Protokoll der Sitzung vom 06.06.2000

Es gibt da Presseäußerungen!

Nun lese ich mit Erstaunen, Frau Hövelmann, dass Sie Ihr Herz für die Naturwissenschaften entdeckt haben.

(Beifall bei der CDU — Abg. Frau H ö - v e l m a n n [SPD]: Aber auch mit Freu- de!)

Das freut uns ja auch. Nur, dieser Zickzackkurs, Frau Hövelmann, macht eines deutlich, nämlich dass Sie immer etwas länger brauchen —

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Jetzt seien Sie nicht so frech!)

Notwendigkeiten erst mit mehrmonatiger Verspätung, siehe bei den Kopfnoten —, um Verhandlungsbereitschaft deutlich werden zu lassen. Man muss eindeutig sagen, Sie haben schlicht und einfach von uns abgekupfert.

(Beifall bei der CDU — Abg. E c k h o f f [CDU]: Abschreiben in der Bildungspolitik!)

Wenn Sie schon den Quantensprung der Einsicht, die Naturwissenschaften zu stärken, vollziehen, sollten Sie aber auch den Zeitensprung erheblich verkürzen und nicht erst ab 2002 entscheidende Impulse, wie es in Ihrer Presseerklärung heißt, umsetzen. Wir meinen, dass wir im kommenden Schuljahr diskutieren können, wie Mathematik und Naturwissenschaften verstärkt in den Unterricht eingebracht werden können, und dann kann das im übernächsten Schuljahr auch in Kraft treten,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das ist 2002!)

und zwar zum Schuljahr 2001/2002 und nicht erst ab 2002!

(Beifall bei der CDU)

Ihnen liegt, Frau Hövelmann, eine Große Anfrage der CDU seit einigen Tagen vor. Ich habe noch

nicht den Glauben in die Lernfähigkeit der SPD verloren

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das spricht für Sie!)

und hoffe diesbezüglich auch auf eine schnelle Einigung und auf ein schnelles Ergebnis. Heute Morgen haben Sie signalisiert, Sie fänden diese Große Anfrage hervorragend. Sie hätten noch ein paar Ergänzungen im Wissenschaftsbereich. Das wollen wir gern morgen noch einmal diskutieren, und dann machen wir diese Große Anfrage gemeinsam. Das ist doch schon einmal ein wichtiger Schritt!

(Beifall bei der CDU)

Anscheinend hat die Diskussion um die Green Card diesem Thema eine neue Aktualität verliehen. Ich bin sicher, dass das auch bei Ihnen so gewesen ist, Frau Hövelmann.

Auch der Bildungssenator, meine Damen und Herren, muss endlich in Bremen einmal das umsetzen, was er ständig als KMK-Präsident verkündet. Nur ein Zitat aus der „Welt“ von letzter Woche: „Schule kann nicht nur Spaß machen, die Schüler müssen mehr gefordert werden.“ Recht hat der Senator! Weiter so!

(Beifall bei der CDU)

Herr Senator, Taten müssen aber folgen!

Zu einem anderen Bereich! Die Altersstruktur, meine Damen und Herren, der Lehrerschaft bereitet uns in der Tat große Sorgen. Besonders schwierig wird die Berufsschulsituation eingeschätzt, weil Berufsschullehrern häufig alternative Beschäftigungsmöglichkeiten in der Wirtschaft mit attraktiven Einstellungsgehältern zur Verfügung stehen. Das trifft insbesondere auch die Informatiklehrer. Bremen steht aber nicht nur in Konkurrenz zur Wirtschaft, Herr Zachau, sondern auch zu anderen Bundesländern, die Lehrern wesentlich bessere Konditionen bereitstellen. Die zentrale Frage wird sein, die wir offensiv angehen müssen, wie Lehrer in Bremen eingestellt werden können, um auf dem Markt auch konkurrenzfähig zu sein.

Herr Senator, ich möchte hinzufügen, Sie werden früher oder später zu anderen Organisationsstrukturen in den Schulen kommen müssen, um Lehrereinsatz effizienter zu gestalten. Damit meine ich, mehr durchgängige Systeme auf der einen Seite und auf der anderen Seite Haupt- und Realschulen, möglicherweise auch Sonderschulen unter einem Dach unterzubringen, nicht in integrativer Form, möglicherweise aber in kooperativer Form. Die Schulzeit, auch das hat etwas mit Haushalt zu tun, muss wei

ter verkürzt werden. Da hoffen wir auf mehrere Modellversuche.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiterer Punkt zum Bildungsbereich ist die Fort- und Weiterbildung. Sie muss fester als bisher implementiert werden, um Lehrer auf einem bestimmten Lern- und Leistungsniveau zu halten. Meine Damen und Herren, ich will ganz deutlich sagen, Fort- und Weiterbildung muss auch dann verstärkt betrieben werden, wenn wir hunderte junger Lehrer einstellen würden und im Schuldienst hätten. Ich möchte auf die Geschwindigkeiten der Veränderungen in einigen Fachbereichen und auf die Verkürzung der Halbwertzeiten des Wissens verweisen, was gerade in der Informations- und Kommunikationstechnologie deutlich wird. Diesen Herausforderungen, Herr Senator, müssen wir uns stellen. Wir müssen auch an die Lehrer appellieren, Fort- und Weiterbildung zum Erhalt der beruflichen Fähigkeit zu betreiben und diese auch außerhalb der Unterrichtszeit als Verpflichtung für die Lehrer zu verstehen. Das will ich ganz deutlich hinzufügen.

Neben der Bildung, meine Damen und Herren, ist der Wissenschaftsbereich eindeutig ein weiterer politischer Schwerpunkt der großen Koalition. Der Etat wächst jährlich um fünf Prozent. Bremen setzt mit seinem 3,4-Milliarden-DM-Programm zugunsten der bremischen Hochschulen einen Schwerpunkt seiner Investitionspolitik zur Sanierung des Landes Bremen.

Bremen muss im Wissenschaftsbereich zu einem Oberzentrum im Nordwesten der Bundesrepublik werden. An der Universität werden richtigerweise, und das ist eine alte Forderung der CDU, der Ingenieur- und der Naturwissenschaftsbereich ausgebaut, auch in Zukunft ausgebaut werden. Auch in den Bereichen Umwelttechnologie, Informationswissenschaften, Herr Senator, das füge ich deutlich hinzu, müssten Lehrer zukünftig ausgebildet werden. Es geht nicht an, dass in der Informationstechnologie nur für die Wirtschaft ausgebildet wird, sondern auch für den Lehrerbereich ist es erforderlich: Mikrotechnologie, Logistik, Weltraumforschung, Biotechnologie, Materialwissenschaften, Nanotechnologie, Mikroelektronik, um nur einige zu nennen!

Der Ausbau der Hochschule in der Neustadt muss weiter betrieben werden. Stichwort: Flughafen, Airport! Ein Lob gegenüber dem Rektor der Hochschule Bremen, Professor Dr. Mönch, ist angezeigt, meinen wir, für die Prämierung der best practise Hochschule neben der TU München durch die Bertelsmann-Stiftung. Mittlerweile gibt es auch einen weiteren Preis, den die Hochschule errungen hat.

Die CDU, meine Damen und Herren, meint es ernst mit der Ausstattung der Hochschulen. Zweifel sind allerdings angebracht, ob wirklich alle an einem Strang ziehen. Ich meine damit die Entwick

lung einer Perspektive für die Erweiterung des Technologieparks. Der Wissens- und Technologietransfer aus der Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur in die regionale Wirtschaft hinein funktioniert heute immer noch so, dass oft bremische Institute in Süddeutschland beziehungsweise im Ausland mehr Anerkennung finden als in der Wirtschaft vor Ort. Wir meinen, hier muss wesentlich mehr getan werden.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja, woran liegt das denn?)

Die CDU-Fraktion hat mit Online-City einen Vorschlag gemacht, wie Bremen bundes- und europaweit Bedeutung finden könnte. Wirtschaft und Wissenschaft müssen noch enger zusammenrücken. Wir brauchen Brutplätze für innovative Ideen und Existenzgründungen aus den Hochschulen heraus. Dort hat sich längst ein Paradigmenwechsel vollzogen, meine Damen und Herren. Junge Leute wollen heute selbst etwas ausprobieren und die Zukunft in die eigene Hand nehmen. Dafür müssen wir in der Politik die Rahmenbedingungen schaffen, meine Damen und Herren, die Zeit drängt. Wir müssen eben diese Entwicklung viel offensiver begleiten, anstatt die Begabungen der leistungsbereiten Eliten im Keim zu ersticken.

Mein letztes Stichwort, meine Damen und Herren! Die Koalition hat vereinbart, keine Studiengebühren zu erheben. Nach der jüngsten realistischen und pragmatischen KMK-Vereinbarung, Herr Senator, haben Sie sich ohne Not, meinen wir, dafür ausgesprochen, gleich für den Rest der Legislaturperiode auch für Langzeitstudenten keine Studiengebühren zu erheben.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben sich vielleicht ins fußballerisch bekannte Abseits auf Linksaußen manövriert. Wir meinen, Ihr Verhalten ist nicht sehr seriös in diesem Falle.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Niedersachsen und andere Länder Gebühren für Langzeitstudenten erheben werden, kann Bremen nicht Zufluchtsort eben dieser Langzeitstudenten aus der übrigen Bundesrepublik werden.

(Abg. D r. K ä s e [SPD]: Das sind doch Steuern!)

Bremen wird sich als Sanierungsland nicht über die bundesweite Entwicklung hinwegsetzen können. Sie haben, Herr Senator, die Chance verpasst, den Pass Ihres niedersächsischen Kollegen Oppermann aufzugreifen und zu verhandeln. Sie haben nicht einmal den Versuch unternommen. Herr Senator, Sie

werden wahrscheinlich schneller handeln müssen, als Sie es heute noch wahrhaben wollen. — Ich bedanke mich!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Zachau.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als wir vor einigen Jahren über den Bildungshaushalt diskutiert haben, haben wir über kreative Buchführung, über Überbuchungen und dergleichen mehr geredet. Ich möchte schon gern am Beginn dieser heutigen Rede zum Bildungshaushalt feststellen, dass ich sehr zufrieden darüber bin, dass wir uns jetzt den Inhalten von Bildungspolitik und ihrer Finanzierung zuwenden und uns nicht mehr damit beschäftigen, mit welchen Tricks das Bildungsressort sich Mittel angeeignet hat, die ihm gar nicht zustehen. Insofern geht in dieser Richtung und dieser Beziehung mein Dank an das Ressort, dass Sie uns hier inzwischen eine von allen anerkannte sehr solide Grundlage des Bildungshaushalts abgeliefert haben!

Wir haben als Bündnis 90/Die Grünen drei Anträge gestellt, von denen wir auch nicht erwartet haben, dass sie Frau Hövelmann überzeugen. Wir haben es trotzdem getan, weil wir es politisch für richtig finden.

Der erste Antrag beschäftigt sich mit dem, was hier auch schon angesprochen worden ist, nämlich mit der Personalsituation im Schulbereich. Wir haben jedes Mal, wenn vom Landesinstitut für Schule die Einstellungslisten für die neuen Referendare bekannt gegeben wurden, gefragt, wann denn dieses Institut auch einmal umsteuere und bedarfsorientiert qualifiziere, weil schon seit ewigen Zeiten immer bei Informatik null Einstellung oder einmal eine Einstellung, wenn es gut ging, stand. Es gibt hierfür auch Gründe, die außerhalb des Schulwesens liegen, aber dies ist ein echtes Problem. Das ist bisher in keiner Weise angegangen worden.

Dann kommt ein weiteres Problem auf uns zu, weil jetzt eine größere Zahl von Lehrkräften in Pension geht. Das ist einfach dem Alter geschuldet, und dummerweise gehen sie nun nicht nach Bedarfen in Pension, sondern einfach wie es kommt. Wir haben festzustellen, dass wir schon jetzt in weiten Bereichen strukturelle Probleme haben, nämlich bei den Naturwissenschaften, den musischen Fächern und dergleichen mehr.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Be- rufsschulen!)

Berufsschulen sowieso! Das habe ich aber absichtlich nicht gesagt, weil ich selbst aus einer komme.

Wenn wir in den Bereichen diese Probleme haben, dann müssen wir uns ein Instrument schaffen, wie wir flexibel auf solche auftretenden Engpässe eingehen und darauf reagieren können. Hierzu haben wir einen Personaltopf vorgeschlagen, der eingerichtet werden soll und nicht gebunden ist für irgendwelche anderen Sachen. Ich weiß gar nicht, warum Sie das nicht überzeugt, Frau Hövelmann. Das ist allemal besser als das, was jetzt passieren wird, nämlich dass wir sehenden Auges in die eine oder andere Notstandssituation hineinlaufen und nicht die nötige Flexibilität haben, um auf solche Dinge zu reagieren, wenn zum Beispiel der letzte Lehrer im naturwissenschaftlichen Bereich an einer Schule krank wird. Dann stehen wir davor und können nichts machen.

Das Zweite, das wir sagen, ist, sichert die Grundschulen besser ab. Auch die neueste OECD-Studie hat ausgesagt, dass ausgerechnet die Grundschulen diejenigen sind, die zurzeit die Achillesferse im Bildungswesen der Bundesrepublik Deutschland bei der Ausstattung und Konzeption darstellen.

Nun wird gesagt, wir haben ja die verlässliche Grundschule eingeführt. Meine Befürchtung nach all dem, was ich aus den Schulen höre, ist, dass dieser Ad-hoc-Kraftakt des Senators eher weniger erfolgreich sein wird. Das wird sich zeigen. Es geht aber nicht an, einfach zu sagen, wir machen jetzt flächendeckend die verlässliche Grundschule, machen die Betreuungsprojekte kaputt — die Schule an der Stichnathstraße hat sich in dieser Beziehung eindeutig geäußert —, und ansonsten haben wir unser Symbol, aber für die Kinder verschlechtert sich real die Situation. Wir wollen das besser absichern, wir wollen auch die bestehenden Projekte besser absichern und haben dazu entsprechende Anträge gestellt.