Protokoll der Sitzung vom 14.05.2003

Als ersten Redner rufe ich den Abgeordneten Neumeyer auf.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! In den Stadtteilen Burglesum, Vegesack und Blumenthal leben mehr als 100 000 Menschen, das heißt, jeder fünfte Stadtbremer kommt aus dieser Region. Das ist eine Region, wenn wir in der Vergangenheit darüber ge––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

sprochen haben, die von dramatischen Kennzahlen im Grunde genommen getrieben wurde. Das ist die Region, in der der wirtschaftliche Niedergang des Vulkan, über den wir hier zu Recht häufig im Hause gesprochen haben, erlebbar und spürbar war, denn hier waren 5000 Menschen in der Hochzeit des Bremer Vulkan beim Vulkan beschäftigt. Das ist eine Region, in der bis zum Ende der neunziger Jahre 8,3 Prozent der Menschen die Region verlassen haben, weil es keine Perspektive gab, weil die Arbeitsplätze immer weiter zurückgegangen sind und weil es im Grunde genommen auch keine Infrastruktur gegeben hat, die die Perspektive gezeigt hat, dass es lebenswert ist, in Bremen-Nord zu leben.

Wir hatten nicht nur die Vulkan-Krise zu verzeichnen, zu verarbeiten, wir Nordbremer spüren heute noch die Spätfolgen der Vulkan-Krise. Es sind eben nicht nur die Arbeitsplätze beim Vulkan selbst gewesen, es ist bis zu den Bäckerbetrieben, bis zu den Schlachtern gegangen. Alle haben es in ihren Portemonnaies gemerkt, aber keiner hat verzagt, auch das will ich gern an dieser Stelle sagen, weil wir die Region Bremen-Nord nicht untergehen lassen wollten. Ich bin sehr dankbar, dass das auch hier im Parlament nicht nur von den Nordbremern eine breite Unterstützung gefunden hat, sondern dass diese Bremische Bürgerschaft und der Senat einen eindeutigen Schwerpunkt bei ihrer Bearbeitung für den Strukturwandel in Bremen-Nord gesetzt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Es war eben nicht nur der Bremer Vulkan. Ich erinnere an die BWK, die auch einmal zu besten Zeiten 4300 Arbeitsplätze hatte. Wir reden jetzt von 350 Beschäftigten. Es ist die Norddeutsche Steingut, die wesentliche Kapazitäten nach Bremerhaven verlegt hat, was auch einhergeht mit dem Arbeitsplatzabbau. Wir haben nur noch 270 Beschäftigte dort. Ich könnte auch die Stahlwerke nennen, ein Betrieb, der im Wesentlichen auch ein Arbeitgeber für die Region Bremen-Nord ist. Der wirtschaftliche Niedergang hat im Grunde seinen Höhepunkt mit der VulkanKrise im Jahr 1999 gefunden. Da hatten wir den absoluten Tiefstand an Arbeitsplätzen in der Region Bremen-Nord mit nur noch 17 730 Arbeitsplätzen gegenüber 100 000 Menschen, die in der Region gewohnt haben.

Wir können heute Gott sei Dank sagen, dass wir eine deutliche Trendwende erreicht haben. Was die Einwohnerwanderung anbelangt, stellen wir fest, dass die Menschen heute wieder Wohnraum nicht nur in Bremen-Nord nachfragen, sondern dass sie auch in Bremen-Nord Platz finden, aber auch insbesondere bei den Arbeitsplätzen, und darüber sind wir sehr froh. Wir haben im letzten Jahr 700 neue Arbeitsplätze, alle in Bremen-Nord, anbieten können und zu verzeichnen gehabt. Allein auf dem Ge

biet des ehemaligen Vulkan-Geländes befinden sich heute wieder 1100 Menschen in weit über 40 mittelständischen Betrieben in Beschäftigung, und das ist ein wunderbarer Erfolg für die Region BremenNord.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Aber auch bei einem Projekt, was hier natürlich auch, ich finde, zu Recht, häufig diskutiert wurde, ich nenne das Haven Höövt! Wir haben alle gemeinsam bei der Diskussion vergessen, dass das Haven Höövt auch eine Jobmaschine ist. Mit Eröffnung des Haven Höövts vor wenigen Wochen wurde bekannt gegeben, dass 500 Menschen im Haven Höövt eine neue Arbeit gefunden haben, 500 Menschen, die man übrigens nicht nur aus der Region Bremen-Nord anwerben musste, sondern die auch darüber hinaus ihren Arbeitsplatz in Bremen-Nord gefunden haben.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Trotz dieser positiven Signale sage ich ganz offen, wir haben den Strukturwandel eingeleitet, aber wir haben nach wie vor die Situation, dass BremenNord überwiegend eine Schlafstadt ist. Das reicht uns nicht. Wir haben noch viel zu tun in BremenNord. Wir müssen weiter aktiv an der Gestaltung des Strukturwandels arbeiten. Hierzu gehört, die Randlage zu beseitigen. Gegen die geographische können wir nichts, gegen die verkehrliche Infrastruktur können wir selbstverständlich etwas machen. Dazu gehört es, attraktive Gewerbeflächen auszuweisen, dazu gehört es aber auch, attraktive Wohnbauflächen gerade für Ein- und Zweifamilienhäuser in Bremen-Nord auszuweisen, damit die jungen Familien, die in Bremen-Nord leben möchten, auch einen Platz in Bremen-Nord finden.

(Beifall bei der CDU)

Selbstverständlich gehört dazu auch eine ausreichende kulturelle und soziale Infrastruktur. Angesichts der eigentlich dramatischen Ausgangslage kann man heute eine stolze Zwischenbilanz, so will ich es einmal nennen, ziehen. Da ärgert es schon ein bisschen, wenn man dann auch Auguren aus BremenNord hört. Wir haben noch die FDP bei uns, wir vermissen sie zwar nicht, wenn man den ehemaligen Wirtschaftssenator in Bremen-Nord reden hört, dass wir alles falsch gemacht haben, dass die neuen Arbeitsplätze auf dem Vulkan-Gelände die falschen sind, die Arbeitsplätze beim Haven Höövt nicht dahin gehört hätten. Wahrscheinlich hätte er gern gesehen, dass wir da weiterhin Werftbrachen haben, aber das ist nicht unsere Perspektive!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wir wollen Arbeitsplätze in Bremen-Nord haben. Wir wollen, dass die Menschen in ihrer Region le

ben, arbeiten und sich wohl fühlen können. Die FDP hat eben keine Duftmarken hinterlassen, und das ist auch gut so, wenn ich mich an den Kollegen van Nispen erinnere, der von drei Polizeirevieren in Bremen-Nord zwei schließen wollte. Wir haben alle drei erhalten und sie nicht nur erhalten, wir haben sie auch so ausgestattet, dass die Polizisten heute in einem arbeitsfähigen Umfeld leben und arbeiten können, in dem man einigermaßen vernünftig arbeiten kann. Vorher war das nämlich nicht gegeben!

(Beifall bei der CDU)

Nun zu den Dingen, von denen wir glauben, dass wir da etwas gut gemacht haben, aber man da auch in Zukunft Gas geben muss! Das ist die verkehrliche Infrastruktur. Zurzeit ertragen wir es gern, dass wir morgens und abends auf der A 27 im Stau stehen, weil endlich der sechsstreifige Ausbau der A 27 realisiert wird, eine Forderung, die dringend erfüllt werden muss, damit wir eben besser an den überregionalen Verkehr angeschlossen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Es gab eine ganze Reihe von Kritikern. Ich bekenne mich ganz offen, ich war auch ein Ungläubiger, dass der Umbau am Ihlpohler Kreisel tatsächlich zu der gewünschten Entlastung führt. Heute kann man aber sehen und spüren, er hat zu der Entlastung geführt, die wir brauchen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für uns ist der Ausbau der A 281 von entscheidender Bedeutung, denn wenn der Ausbau am Ende mit dem Tunnel fertig ist im Jahr 2010, das hört sich erst einmal weit weg an, aber in Wirklichkeit sind es noch nicht einmal zwei Legislaturperioden mehr, dann können wir kreuzungs- und ampelfrei bis zum Bremer Flughafen auf die A 1 zu den Wirtschaftszentren im Westen Deutschlands gelangen. Das heißt, wir finden Anschluss, und damit gewinnen unsere Gewerbeflächen die Attraktivität, die wir ihnen eigentlich auch zukommen lassen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Selbstverständlich gehört für uns als entscheidende Forderung für die Zukunft, deswegen haben wir es heute auch noch einmal als Antrag gemeinsam mit der SPD hier eingebracht, der notwendige Ausbau der B 74, die Verlängerung bis Farge, damit wir auch Blumenthal anschließen können, damit Blumenthal wieder zu Bremen wächst, damit es in Blumenthal nicht das Gefühl gibt, eigentlich wollen die mit uns nichts zu tun haben, eigentlich sind wir besser in Niedersachsen aufgehoben. Nein, die Kollegen gehören zu uns, und wir wollen auch Beiträge

dazu leisten, dass sie noch schneller zu uns gelangen und auch umgekehrt.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Gerade in Blumenthal, meine Damen und Herren, haben wir die attraktiven Wohnungsbaugebiete, die wir so dringend in Bremen-Nord brauchen, aber solange wir die verkehrliche Erschließung nicht so haben, wie wir sie brauchen, können wir die Wohnungsbauflächen leider auch nicht so an die Menschen bringen.

Dazu gehört selbstverständlich auch der ÖPNV. Ich möchte nicht, dass hier das Gefühl entsteht, die CDU setzte einseitig auf den Straßenverkehr. Wir sind dafür, dass wir den Testbetrieb der Farge-Vegesacker Eisenbahn aufnehmen. Wir sind dafür, dass wir den Versuch machen, in Gespräche mit Anbietern zu gelangen. Das ist nicht nur die BSAG, das sage ich ganz offen, es gibt auch andere private Betreiber, die in Niedersachsen in der Region WeserEms sehr erfolgreich schienengebundenen ÖPNV betreiben. Wir sind dafür, dass man hier vorangeht, dass man versucht, den Anschluss zu realisieren, zumindest als Versuchsbetrieb.

Was die Infrastruktur der bestehenden Bahnhöfe angeht, kann jeder sehen: Alle Bahnhöfe sind saniert worden, es ist heute nicht mehr eine ekelige Randlage, wo man im zugigen Wind stehen musste, sondern es sind im Grunde genommen sehr attraktive Übergangspunkte, wo man gern in die Züge einsteigt und wo man selbstverständlich auch gern wieder aussteigt, wenn man in Bremen-Nord zu Hause ist.

Meine Damen und Herren, einen zentralen Punkt haben wir selbstverständlich auch, wir wollen, dass die Taktfrequenz erhöht wird. Die Infrastruktur bei den Bahnhöfen ist besser geworden, sie ist attraktiv geworden, nun muss aber auch im Grunde genommen die Taktfrequenz erhöht werden, dass es sich wirklich lohnt, auch umzusteigen.

(Beifall)

Zu den Gewerbeflächen! Wir haben eine ganze Reihe von attraktiven Flächen, die noch attraktiver mit der verkehrlichen Erschließung werden, wir haben uns auch sehr kleinräumig die Flächen angeschaut, wie bekommen wir Profile in die einzelnen Gewerbeflächen hinein. Ich bin sehr stolz darauf, dass eine unendliche Geschichte des Gewerbegebietes Steindamm endlich schranken- und schienenfrei an den überregionalen Verkehr angebunden werden konnte. Das war früher nicht möglich, das sage ich ganz offen. Ohne eine Schwerpunktsetzung dieser großen Koalition für Bremen-Nord hätten wir das niemals hinbekommen, und die Mitarbeiter in den betroffenen Gebieten, die jeden Tag im Stau standen, und die Unternehmen, Fuhrunternehmer, die

sozusagen richtig wirtschaftliche Schwierigkeiten durch diese politisch organisierte Randlage haben, werden dankbar dafür sein, dass sie nun auch wieder wirtschaftlich am Wirtschaftsverkehr teilnehmen können, wenn es denn eröffnet wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich füge hinzu, die Flächen werden auf Dauer nicht reichen können. Wir brauchen zusätzliche Flächen für wirtschaftliche Entwicklung, wir brauchen zusätzliche Flächen mit entsprechenden Profilen, so wie wir das ja auch in der Stadt Bremen gelernt haben, um die Universität herum, um den Flughafen herum. Da, wo wir Gewerbeflächen mit einem bestimmten Profil anbieten, werden sie auch offensiv nachgefragt, und das brauchen wir für Bremen-Nord.

Eine Fläche ist die Wilhelm-Kaisen-Kaserne, die absehbar frei wird. Wir sehen hier einen guten Standort, eine gute Adresse als Gründerzentrum, eine gute Adresse, wo man ein Profil Medizintechnik ansiedeln kann. Wir sehen hier eine Perspektive für BremenNord, und wir sehen eine Chance, die man nutzen will. Was es mit der CDU nicht geben wird, das sage ich Ihnen auch ganz deutlich, ist, dass wir hier eine Erweiterungsfläche für das Asylbewerberheim nebenan haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen wirtschaftliche Entwicklung, und wir brauchen eine Perspektive, dass wir aus der Schlafstadt herauskommen.

(Glocke)

Selbstverständlich ist unsere wichtigste Keimzelle – ich komme zum Schluss! – die IUB. Die IUB ist für uns Aufbruch, sie ist für uns Zukunftsfähigkeit, sie ist für uns Innovation, und die CDU wird die IUB in ihrer Entwicklung nachhaltig unterstützen. Wer hätte denn vor acht Jahren geglaubt, wenn Herr Bürger als Bremen-Norder Abgeordneter gefordert hätte, wir wollen eine private Universität mit Studiengebühren? Die Kollegen von Grünen und SPD hätten ihn als ewig Gestrigen beschimpft, und die eigenen Kollegen hätten ihn müde belächelt.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau H ö v e l - m a n n [SPD]: Er hat sie ja auch nicht ge- fordert!)

Heute ist sie Realität in Bremen, heute ist sie eine Vorzeigeadresse, nicht nur für Bremen, sie ist eine Vorzeigeadresse für Deutschland, und wir werden auch helfen, dass dort ein Gründerzentrum und ein Science-Park hinkommen. Wir hoffen, dass die Flächen so nachgefragt werden, dass auch das Optionsgelände Oeversberg dafür irgendwann einmal gebraucht wird. Zurzeit haben wir aber auch noch

ausreichend andere Flächen, und die wollen wir zuerst einmal angreifen und entwickeln, weil wir natürlich wollen, dass die Entwicklung nicht gegen die Menschen stattfindet, sondern dass sie mit den Menschen stattfindet.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage nur noch einen Satz! Zur Infrastruktur und zur Lebensqualität gehört selbstverständlich auch das, was wir bei den Schulen und Kindergärten haben. Wir sanieren die Kindergärten, die Schulen werden saniert, Schulzentrum Sandwehen, und wir haben heute eine Angebotspalette an Schulfreiheit in Bremen-Nord, wie wir sie wirklich nie hatten. Sie können eine Schule mit sportlichem Profil, bilingualen Angeboten besuchen, das Abitur nach zwölf Jahren oder am durchgängigen Gymnasium machen. All dies ist heute möglich, und das macht eben auch den Standort für Arbeitgeber und -nehmer interessant. Das ist ein Vorteil für die Region Bremen-Nord, gepaart mit den guten kulturellen Angeboten, die wir haben, und, ich füge hinzu, das wird auch nicht reichen. Wir brauchen mindestens, das ist unsere Einschätzung mit dem Elternwillen im Nacken, ein weiteres durchgängiges Gymnasium. Wir werden Elternwillen durchsetzen und ernst nehmen und uns auch entsprechend bemühen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD])

Ich bedanke mich, Frau Kollegin Hövelmann, dass Sie die Geduld mit mir hatten, ich bedanke mich bei Ihnen allen, dass Sie den Nordbremern immer ausreichend Geduld zur Verfügung stellen. Es geht eine ganze Reihe Nordbremer von Bord, und wir Nordbremer unterscheiden uns dadurch von den meisten Stadtbremern, dass wir uns so ein bisschen als Wahlkreisabgeordnete beschreiben. Niemand ist ja Nordbremer Abgeordneter in diesem hohen Haus, ohne seine Nordbremer Identität zu vergessen. Ich finde, das ist gut so, und das soll auch so bleiben! Politik, die aus Bremen-Nord gestaltet wird, muss parteiübergreifend erst einmal Politik für Bremen-Nord sein.

(Heiterkeit)

Nur so können wir die Interessen der Nordbremer durchsetzen und angemessen in diesem Hause vertreten. Ich wünsche Ihnen, allen Nordbremern, die hier bleiben, dass Sie sich das Wohlwollen des Hauses auch in Zukunft zu Recht erkämpfen, weil wir noch nicht den Anschluss gefunden haben. Wir haben den Wandel gestaltet, angefangen, begonnen, aber wir sind noch lange nicht am Ziel. Ich möchte Ihnen Mut machen: Lassen Sie sich nicht unterkriegen!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)