Protokoll der Sitzung vom 18.03.2004

Was ist, wenn man diese Erfolgsgeschichte so beschreibt, dann die Realität? Die Realität beschreibt der Senat selbst in einer Broschüre, die zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum herausgegeben worden ist, die auch hier draußen vor dem Saal ausliegt und von der Senatsbeauftragten, also im Namen des Senats, veröffentlicht worden ist. Ich darf mit Genehmigung der Präsidentin kurz aus dieser Senatsbroschüre zitieren: „Im Durchschnitt der letzten Jahre konnten mit einem Haushalt von rund 850 000 Euro Projekte mit einem Gesamtvolumen von 7,7 Millionen Euro realisiert werden. Das entspricht einer Drittmittelquote von etwa eins zu neun.“ Da hätte ich mich gefreut, wenn der Rechnungshof auch einmal etwas dazu sagt, dass man mit ganz bescheidenen Mitteln das Neunfache an Drittmitteln hereinholen kann, mit 850 000 Euro 7,7 Millionen Euro!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Jetzt sagt der Senat, namentlich Frau Dr. Kießler, selbst: „Der drastische Rückgang der Mittel von rund 1,3 Millionen Euro im Jahr 1992 auf rund 0,6 Millionen Euro im Jahr 2005 ist die Ursache dafür, dass die Aktivitäten der Bremer Entwicklungszusammenarbeit deutlich reduziert werden müssen.“ Der Senat selbst sieht also ein, dass wir hier mit dieser Erfolgsgeschichte nicht ganz so pfleglich umgehen, wie wir das eigentlich sollten, sondern wir haben massive Einschnitte – das müssen zwar viele, das müssen alle in Bremen hinnehmen –, wir haben auf diesem Gebiet dramatische finanzielle Einschnitte, die sich auch auf unsere Fähigkeit auswirken, nun Drittmittel von anderer Stelle nach Bremen und auch für unsere Projekte in der Welt hereinzuholen. Das ist die

materielle Seite, und ich möchte aus Erfahrung der Arbeit des Landesamtes, die ich gut kenne, sagen, dass hier eine Untergrenze erreicht ist, wo weiteren Spargelüsten und weiteren Gelüsten einer Seite dieses Hauses nicht nachgegeben werden darf. Das darf nicht noch weiter kaputtgespart werden, sondern hier ist wirklich der unterste Level mit allen Anstrengungen erreicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der zweite Punkt, den ich schon angedeutet habe, der in unserem Antrag endlich einmal konkret benannt wird, während Ihr Antrag ja sehr stark das Hin und Her, die Vorgeschichte dieses Antrags, die Kompromissfindung zwischen zwei doch sehr unterschiedlichen Linien widerspiegelt und deswegen das Problem aller Kompromissanträge hat, ist, er sagt eigentlich nicht, wie es weitergehen soll. Ich glaube, dass die jetzige Struktur mit einer entsprechenden Leitung in der Nachfolge von Gunther Hilliges dringend notwendig ist, um aus dieser Erfolgsgeschichte nicht ein Anhängsel irgendeiner Verwaltung in irgendwelchen Hinterzimmern und Hinterstübchen zu machen, wo dann quasi nur noch eine Abwicklung der Arbeit des Landesamtes stattfinden kann, sondern dass wir von dieser offensiven und positiven Arbeit, wie sie in den letzten 25 Jahren geleistet worden ist, sehr wohl dann profitieren, wenn wir diese Mindestausstattung an Personal- und Sachmitteln haben, wenn wir auch in Zukunft wieder eine identifizierbare Struktur mit einem identifizierbaren Leiter oder einer Leiterin für diesen Bereich erhalten. Dazu sagen Sie in Ihrem Antrag nichts. Wir sagen in unserem Antrag ganz klar, dies braucht man, um diese Erfolgsgeschichte deutlich fortzusetzen.

Lassen Sie mich noch einen Gedanken zu dem äußern, was hier eigentlich vonstatten geht! Seit 1979, ich habe es erwähnt, hat die CDU – da haben sich besonders die früheren Kollegen Neumeyer und Kudella in den neunziger Jahren einmal sehr weit hervorgewagt – versucht, und in den CDU-Wahlprogrammen der letzten Legislaturperioden stand es auch immer wieder, dieses Landesamt als etwas darzustellen, was eben nicht so positiv ist, wie es dann manchmal klingt, sondern eher als einen Kostgänger und eher als etwas, was uns im Lande Bremen nicht so viel bringt, aber dafür umso mehr kostet.

Das Gegenteil, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist der Fall. Mit sehr wenigen Mitteln wird hier mit einer hohen Effizienz gearbeitet und sozusagen die Rolle Bremens in der Welt gestärkt. Der Bürgermeister hat selbst auf vielen Reisen, die in Gebiete geführt haben, die das Landesamt mit betreut, sicherlich auch mitbekommen, wie hoch die Wertschätzung dieser Arbeit in der ganzen Welt ist. Aus dieser Wertschätzung darf man nun nicht den Schluss ziehen, dass man diesem Landesamt quasi das Wasser abgraben und ihm die nötigen Voraussetzungen

entziehen darf, diese Arbeit in der Zukunft noch zu machen. Die einzige Konsequenz, wenn man diese Auffassung, die ich vorgetragen habe, teilt, wäre, den Antrag, den Bündnis 90/Die Grünen hier heute eingebracht hat, zu unterstützen. Darum bitte ich diejenigen, die diese Auffassung teilen, für die kommende Abstimmung. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält Bürgermeister Dr. Scherf.

Liebe Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst einmal freue ich mich, dass Sie alle diese Arbeit des Landesamtes für Entwicklungszusammenarbeit so loben. Das tut allen, die dort arbeiten und insbesondere denen, die mit dem Landesamt über diese langen Jahre gearbeitet haben, gut. Es stimmt auch, was Herr Güldner gesagt hat, dass ich mich persönlich in diesen Jahren sehr engagiert habe und vieles genau weiß von den Verhältnissen vor Ort und von den Projektträgern.

Nun darf man aber eines nicht übersehen, und es wundert mich, dass Sie von der Opposition das übersehen. Wenn uns der Rechnungshof so einen Bericht vor die Füße legt, dann greifen Sie ihn ja normalerweise auf und treiben uns. Jetzt machen Sie das einmal anders und sagen, Rechnungshof, papperlapapp, das ist alles daneben. Wir müssen doch damit konstruktiv umgehen. Das ist doch nicht eine Willkürinitiative des Rechnungshofs gewesen, sondern das ist eine anstrengende Rechnungshofinitiative, so wie wir auch auf anderen Gebieten anstrengende Rechnungshofrückmeldungen haben. Diese jetzt in unsere Arbeit zu integrieren steht eigentlich für die Zukunft an.

Da finde ich auch im Antrag der Grünen diese doch kluge Idee, dass wir die Außenwirtschaft in Bremen und die Vertretung, die wir in Europa haben, mit dem wichtigen Teil, dass wir die Komplementärmittel für EU-Projekte organisieren und mit der internationalen Arbeit dieser Landesregierung verzahnen müssen. Das steht in Ihrem Antrag irgendwie so dazwischen. Sie haben dort zwei, drei Punkte aufgezählt, und der zweite Punkt meint das. Das ist eine Chance, das ist nicht einfach nur das Zuklappen des Buches. Wir müssen versuchen, in Antwort auf den Rechnungshofbericht, aber auch in Antwort auf unsere dramatische Haushaltsnotlage die guten Erfahrungen, die wir nun über 25 Jahre mit dem Landesamt gemacht haben, in unsere übrige so wichtige und dringend zu fördernde internationale Arbeit für dieses Land und natürlich auch in die Außenwirtschaftsarbeit zu integrieren.

Da gibt es auch Chancen. Herr Güldner hat das eben gesagt, das stimmt! Ich habe das in Pune alles selbst abgeklappert. Es gibt Projekte, die über das

Landesamt angestoßen worden sind, die dann mit Hilfe von Handelskammer und von über die Handelskammer beteiligten Unternehmen aufgegriffen worden sind, die dazu geführt haben, dass es richtige Firmengründungen gibt, die auch von der Handelskammer voll getragen werden und dann so etwas wie eine richtige, belastbare, gute, positive außenwirtschaftliche Zusammenarbeit entwickelt haben, die mit Entwicklungsarbeit zusammen angefangen wurde, aber sich inzwischen ganz zum Nutzen beider entfaltet hat. Das ist gut so! Wir wollen sie nicht aufgeben! Es wäre ja ganz schrecklich, wenn die Freie Hansestadt Bremen, die sich da über Jahrhunderte ihre Legitimation erarbeitet hat, sagt, dass sei alles papperlapapp, sondern wir wollen die guten Erfahrungen, auch die guten Projekterfahrungen, auch die, in denen sich die Zusammenarbeit wirklich ausgeweitet hat, stärken.

Sie haben Recht, wir müssen uns überlegen, was passiert, wenn Gunther Hilliges in Rente geht. Das steht bald an. Ich habe mit ihm oft darüber geredet, auch sehr persönlich, dass wir eine Lösung für die Zeit danach finden müssen. Jetzt kämpfen Sie wacker für eine Leiterin oder einen Leiter. Ich kämpfe dafür, dass möglichst viele Projekte erhalten bleiben und dass wir möglichst viele Projektmittel bekommen. Ich finde nicht gut, wenn unsere Entwicklungszusammenarbeit und alles, was wir noch mobilisieren können, durch Personalkosten aufgefressen wird und in den Projekten gar nichts mehr ist. Das ist nicht der Sinn der Sache.

Wir machen so eine Arbeit nicht, um hier eine Reihe von Leuten zu beschäftigen, und sonst bleibt nichts mehr übrig. Wir machen das doch, um Projekte zu fördern, und da muss man sehr sorgfältig mit dem bisschen Geld umgehen, das wir nur noch haben. Das ist alles sehr dürftig, aber die ganze Haushaltslage ist dürftig, darüber kann ich doch nicht hinwegschauen. Da müssen wir auch an diesem Punkt unter Haushaltsnotlagebedingungen und Haushaltsknappheitsbedingungen immerhin eine freiwillige Leistung fortsetzen. Bei Karin Röpke geht die Kritik inzwischen gegen gesetzliche Leistungen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Ja, Frau Linnert, da muss man aber eine Balance finden, sonst isolieren wir uns doch! Wir wollen ja nicht Entwicklungszusammenarbeit gegen innenpolitische Wichtigkeiten führen, sondern wir wollen versuchen, das in der Balance zu halten, dass es eine breite Unterstützung auch für die Zukunft gibt für diese klugen und gut belegten und hochangesehenen Projekte, die sich in diesen 25 Jahren entfaltet haben.

Ich beobachte – darf ich das zu unserer Ehrenrettung sagen –, dass die gleichen Anstrengungen, die gleichen Überlegungen in allen Landesregierungen

angestellt werden. Wir sind nicht die Einzigen, die sich diese Quälnummer vorgenommen haben, sondern überall, auch bei den Rotgrünen, drückt die Not des Haushaltes gerade solche guten, gut beleumundeten, hochangesehenen Projekte in eine Defensivsituation. Wir müssen mit den Kollegen in den anderen Landesregierungen, auch übrigens mit der Bundesregierung, die in der gleichen Lage ist, einen Weg finden, wie wir Projekte absichern, wie wir die EU-Finanzierungen – daher kommt ein großes Stück dieser 90 Prozent Drittmittel – nicht an Bremen vorbeigehen lassen, sondern wie wir da eine Komplementärfinanzierung hinbekommen und wie wir auf diese Weise über diesen komplizierten Tag des Ausscheidens von Gunther Hilliges hinaus arbeitsfähig bleiben. Das steht hinter dem Antrag, den die Koalitionsfraktionen hier formuliert haben.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen] meldet sich zu einer Zwischenfra- ge – Glocke)

Das ist nicht ein Abschluss, sondern das ist ein Auftrag: Bitte sucht einen Weg, sucht einen Ausweg in dieser schwierigen Lage, der möglich ist und möglichst loyal zu den vielen Entwicklungszusammenarbeiterfahrungen ist!

Herr Bürgermeister, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage anzunehmen?

Wenn ich das Glas von Herrn Köhler austrinke, ist das Rotgrün, oder? Das mache ich einfach! – Bitte!

Sie werden es überleben, es kann ja auch nicht schaden. – Bitte, Herr Dr. Güldner!

Herr Bürgermeister, eine ernste Nachfrage: Glauben Sie wirklich, wenn man sich die Außenvertretung spart, und das heißt ja Leitung in dem Fall, wir haben es ja mit Kontakten in alle Welt zu tun, dass es dann alle diese Projekte in dem Umfang und in der Qualität geben wird? Hängt die Frage nicht viel mehr damit zusammen: Es gibt gar nicht die Alternative, das wegzusparen oder die Projekte weiterzuführen, sondern möglicherweise könnte die Qualität und der Umfang der Projekte ja auch mit dieser Leitungsperson zusammengehangen haben!

Herr Güldner, es kommt darauf an! In der letzten Legislaturperiode haben wir eine kluge Entscheidung getroffen und die Vertretung in Brüssel personalidentisch mit unserer Europaabteilung verzahnt, so dass beides jetzt in Personalunion stattfindet. Da sind wir besser geworden

als die anderen Vertretungen. In Brüssel leiden die anderen nämlich alle darunter, dass sie dort ziemlich weit weg von der Landesregierung sind. Wir haben das Glück, dass es in einer Person zusammengefasst ist und dadurch nicht auseinander läuft. Da habe ich eine positive Erfahrung gemacht, wie man durch das Zusammenlegen stärker und nicht schwächer werden kann. Vielleicht können wir daraus Nutzen für dieses Problem ziehen, wie wir die Jahre nach Gunther Hilliges organisieren.

Ich bin viel zu sehr identifiziert mit dieser Arbeit, als dass ich zur Tagesordnung übergehen möchte, aber ich übersehe nicht, und das sind nicht nur CDU und SPD, sondern das ist unsere Haushaltsnotlage, dass wir hier eine kostenbewusste Lösung finden müssen und nicht einfach sagen können, hier machen wir ein Tabu. Wir können keine Tabus mehr machen, das merken Sie doch jetzt in dieser Quälnummer mit unseren Mehrausgaben in der Sozialhilfe. Da würde ich doch lieber in den Osterurlaub fahren, als das hier beraten zu müssen. Da geht es um zweimal 60 Millionen Euro, die einfach einmal dazukommen, und alle sagen, es ist Unglück, es geht nicht anders.

Wir müssen einen Weg finden, diese schmerzlichen Sparrunden, die ja bis zu einer wirklichen Quälerei, manchmal bis zu einer Selbstquälerei ausgewachsen sind, trotzdem zu integrieren. Wir dürfen den Griffel nicht weglegen, dann ist Schluss, dann ist die Regierung am Ende. Dann aber dürfen wir doch nicht bei Details, bei Lieblingsprojekten oder besonders hochgeschätzten Projekten ein Tabu machen. Dann kommen wir nie durch. Wir müssen eine Form finden, wie wir alles, was wir haben, auch das Liebgewonnene, noch einmal kritisch betrachten.

Da sind Sie alle still geworden! Ich will es nun nicht als fünfundzwanzigjährige Jubiläumsrede nehmen, aber es fällt nun leider zusammen. 25 Jahre schöner, großer, wirklich guter, gelungener Arbeit fallen zusammen mit dieser dringend notwendigen Aufgabe, dass wir uns neu sortieren müssen. Ich hoffe, dass Sie möglichst dabeibleiben, wenn es um die Fortsetzung der Arbeit und der Projekte geht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU mit der Drucksachen-Nummer 16/190 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 16/195 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.