Protokoll der Sitzung vom 10.05.2000

Warten Sie es ab!

Regelmäßige Überprüfungen und eventuelle Veränderungen der Vereinbarungen sind angesichts der veränderten politischen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen notwendig. Die getroffenen Vereinbarungen sind für alle Bundesländer verbindlich. Dennoch bleiben, und das ist gut so, den einzelnen Bundesländern Spielräume für die individuelle Ausgestaltung.

Für die SPD bedeutet das Abitur neben der Vermittlung des reinen Fachwissens die Vermittlung von sozialer Kompetenz, Teamfähigkeit, eigenständig organisiertem Lernen und Kritikfähigkeit. An diesen Kriterien haben sich für die SPD alle inhaltlichen und strukturellen Veränderungen der gymnasialen Oberstufe zu messen.

Bildung, vor allem das Abitur, bedeutet eine Qualifikation der jungen Menschen, die sie brauchen, um ihr eigenes Leben beruflich, aber auch privat gestalten zu können. Eine vorrangige Ausrichtung des Schulabschlusses an dem beruflichen Leben beziehungsweise auf die Wünsche der Betriebe ist zu einseitig und deswegen abzulehnen.

Die CDU hat auf Bundesebene argumentiert mit einem Absinken des Bildungsniveaus im internationalen Vergleich, um ihre Forderung nach einem Zentralabitur, nach einer Abschaffung der Grundund Leistungskurse und nach der Einführung eines fünften Prüfungsfaches auf der Kultusministerkonferenz in Husum im letzten Herbst durchzusetzen.

Zu den Punkten im Einzelnen! Die Forderung nach einem Zentralabitur, verpflichtend für alle, ist auf der Kultusministerkonferenz gescheitert und bis auf Weiteres aus der Diskussion. Dies wird von uns sehr begrüßt.

(Beifall bei der SPD)

Ein Zentralabitur bedeutet Gleichmacherei und ein Abprüfen von normiertem Wissen. Dies ist kein erfolgreicher Weg, um die Qualität der gymnasialen Oberstufe zu verbessern. Bremen zeigt andere Möglichkeiten auf, die Leistungen der Schülerinnen sinnvoll zu vergleichen. Es gibt eine extern durchgeführte Zweitkorrektur in den Fächern Deutsch und Mathematik sowie Prüfungsaustausche mit Niedersachsen. Voraussetzung für eine Qualitätskontrolle ist ein funktionierendes Qualitätsmanagement in den Schulen. Dies befindet sich in der Umsetzung. Alle bisher vorliegenden Auswertungen auf diesem Gebiet zeigen, dass Bremer Abiturienten einen Vergleich mit anderen Bundesländern nicht zu scheuen brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Ebenso ist es — ganz in unserem Sinn — den CDULändern auf der Kultusministerkonferenz nicht gelungen, eine Abschaffung der Grund- und Leistungs

kurse durchzusetzen. Eine in den Leistungsfächern erreichte Spezialisierung ermöglicht den Schülerinnen eine weitgehend wissenschaftliche Befassung mit einem Themenbereich, während die Grundkurse die Zusammenhänge in einem Fach vermitteln. Für uns gilt es, diese Vielfalt zu erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Die Einführung eines fünften Prüfungsfaches bleibt in der Entscheidung der Länder. Wir sind der Überzeugung, dass eine Ausweitung der zu prüfenden Fächer nicht unbedingt eine Qualitätsverbesserung mit sich bringt. Das Gegenteil dürfte der Fall sein. Der Prüfungsdruck der Schülerinnen und Schüler wird erhöht, was zur Folge hat, dass das zu erlernende Wissen stur gepaukt wird. Die von der SPD geforderten Qualifikationen der Abiturienten, so zum Beispiel die kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten, wird zwangsläufig vernachlässigt werden müssen.

Die SPD begrüßt die Haltung des Senators, auf die Umsetzung dieser Möglichkeit zu verzichten. Ein ebensolches stures Pauken wird die Ausweitung der Leistungskurse von bisher zwei auf drei in der Qualifikationsphase, also in den Klassen zwölf und dreizehn, mit sich bringen. Nicht die Qualität der Ausbildung wird hier verbessert, sondern allein die Quantität und die zu absolvierenden Kurse und Prüfungen.

Ein anderer Punkt, die Verkürzung der Schulzeit, ist auf der Konferenz ebenfalls in die Kompetenz der Länder gestellt worden. Wir fordern die Verwaltung auf, uns Wege aufzuzeigen, wie eine Verkürzung der Schulzeit für begabte Schüler in der gymnasialen Oberstufe durchzusetzen ist.

Die für uns wichtigen Punkte, die Qualität der Ausbildung in der gymnasialen Oberstufe kontinuierlich weiter zu verbessern und so den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen, sind der verstärkt fächerverbindende und fächerübergreifende Unterricht. Wie dem Bericht des Senats zu entnehmen ist, haben bereits Schulen diese Möglichkeit erfolgreich umgesetzt. Mit der berufsund studienorientierten Profilbildung einzelner Schulen wird den Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschülern eine große Vielfalt der Schwerpunktbildung geboten. Wichtige Bereiche der Profilbildung sollen hier die Naturwissenschaften, die Informatik und auch die Wirtschaftsausbildung sein. Die Umsetzung dieser für die gymnasiale Oberstufe qualitätssteigernden Profilbildung ist zurückzuführen auf eine Initiative der SPD-Fraktion in der letzten Legislaturperiode.

(Beifall bei der SPD)

Erste Erfahrungen haben bestätigt, dass dies der zukunftsweisende Weg ist. Die bilinguale Schulaus

bildung muss weiter gefördert werden. Wir wollen die Schülerinnen und Schüler ermutigen, verstärkt einen Teil ihrer Schulzeit im Ausland zu verbringen. Die unbürokratische Anrechnung in Bremen von Leistungen an ausländischen Schulen auf die deutsche Schulzeit ist sicherlich ein Grund dafür, dass sich immer mehr Schülerinnen und Schüler für einen Auslandsaufenthalt entscheiden.

(Abg. B ü r g e r [CDU]: Und dann dürfen sie die Leistungskurse nicht mehr belegen?)

Sorgfältig vorbereitete Praktika werden in der Oberstufe unserer Meinung nach zu wenig angeboten. Jedem Schüler sollte die Möglichkeit gegeben werden, ein sinnvolles, gut vorbereitetes Praktikum zu absolvieren.

Diese Punkte zeigen einen erfolgreichen Weg, die Qualität der Ausbildung in der gymnasialen Oberstufe weiter zu verbessern. Unsere Schülerinnen und Schüler in Bremen sind dann nicht nur fit für eine erfolgreiche private und berufliche Zukunft, sie brauchen auch keinen Leistungsvergleich zu scheuen. — Danke!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Bürger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Arnold-Cramer, ich hätte mir gewünscht, dass Sie mehr auf die Antworten auf Ihre eingereichten Fragen eingegangen wären.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Ist sie doch!)

Das ist schon beachtlich und beeindruckend, wie weit Sie da an dem Thema vorbeigegangen sind.

(Beifall bei der CDU)

Viele Antworten, Frau Hövelmann, das wissen Sie ganz genau, sind wenig schmeichelhaft für Sie. Das haben Sie alles in der Debatte, hier durch Frau Arnold-Cramer vorgetragen, beiseite geschoben.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Wir setzen voll auf Sie, Herr Bürger!)

Das ist doch die Wahrheit, meine Damen und Herren! Man kann doch nur feststellen, wenn man den Debattenbeitrag von Frau Arnold-Cramer mit der Antwort, die der Senat gegeben hat, vergleicht: Wer falsche Fragen stellt, kann natürlich auch keine richtigen Antworten erwarten!

(Beifall bei der CDU — Abg. Frau H ö - v e l m a n n [SPD]: Nur weil Ihnen das Thema nicht gefällt!)

Frau Hövelmann, nun beruhigen Sie sich doch einmal, sonst hätten Sie doch dazu reden können!

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Wenn ich mich aufregen würde, wäre es ganz an- ders hier!)

Vieles muss doch für Sie, Frau Hövelmann, und für die SPD-Fraktion wenig schmeichelhaft sein. Ich will damit einem Missverständnis vorbeugen. Wir wollen gar nicht die Probleme, die durchaus in der gymnasialen Oberstufe vorhanden sind, unter den Teppich kehren. Nur, ich erwarte dann aber auch vom Senator konzeptionelle Schlussfolgerungen, Anforderungen und Verbesserungen. Da ist aber in der Senatsantwort, Herr Senator, kaum bis nichts zu lesen, wenn man einmal von marginalen Vorstellungen absieht.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Auf falsche Fragen wurde nichts geantwortet!)

Nehmen wir die zum Teil hohen Wiederholerquoten, gerade in der elften Klasse, Frau Hövelmann, die nicht gerade ein Aushängeschild für Bremen sind! Der Hinweis in der Antwort und die Feststellung, dass die Real- und Gesamtschüler nicht über hinreichend sichere Grundkenntnisse und Fähigkeiten in den Kernfächern Deutsch, Englisch und Mathematik verfügen — hört, hört! —, kann doch wohl nicht ausreichen. Das ist doch das Eingeständnis, dass Leistungen in der Gesamtschule sehr zu wünschen übrig lassen.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: So ein Quatsch!)

Das steht doch in der Antwort des Senats, verfasst von diesem Bildungssenator!

(Abg. Frau W i l t s [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage. — Glocke)

Herr Senator, Sie führen weiter aus: „Das Kurssystem bietet strukturell ungünstigere Voraussetzungen für eine gezielte Förderung von Problemschülern.“ Planungen an zwei Oberstufen zur Strukturveränderung, Frau Arnold-Cramer, reichen da auf keinen Fall aus. Müssen diese Schüler in der elften Klasse mehr gefördert werden? Muss die Arbeit in den Vorlaufklassen intensiviert werden? Herr Senator, dazu gibt es keine Antworten.

(Glocke)

Herr Bürger, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte im Moment keine Zwischenfrage annehmen.

Eine mögliche Antwort, Herr Senator, schließen Sie von vornherein aus, bedauerlicherweise, dass nämlich in der elften Klasse mehr Klassenunterricht stattfinden könnte. Denkbar wären 50 Prozent Klassenunterricht und 50 Prozent im Kurssystem. Im Klassenunterrichtsanteil von 50 Prozent würde dann auch, Herr Senator, der Vereinzelung der Schüler, die immer wieder beklagt wird, vorgebeugt werden können. Das wollen Sie aber nicht, das „kommt in der bremischen Stufenstruktur nicht in Betracht“, trotz guter Erfahrungen in den anderen Bundesländern, und zwar in der Mehrzahl der anderen Bundesländer!

Hier werden die Nachteile des Stufenschulsystems, meine Damen und Herren, häufiger Wechsel im Vergleich zu durchgängigen Systemen, mehr als deutlich. Aber Sie schlagen keine Veränderungen vor, Herr Senator! Lassen Sie uns doch über den Tellerrand Bremens hinausschauen und das Positive anderer Bundesländer übernehmen!

All das wollen Sie nicht, Frau Arnold-Cramer, auch der Senator wohl nicht. In fast allen Teilen sind die Fragen und somit natürlich im Wesentlichen auch die Antworten rückwärts gewandt. Nichts ist wirklich zukunftsträchtig und zukunftsbezogen. Es gibt keine konzeptionellen Vorstellungen, keine konkreten Zielvorstellungen, die Maßnahmen nach sich ziehen könnten. Das vermissen wir, meine Damen und Herren, und das ist auch unsere Kritik und eine Bestätigung dafür, dass es verhältnismäßig unergiebig ist, sich mit den einzelnen Fragen tiefergehend zu befassen, denn sie bringen die Bildungspolitik nicht voran und die Schülerinnen und Schüler, die davon betroffen sind, schon gar nicht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, sind das die Probleme in der gymnasialen Oberstufe, Frau Arnold-Cramer und Frau Hövelmann, wenn Sie gleich zweimal nach Praktika in Klasse elf fragen? Wir meinen nein, denn Berufsorientierung sollte in der Mittelstufe durchgeführt werden. Dass es dort Handlungsbedarf gibt, will ich überhaupt nicht bestreiten. Nur, in der Antwort des Senats steht dazu nichts zu lesen.

Wir haben damals schon richtig gehandelt, Frau Hövelmann, solch dünne und läppische Fragen, von Ihnen vorgetragen, von Fachleuten belächelt, nicht mit zu unterschreiben. Wir wollten Ihre Große Anfrage substantiell anreichern, das ist von Ihnen, Frau Hövelmann, rundheraus abgelehnt worden, bedauerlicherweise, nachdem Sie schon einen CDU-Antrag vom Okober 1999, „Struktur der gymnasialen Bildung im Bereich der Sekundarstufe II zukunftsfähig entwickeln“, formuliert auf der Grundlage der

KMK-Beschlüsse vom 21./22. Oktober, ebenfalls abgelehnt hatten