Protokoll der Sitzung vom 08.09.2004

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich denke, Sie haben Interesse an einem Diskurs, dann lassen Sie das!)

Frau Linnert, an diesem Punkt nicht ganz nachvollziehen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das liegt doch nicht daran, dass der Bund so viel Ein- fluss hat!)

Nicht umsonst, meine Damen und Herren, ist es ja auch Ihre Bundesregierung, die den Wettbewerb postuliert, der Wettbewerb wird nach vorn gehoben und richtigerweise auch stärker in den Fokus gesetzt, sicherlich nur an der Spitze, aber ich bin der Überzeugung, wir sind der Überzeugung, dass dieser Wettbewerb nicht nur an der Spitze dieser zwei, drei, vielleicht auch zehn Eliteuniversitäten im europaweiten Vergleich – stattfindet. Es ist kein nationaler Wettbewerb, vor dem wir dort stehen. Ich behaupte einmal, es ist auch kein europaweiter Wettbewerb, vor dem wir stehen. Es ist ein globaler Wettbewerb, vor dem wir auch im Hochschulbereich stehen, dass wir mit diesem Wettbewerb nur klarkommen, wenn wir mehr Flexibilität und mehr Freiheit haben und auch den Wettbewerb national freisetzen. Nur so werden wir dem Wettbewerb global gerecht werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Bürgermeister Dr. Scherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind uns einig darüber, dass die Länderkompetenzen gestärkt werden müssen, insbesondere, dass die Länderparlamente gestärkt werden müssen. Aber Sie müssen schon sagen, wo! Wenn Sie dann, wie Sie das machen, Frau Linnert, da, wo wir uns 16 zu null einschließlich der Grünen in den rot-grünen Länderregierungen darauf konzentrieren, das im Bildungs-, im Forschungs- und Hochschulbereich zu machen, sagen Sie, das kann es auf keinen Fall geben, aber im Übrigen wollen wir mehr Stärkung haben, dann ist das widersprüchlich.

Wir sind so vorgegangen, und ich finde, das ist ein ganz pragmatischer Weg: Wir haben gesagt, wir haben nur eine Chance, dem Bund gegenüber Länderkompetenzen für die Länder – und die Länderparlamente, natürlich – durchzusetzen, wenn wir das gemeinsam machen. Wenn wir da getrennt auftreten und der eine das und der andere das sagt, spielt der Bund uns immer gegeneinander aus, und es kommt nie zu Zweidrittelmehrheiten.

Übrigens waren wir in dieser Ministerpräsidentenkonferenz federführend. Die Bayern und die Bremer sind da federführend! Wenn Sie immer sagen, ihr verbündet euch mit den Falschen: Ich habe einen Auftrag von allen, das bitte sehr zu koordinieren!

Wir haben uns konzentriert auf inhaltliche Bereiche, die wir 16 zu null, immer Ihre grünen Länderbeteiligungsregierungen dabei –, abgestimmt haben. Wir haben uns darauf konzentriert, in welchen Feldern wir gegenüber dem Bund Kompetenzen zu uns holen wollen. Sie sind noch längst nicht durchgesetzt, weil der Bund sagt, da kann ja jeder kommen. Das ist ein richtig unangenehmes, schwieriges Hinund Herzerren.

Meine Einschätzung ist die, und ich glaube, ich teile sie mit allen, die da auf der Länderseite auftreten, dass wir uns in diesem Machtpoker gegenüber dem Bund nur durchsetzen können, wenn wir gemeinsam auftreten. Darauf haben wir uns konzentriert, und eine wirklich eindeutige und ohne Wenn und Aber von uns Ländern vertretene Position ist, dass wir im gesamten Bildungs-, Forschungs- und Kulturbereich nicht bereit sind, dem Bund etwas abzugeben, selbst wenn dieser Probleme mit seinen Ministerien bekommt. Wir verteidigen doch auf Länderebene nicht die Geschäftsordnung der Bundesregierung! Wenn sie da plötzlich Probleme bekommen, dann verstehe ich zwar, dass ihnen das unangenehm ist, aber das kann doch nicht uns in dieser Position ausbremsen.

Ich bin ganz nah an dem, was Herr Kastendiek gesagt hat, das ist eine Länderposition, die Herr Kas

tendiek da formuliert hat, und die will ich offensiv vertreten. Ich habe überhaupt keine Angst aus Bremer Interessensicht. Wir sind doch nicht mit Ihren ängstlichen Einwänden City of Science geworden. Wenn ich bei dem Wettbewerb so angefangen hätte, wie Sie hier eben geredet haben, dann wäre ich nicht in die engere Auswahl gekommen!

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Den Spa- ce-Park hätten Sie sich vielleicht auch er- spart!)

Wir haben uns doch nur dadurch diese Auszeichnung erobern können, dass wir gesagt haben, wir trauen uns etwas zu, gerade in der Besonderheit, in der wir uns föderal, und zwar als Kleine, natürlich als Kleine und Haushaltsschwache auf diesen Schwerpunkt konzentriert haben. Das hat sie beeindruckt!

(Widerspruch beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das müssen wir jetzt leben, und ihr Grünen, ihr seid gut beraten, wenn ihr da mitmacht! Wenn ihr euch verweigert, habt ihr ein Problem bei euren eigenen Leuten, denn die sind zum Teil mit dabei.

Also, nicht mehr Kompetenzen für Länderparlamente fordern, und, wenn man damit anfängt, sich aus dem Staube machen! Das geht nicht! Da muss man konkret sagen, wo denn bitte sehr diese Kompetenzen gestärkt werden sollen. Das ist doch nicht ein Regierungsinteresse, das ist doch bitte sehr Ihr gemeinsames Interesse!

Ganz kompliziert ist das beim öffentlichen Dienst, das haben die beiden auch gesagt. Wir sind uns aber auch da einig, und da ist besonders die bittere Erfahrung der letzten Tarifauseinandersetzung mit dem Bund grundlegend. Es hat uns alle auf die Bäume gebracht, dass der Bundesinnenminister ohne Rücksicht auf die Personalkosten der Länder und der Gemeinden, nur weil er einem Konflikt aus dem Weg gehen wollte, einen Tarif durchsetzt. Das hat das Ende dieser gemeinsamen Verhandlungen ausgelöst. Alle sagen: Das machen wir nicht mehr mit, da, wo uns die Kosten auffressen. Peer Steinbrück, der übrigens auch für die Rotgrünen redet, sagt immer, er habe 60 Prozent seines Haushalts nur noch Personalkosten, er könne nach Hause gehen, wenn er diese nicht mehr gestalten könne.

Wir müssen da, auch wenn es schwierig und unangenehm ist und wenn von Gewerkschaften anstrengend begleitet wird – das werden wir ja alle, auch die Bundesregierung, das merken Sie ja auch, auch die Grünen, sie wenden sich ja nicht mehr an Sie, sondern an irgendwelche außerparlamentarischen Leute –, die Kraft haben, Gestaltungskompetenz im Dienstrecht für uns zu fordern. Was denn sonst, wo denn sonst wollen wir gestalten? Wollen

wir bei Ordnungswidrigkeiten Kompetenzen haben? Nein, wir müssen da, wo es uns am meisten drückt, Gestaltungsmöglichkeiten bekommen!

Dass der eine oder andere von unseren Länderkollegen plötzlich den Eindruck hat, dass ihn das überfordert, das überhaupt begründet diesen Ausweg mit den Zugriffsrechten, dass wir sagen, wenn er partout nicht will, aber damit kann er doch nicht alle anderen blockieren! Ich bin fest davon überzeugt, dass wir da richtig vorgehen, und ich glaube auch, dass wir Chancen haben, das durchzusetzen.

Ganz schwierig ist der nächste Bereich, wozu Sie übrigens alle nichts gesagt haben, nämlich zur öffentlichen Wohlfahrt, dass wir uns die dezentralisiert wünschen, dass wir da mehr Kompetenz dezentralisiert haben wollen, übrigens mit Ihnen zusammen. Wir wollen hier nicht immer nur über den Bund klagen, sondern wir wollen selbst für die schwierige Lage, dass wir mit ganz kleinen und engen Budgets dieses Problem lösen müssen, vor Ort Vermittlungschancen haben.

Wie soll ich denn sonst Föderalismus begründen, wenn ich das nicht damit begründe, dass wir näher an den Problemen als die Zentralisten sind? Das wird da ganz ernst. Komischerweise haben Sie das ausgelassen. Das ist auszuhandeln, und das müssen wir versuchen zu konkretisieren, weil wir uns nicht dabei ertappen lassen wollen, dass wir nur an irgendwelchen Nebensächlichkeiten in irgendwelchen Verwaltungsgeschichten, die eigentlich nicht in den Kernbereich des öffentlichen Handels hineinzielen, diese Kompetenzverlagerung einfordern. Natürlich vom Bund auf die Länder, wie denn sonst? Wie sollen wir denn sonst unsere Mitbestimmungsrechte und Mitwirkungsrechte im Bundesrat aufgeben, wenn wir dafür nicht Kompetenzen zurückbekommen? Wenn Sie sich alle beklagen, dass sich das in den letzten Jahrzehnten tendenziell zugunsten des Bundes entwickelt hat, dann müssen wir doch etwas zurückholen!

Die Kritik, dass wir mit den Falschen taktieren und dass Frau Linnert von uns wissen will, wo die Richtigen sind, muss ich mir gefallen lassen, aber ich traue Ihnen da wirklich nicht über den Weg. Sie haben einfach keine Ahnung von den realen Verhältnissen und Bündnissen, die in einem solchen Gremium laufen!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber sprechen darf ich hier trotz- dem, Herr Bürgermeister!)

Sie reden wie der Blinde von der Farbe, wenn Sie von solch einer Sache sprechen! Sie haben nicht die Möglichkeit abzuwägen, das sage ich Ihnen ganz platt. Sie haben nicht die Chance, in dieser Runde zu koordinieren. Das ist unsere Aufgabe. Wir müssen die Länderpositionen koordinieren, die Bayern

müssen das ebenfalls machen. Wir müssen die zusammenhalten, hoch verehrte, gnädige Frau!

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Ein bisschen mehr Sachlich- keit würde Ihnen ganz gut zu Gesicht ste- hen!)

Wir können uns überhaupt keine Machtspielchen erlauben, sondern wir haben nur eine Durchsetzungskraft, und dafür arbeite ich, egal, ob Sie mich loben oder nicht, wenn wir gemeinsam vorgehen. Ich arbeite dafür, dass wir auf der Länderebene durchsetzungsfähig sind und dass wir uns in diesen, zugegeben für jeden Bundespolitiker schwierigen neuen Machtverteilungen zwischen den vier Ebenen behaupten. Wir haben ja vier Ebenen, Kommunen, Länder, Bund und Europa. Da haben wir, ich finde, einen dramatisch schwierigen Auftrag, der funktioniert nur, wenn wir ihn eng beieinander angehen. Das tue ich, das tue ich richtig intensiv. Wenn Sie sagen, dass ich nicht immer bei den Sitzungen dabei bin! Es ist so, dass ich durch meinen Vermittlungsausschuss auch Parallelveranstaltungen habe, und da bin ich heilfroh, dass ich Reinhard Hoffmann habe, der mich vertritt. Er macht das eng verzahnt mit mir, und er macht das im Interesse des Landes Bremen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist der Dissens!)

Wenn sich das nicht bis zu Ihnen herumgesprochen hat, dann tut es mir Leid, aber damit ändert sich nicht die tatsächliche Lage, dass wir dort mit allen unseren verfügbaren Kräften für bremische Interessen arbeiten; ich übrigens auch im Vermittlungsausschuss. So schwer das ist, wenn der eine oder andere von Ihnen sagt, ich sage das ja selbst, dass die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses schwer vermittelbar sind, wenn wir dann nach langer Nacht den Wettlauf um die Mikrofone veranstalten und das große Durcheinanderreden anfängt. Das stimmt, das ist für den Gutwilligen und nicht en détail eingeführten Zuhörer anstrengend. Aber das mache ich doch natürlich auch für das Land. Ich finde, es ist eine Chance, dass der Vertreter des kleinsten Bundeslandes in dieser zentralen Rolle Interessen abwägen kann zwischen den verschiedenen Ebenen, übrigens nicht nur für die Länder, sondern auch für die Kommunen. Das ist eine Chance, die nutze ich, und bisher hat es sich auch für uns gelohnt. Ich will gern alle Anregungen für die nächsten Monate, bis wir uns konkretisiert haben in dem Ausschuss, aufnehmen, würde sie auch gern mit Ihnen besprechen. Da müssen wir ein Verfahren finden, weil das nicht immer über das Plenum geht. In den nächsten Wochen kommen wir zu konkreten Formulierungen, die wir abstimmungsfähig machen müssen, wo wir eine Zweidrittelmehrheit zusammen

bringen müssen im Bundestag und Bundesrat. Wenn das einigermaßen fair zwischen uns kommuniziert werden soll, dann können wir uns nicht auf Plenarveranstaltungen beschränken. Wir müssen eine Form finden, ich lasse mich gern darauf ein, wie wir das mit Ihnen eng beraten. Dem will ich mich überhaupt nicht verweigern. Das will ich gern mitorganisieren. Wenn der eine oder andere dann daraus noch eine Konsequenz zieht und dann auf Dritte, Vierte in anderen Ländern Einfluss nimmt, dann ist das gut so. Unter dem Strich: Diese Kommission ist eine Chance, sie ist aber noch nicht voll vortragbar, weil wir mitten darin hängen. Man kann noch keine Ergebnisse vor Ihnen abliefern. Ich setzte trotzdem darauf, dass wir am Ende dieses Jahres mit einem abgestimmten Vorschlag kommen, der vor diesem Parlament Bestand hat. Weil eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, werden im Zweifel auch Grüne dabei sein, egal, ob die Bremer Grünen dafür sind oder nicht. Wir werden die Grünen in anderen Ländern erleben,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Es geht um die Bremer Interessen!)

wie sie für diese Verständigung sind, und wir werden die Grünen im Bundestag erleben, wie sie für die Verständigung sind.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Es ist das Nette an Ihnen, dass Sie immer beleidigend werden, wenn Ihnen et- was nicht passt!)

Dann wird das schon reichen, um den Leuten draußen zu erklären, dass wir uns innerhalb der Sache verständigen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Regierungserklärung des Senats zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung Kenntnis. Ich denke, dass wir dem Angebot des Bürgermeisters dann auch nachkommen werden.

Privatisierung öffentlicher Aufgaben auf dem Prüfstand

Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU vom 22. Januar 2004 (Drucksache 16/125)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 24. Juli 2004

(Drucksache 16/335)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Dr. Nußbaum.

Gemäß Paragraph 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Herr Senator Dr. Nußbaum, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten.

Wir treten in die Aussprache ein.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schuster.