Protokoll der Sitzung vom 21.03.2001

Der Nachteil, der in der Vergangenheit immer wieder deutlich geworden ist, war, bis zum Jahr 1998 hatten wir doch fast kein einziges bauträgerfreies Grundstück in Bremen anzubieten. Jemand, der individuell bauen wollte, konnte das doch gar nicht, der war doch quasi gezwungen, in das Umland abzuwandern. Deswegen haben wir doch das Programm „Bremer bauen in Bremen“ aufgelegt, deswegen haben wir das mit den bauträgerfreien Grundstücken gemacht.

Ich will im Übrigen sagen, dass wir zum Teil in Wohngebieten Sanierung machen müssen, dass wir zum Teil Probleme beim Geschosswohnungsbau haben, und das entdeckt der sozialdemokratische Sprecher der Baudeputation, dazu muss ich immer wieder sagen, wer das als sein Betätigungsfeld entdeckt, der stellt erst einmal fest, dass da ein Handlungsbedarf ist. Dagegen habe ich ja nichts, aber der muss gleichzeitig sagen, und das gehört dazu, wer denn die Verantwortung hat, dass das so ist. Es war kein CDU-Bausenator, der Osterholz-Tenever errichtet hat. Es hat kein CDU-Bausenator zu verantworten, dass 20 Jahre lang Straßen nicht repariert worden sind.

(Beifall bei der CDU)

Es hat kein Bausenator der CDU zu verantworten, dass wir solch einen Sanierungsstau in den Schulen haben. Es ist nicht ein CDU-Bausenator gewesen, der die Verantwortung dafür hat, dass wir kaputte Kindertagesstätten haben.

Es waren sozialdemokratische Senatoren. Das muss man auch immer wieder sagen, Herr Kollege, wenn Sie denn schon das als großes Betätigungsfeld sehen. Sie sagen also damit, bei dem, was Sie jetzt korrigieren wollen, wollen Sie die Fehler der Sozialdemokraten aus den vergangenen Jahren korrigieren. Unisono können wir das mit unterschreiben. Diese Fehler wollen wir gern korrigieren. Wir sind voll dabei. Aber ich finde, Sie sollten nicht nur A sagen, sondern Sie sollen auch B sagen, wer die Verantwortung für das, was da zu reparieren ist,

hat. Das gehört dazu, damit das jeder auch immer weiß, wenn wir solche Fehler haben.

(Beifall bei der CDU – Unruhe bei der SPD)

Wir machen da gern mit, und wir lassen uns da auch überhaupt nicht überholen. Es kann bloß eines nicht sein nach dem Motto, Sie sind plötzlich so: Wir wollen den Sanierungsstau beheben und tun so, als hätten Sie damit gar nichts zu tun. Daraus entlassen wir Sie allerdings nicht, das sage ich auch ganz deutlich. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Wenn keine anderen Wortmeldungen vorliegen, erhält der Bürgermeister das Wort. – Sie haben das Wort, Herr Bürgermeister Dr. Scherf!

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde, wir haben Anlass, uns auf das, was vor uns liegt, zu konzentrieren. Mir liegt nicht daran, Schuldzuweisungen gegeneinander aufzurechnen. Das bringt ja keinen Menschen mehr nach Bremen!

(Heiterkeit – Abg. E c k h o f f [CDU]: Das können wir verstehen, dass Ihnen nicht da- ran liegt! – Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Bau- senator war er noch nicht!)

Ich habe die CDU immer so verstanden, dass sie etwas Reales für die Zukunft tun will und die knappe Zeit, die wir haben, nutzen will, um das zu konkretisieren. Ich sehe, dass wir ein ganzes Stück auch gemeinsam gehen können. Es ist unstreitig, dass wir uns zusätzliche Leute in der Stadt wünschen. Früher war das einmal streitig. Es gab früher einmal Leute, die sagten, bloß nicht wachsen, bloß kleiner werden, denn dadurch lösen sich die Probleme. Das hat sich als Sackgasse erwiesen. So ein zentraler Platz wie wir, so ein Oberzentrum wie wir, manche sagen sogar Hauptstadt von Nordwest zu uns, so jemand muss vital sein, kann sich nicht verkrümeln, kann sich nicht verstecken. Darum, denke ich, ist die deutlich aus den Reden erkennbare Übereinstimmung, dass wir auch in Zukunft wachsen müssen, richtig.

Ich glaube, im Senat haben wir versucht, uns davor zu bewahren, dass wir nur eine Antwort oder eine Richtung als Zielvorgabe sehen, sondern ich glaube, wir haben bei dem Formulieren der Antwort versucht, die Gesamtheit unserer Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen.

Der Wachstumsmotor sind nun einmal die Arbeitsplätze. Wenn wir es nicht schaffen, mehr Arbeitsplätze unter dem Strich, also nicht nur, was die Arbeitslosenquote angeht, sondern real unter dem Strich

zu schaffen, dann gibt es wenig Grund, nach Bremen zu kommen. Darum muss der eigentliche Motor dieser ganzen gemeinsamen Absicht, dass wir Bremen und Bremerhaven wachsen lassen wollen, die Wirtschaftswachstumskraft sein, und der Motor müssen die über das Wirtschaftswachstum erwünschten und erhofften zusätzlichen Arbeitsplätze sein.

Das ist mühselig, weil das alle wollen. Wir sind da in harter Konkurrenz. Aber ich sehe, genau wie das eben auch gesagt worden ist, dass wir inzwischen in der richtigen Entwicklung sind. Die Zunahmen im letzten Jahr sind nicht nur ein Propagandatrick, sondern sie sind real.

Ich war vor kurzem in einer Diskussion, dabei waren Unternehmer, und da hat Michael Bongartz, ein Bauunternehmer, gesagt, sein Bauvolumen sei im letzten Jahr erheblich reduziert worden, also sein Umsatz insgesamt. Er hat von 20 bis 25 Prozent geredet. Aber, und darum hat er sich gemeldet: Das, was ihm noch nie passiert sei, sei jetzt real. Er könne eigentlich ohne Ende anspruchsvolle, auch kostenintensive private Projekte verkaufen. Es gäbe plötzlich einen richtig spannenden Markt für Leute, die höhere Einkommen haben, die in der Stadt ihre eigenen Häuser realisieren wollen. Das sagt er ja nicht, um mir etwas Nettes zu sagen, sondern das sagt er, um sein eigenes Geschäft zu beschreiben.

Wenn das nicht eine Eintagsfliege ist, sondern wenn das richtig ist, was ich da von ihm gelernt habe, dann sind wir auch auf diesem Gebiet auf dem richtigen Weg. Dann holen wir nämlich Leute, die Einkommen erwirtschaften und die Mehrwert erwirtschaften, von dem dann Steuern bezahlt werden und von dem dann, über die Steuer finanziert, auch das passiert, was wir uns alle wünschen, dass die Infrastruktur verbessert werden kann und die Schulen, die Kindergärten und die Kultur und alles finanziert werden kann. Da ist dieser Motor unter Dampf. Das ist richtig und wichtig.

Darum würde ich dringend raten, bei allen Spekulationen über Bevölkerungsentwicklung und Wünschen für die Zukunft dieses Zentrums dies nicht zu übersehen. Alles, was uns da hilft, ist positiv für die Bevölkerungsentwicklung. Darum lassen Sie uns richtig couragiert eine vitale Wirtschaftswachstumspolitik in Bremen und besonders in Bremerhaven machen! Den Bremerhavenern kann man mit nichts mehr kommen als mit: Wir schaffen Arbeit. Alle sagen das. Das sagen da auch die Wohlhabenden, die es eigentlich nicht mehr nötig haben. Diese Stadt braucht Arbeit von morgens bis abends. Man kann über Arbeit dann wieder Zukunft, Zukunftshoffnung, Lust, da zu bleiben, Lust, dahin zu ziehen, anstreben und nicht erst in der Folge wünschenswerter Programme.

Nächste Feststellung: die Sache mit der Fernwanderung! Sie steht auch in unserem Papier. Das ist

die richtige Linie. Wir wollen nicht Kirchturmspolitik mit unseren direkten und unmittelbaren Anliegergemeinden, sondern wir wollen etwas für die Region tun. Wir wollen Leute in diese Region lotsen, und wir wollen sie davon überzeugen, dass Wachstumsperspektiven hier an der Küste größer sind. Da zitiere ich immer Herrn Zeyfang, weil er aus Stuttgart kommt und ein geborener Stuttgarter ist. Er sagt, da ist eigentlich die Entwicklungsperspektive ausgereizt. Da gibt es weder Leute noch Platz, um große zusätzliche Investitionen zu machen. So lerne ich von ihm auch jenseits von Parteipolitik und Propaganda. Er sagt, hier bei uns an der Küste ist Wachstum, ist Entwicklung möglich. Wenn wir das schaffen, dann, denke ich, werden wir auch Leute von weit her anziehen. Ich möchte hier das Beispiel der Fluglotsen nennen. Das Konzentrieren des Fluglotsenbetriebs auf Bremen bringt uns zusätzlich, schätze ich, zwischen 600 und 800 hochverdienende Leute. Die kommen von weit her, suchen sich hier in der Stadt Plätze, wo sie mit ihren Familien siedeln können. Das Gleiche kann man auch für andere Branchen sagen. Wenn jetzt die Daimlers mit ihren Produkten eine so ungewöhnliche Erfolgsgeschichte schreiben, suchen sie natürlich Leute und ziehen sie heran, weil man hier diese hochwertigen Produkte entwickeln kann. Oder wenn die Hütte in dieser gigantischen Fusion plötzlich im größten Stahlkonzern der Welt angesiedelt ist und wir unsere Hütte als einen Standortvorteil erleben, bringt das wieder zusätzlich etwas.

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Nehmen Sie Krause in Farge!)

Wenn wir uns jetzt mit dem Tiefwasserhafen entscheiden und ihn mit unserer Kompetenz bauen, mit unseren Ingenieuren, mit unseren klugen Hafenentwicklern, machen wir das gemeinsam für die Region. Damit ziehen wir Leute heran. Die kommen dann sogar von weit her. Das Gleiche gilt für die IUB. Die IUB ist auch ein solches Fernwanderungsprojekt. Die Professoren, die sich da anmelden, kommen allesamt von weit her. Hoffentlich irgendwann auch ganz viele tolle Studenten, die hier bleiben! Klar, das geht nicht alles mit einem Schritt. Da muss man langen Atem entwickeln und muss werben und muss dieses kleine Land international neu aufstellen. Alle wünschen sich, dass dabei ganz viel für die hier lebenden Menschen herauskommt. Das ist doch klar! Wir wollen doch nicht diejenigen, die wir hier anziehen und herholen, gegen diejenigen ausspielen, die sowieso schon hier sind. Das macht doch überhaupt keinen Sinn! Das würde ja schrill sein!

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen das miteinander verbinden. Ich kenne viele Bremer, die sich über nichts mehr freuen, als

jemanden in ihrer Nachbarschaft zu erleben, der hierher gezogen ist und ihnen begründet, wie toll Bremen ist. Ich erlebe das immer wieder, dass die Leute herkommen und richtig begeistert von der Stadt sind und versuchen, das gelegentliche Nörgeln, was wir ja leider auch haben in unseren beiden Städten – auch wieder nicht parteipolitisch zugeordnet, das haben wir alle –, von außen her positiv zu korrigieren. Das ist eine tolle Erfahrung! Da merkt man auch, es ist im Interesse der hier lebenden Menschen, dass wir diese Fernwanderung realisieren.

Darum lassen Sie uns die Menschen nicht gegeneinander ausspielen, sondern lassen Sie uns versuchen, es wie ein Geleitzug miteinander nach vorn zu bringen! Was wir nicht brauchen, das darf ich auch selbstkritisch sagen, ist, dass wir unsere Pläne, unsere Vorhaben, unsere Konzepte zerreden, sondern wir müssen verlässlich sein auch gerade für die privaten Investoren, für diejenigen, die mit uns rechnen und mit uns diese beiden Städte aufwerten wollen. Dann gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass wir wirklich den Trend umkehren können.

Ein letztes Wort zu Herrn Nölle! Ich darf das sagen, weil er sich hier nicht verteidigen kann. Er hat diese Zahlen damals nicht erfunden, das waren keine Nölle-Zahlen, sondern er hat sie von seinen Beamten aus dem Finanzressort so vorgelegt bekommen. Warum haben sie das gemacht? Nicht um Herrn Nölle oder die große Koalition zu ärgern! Sie hatten diese Papiere schon längst vor der großen Koalition geschrieben und aufgebaut. Sie wollten argumentierfähig bleiben in dem anstrengenden Beratungszusammenhang gegenüber anderen. Die Länder, Finanzverwaltung und Bundesfinanzminister wollten konkrete Ziele, wie wir aus unserer Sanierungslage oder Sanierungsfalle, kann man ja auch sagen, herauskommen. Das war im Nachhinein viel zu optimistisch, das sagen sie selbst.

Bitte, jagen Sie Herrn Nölle nicht damit, sondern es war der Versuch, in der damaligen Zeit eine Argumentationshilfe den anderen kritischen Länderverwaltungen gegenüber zu konkretisieren, dass wir konkrete Ziele hatten! Wir wollen nicht auf Dauer am Tropf hängen, sondern wir trauen uns zu, das umzudrehen.

Dass das schwieriger geworden ist als damals, macht die Aufgabe nicht obsolet, sondern man kann daraus lernen, wie kompliziert es ist, diesen Trend umzudrehen, wie schwierig es ist, nachdem die Wanderungsgewinne aus der deutschen Einheit weg sind. Wir haben ja einmal einen richtigen DeutschenEinheits-Gewinn gehabt. Alle Großstädte haben das gehabt. Er ist nun ausgelaufen. Manchmal denke ich sogar, Gott sei Dank, es macht ja keinen Sinn, dass die in den neuen Bundesländern alle weglaufen. Sie müssen ja auch dieses Stück Bundesrepublik weiterentwickeln. Jetzt müssen wir zusätzliche

Anstrengungen qualifizieren. Mein Rat und meine Bitte: Kurs halten!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU – Unruhe auf dem Besucherrang – Glocke)

Ich bitte Sie, sich im Plenarsaal ruhig zu verhalten!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse als Erstes über den Antrag mit der Drucksachen-Nummer 15/667 abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU mit der Drucksachen-Nummer 15/667 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Ich lasse jetzt über den Antrag mit der Drucksachen-Nummer 15/671 abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 15/671 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats, Drucksache 15/659, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Ausbau der B 74