Protokoll der Sitzung vom 03.06.2004

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Damit lehnt die Bürgerschaft (Landtag) den Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 16/267 abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 16/267 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen, Abg. T i t t m a n n [DVU] und Abg. W e d - l e r [FDP])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Nun lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU mit der Drucksachen-Nummer 16/271 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen, Abg. T i t t m a n n [DVU] und Abg. W e d - l e r [FDP])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Meine Damen und Herren, damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Asylverfahren, Asylpolitik und ausreisepflichtige Ausländer im Lande Bremen

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 16. März 2004 (Drucksache 16/185)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 20. April 2004

(Drucksache 16/216)

Wir verbinden hiermit:

Kompromiss macht endlich Zuwanderungsgesetz möglich!

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 2. Juni 2004 (Drucksache 16/272)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Röwekamp.

Meine Damen und Herren, gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Herr Senator Röwekamp, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten wollen.

Dann, meine Damen und Herren, können wir gleich in die Debatte eintreten.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

(Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach dieser aufregenden Debatte von eben fällt es in gewisser Weise schwer, auf ein solches, allerdings auch sehr wichtiges aktuelles Thema zu sprechen zu kommen. Das Thema Ausländer und Integration ist sehr komplex und darüber hinaus sehr aktuell, nicht nur, weil das Zuwanderungsgesetz hoffentlich kurz vor der Vollendung steht – ich komme dazu nachher in einem zweiten Beitrag –, nein, auch weil die Antwort des Senats zu der Großen Anfrage Asylpolitik, also einem Teil der Ausländerpolitik insgesamt, sehr umfangreich die Problematik darstellt, wofür ich dem Senat dankbar bin. Es ist natürlich nicht nur ein Thema Bremens, sondern spielt auch auf nationaler wie europäischer Ebene eine große Rolle. Alle sind bemüht, Lösungen zu finden, doch die Schwierigkeit liegt nun einmal im Detail.

Meine Damen und Herren, nachdem die Asylbewerberzahlen nach 1992 mit der Einführung des Artikels 16 a Grundgesetz in den Folgejahren von jähr––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

lich damals rund 450 000 Asylbewerbern bis auf rund 100 000 Asylbewerber zurückgingen, können wir von 2000 bis 2003, wie der Antwort zu entnehmen ist, in Bremen einen weiteren kontinuierlichen Rückgang der Asylbewerberzahlen feststellen, unter Kostengesichtspunkten zumindest sehr erfreulich! Damit ist jedoch keinesfalls eine Entspannung in der Gesamtproblematik eingetreten. Dies trifft im besonderem Maße für den Asylbewerberbereich zu. Es steht im Übrigen zu erwarten, dass die EU-Osterweiterung dazu beitragen wird, die Asylbewerberzahlen weiter zurückzuführen. Dabei darf keineswegs verkannt werden, welche Probleme trotz oder gerade aufgrund der EU-Neumitgliedschaft eintreten können.

Problematisch ist auch der steigende Ausländeranteil insbesondere in den Ballungszentren und Großstädten wie Bremen gegenüber der deutschen Wohnbevölkerung. Die Probleme in den Schulen mit der Arbeitslosigkeit von Ausländern und der Kriminalität und insbesondere in der Realisierung von Integration sind im Ausländerbereich im hohen Maße vorhanden. Die prozentualen Anteile der Ausländer an der Gesamtbevölkerung/Wohnbevölkerung sagen nur wenig über die gesellschaftliche Wirklichkeit aus. Entscheidend ist, dass mehr als zwei Drittel der Ausländer in Deutschland in Großstädten wie Bremen leben. Daraus erwachsen zwangsläufig große Probleme, die sich unter anderem in der demographischen Entwicklung der deutschen Wohnbevölkerung einerseits und der Ausländer andererseits ausdrücken.

Es ist nach seriösen Berechnungen zum Beispiel so, dass sich 2010 in Großstädten in der Altersgruppe von 20 bis 40 Jahren ein Ausländeranteil zwischen 40 und 50 Prozent ergibt. Das, meine ich, sind alarmierende Zahlen, die insbesondere politisch gezielt begleitet werden müssen. Wer da anderer Meinung ist, ignoriert die Wirklichkeit und hat sich weit davon entfernt.

Meine Damen und Herren, die Antwort des Senats zeigt auf, dass die tatsächliche Anerkennungsquote bei Asylbewerbern nach wie vor sehr gering ist. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass wir kein Problem in diesem Bereich hätten, da alle nicht Anerkannten unverzüglich in ihr Herkunftsland zurückkehren, aber leider weit gefehlt! Bis Mitte März 2004 hatten wir in Bremen 3678 ausreisepflichtige Ausländer. Im Vergleich dazu: Im Jahr 2001 waren es bundesweit rund 480 000 ausreisepflichtige Ausländer, die nach rechtsstaatlichen Kriterien und Verfahren ausreisen müssten. Da gibt es aber, meine Damen und Herren, einige findige Rechtsanwälte, die in solchen Fällen dafür sorgen, dass unser Rechtsstaat und unser großzügiges rechtsstaatliches System zu einem Rechtswegestaat verbogen werden und immer wieder Duldungen erteilt werden, wie in der Antwort zu Frage fünf zu lesen ist.

Meiner Ansicht nach kann es nicht sein, dass Ausländer in Deutschland einreisen, Asyl unter Vorlage ihrer Pässe beantragen, dann untertauchen, anderenorts unter falscher Identität wieder auftauchen, einen erneuten Asylantrag stellen, allerdings zwischenzeitlich passlos geworden sind und dann vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als Asylbewerber abgelehnt werden, in einer Vielzahl von Gerichtsverfahren in allen Istanzen und Folgeverfahren dann höchstrichterlich zur Ausreise verurteilt werden, sich insgesamt über 15, 16 Jahre teilweise in dieser Republik aufhalten können und immer wieder geduldet werden, weil zum Beispiel ein Familienmitglied krankheitsbedingt reiseunfähig geworden ist. Da stellt sich die Frage: Auf welcher Basis erhalten diese ehemaligen Asylbewerber weitere Duldungen und leben auskömmlich auf Kosten des Landes beziehungsweise der Stadt Bremen?

„Amtsärztliche Stellungsnahme: Frau X ist hier in Anwesenheit einer ihrer Schwiegertöchter untersucht worden. Die sprachliche Verständigung war nur eingeschränkt mit Hilfe eines vereidigten Dolmetschers möglich, der mit Frau X arabisch sprach. Untersuchungsanlass war Ihre Bitte“ – also die Bitte des Senators für Inneres – „um eine ärztliche Untersuchung in einer Abschiebeangelegenheit, wobei Sie in Ihrem Untersuchungsauftrag Zweifel an der Flugunfähigkeit der Patientin äußerten. Der behandelnde Hausarzt hatte eine Reiseunfähigkeit attestiert.

Wir haben die vom behandelnden Hausarzt ausgestellten Atteste sowie die von ihm zur Verfügung gestellte Unterlagen und kardiologischen Untersuchungsbefunde vom Tag Y zur Kenntnis genommen. Zusätzlich haben wir mit dem Arzt gesprochen. Aufgrund der uns damit zur Verfügung stehenden Informationen ergibt sich folgendes Bild: Bei Frau X bestehen eine Reihe gesundheitlicher Probleme. Wegen einer Herzerkrankung ist Frau X 1994 im ZKH operiert worden. Damals wurde eine erkrankte Herzklappe mittels eines Ballonkatheters behandelt. Bei einer kardiologischen Untersuchung im Mai zeigte sich eine gute hämodynamische Situation und fast normale körperliche Belastbarkeit, somit ein gutes Operationsergebnis.

Bei der hier durchgeführten orientierenden allgemeinmedizinischen und labortechnischen Untersuchung zeigten sich keine wesentlichen Auffälligkeiten, insbesondere ergab die körperliche Untersuchung keinen Anhalt für eine Lungenstauung beziehungsweise eine Herzinsuffizienz. Die vielfältigen Beschwerden von Frau X, die über Magen-, Darm-, Unterbauch-, Leisten-, Kopf-, Extremitäten

schmerzen, außerdem über Übelkeit, Erbrechen, Schlafstörungen klagte, lassen darüber hinaus an so genannte funktionelle Störungen denken, zumal ein organisatorisches Korrelat für die Mehrzahl der beklagten Beschwerden bei den ambulanten Untersuchungen offenbar nicht gefunden worden war. Eine unmittelbare vitale Gefährdung durch eine Flugreise ist aufgrund der objektivierten Herzklappenerkrankung der funktionellen Störungen aus unserer Sicht nicht zu erwarten.

Deutlich wurde hier jedoch auch die äußerst schwierige psychosoziale Situation von Frau X, die berichtete, seit 13 Jahren in Deutschland zu leben, sie wohne in Bremen zusammen mit ihrem Ehemann und einer Reihe von Kindern. In der Türkei, wohin sie ausreisen solle, habe sie weder Bekannte noch Verwandte, zudem sei sie der türkischen Sprache nicht mächtig. Auch wenn wir in der hiesigen Untersuchungssituation keinen Anhalt für eine schwere depressive Erkrankung hatten, können wir nicht absehen, inwieweit es unter den bewegenden Umständen einer erzwungenen Ausreise zu einer psychischen Dekompensation kommen könnte.

Frau X ist aufgrund ihrer zahlreichen Beschwerden auf regelmäßige ärztliche Betreuung und medikamentöse Behandlung angewiesen. Wegen der Herzklappenerkrankung halten wir kardiologische Kontrollen für erforderlich. Beim Auftreten von bakteriellen Infektionen ist Frau X dringend auf die Einnahme von Antibiotika angewiesen. Wir können von hier aus nicht beurteilen, inwieweit für Frau X die notwendige ärztliche und medikamentöse Betreuung in der Türkei zugänglich ist.“

Meine Damen und Herren, ich bin kein Mediziner, aber ich lese sehr wohl heraus, dass die Amtsärzte festgestellt haben, dass diese Frau reisefähig ist. Trotzdem wird eine Duldung ausgesprochen, weil die Vermutung geäußert wird, dass möglicherweise eine Versorgung in der Türkei nicht sichergestellt ist. Da frage ich mich allerdings, wenn Deutsche in die Türkei reisen, was ja häufig der Fall sein soll, und die eine gesundheitliche Schwächung bekommen, ob da dann die medizinische Betreuung auch sichergestellt werden kann.

Es wäre wirklich einmal interessant zu erfahren, welche Kosten über die Gesamtzeit für solche Familien im öffentlichen Haushalt für Gerichtskosten, Anwalts- und Dolmetscherkosten, persönliche Pauschalen, Unterbringungskosten, medizinische Versorgung und so weiter zu Buche schlagen. Ich glaube, es wäre ein Betrag, der dem Sozialhaushalt gut täte und wo an anderer Stelle des Sozialbereichs dringender geholfen werden könnte.

Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir alles daransetzen, wie der Senat auch in seiner Antwort sagt, dass Verfahren und Instanzenwege gekürzt werden. Ein rechtskräftig dazu Verurteilter muss unverzüglich in sein Heimatland zurückkeh

ren, insbesondere auch dann, wenn noch als begleitende Erscheinung kriminelle Handlungen begangen werden. Ich will in diesem Zusammenhang nicht weiter auf die Anteile an der Kriminalität von Asylbewerbern oder auch geduldeten Ausländern eingehen, aber Statistik und die Realität sprechen für sich. Die Zahlen sind beängstigend. Hier ist deutlich anzumerken: Wer das Gastrecht in dieser Weise ignoriert, muss das Land verlassen.

Meine Damen und Herren, am Rande sei erwähnt, dass der Senat im Zusammenhang mit den Sparzwängen im Haushalt von Frau Senatorin Röpke feststellt, es ist schneller abzuschieben. So weit, so gut! Der Senat hat nur vergessen zu sagen, wie das denn geschehen soll.

Ein großes und schwieriges Aufgabenfeld stellt die Integration von Ausländern dar. Hier ist nur zu hoffen, dass das Zuwanderungsrecht einen Schub für Integration in die richtige Richtung gibt. Wo Integration daraufsteht, muss auch Integration herauskommen. Hier mangelt es an vielen Stellen. Integration ist kein einseitiges Handeln, die Betroffenen müssen sich noch ganz entschieden bewegen. Das betrifft besonders den Erwerb von Deutschkenntnissen. Bei Nichtmitwirkung müssen auch Sanktionen möglich sein, sonst wird das Ziel von wirklicher Integration nicht erreichbar sein. Auch der wahrnehmbaren Ghettoisierung und Abschottung von Ausländern gegenüber der deutschen Wohnbevölkerung muss dringend Einhalt geboten werden, bevor wir möglicherweise Berliner Verhältnisse bekommen.

(Glocke)