Ich eröffne die 69. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag). Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Folgende Gruppen sind anwesend: eine Gruppe Senioren des CDU-Kreisverbandes Bremen-Nord und Teilnehmer eines Bildungsurlaubs der Volkshochschule Bremen zum Thema „Kommunal- und Landespolitik“. Herzlich willkommen!
Gemäß Paragraph 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgenden Eingang bekannt: Keine Abschaffung der Tonnagesteuer, Antrag (Entschließung) der Fraktionen der CDU und der SPD vom 13. November 2002, Drucksache 15/1296. Gemäß Paragraph 31 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung gilt dieser Antrag als dringlich. Ich schlage Ihnen vor, diesen Antrag am Schluss der Tagesordnung aufzurufen. Es erhebt sich dagegen kein Widerspruch. – Dann verfahren wir so. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Ihnen davon Kenntnis geben, dass mir der Landeswahlleiter mitgeteilt hat, dass Herr Ernst-Otto Krüger ab 12. November 2002 anstelle des aus der Bürgerschaft ausgeschiedenen Abgeordneten Ulrich Freitag Mitglied der Bürgerschaft ist. Ich möchte Sie recht herzlich im Haus begrüßen und Ihnen bei der Ausübung Ihres Mandats viel Erfolg wünschen. Herzlich willkommen!
Gesetz zur Änderung der Volksgesetzgebung im Land Bremen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 30. April 2002 (Drucksache 15/1128) 1. Lesung
Gesetz zur Änderung der Volksgesetzgebung im Land Bremen Bericht und Antrag des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses vom 23. Oktober 2002 (Drucksache 15/1271)
Meine Damen und Herren, bei dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Gesetz zur Änderung der Volksgesetzgebung im Land Bremen, vom 30. April 2002, Drucksache 15/1128, wurde von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 59. Sitzung am 16. Mai 2002 die erste Lesung unterbrochen und der Gesetzesantrag an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss überwiesen. Dieser Ausschuss legt nunmehr mit der Drucksachen-Nummer 15/1271 seinen Bericht dazu vor.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da der Vorsitzende des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses darauf verzichtet hat, Ihnen einen Bericht über seine Arbeit zu geben – das kann ich in diesem Fall auch verstehen, weil das ja ein Null-Ergebnis ist –, muss ich Sie zunächst kurz in die Sache einführen.
Die Bürgerschaft hat am 16. Mai dieses Jahres einen Antrag meiner Fraktion debattiert, der durch Änderung der Landesverfassung und der einschlägigen Gesetze darauf abzielte, die praktische Durchführung von Initiativen der Volksgesetzgebung, also Volksbegehren und am Ende Volksentscheid, zu erleichtern. Ausgangspunkt war die Überlegung, dass die Volksgesetzgebung zwar in unserer Verfassung vorgesehen und auch gewollt ist als Ergänzung und durchaus am Ende auch als Korrektur des Parlaments, wenn das Parlament bestimmte Dinge nicht aufgreift, dass jedoch die konkrete Ausgestaltung dieser Verfahren, obwohl wir schon einmal etwas geändert haben, in der Praxis so ist, dass es in der Wirklichkeit nur sehr schwer, nach Auffassung unserer Fraktion von den Bürgerinnen und Bürgern zu schwer angewendet werden kann.
Deshalb haben wir in diesem Gesetzesantrag vorgeschlagen, die Zahl der für das Volksbegehren notwendigen Unterschriften abzusenken, die Mindestzahl derjenigen herabzusetzen, die an der Abstimmung teilnehmen müssen. Dafür wollen wir allerdings bei Verfassungsänderung wie sonst auch eine normale Zweidrittelmehrheit einführen. Wir wollen nicht mehr ausschließen, dass auch über Dinge ein Volksentscheid stattfinden kann, die am Ende einmal Geld kosten, dies jedoch in dem Rahmen, der durch das Urteil des Bremer Staatsgerichtshofs vorgegeben ist, und schließlich wollten wir eine pauschalierte Kostenerstattung für die Initiativen einführen, wie das auch andere Länder kennen. Wie der vorliegende Bericht des Ausschusses richtig sagt, die Grünen wollen damit eine Stärkung der Bürgerrechte.
Die Koalition wird heute unseren Gesetzesantrag, dessen erste Lesung unterbrochen war, ablehnen. Am 16. Mai war die Reaktion der Koalition noch ganz anders. Kollege Isola erklärte für die SPD, sie wolle unserem Vorschlag näher treten. Frau Kollegin Hannken sprach für die CDU kurz und schmerzlos von einer, ich darf zitieren, „konsensmäßig geführten Debatte“. Man wolle aber darüber hinaus vielleicht noch über das eine oder andere an anderen Formen der Bürgerbeteiligung sprechen.
Es wurde dann, ganz unüblich bei Anträgen auf Änderung der Landesverfassung, nicht ein Ausschuss nach Artikel 125 der Landesverfassung gebildet, sondern die Lesung des Gesetzes unterbrochen und an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss überwiesen. Sie können im Protokoll nachlesen, dass wir dem damals mit großer Verwunderung nur in der Annahme zugestimmt haben, dass Sie es auch ernst meinten mit der Arbeit an dem Gesetzentwurf.
Sie haben sich im Ausschuss dann noch einmal unsere Argumente angehört, Sie haben einen Haufen Material angefordert über die Regelungen anderer Länder und ihre Erfahrungen, Sie haben es auch bekommen, sehr interessantes Material, aber in der Sache haben Sie in den Sitzungen des Ausschusses kein Wort über dieses Material verloren. Eine Diskussion darüber gab es nicht. Sie haben vielmehr nach ein, zwei Vertagungen am 22. Oktober kurz und knapp erklärt, die SPD wolle noch, die CDU wolle nicht mehr, damit sei das Projekt gestorben.
Verehrte Kollegin Hannken, ich bin da ungern unhöflich, aber wenn Sie gleich versuchen werden, uns zu erzählen, dass Sie an der einen oder anderen Stelle noch Erörterungsbedarf haben und Sie das noch nicht so ganz genau wissen und dies sich noch überlegen wollen, ich gestehe Ihnen, ich glaube Ihnen kein Wort! Das sage ich Ihnen jetzt schon, egal, was Sie uns hier in dieser Richtung erzählen werden.
Schlicht und einfach war es so, Sie haben Fracksausen bekommen, entweder vor der eigenen Fraktion, wie der Kollege Eckhoff angedeutet hat, oder aber vor den Leuten, von denen Sie meinen, dass sie Sie wählen. Der schönste Satz im Ausschuss von Herrn Eckhoff war: So kurz vor der Wahl wolle man solche Reformen nicht beginnen. Das hat mir gut gefallen. Wir haben jedenfalls diese Reform nicht kurz vor der Wahl auf die Tagesordnung gesetzt, Herr Eckhoff, sondern rechtzeitig vorher!
Ich übersetze Ihren Satz mit „kurz vor der Wahl“ so, in dieser Legislaturperiode, solange die CDU mitregiert, wird aus einer Erleichterung und Verbesserung der Volksgesetzgebung nichts, und ich ziehe für mich den Schluss daraus, Reformen in Richtung mehr Demokratie sind hier nur möglich, wenn es nach dem 25. Mai andere, neue Mehrheiten gibt mit den Grünen.
Sie haben ja angekündigt, Sie würden sich an dieser Debatte beteiligen, darauf bin ich sehr gespannt. Mit Ihrem Zwischenruf kann ich jetzt nichts anfangen.
Ich bin ganz gespannt auf Ihren Beitrag. Es ist normalerweise nicht üblich, dass der Senat sich mit Zwischenrufen beteiligt, aber wenn, sollten Sie es wenigstens deutlich machen, damit das Haus versteht, was Sie meinen.
Ich habe ja gar nichts dagegen. Ich habe nur gesagt, dass es normalerweise nicht üblich ist. Mehr habe ich nicht gesagt.
Es sind offensichtlich Reformen in dieser Frage nur möglich, wenn es andere Mehrheiten gibt. Wir werden diesen Hinweis von Ihnen, Herr Eckhoff, in den Wahlen gern benutzen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Kuhn, ich bedauere zutiefst, dass Sie mir nicht glauben. Ich möchte aber betonen, dass ein Mitglied vom Bündnis 90/ Die Grünen, das im Moment die Bundesregierung mitstellt, von Glauben, von Verletzungen und Wortbrüchen hier gar nicht erst den Mund aufmachen sollte!
Ich hatte schon bei der letzten Debatte, die wir hier geführt haben, gesagt, dass dieses Thema sehr konsensual angegangen wird. Ich fand auch, dass die Debatten, die wir über den Volksentscheid und das Volksbegehren sowohl das letzte Mal hier in der Bürgerschaft als auch in der Vergangenheit in diesem Haus geführt haben, eigentlich immer an der Sache orientiert und daran orientiert waren, mehr für die Bürger in diesem Land zu erreichen. Sie haben einen Antrag eingebracht, der sich im Wesentlichen mit drei Punkten auseinander setzt, erstens, die Senkung der Unterstützungs- und Zustimmungsquoten für Volksbegehren und Volksentscheid, zweitens, die Änderung des Haushaltsvorbehaltes und drittens, die pauschalierte Kostenerstattung. Auf diese drei Punkte möchte ich eingehen, wobei ich bemerken möchte, dass ich die ersten beiden Punkte für die wesentlicheren halte, weil hier auch die verfassungsrechtlichen Aspekte berücksichtigt werden müssen, während der dritte in erster Linie eine finanzielle Frage betrifft.
Bereits in der letzten Debatte habe ich hier deutlich gemacht, dass wir als CDU-Fraktion sowohl den Volksentscheid als auch Volksbegehren, was allerdings auch als Einheit zu sehen ist, als eine sinnvolle Ergänzung zur parlamentarischen Repräsentation sehen. Die unmittelbare Gesetzgebung dient dazu, die Schwächen der parlamentarischen Gesetzgebung abzumildern und die Interessen und Vorstellungen der Bürger mehr in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen und ihre Berücksichtigung stärker in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. In der Debatte in der Bürgerschaft, aber auch im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss haben wir diese Fragen diskutiert, und ich muss offen für unsere Fraktion gestehen, Herr Dr. Kuhn, wir haben sie dort diskutiert, aber wir haben sie auch intensiv bei uns in der Fraktion diskutiert. Vielleicht waren Sie an diesen Diskussionen nicht immer beteiligt, das kann ich natürlich nicht gewährleisten.
Zumindest bei uns in der Fraktion waren Sie an diesen Diskussionen nicht beteiligt. Da gebe ich Ihnen Recht. Wir haben diese Fragen sehr intensiv bei uns diskutiert, und für uns haben sich mehr Fragen ergeben, als dass es Antworten dafür gab. Ich möchte insbesondere dieses Urteil des Bremischen Staatsgerichtshofes anführen, aus dem sich für uns noch viele Fragen ergeben haben, so dass wir Ihrem Antrag hier heute auch nicht folgen können.
Ich möchte dabei im Wesentlichen, wie ich schon eingangs sagte, die ersten beiden Punkte näher erörtern, weil das Letzte nicht so sehr verfassungsrechtliche Aspekte aufwirft, sondern mehr finanzielle Aspekte. Die Senkung der Unterstützung und des Zustimmungsquorums ist vom Bremischen Staatsgerichtshof sehr kritisch gesehen worden, obwohl dort noch andere Hürden gesehen wurden, da es ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip bedeuten könnte. Auch die unmittelbare Gesetzgebung, also durch Volksentscheid, Volksbegehren, muss sicherstellen, dass dadurch eine Herrschaft der Mehrheit gewährleistet wird. Deshalb dürfen die Quoren auch nicht zu weit abgesenkt werden. Es darf nicht dazu führen, dass Volksbegehren und Volksentscheid nur noch ein Instrument der Entscheidung durch Minderheiten werden. Dies würde dem Demokratieprinzip widersprechen.
Daher ist bei diesen Quoren ganz genau darauf zu achten, dass der Mehrheitswille immer noch gewährleistet bleibt. Ich glaube, auch hier muss man differenzieren zwischen Flächenstaat und Stadtstaat, auch hier ist in einem Stadtstaat eine ganz andere Betroffenheit zu erreichen als in einem Flächenstaat. Deshalb glaube ich, dass man die Quoren – wir haben ja das Material bekommen, wie es in anderen Staaten aussieht – nicht unbedingt mit denen in einem Flächenstaat wie Bayern vergleichen kann, sondern man muss sich schon die spezifische bremische Situation anschauen, die eben auch den Vorteil hat, dass man viel schneller Menschen mobilisieren, Menschen für eine Sache gewinnen und damit auch ein Quorum erreichen kann.