Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Etwas Ökonomie aber auch noch zur Versachlichung und zur Argumentation dafür, dass dies hier keine Scheindebatte ist: Die Forderung von Neumann, Chef der CDU, ist natürlich richtig, es muss sich hier um eine Win-Win-Option handeln. Das heißt, dass alle bei der Lösung dieser Frage gewinnen müssen. Das finden wir auch. Wir sagen aber auch, wenn die Häfen in Landeshäfen überführt werden würden, würden alle gewinnen. Das wäre eine Win-Win-Option! Bremerhaven gewinnt die originären Steuereinnahmen, das ist die gleiche Position, die das Bundesland Bremen bei der Klage in Berlin auf den Tisch gelegt hat, nicht mehr als Bittsteller im Finanzausgleich aufzutreten, sondern selbstbewusst die eigenen Steuereinnahmen als Finanzund Wirtschaftskraft ins Spiel zu bringen. Dieses Ar

gument gilt natürlich genauso für die Seestadt Bremerhaven, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Selbstbewusstsein ist angesagt, Imagesteigerung kann der Stadt Bremerhaven auf keinen Fall schaden! Daneben gewinnt Bremerhaven die Planungshoheit. Auch hier würde der Mix an Planungskompetenzen endlich beseitigt werden, und die Landesinvestitionen würden aus dem Landeshaushalt finanziert werden, das heißt, der Haushalt der Kommune Bremerhaven würde stark entlastet werden, auch das wäre für die Förderung der Wirtschaftsstrukturpolitik unerlässlich. Aber auch Bremen-Stadt, das sei den Gegnern dieser Position aus der Stadt Bremen noch einmal ins Bewusstsein gebracht, gewinnt natürlich durch diese Lösung. Bisher war es so, dass immer in einem Verhältnis von 50 zu 50 aus Stadt- und Landeshaushalt finanziert wurde, um die Häfen in Betrieb zu halten. Die Stadtkommune Bremen würde also 50 Prozent einsparen, weil das Land diese Finanzierung übernähme. Die Stadt Bremen könnte diese Millionenbeträge in die Verbesserung ihrer Struktur und in die Attraktivität der Stadt Bremen investieren. Das wäre doch eine gute Lösung, meine Damen und Herren!

(Zurufe von der SPD)

Das Land gewinnt auch, das ist der dritte Gewinner. Es gibt endlich eine einheitliche Hafenpolitik verbunden mit einer einheitlichen Wirtschaftsstrukturpolitik, eine Wirtschafts- und Hafenpolitik aus einer Hand. Es würde endlich eine historische Gleichstellung der beiden Partnerstädte geben und damit sozusagen eine Aufhebung der Diskriminierung, eine psychologische Bereinigung, ein Aufstreben, ein gemeinsames Handeln für beide Städte. Das würde das Gewicht des Bundeslandes Bremen nach außen gewaltig stärken, meine Damen und Herren. Das Land gewinnt auch dadurch, dass es die Zahlungen an die Kommune Bremerhaven aus dem Landesfinanzausgleich einspart und auch hier sozusagen den Landeshaushalt entlastet. Fazit dieser kurzen Abrisse ist, dass wir es hier mit einem politisch unwürdigen Schauspiel zu tun haben, das dieser historisch-politischen Frage wirklich nicht gerecht wird. Wir haben in dieser wichtigen Frage bisher kein Ergebnis, meine Damen und Herren, und das haben Sie als Koalition der Angsthasen zu verantworten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. E c k h o f f [CDU]: Ist aber noch ein biss- chen Zeit bis Ostern!)

Eingedenk der Briefe von Herrn Kunick und Herr Koschnick, die vielleicht kennt, wer schon etwas län

ger im Hause ist, die ja hier den Untergang des Abendlandes proklamiert haben, ist es schon fast revolutionär, wenn ein Finanzsenator diese Frage noch einmal einer Lösung zuführen will. Ich denke, wenn ein bremischer Senator diese Frage lösen will, dann sollte man ihn darin auch unterstützen und nicht boykottieren. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Kollege, wir müssten uns das Protokoll noch einmal anschauen. Sie haben in einer kleinen Sentenz gesagt, dass Sie sich durch den Beitrag von Herrn Grotheer sozusagen an die dreißiger Jahre erinnert fühlen. Wenn Sie das anders gemeint haben, so müssten wir das, wenn wir uns das Protokoll anschauen, noch einmal richtig stellen. Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Günthner.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Herr Kollege Schramm, ich habe eigentlich bis gerade eben, bis zu Ihrer Rede, noch gedacht, wir führen hier eine ernsthafte Debatte über das Thema.

(Beifall bei der SPD)

Mittlerweile, nach dem, was Sie hier vorgetragen haben, habe ich aber eher das Gefühl, dass es hier um eine Kabarettvorstellung ging und nicht darum, in die Zukunft zu schauen.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Aber eine gute! – Unruhe bei der SPD)

Wenn Herr Schramm hier sagt, wenn man das Land Bremen in die Zukunft führen will und so weiter, und dann einen Ausflug in die dreißiger Jahre macht und über die Vergangenheit redet, aber nicht über die Zukunft spricht, dann ist das sehr wohl kabarettreif. Wir haben da jedenfalls einen anderen Ansatz.

(Beifall bei der SPD)

In der Debatte im Jahr 1996 hat ein Kollege gesagt, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Nicht eine Diskussion über hoheitliche Zuständigkeiten ist zurzeit besonders notwendig, sondern insbesondere die Auseinandersetzung mit der Frage, was in den bremischen Häfen für mehr Umschlag und mehr Beschäftigung und somit für die Sicherung von Arbeitsplätzen getan werden kann. Das ist die entscheidende Frage!“

(Beifall bei der SPD) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Ich finde, meine Damen und Herren, auch heute geht es hier um diese Frage. Wenn wir über zukunftsgerichtete Hafenpolitik reden wollen, dann muss auch benannt werden, was denn im einundzwanzigsten Jahrhundert für Hafenpolitik geschehen und vorangebracht werden soll. Ich nenne nur als Beispiel den CT IV, der vom Senat in die Planung gebracht worden ist, der umgesetzt werden soll, der hier auch ausdrücklich von der sozialdemokratischen Fraktion begrüßt werden soll. Ich nenne da als Beispiel die Hinterlandverbindungen, kurzfristig die Umsetzung der Tunnellösung für die Cherbourger Straße. Ich nenne hier den Jade Weser Port als Ergänzungshafen zum Containerterminal. Ich nenne für den Autoumschlag das, was wir auch in der Koalitionsvereinbarung festgehalten haben, nämlich die Kaiserschleuse auszubauen und zu modernisieren, Liegeplätze im Osthafen zu schaffen und daneben eben auch die starke Entwicklung des Carl-Schurz-Kasernengeländes als Wirtschaftszone für Gewerbe und Dienstleister mit dem Schwerpunkt Logistik umzusetzen, meine Damen und Herren. Das sind Maßnahmen, über die wir hier sprechen müssen, die mit Hafenpolitik verbunden sind und die auch etwas mit Zukunftsgerichtetheit zu tun haben, aber nicht die Debatte über abstrakte Fragen, Herr Kollege Schramm! (Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen das an der Stelle auch völlig selbstbewusst als Bremerhavener. Bremerhaven steht und fällt mit der Hafenentwicklung. Bremerhaven steht und fällt mit den Maßnahmen, die von mir eben skizziert worden sind. Die müssen auf die Weg gebracht werden, die sichern und schaffen Arbeitsplätze in Bremerhaven!

Es ist ja so, wenn jeder vierte Arbeitsplatz in Bremerhaven im Maritimsektor besteht, dass der Hafen das wichtigste Standbein in Bremerhaven ist. Insofern muss er weiterentwickelt werden. Da fehlen mir von Ihnen komplett die Lösungen. Die Summe grüner Hafenpolitik, außer dass Sie nun die Hoheit einfordern, ist ein Sich-Verabschieden von Hafenentwicklung. Das können Sie mit diesem Hause aber nicht machen, Herr Schramm!

(Beifall bei der SPD)

Wenn es um die Frage von Selbstbewusstsein geht, reden Sie einmal mit den Bremerhavenern! Fragen Sie die einmal, was denen zum Hafen einfällt! Da fällt ihnen die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft ein. Denen fällt NTB ein, denen fällt der Autoumschlag ein, denen fällt die dortige Entwicklung ein, denen fällt ein, dass es während der Werftenkrise, während der großen Depression in Bremerhaven, einen Punkt gab, der immer positiv hervorgehoben wer

den konnte, eben der Umschlag am Terminal, der Umschlag im Hafen. Das fällt den Bremerhavenern ein, und daraus ziehen sie an der Stelle dann auch ihr Selbstbewusstsein und eben nicht aus der Frage, die Sie hier zu einer hoch psychologischen Frage hochstilisiert und von der Sie gesagt haben, sie wäre eine Frage von Selbstbewusstsein. Herr Schramm, mein Selbstbewusstsein als Bremerhavener hängt mit der Hafenentwicklung zusammen, das hängt damit zusammen, dass wir am Containerterminal weitermachen können, dass der CT IV kommt, dass es im Autoumschlag weiter vorangeht. Das hat etwas mit Selbstbewusstsein zu tun, aber nicht, hier Fragen zu beschreiben, die nicht so relevant sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen – wir haben ja auch im letzten Hafenausschuss die Debatte gehabt –, Sie vom Bündnis 90/Die Grünen müssen auch irgendwann einmal Farbe bekennen und sagen, wie nach Ihrer Auffassung Hafenentwicklung aussieht. Wo wollen Sie in der Hafenpolitik hin? Nicht nur sich hinstellen und sagen, Jade Weser Port, das ist alles ganz schwierig und möglicherweise Konkurrenz zum CT IV, den CT IV wollen wir ja eigentlich nicht, aber trotzdem sagen wir jetzt, wir brauchen ihn als Argument, um sagen zu können, der Jade Weser Port funktioniert nicht! Da müssen Sie schon einmal irgendwann klare Position beziehen, die fehlt mir bei Ihnen völlig!

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, dass die Debatte insgesamt eher nicht hilfreich ist. Ich hatte jetzt eigentlich vor, nach rechts zu schauen, wo gewöhnlich Herr Bürgermeister Perschau sitzt, der diese Debatte über die Verknüpfung von Hoheitspolitik mit dem innerbremischen Finanzausgleich losgetreten hat, der versucht hat, die Verschlechterung des innerbremischen Finanzausgleichs, die er für Bremerhaven durchsetzen wollte, dadurch zu versüßen, dass er gesagt hat, ich biete euch einmal die Hoheit an. Herr Perschau hat mit der Wurst gewedelt, für die er überhaupt keinen Scheck von den Bremern hatte, hat die Wurst den Bremerhavenern vor die Nase gehalten, obwohl diese Wurst in Bremen nicht abgesichert war.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Aber Herr Schulz hat voll hineingebissen! – Unruhe bei der SPD)

Dass es ein natürliches Interesse von Herrn Oberbürgermeister Schulz als Bremerhavener gibt zu sagen, ich will die Hoheit übertragen haben, ist völlig klar.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Aber er muss ja nicht in jede Wurst beißen! – Heiterkeit bei der CDU)

Das entbindet uns hier aber nicht davon, schon konkret zu sagen, wo wir denn politisch hinwollen.

Ich fand die Position, die Herr Perschau bezogen hat, etwas schwierig. Er verkündet in der „NordseeZeitung“, und da ist er ja in guter Tradition, Herr Nölle hat das ja auch schon so gemacht: „Ich sorge dafür, dass die Hoheitsrechte an die Stadt Bremerhaven übertragen werden!“ Was kommt dann dabei heraus? Letzten Endes nichts! Ich gebe da auch dem Bürgermeister, obwohl er nicht anwesend ist, an der Stelle einen guten Rat als Bremerhavener. Er sollte tunlichst vermeiden, die Bremerhavener zu veralbern, weil wir sehr wohl merken, wenn uns jemand etwas erzählt, was er letzten Endes gar nicht so meint.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich, wenn ich mir anschaue, dass der Bürgermeister Perschau es offensichtlich nicht nötig hat, heute an dieser Debatte teilzunehmen, die ja durch ihn verursacht worden ist, dann hat das Ganze schon sehr stark den Eindruck, als hätte er sich einen weißen Fuß in Bremerhaven machen wollen und drücke sich jetzt davor, im Landtag auch klar Position zu beziehen.

(Beifall bei der SPD)

Das fängt ja eigentlich schon ein bisschen früher an. Da hat ja auch die CDU-Fraktion ein gewisses Problem. Die SPD hat, um auch dem Antrag der Grünen entgegnen zu können, einen eigenen Antrag entwickelt, in dem sie gesagt hat, wir wollen eine Lösung der Debatte unterhalb der Hoheitsfrage. Da hat die CDU-Fraktion gesagt, diesen Antrag machen wir nicht mit, den wollen wir so nicht! Das Ergebnis ist, dass wir heute nur den Antrag der Grünen vorliegen haben, aber auch das Ergebnis, dass der Senat in der letzten Woche eben diesen Text – –.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: In Ihrem An- trag stand doch gar nichts!)

Herr Eckhoff, in dem Antrag stand nichts? Dann wundert es mich aber, dass der Senat mit Ihrem Senator Herrn Perschau und mit Herrn Senator Hattig diesen Antrag verabschiedet hat,

(Zurufe von der CDU)

dass der Senat einen Senatsbeschluss gefasst hat, der vom Text her genau dem Entwurf entspricht, den die SPD-Fraktion eingebracht hat. Es ist wortgleich, Herr Eckhoff, schauen Sie es sich an!

(Beifall bei der SPD)

Das verwundert dann schon, dass die CDU-Fraktion sagt: Machen wir nicht! Die CDU-Senatoren im

Senat machen das dann mit. Es ist eine etwas merkwürdige Position, die sicherlich auch etwas damit zu tun hat, dass Sie sich als CDU in der Frage nicht klar verhalten wollen.

(Zurufe von der CDU)

Die SPD hat sich sehr klar verhalten.

(Lachen bei der CDU)

Da mögen Sie lachen. Die SPD-Fraktion hat gemeinsam mit der Partei in Bremerhaven und der Partei in Bremen festgestellt, dass es in dieser Frage keine einvernehmliche Position gibt.

(Lachen bei der CDU – Abg. E c k h o f f [CDU]: Und das haben Sie uns dann als An- trag zugeleitet!)

Herr Eckhoff, ich verstehe Ihr Gelächter nicht. Ich weiß ja nicht, wie es in der CDU ist, aber in der Sozialdemokratie gibt es zu bestimmten Fragen unterschiedliche Positionen zwischen den Genossinnen und Genossen in Bremerhaven und denen in der Stadt Bremen.

(Beifall bei der SPD)