Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/1436 abstimmen.
Wer diesem Antrag mit der Drucksachen-Nummer 15/1436 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/1437 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/1129 ist durch die Drucksache 15/1419 erledigt.
Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Mitteilung des Senats, Drucksache 15/1419, und vom Bericht des Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft, Drucksache 15/1440, Kenntnis.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bündnis 90/ Die Grünen haben an den Senat eine Anfrage gestellt unter dem Titel „Nun auch McKinsey“. Es klingt etwas rätselhaft für diejenigen, die nicht alle Unterlagen lesen, das kann man ja von niemandem hier im Haus verlangen, aber es ist eine einfache Auflösung. „Nun auch McKinsey“ bezieht sich nicht nur auf McKinsey, sondern darauf, dass verschiedene Einrichtungen und Organisationen der Wirtschaft eine grundlegendere Reform auch im Bildungssystem der Republik gefordert haben.
Kern dieser Forderung, und danach fragen wir den Senat, wie er es bewertet, ist die Aussage, die wir heute schon in einem anderen Zusammenhang mehrfach angesprochen haben: es komme künftig darauf an, im Bildungssystem der Zukunft jedes Kind besser zu fördern. Die bessere Förderung jedes einzel––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
nen Kindes sei wiederum am besten zu erreichen, wenn sie möglichst lange nicht nach verschiedenen Schulformen differenziert – man kann es auch einfacher sagen – gemeinsam in einer Schule unterrichtet werden. So ist der Kernpunkt der Aussagen. Es ist nicht nur McKinsey, die bekannte Wirtschaftsberatungs- und Unternehmensberatungsorganisation, die weltweit operiert und die von daher natürlich ihre Vergleiche zieht. Wir alle wissen, dass McKinsey auch schon in Bremen tätig war. Die Tätigkeiten haben unterschiedliche Zustimmung in unterschiedlichen Bereichen gefunden, immerhin noch eine Menge mehr als die Ergebnisse von Roland Berger, die wir vier Jahre später in diesem Hause hatten. Insofern wird hier niemand von uns sagen, dass Wirtschaftsberatungsorganisationen die sind, die den Stein der Weisen gefunden haben. Ich finde, es ist schon ein bemerkenswerter Wandel, dass ein solches Unternehmen sich nicht nur einfach beschäftigt mit der Rationalisierung betrieblicher und wirtschaftlicher Zusammenhänge und mit der Beratung von Firmen und Staatsverwaltungen, wie sie künftig besser aufgestellt und organisiert sein sollen, sondern mit grundsätzlichen Problemen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, wie es das Bildungssystem ist. Es ist übrigens nicht nur McKinsey, das ist heute auch schon einmal zitiert worden, sondern auch der Baden-Württembergische Handwerkstag – das ist die Handwerkskammer des Landes Baden-Württemberg, um das für alle klar zu machen, nicht irgendwer, sondern die Handwerkskammer eines ganzen Landes – hat sich ähnlich geäußert wie McKinsey. Wir haben den Senat gefragt, wie er diese Entwicklung bewertet. Ich sage einmal ganz vorsichtig, der Senat hat sich sehr zurückhaltend verhalten.
Was soll er denn machen, genau das ist der Kernpunkt! Was soll er denn machen, weil wir in der Frage des Bildungssystems, der Zukunft des Bildungssystems die Situation haben, dass die politischen Auffassungen dieses Hauses, dieses Parlaments, und dieser Republik insgesamt, trotz weitgehend einheitlicher Einschätzungen der Ergebnisse der verschiedenen internationalen Vergleichsuntersuchungen, in denen Bremen und die Bundesrepublik insgesamt nicht gut abschneiden, diametral verschieden sind. Man kann das ganz einfach sagen: Durch dieses Haus und durch dieses Land Bremen zieht sich bildungspolitisch ein Grand Canyon von einer Tiefe, die nicht zu überwinden zu sein scheint.
lassen, wie groß die Meinungsunterschiede sind, sondern um einen Ansatz zu finden, der uns in der Zukunft weiterhilft. Darum geht es heute. Darum berufen wir uns auch ausdrücklich auf Organisationen und Unternehmen, die ein wirtschaftliches Interesse an der Bildung haben und nicht ein allgemein demokratisches Interesse. Wenn wir uns darüber einig sind, dass Bildung ein allgemeines Bürgerrecht für jeden ist und dass Bildung notwendig ist zur Aufrechterhaltung und Entwicklung der Demokratie, wenn wir uns gleichzeitig darüber einig sind, dass gute Bildungschancen für eine Gesellschaft und ihre wirtschaftliche Zukunft in einem gemeinsamen Europa wichtig sind, dann müssen wir uns auch das anhören, was solche Unternehmen und Organisationen zur künftigen Bildungspolitik sagen.
Ausgangspunkt bei McKinsey ist zu sagen, dass die Zukunft unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems von der Qualität der Bildung, der Qualität der Abschlüsse und von der Chance, möglichst viele gute Abschlüsse zu erreichen, abhängt, und der Baden-Württembergische Handwerkstag, der sich nun konkret mit den Auswirkungen der Bildungspolitik beschäftigen muss, weil er natürlich in seinen Mitgliedsbetrieben die Kinder und Jugendlichen nach dem Schulsystem vor Augen geführt bekommt, sagt, wir bekommen heute nicht die Jugendlichen, die das Handwerk für die Zukunft braucht, unsere Schule bildet sie so nicht aus. Er sagt aber gleichzeitig, nicht die Stärkung der Hauptschule, nicht die Stärkung der Gymnasien, nicht die Stärkung der Realschule ist die richtige Lösung, weil diese Einrichtungen die falschen Bildungsinhalte für die falschen Kinder – um das Wort noch einmal zu nennen – produzieren, aber nicht auf die Zukunft gerichtet sind, sondern die zukünftige Bildungspolitik hat ganz andere Zielrichtungen als nur die traditionelle gymnasiale Bildung, als nur das, was man sich unter handwerklicher Arbeit heute vorstellt. Das ist etwas Integriertes, Kopf- und Handarbeit, Intelligenz und praktische Fähigkeiten, nicht in jedem einzelnen Kind, aber im Bildungssystem. Das ist die zentrale Aussage für die Entwicklung unserer Gesellschaft.
Ich will das jetzt nicht mit irgendeiner Polemik hier anführen, sondern nur sagen, wir müssen das zur Kenntnis nehmen, weil es die Wirklichkeit ist, und wir hinken bildungspolitisch weit hinter der Wirklichkeit zurück. Andere europäische Staaten haben in Situationen, als es ihnen wirtschaftlich schlecht ging – –. Schweden war in den siebziger Jahren ökonomisch schlecht dran, Finnland war zu Beginn der achtziger Jahre, als sie die große Bildungsreform durchgesetzt haben, ökonomisch ziemlich am Ende Europas. Heute stehen diese Länder trotz der ökonomischen Probleme, die im Zuge der Globalisierung überall wirken, sehr viel besser da, als die Bundesrepublik Deutschland heute dasteht. Das hat et
was damit zu tun, dass diese Länder frühzeitig auf Bildung gesetzt haben, nicht aber nur auf ökonomisches Wachstum. Herr Kollege Pflugradt, ich will nicht noch einmal die Diskussion haben, die wir gestern hatten. Er hat gestern gesagt, wir sollten ökonomisches Wachstum nicht missachten. Er hat ja Recht, aber deshalb sage ich, nicht nur auf ökonomisches Wachstum setzen, sondern auch auf Wachstum der Bildungschancen.
Heute sagen in dieser Republik nach der letzten Shell-Jugendstudie 52 Prozent aller Jugendlichen, sie würden, wenn sie die Chance dazu haben, das Abitur anstreben. Das allein sagt genug über das Bewusstsein unter den Jugendlichen, wie wichtig für sie gute und hohe Bildungsabschlüsse sind. Ich finde, es wäre das Beste, was wir tun könnten, wenn wir dem gerecht werden, dem möglichst schnell nachkommen und ihnen die Chance geben.
Ich weiß, dass der Grand Canyon tief ist, und es ist vorhin ja auch schon wieder gesagt worden in der Debatte über das Schulgesetz, dennoch, glaube ich, müssten wir zuerst zwei Dinge tun, nämlich Brücken bauen, damit man von der einen auf die andere Seite gehen kann, um schließlich daraus Konsequenzen zu ziehen. Brücken über diesen Grand Canyon zu bauen heißt, dass die Leute, die heute auf der rechten Seite stehen, auch auf die linke Seite wechseln können, um sehen zu können, was da richtig ist, und andersherum. Dazu will ich noch einmal auf McKinsey zurückkommen, weil sie uns Handreichungen dafür geben. McKinsey sagt, eine dieser Brücken ist, Bildung so früh wie möglich. Bildung so früh wie möglich heißt, nicht Sprachstandstests nach dem fünften Lebensjahr, sondern die Institution Kindergarten als Bildungseinrichtung für den Eintritt der Kinder dahin gehend zu begreifen, diese Institution aufzuwerten und vor allen Dingen, so sagt es McKinsey, auch die Menschen, die dort arbeiten, die Erzieherinnen, anders zu qualifizieren, höher zu bewerten, auch besser zu bezahlen,
damit dieser Bildungsanspruch durchgesetzt werden kann. Das Gleiche gilt für die Grundschule, verbal sind wir uns darüber einig. Dann sage ich: Gehen wir über die Brücke und fangen nicht irgendwo damit an, sondern fangen wirklich ganz unten im System an, um zu einer neuen Schule zu kommen! Wenn wir das können, dann können wir auch sehen, wie sich das oben schrittweise weiterentwickelt.
Die zweite Brücke, die McKinsey nennt, ist Qualität, Qualität, Qualität! Ich glaube, das ist eine Brücke, über die viele gehen müssen, die bis jetzt auf der linken Seite standen und historisch die Gesamtschule für etwas Richtiges gehalten haben. Die bisherige Gesamtschule hat viele Jahre lang die Qualität, die Qualität als Leistung, Wissen und Fertigkeiten nicht so wichtig genommen wie soziale Fähigkeiten. Beides zu vereinen und zu fördern, das ist die Aufgabe der gemeinsamen Schule der Zukunft.
Wenn die linke Seite über diese Brücke geht zu denjenigen – –. Herr Bürger, da gebe ich Ihnen gern nachträglich Recht nach vielen Bildungsdebatten, die wir hier geführt haben, Sie haben das schon vor 15 Jahren gesagt, es hat lange gedauert, bis andere da angekommen sind, dass es notwendig ist. Das aber stellt noch nicht die Organisationsform, gemeinsam zu unterrichten, in Frage, sondern nur, wie bis jetzt in dieser Organisationsform unterrichtet worden ist.