Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf, Bürgermeister Perschau, Senator Hattig und Frau Senatorin Wischer.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die grüne Bürgerschaftsfraktion beantragt heute in der Bremischen Bürgerschaft die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses mit dem Titel „Unregelmäßigkeiten bei Bauvorhaben und Immobiliengeschäften zum Schaden Bremens“.
Für den Antrag und die Einberufung der heutigen Sondersitzung haben Kolleginnen und Kollegen der SPD- und der CDU-Fraktion mit ihren Unterschriften für das notwendige Quorum von 25 Stimmen gesorgt, weil die zehn Stimmen der grünen Opposition allein nicht ausgereicht hätten, einen Untersuchungsausschuss und eine Sondersitzung zu beantragen. Dafür bedanke ich mich im Namen meiner Fraktion insbesondere deshalb, weil es Ihnen ja, nach den öffentlichen Äußerungen zu urteilen, von der Sache her nicht durchgängig überzeugend erscheint, diesen Untersuchungsausschuss einzurichten.
An Herrn Focke gerichtet möchte ich gern sagen: Die Sondersitzung und auch der heutige Termin sind mit den Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU einvernehmlich abgestimmt worden. Wir hatten auf der Ebene keinen Dissens. Ich habe mich schon ein bisschen darüber geärgert, dass Sie sich hier als Wadenbeißer in der Welt betätigen mussten. Gut, das gehört offensichtlich zur Begleitmusik.
Dieser Untersuchungsausschuss hat eine längere Vorgeschichte. Ich will hier gern Teile davon darstellen, auch um Ihnen zu zeigen, dass wir es uns mit der Entscheidung nicht leicht gemacht haben und dass wir doch der Überzeugung sind, dass es eine Menge Substanz gibt, die hier Grundlage für den Untersuchungsausschuss sein soll.
Der Untersuchungsausschuss hat also eine längere Vorgeschichte. Beginnen wir einmal mit dem Kauf der Lettow-Vorbeck-Kaserne und dem geplanten Umbau zur Polizeikaserne! Dieses Vorhaben war von der Sache her relativ unumstritten, es fiel aber öffentlich schnell auf durch eine geplante Finanzierung durch ein Leasingverfahren, das aus haushaltsrechtlichen Gründen wieder fallen gelassen werden musste. Was bleiben sollte, war allerdings ein Bauauftrag an die Firma Zech, der ohne öffentliche Ausschreibung vergeben werden sollte. Die öffentliche Begründung dafür waren besondere Geheimhaltungserfordernisse. Erst nach massiven öffentlichen Protesten wurde der Auftrag dann doch ausgeschrieben. Die den Zuschlag erhaltende Commerzial-Leasing gab der Firma Zech den Auftrag als Generalunternehmer.
Übrig geblieben sind ein fader Geschmack und ziemlich viele Fragen. Obwohl die rechtlichen Fragen eindeutig sind, wurde viel Energie hineingesteckt, sie zu umgehen. Obwohl öffentliche Ausschreibungen dem Wettbewerb dienen, obwohl öffentliche Ausschreibungen nach einhelliger Meinung am ehesten die Gewähr für die preisgünstigste Lösung bieten, wurde unter dem damaligen Innensenator Borttscheller eine Menge unternommen, um genau diesen Weg nicht gehen zu müssen.
Wir wollen wissen, warum das so war. Wer hatte sich von der Nichtausschreibung welche Vorteile für die Stadt versprochen? Wer hat auf der Basis welcher Kenntnisse entschieden? Entsprachen die Motive im Verwaltungshandeln auch dem, was der Öffentlichkeit und im Parlament gesagt wurde? Welche Rolle hat dabei eigentlich eine private Gesellschaft unter Beteiligung der Fides gespielt, gegen die heute wegen Steuerhinterziehung ermittelt wird? Das sind Fragen, auf die die Grünen eine Antwort haben wollen. Auch der sonderbare Sachverhalt, dass Kauf und Umbau der Lettow-Vorbeck-Kaserne zu einem erheblichen Teil ausgerechnet aus dem Verkauf des Polizeihauses Am Wall bezahlt wurden, kann einen nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen lassen, es geht dabei nämlich um dieselbe Baufirma.
Über ein weiteres, viele Fragen aufwerfendes großes Vorhaben der Regierung, den Behördenumzug in das Siemens-Hochhaus, haben wir ja hier kürzlich herzhaft gestritten. Die auftauchenden Fragen wurden vom Senat auch in dieser Debatte wie auch nach mehreren Kleinen Anfragen der Grünen nicht beantwortet.
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 15. Wahlperiode – 55. (außerordentliche) Sitzung am 14. 03. 02 3993
Warum wurde das Siemens-Hochhaus nur in einer beschränkten Ausschreibung angeboten? Wer hat das entschieden und warum? Warum wurde die vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsberechnung des Verkaufs einer für 30 Jahre mit Behörden belegten Liegenschaft nicht vorgenommen? Wer hat das entschieden und warum? Wieso wurden die Nachfragen des Rechnungshofs, der, wie vom Parlament ja gefordert, versucht, auch laufende Verfahren auf ihre Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen und zu beurteilen, nicht beantwortet? Warum wurde die Forderung nach Anstellen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht befolgt? Wer hat das entschieden und warum? Das sind Fragen, auf die die Grünen eine Antwort haben wollen!
Zum Verkauf des Grundstücks an der Contrescarpe an den Verleger Klaus-Peter Schulenberg: Obwohl die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft einen höheren Preis geboten hatte, bekam Herr Schulenberg den Zuschlag, gekoppelt möglicherweise an Abmachungen zum Betrieb des Musicals „Hair“ und zum Kauf des Ticket-Service-Centers. Dafür hat es auch ein besseres Gebot gegeben. Wer wollte eigentlich unbedingt diesen Deal, dessen Charakter als Koppelgeschäft die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Verkäufe und Geschäfte erschwert? Warum werden eigentlich dermaßen schlechte Verträge abgeschlossen, dass heute Herr Schulenberg „Hair“ nicht mehr betreiben muss, die Stadt das Contrescarpe-Grundstück aber los ist, ebenso wie das Ticket-Service-Center, das unseres Wissens nach immer noch nicht bezahlt ist? Das sind Fragen, auf die die Grünen jetzt endlich eine klare Antwort haben wollen!
Als weiteres Beispiel will ich das Polizeihaus Am Wall anführen. Dafür hatte die Firma Zech im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung den Zuschlag erhalten, und unmittelbar danach fiel die Entscheidung, dass die Stadtbibliothek dort einen großen Teil der Flächen anmieten soll. Der Wunsch, dass die Stadtbibliothek dahin geht, war übrigens politisch, soweit ich mich erinnern kann, nicht umstritten, auch die Grünen wollten das. Es geht aber um die Reihenfolge. Es fiel also die Entscheidung, dass die Stadtbibliothek dort einen großen Teil der Flächen anmieten soll. Diese Sache hat auch in der Bauwirtschaft für sehr böses Blut gesorgt, weil der Anschein, es hätten nicht alle Bewerber die gleichen Konditionen gekannt, bis heute nicht ausgeräumt wurde.
Hier stellen sich ebenfalls Fragen, die die Grünen beantwortet haben möchten. Welche Wirtschaftlichkeitsberechnungen lagen für den Verkauf vor? Wer hat wann den Bibliotheksumzug geplant? Wer hat davon gewusst? In welcher zeitlichen Abfolge erfolgten Planung und Entscheidung? Wir wollen wissen,
Am 11. Dezember 2001 durchsuchte die Bremer Staatsanwaltschaft Räume öffentlicher Stellen und privater Betriebe wegen des Verdachts der Korruption im Zusammenhang mit öffentlichen Bauaufträgen und beschlagnahmte umfangreiches Aktenmaterial. Gegen einen leitenden Mitarbeiter der Bremer Baubehörde wird ermittelt. Ein maßgeblicher Zeuge fühlt sich massiv bedroht, so massiv, dass Bremen sich entschieden hat, ihn zeitweise ins Zeugenschutzprogramm aufzunehmen. Auch wenn sich herausstellen sollte, was man sich nur wünschen kann, dass strafrechtlich nichts an der Sache ist, bleiben politische Fragen.
Wurden nämlich die Verwaltungsvorschriften zur Vermeidung und Bekämpfung der Korruption in der öffentlichen Verwaltung der Freien Hansestadt Bremen vom 23. Januar 2001 bei allen Vergabeverfahren, Bauaufträgen und Verkäufen eingehalten? Wie werden die Richtlinien in den Beteiligungsgesellschaften, insbesondere der BIG, umgesetzt? Die Muster der in Rede stehenden Projekte, Auftragsvergaben und Bauaufträge ähneln sich leider. Es wird gar nicht oder nur beschränkt ausgeschrieben, der Gewinner der Ausschreibung erhält Konditionen, von denen vorher nicht die Rede war, und an Grundstücksgeschäfte sind andere Geschäfte gekoppelt, wie man beim Musical sieht. Das sind die Muster der in Rede stehenden Angelegenheiten, die wir hier untersuchen wollen.
In der Architektenkammer, in der Bauwirtschaft und in der Öffentlichkeit steigt der Unmut über intransparente Vergabeverfahren. Außerhalb Bremens setzt sich der Eindruck fest, auswärtige Bieter hätten per se keine Chance, auch bei günstigeren Angeboten in Bremen einen Auftrag zu bekommen. Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Herr Kollege Böhrnsen, erklärte am 6. Februar 2002 anlässlich des umstrittenen Verkaufs des Grundstücks Bahnhofsvorplatz an die Bietergemeinschaft Justus Grosse, Brebau und Zech, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Aber auch die beteiligten Investoren machen es erforderlich, dass eine sorgfältige Abwägung zwischen den Angeboten nicht nur vorgenommen, sondern auch vermittelt wird. Immerhin sind gegen eine beteiligte Firmengruppe Vorwürfe erhoben worden, zwar nicht bestätigt, aber auch nicht ausgeräumt.“
Das können die Grünen nur voll bestätigen. So ist es! Die Entscheidungen müssen auch vermittelt werden. Das allerdings ist Ihnen schon seit längerer Zeit in der Öffentlichkeit bestimmt nicht mehr gelungen.
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 15. Wahlperiode – 55. (außerordentliche) Sitzung am 14. 03. 02 3994
Wer es jetzt immer noch nicht hören möchte, dem kann man auch noch einen Blick in den aktuellen Bericht des Rechnungshofs empfehlen. Bremen ist in den letzten Jahren dazu übergegangen, beschränkte Ausschreibungen zur Regel zu machen, obwohl die Ergebnisse zeigen, dass man so nicht die günstigsten Angebote einholt. Welche Gründe gibt es dafür, dass sich diese Verwaltungspraxis eingeschlichen hat? Wieso haben sich Verfahren durchgesetzt, die so zumindest nach den beschlossenen Richtlinien und den öffentlich geäußerten Verlautbarungen politisch gar nicht erwünscht sind?
(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Beschränkte Ausschreibungen sind auch Ausschreibun- gen, das sollte sich auch bei den Grünen herumgesprochen haben!)
Beschränkte Ausschreibungen sind auch Ausschreibungen, aber der Regelfall, und so sind auch die Beschlüsse des Parlaments, sind öffentliche und unbeschränkte Ausschreibungen! Das ist auch die Willenserklärung des Parlaments hier gewesen. Wenn Sie das falsch finden, Herr Pflugradt, können wir uns auch öffentlich darüber streiten, weil alle Ergebnisse der Verwaltungswissenschaft sagen, dass man die besseren Ergebnisse für die Stadt erzielt, wenn man nicht beschränkt, sondern weit ausschreibt, wenn man nicht nur gezielt immer dieselben Firmen anschreibt, sondern weit über die Grenzen des Landes hinaus, so sind ja übrigens auch die EU-Vorschriften, Ausschreibungen macht. Das ist die Erkenntnis. Wenn Sie die nicht wollen, dann, sage ich Ihnen, sind unter Billigung von Ihnen und Ihrer Fraktion Verfahren in Bremen eingerissen, die nicht Gewähr dafür bieten, dass sie die besten Ergebnisse für unsere Stadt bringen.
Es war klar, dass Sie das ärgert! Hören Sie einen Moment zu, ich habe nicht gesagt, dass es so ist wie in Köln, dafür haben wir keine Anhaltspunkte, und das werden wir auch nicht behaupten!
Moment einmal, darf ich den Satz zu Ende sagen? Die jüngsten Ereignisse in Köln sollten Sie nachdenklich machen.
Korruption und Verantwortung dafür, wie unsere Verwaltung funktioniert, rücken in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Der Senat antwortet selbst auf die Anfrage der Grünen vom 6. Februar 2001 „Zur Vorbeugung und Verfolgung von Korruption“, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten aus der Antwort des Senats: „Allgemein“, also auch in Bremen, „gilt die Einschätzung, dass alle Verwaltungsbereiche, die Entscheidungen mit hohem materiellen Wert für Dritte – zum Beispiel Vergabe von Aufträgen, Genehmigungen und deren Entzug, Gewährung finanzieller Leistungen, Prüftätigkeiten und Gebührenerhebung – treffen, besonders gefährdet sind.“ Das antwortet der Senat in Bremen selbst der Bremischen Bürgerschaft. Das haben wir hier auch debattiert.
Hans Ludwig Zachert, der ehemalige Chef des Bundeskriminalamts, wird in einem Artikel des IBE, Institut für praktische Berufsethik, vom März 2002 mit dem Satz zitiert: „Im Bauwesen existiert in vielen deutschen Großstädten ein Grad an Korruption, der jahrelang Bestand hat.“ Weiter heißt es dort: „Korruption ist in Deutschland zu einem Massenphänomen geworden. Auf allen Ebenen des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens werden wechselseitig Gefälligkeiten erwiesen.“
Das alles ist kein Grund für pauschale Verdächtigungen oder Vorverurteilung. Das ist wohl wahr, das haben wir an keiner Stelle getan. Aber es ist ein weiterer Grund für Aufklärung und für die Übernahme von Verantwortung dafür, dass in Politik, Öffentlichkeit und Verwaltung ein verstärktes Problembewusstsein einkehrt.
Aus den öffentlichen Stellungnahmen, vor allen Dingen aus der SPD-Fraktion und auch von Seiten des Senats – dass dem das nicht gefällt, kann ich noch am ehesten verstehen –, konnte man ja entnehmen, dass Sie den Untersuchungsausschuss für überflüssig, ja für gefährlich halten. Ich sage Ihnen ganz klar, solch eine Einschätzung und Umgangsweise finden wir leichtfertig und wenig verantwortlich. Wenn Sie alle diese Fragen hier nicht haben, weil Sie die Antworten kennen, dann teilen Sie es der Öffentlichkeit mit! Es würde in Bremen viele Leute von ziemlich vielen Qualen entlasten, das wäre wichtig für Bremen und könnte Misstrauen und unangenehmen Gerüchten den Nährboden entziehen. Wenn Sie alle diese Fragen nicht haben, weil Sie es gar nicht so genau wissen wollen, dann nehmen Sie Ihre Aufgabe als Parlament, das als Ganzes den Senat kontrollieren muss, nicht wahr.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse hat die Bürgerschaft aus unserer Sicht gar keine andere
Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 15. Wahlperiode – 55. (außerordentliche) Sitzung am 14. 03. 02 3995
Wahl. Das Parlament muss sich der Sache annehmen. Es muss die in Rede stehenden Sachverhalte lückenlos aufklären und Vorschläge erarbeiten, wie in Zukunft Verkäufe und Bauaufträge in verlässlichen und geregelten Verfahren vergeben werden, und zwar so verlässliche und geregelte Verfahren, dass sie auch über jeden Zweifel derjenigen erhaben sind, die sich bei irgendwelchen Geschäften benachteiligt fühlen, weil sie, vielleicht auch aus guten Gründen, nicht zum Zug gekommen sind.
Oder wollen Sie wirklich untätig bleiben, wenn unsere eigene Architektenkammer von Zuständen wie in einer Bananenrepublik spricht? Wollen Sie sich wirklich immer noch bei der Abstimmung über den Untersuchungsausschuss der Stimme enthalten, wenn Baufirmen im Umland Bremens nur vielsagend mit den Achseln zucken? Dort hat man keine Chance, das hat sich festgesetzt. Dafür haben Sie auch eine politische Verantwortung, dass über Bremen so geredet wird. Oder wollen Sie den Untersuchungsausschuss immer noch nicht, wenn die Musical-Branche sich bundesweit über die Bremer Verträge lustig macht, und finden Sie immer noch, dass die Grünen hier im Nebel stochern, wenn unser Bundesland ins Gerede kommt als Ort, wo man zum Klüngel gehören muss?
Ein Untersuchungsausschuss ist, wohl wahr, die schärfste Waffe des Parlaments zur Aufklärung von Sachverhalten. Er ist kein alleiniges Mittel der Opposition, und er ist auch von uns als solches nicht konzipiert. Er ist auch nicht dafür da, die Staatsanwaltschaft zu ersetzen. Auch das werden wir nicht tun! Hier geht es ganz klar um politische Verantwortung für Verwaltungsabläufe und mögliche Vorteilsnahme im öffentlichen Handeln. Es geht auch nicht darum, einzelne Unternehmen anzuprangern. Die schutzwürdigen Belange von in Bremen tätigen Unternehmen werden wir bei unserer Arbeit im Auge behalten.