganz besonders, wenn der Adventskranz aufgehängt und vorne im Steinernen Saal der Christbaum aufgestellt wird. Sicher geht es da nicht nur mir alleine so, sicher geht es ganz vielen von Ihnen so. Ich finde, die Adventszeit ist vor allem die Zeit der Kinder. Ihre Vorfreude auf Weihnachten und die leuchtenden Augen erinnern uns selbst oft an die eigene Kindheit und den Zauber der Weihnacht. Kinder sind unsere Zukunft. Das ist ein Satz, den wir so oft hören und auch hier im Parlament schon oft gehört haben. Aber was bedeutet er eigentlich wirklich? – Dass wir alles daransetzen, Kindern ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen? Dass wir ihre Rechte achten und ihre Chancen fördern? Dass wir Kinder und Familien in den Mittelpunkt unseres politischen Handelns stellen? Dass wir ein familienfreundliches Umfeld schaffen, in dem Paare gerne Kinder bekommen? – Frauen, Männer, Eltern, wünschen sich im Durchschnitt 1,9 Kinder. Die Geburtenquote liegt derzeit aber bei 1,37 mit fallender Tendenz. Das hat sicherlich ganz unterschiedliche Gründe, auch sehr persönliche, Gründe, die wir nur bedingt beeinflussen können, beispielsweise eine instabile Weltlage. Es hat aber auch Gründe, die wir sehr wohl beeinflussen können, nämlich das Gefühl der Sicherheit, dass die familienpolitischen und die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen stimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier haben wir eben noch viel zu tun; denn es ist ein Unding, dass der Kinderwunsch junger Familien oftmals mit finanzieller Unsicherheit verknüpft ist,

(Beifall bei der SPD)

dass Paare sich die Frage stellen: "Können wir uns überhaupt ein Kind leisten?", dass ein Knick in der Karriereleiter droht, weil nach wie vor die Vereinbarkeit nicht so möglich ist, wie es sich die allermeisten Eltern wünschen. Wieso also, liebe Kolleginnen und Kollegen, fehlen uns in Bayern 70.000 Betreuungsplätze? Wieso muten wir es Eltern zu, von Kita zu Kita zu laufen, um sich wieder und wieder eine Absage einzufangen? Wieso stellen Kinder in unserem Land für viele ein Armutsrisiko dar? Wieso sind Alleinerziehende am stärksten von Armut betroffen? Ihr Anteil beträgt nämlich 36,8 %. Wieso steigt das Armutsrisiko bei drei und mehr Kindern

sprunghaft auf 22 %? Wieso sind in Bayern fast 400.000 Kinder und Jugendliche von Armut bedroht oder betroffen? Das ist jedes sechste Kind. Wieso ist die Erhöhung des Kindergeldes im nächsten Jahr dann ein Streitpunkt und nicht etwas, auf das sich alle einigen können?

(Beifall bei der SPD)

Diese Zahlen sprechen doch für sich. Sie sind eindeutig Handlungsauftrag an uns alle. Genau über diesen Handlungsauftrag möchten wir als SPD-Landtagsfraktion heute im Rahmen der Aktuellen Stunde sprechen.

Wie geben wir Kindern und Familien die Sicherheit, die Rahmenbedingungen, die sie brauchen, auch Familien mit Kindern mit einer Behinderung? Wie machen wir unser Land kinder- und familienfreundlicher? Wie schaffen wir Chancengerechtigkeit? Ja – um es gleich vorwegzunehmen –, bei den Antworten auf diese Fragen geht es unweigerlich auch ums Geld. Was lassen wir uns Kinder- und Familienpolitik kosten? Was müssen wir mehr für die Familien in unserem Land tun? – Hier will ich nur einmal drei Punkte beispielhaft herausgreifen:

Punkt 1 ist die frühkindliche Bildung. Gerade bei diesem Thema wird immer wieder ein Gegensatz aufgemacht, den es so nicht gibt: Stärkung der Wirtschaft oder Investition in die Bildungsinfrastruktur. – Dabei wird verkannt, dass Investition in die Bildung gleichzeitig die beste Wirtschaftsförderung ist. Für jeden Euro, den wir im Bereich der frühkindlichen Bildung investieren, bekommen wir volkswirtschaftlich drei Euro zurück. Frühe Bildung legt den Grundstein für das weitere Leben und somit natürlich auch für das Erwachsenenleben. Gut gebildete Menschen haben ein geringeres Risiko, arbeitslos zu werden, krank zu werden, die Sozialkassen zu belasten oder in Altersarmut zu rutschen. Das heißt, Bildung ist somit das wichtigste Versprechen in unsere Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Bildung heißt Wohlstand für alle. Aber ab wann beginnt Bildung eigentlich? Ist Ihnen bekannt, wie wesentlich die ersten acht Jahre eines Kindes sind? In den ersten acht Lebensjahren werden grundlegende Kompetenzen erworben, die man zu einem späteren Zeitpunkt nur noch erschwert erwerben kann: Sprachkompetenz, motorische Fähigkeiten, soziale und kognitive Fähigkeiten, die Fähigkeit der Selbstregulation, Anpassungsfähigkeit, Lernbereitschaft, Selbstorganisation und vieles, vieles mehr. All das sind Bausteine eines Fundaments für ein rundum erfolgreiches und glückliches Leben.

Hier wird deutlich, weshalb wir gut qualifizierte, ausreichende Fachkräfte und auch mehr Geld für unsere Kitas und für unsere Schulen in Bayern brauchen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Aber beim Fachkräfteanteil in Kitas ist Bayern Schlusslicht. Das wurde vergangene Woche über die Studie der Bertelsmann Stiftung bescheinigt. Das ist in einem durchaus relativ reichen Bundesland wie Bayern doch eine riesige Katastrophe. Das muss sich auch so schnell wie möglich ändern, Kolleginnen und Kollegen.

Eltern, Träger und Kommunen schlagen seit Jahren Alarm; denn vielerorts schießen die Elternbeiträge in die Höhe, während die Qualität leidet und Fachkräfte oftmals am Rande ihrer Belastungsgrenze stehen. Seit meinem Einzug hier in den Bayerischen Landtag 2013 stehe ich hier an diesem Rednerpult und wiederhole mich laufend: Ich fordere seitdem eine bessere Finanzierung und bessere Rahmen- und Arbeitsbedingungen in den Kitas – wegen unserer Kinder, aber auch zur Stärkung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Punkt 2 ist der Kinderschutz. Ein kinderfreundliches Bayern muss auch den Kinderschutz noch ernster nehmen. Wir nehmen ihn ernst, aber ich denke, wir müssen ihn noch ernster nehmen, denn die Zahlen sind dramatisch: Im Jahr 2023 registrierten die Strafverfolgungsbehörden alleine in Bayern 1.882 Fälle von sexuellem Missbrauch. Zugleich haben wir in Bayern aber ein Hilfsangebot, das nicht wirklich auskömmlich finanziert ist. Auch das muss sich dringend ändern.

Punkt 3 sind Teilhabe und Mitsprache. Kinder und Jugendliche in Bayern wollen mitreden; sie wollen sich einbringen. Sie haben auch das Recht dazu. Sie wollen die Welt, in der sie aufwachsen, ihr Umfeld, mitgestalten. Aber auch bei diesem Thema kommen wir kaum vom Fleck. Über die Senkung des Wahlalters debattieren wir in diesem Haus immer und immer wieder. Aber es tut sich einfach nichts, nicht einmal für die kommunale Ebene.

Neben der Senkung des Wahlalters könnten wir in den Kommunen in Bayern noch mehr für Kinder und Jugendliche tun, nämlich verlässliche Mitsprachemöglichkeiten schaffen. Das Siegel "Kinderfreundliche Kommune" wollen alle gern bekommen – aber einige dann doch nur, wenn die Kassenlage es zulässt.

Wenn wir die Kinder gefragt hätten, wäre die Verpflichtung, Spielplätze zu bauen, sicherlich nicht aus der Bayerischen Bauordnung gestrichen worden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Adventszeit lädt uns besonders dazu ein, innezuhalten. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, Bayern wirklich kinder- und familienfreundlich zu machen – in der gelebten Realität. Das heißt für mich, Familienpolitik nicht mit der Gießkanne und nicht nach Kassenlage zu gestalten. Kinder sind unsere Zukunft, aber sie sind auch unsere Gegenwart. Sie verdienen unsere volle Unterstützung, unser Herz – heute, morgen und an jedem anderen Tag. Kinder haben Rechte: das Recht auf Gleichheit, das Recht auf Gesundheit, das Recht auf Bildung, das Recht auf Schutz vor Ausbeutung und Gewalt, das Recht auf besondere Fürsorge und Förderung bei Behinderung sowie das Recht auf Schutz im Krieg und auf der Flucht – alle Kinder!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine besinnliche Weihnachtszeit und den Mut, die Weichen für ein besseres, kinderfreundlicheres und damit auch familienfreundlicheres Bayern zu stellen. Ich freue mich auf die Debatte.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Als Nächste spricht ebenfalls zehn Minuten Kollegin Melanie Huml für die CSU-Fraktion.

Meine sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Rauscher, ja, die Adventszeit und die Weihnachtstage sind häufig auch die Zeit, die insbesondere der Familie gewidmet wird. Man ist auch selbst immer wieder begeistert, wenn man das Strahlen in den Kinderaugen sieht und mitbekommt, welche Begeisterung bei den Kindern da ist. Ich kann Ihnen versichern: Bayern ist Familienland. Wir in Bayern haben ein Herz – und zwar ein riesengroßes! – für Familien. Ich schaue in die Reihen vor mir und weiß, dass viele Herzen für Kinder schlagen. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, dass Sie sich für unsere Kinder in Bayern so sehr einsetzen.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Wichtig ist die Feststellung: Wir reden nicht nur, sondern handeln auch; denn Politik für Kinder ist für uns auch ein Handlungsauftrag. Diesem kommen wir stetig und

konsequent nach. Wir fragen uns immer wieder, was wir im Interesse unserer Kinder und Familien hier in Bayern noch besser machen können. Kinder brauchen die besten Zukunftschancen; denn Kinder sind unsere Zukunft.

Politik für Kinder, das ist aber auch eine Querschnittsaufgabe. Heute stehe ich hier als Sozialpolitikerin, als Fachsprecherin der Fraktion der CSU für Kinderbetreuung und als Vorsitzende der Kinderkommission. Wir haben aber noch viele weitere Kolleginnen und Kollegen, die sich in ihrem jeweiligen politischen Verantwortungsbereich ebenso für Kinder einsetzen.

Wenn ich an Kinder und Familien denke, ist mir eines immer sehr wichtig: Sie müssen Wahlfreiheit haben. Wir Politiker haben die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Menschen selbst entscheiden können, wie sie Familie leben wollen. Das ist für mich ein sehr wichtiger Punkt.

Wichtig ist, dass ausreichend Angebote im Bereich der Kinderbetreuung vorhanden sind. Das ist die Basis für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gleichzeitig der erste Schritt hin zu Chancengerechtigkeit und einer guten Zukunft der Kinder. Wir in Bayern nehmen seit Jahren eine Vorreiterrolle ein, wenn es darum geht, für unsere Familien in Bayern die Kinderbetreuung sicherzustellen.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Das sage ich so deutlich, obwohl Sie alle sicherlich wissen – viele Kolleginnen und Kollegen waren schon als Bürgermeister oder Landrat tätig –, dass es eigentlich eine kommunale Aufgabe ist, sich um die Sicherstellung der Kinderbetreuung zu kümmern. Obwohl dem so ist, tut der Freistaat in diesem Bereich sehr viel. Allein an Betriebskostenförderung stellt der Freistaat in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro bereit. Für den Ausbau der Kindertageseinrichtungen stellen wir so viele Mittel zur Verfügung wie kein anderes Bundesland. Wir investieren mehr als alle anderen Bundesländer.

(Tanja Schorer-Dremel (CSU): Hört, hört!)

Das ist doch etwas für unsere Familien!

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Sie haben angesprochen, dass wir immer noch nicht genügend Angebote haben. Das liegt auch daran, dass die Eltern mehr Kinder bekommen, die Familien also größer werden. Auch kommen mehr Kinder zu uns.

Wir haben in den vergangenen Jahren 73.500 neue Plätze für die Betreuung von der Geburt bis zum Schuleintritt geschaffen. In den Koalitionsvertrag von CSU und FREIEN WÄHLERN ist die Vereinbarung über die Schaffung von 180.000 neuen Plätzen bis 2028 aufgenommen worden. Ich bin unserer Sozialministerin sehr dankbar dafür, dass sie das in den Verhandlungen erreichen konnte. Liebe Ulrike Scharf, das ist ein dickes Brett. Aber wir fürchten uns nicht davor, sondern wir packen an und setzen das Vorhaben um. Wichtig ist, was für die Familien und Kinder herauskommt. Vielen Dank dafür!

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Ja, wir stehen auch vor Herausforderungen. Wir diskutieren mit unserem Arbeitskreisleiter Thomas Huber immer wieder darüber, was wir noch besser machen können. Deswegen haben wir einen Dringlichkeitsantrag gestellt, in dem es darum geht, die Kinderbetreuung in Bayern weiter zu verbessern, personell und finanziell. Das ist uns, der CSU, ein ganz großes Anliegen.

Wir haben das Quereinsteigerprogramm aufgelegt, damit wir noch mehr Personal für die Kinderbetreuung bekommen. Fast 10.000 Menschen haben mittlerweile die Möglichkeit des Quereinstiegs genutzt. Diese Unterstützung hätten wir heute nicht, wenn wir nicht den Mut gehabt hätten, ein solches Programm aufzulegen. Ich bin um jeden, der in der Kinderbetreuung mitarbeitet, froh; denn wir brauchen auch in diesem Bereich die helfenden Hände – für unsere Kinder und für die Sicherung einer hohen Qualität der Kinderbetreuung in den Einrichtungen. Danke allen, die mitmachen!

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN)

Wir setzen ab 2025 das Kinderstartgeld um. Diese einmalige Leistung in Höhe von 3.000 Euro wird zum 1. Geburtstag eines Kindes gewährt. Ich darf Ihnen sagen: Das ist eine einzigartige Leistung unseres Bundeslandes, des Freistaates Bayern, für unsere Familien.