Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Aber richtig ist natürlich, dass neben den motivierten Menschen und der erstklassigen Ausrüstung auch die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht unwichtig für eine effektive Arbeit der Gefahrenabwehr sind. Dem umfassenden Handlungsbedarf nach einer Modernisierung unseres damals siebzehnjährigen Bremischen Polizeigesetzes sind wir mit einer ordentlichen Überarbeitung bereits 2001 gerecht geworden. Heute liegen deshalb Änderungsentwürfe vor, die vor allem auf Anpassung an höchstrichterliche Rechtsprechung abzielen oder Erfahrungen der Praxis berücksichtigen.

Die Kontrollstellen, deren Einsatzmöglichkeiten wir erweitern, hätten auf der Diskomeile bereits gute Dienste leisten können, Herr Herderhorst hat es schon beschrieben. Automatische Kennzeichenlesegeräte sollen datenschutzrechtlich sauber eingeschränkt erlaubt werden. Die Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes aus 2004 zum großen Lausch

angriff sind eingearbeitet. Hier gibt es insbesondere durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz noch Verbesserungsvorschläge, über die wir zwischen den beiden Lesungen noch einmal miteinander reden können.

Dem Bedürfnis der Polizeibeamtinnen und -beamten nach einer verbesserten Sicherheit ihres Arbeitsplatzes kommen wir mit der Zulassung der mobilen Videoüberwachung zur Eigensicherung bei Anhaltund Kontrollsituationen nach. Immer wieder kommt es bei solchen Kontrollen zu Attacken etwa alkoholisierter Autofahrer. Hier besteht die Hoffnung, dass die Erfahrung, offen und erkennbar dabei gefilmt zu werden, manchen Hitzkopf beruhigen kann.

Umstritten war in vielen Gesprächen im Vorfeld dieser Änderung die Einführung dieses Distanz-Elektroimpulsgerätes, weil aus den Vereinigten Staaten auch schon schwere Verletzungen berichtet worden sind. Anders als in Amerika wollen wir diese Geräte aber an ganz enge Voraussetzungen knüpfen und sie nie den einzelnen Beamten, sondern anders als in Amerika nur speziell ausgebildeten Beamten zur Verfügung stellen. Mich persönlich hat überzeugt, dass das Distanz-Elektroimpulsgerät die Alternative zum Einsatz der scharfen Waffe ist. Mir leuchtet ein, dass wir damit ein wirksames, aber wesentlich milderes Mittel zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nicht nur mir, sondern auch vielen Polizeibeamten ist die Einführung eines verdachtsunabhängigen Anhalte- und Befragerechts lange Zeit suspekt gewesen. 2001 habe ich das, auch hier wahrscheinlich, rundum abgelehnt. Wir haben uns an dieser Stelle auch ein gutes Stück von unserem Koalitionspartner überzeugen lassen und haben auf die Regelung gesehen, die wir jetzt beschließen. Wir haben den Anwendungsbereich auf ein ganz bestimmtes Gebiet der Stadt beschränkt, der Eingriff ist nicht in der Tiefe, die richterlichen Vorbehalt erreicht, insbesondere werden keine Durchsuchungen dabei erlaubt, und konkrete Lageerkenntnisse müssen vorliegen, also so ganz verdachtsunabhängig ist es nicht. Deshalb können wir dieser Vorschrift auch zustimmen.

Videoüberwachung debattieren wir ebenfalls nicht zum ersten Mal hier. Jetzt haben wir den von uns selbst geforderten Bericht des Innensenators zur Kenntnis zu nehmen. Die unterschiedlichen Meinungen sind bekannt, die CDU wollte die Videoüberwachung gern etwas ausweiten, die SPD wollte sie gern nicht ausweiten. Wir einigen uns jetzt auf den Kompromiss, dass zunächst am Bahnhofsvorplatz weitergemacht werden kann. Die Erfolge sind dokumentiert, für den Innensenator reichen sie, Kritikern erscheinen sie als ziemlich dünn, als dass man da fortsetzen könnte. Man muss aber auch einmal in der Lage sein, einen Schlusspunkt unter eine Debatte zu setzen. Die Anlieger des

Bahnhofsvorplatzes, die selbst sehr viel eigene Bemühungen aufbringen, die Sicherheit am Bahnhof zu erhöhen, erwarten als Beitrag auch der öffentlichen Hand die Fortsetzung der Videoüberwachung. Wir sollten diesen gemeinsamen Bemühungen des runden Tischs am Bahnhofsvorplatz die Unterstützung nicht entziehen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wenn die Polizei weitere Videoüberwachungen für ein geeignetes Konzept hält, und Sie haben es ja mitbekommen, dass das zurzeit zum Beispiel bei der Diskomeile diskutiert wird, dann verweise ich auf die gesetzlichen Voraussetzungen, die wir im Polizeigesetz stehen haben, und ich verweise darauf, dass wir in jeder Diskussion als Sozialdemokraten gefordert haben, dass jede Videoüberwachung mit einem umfassenden Personalkonzept ausgestattet sein muss. Kameras, die als Attrappen Sicherheit nur vortäuschen, oder Kameras, hinter denen keine Eingreiftruppe steht, halte ich für völlig kontraproduktiv.

(Beifall bei der SPD)

Wir sollten die Sicherheitserwartungen der Bevölkerung ernst nehmen und sie nicht veräppeln. Kameras, die vor allen Dingen dem Zweck dienen, Polizeibeamte zu ersetzen, können wir schon gar nicht gebrauchen.

(Beifall bei der SPD)

Im Hinblick auf die grundsätzlichen Abwägungen zur Videoüberwachung darf ich auf unsere früheren Debatten verweisen und Sie alle auffordern, das nachzulesen.

Ganz am Ende muss ich noch ein paar Worte über das Ortsgesetz über die öffentliche Ordnung sagen. Ich mache da nur drei Sätze, aber wir beschließen hier im Landtag die Rechtsgrundlage, debattiert und beschlossen werden soll es in der Stadtbürgerschaft. Es hat in der Öffentlichkeit darüber aber schon einige Auseinandersetzungen gegeben. Wir verwahren uns ausdrücklich dagegen, wir würden ein Gesetz gegen Obdachlose machen. Das tun wir nicht. Wir enttäuschen sogar ausdrücklich diejenigen, die sich erhoffen, mit diesem Ortsgesetz könne man friedliche Penner nachts aus dem wärmenden Eingang von Geschäften wegschaffen, weil sie da so unordentlich aussehen. Das kann mit diesem Gesetz nicht durchgesetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir bekämpfen die Folgen von ungezügeltem Alkoholkonsum, der dazu führt, dass öffentlicher Raum nicht mehr allen Nutzern gleichermaßen zur Verfügung steht. Wir legen eine stark eingegrenzte Norm mit einem ganz konkreten Tatbestand vor, um der

Polizei einen Eingriff zu ermöglichen, bevor alles voll gepinkelt ist, bevor alles voll gekotzt ist, bevor Passanten aggressiv angebettelt werden oder herumgegrölt wird und alles voll mit Flaschen und Abfall liegt.

(Beifall bei der SPD)

Das alles, meine Damen und Herren, ist sowieso nicht erlaubt, aber bisher muss die Polizei warten, bis alle diese offensichtlich zwangsläufigen Folgen von Alkoholexzessen eintreten. Künftig soll mit unserem Ortsgesetz die Möglichkeit für die Polizei bestehen, früher einschreiten zu können.

Dass wir ausdrücklich verbieten müssen, dass Männer glauben, ungezügelt überall dort urinieren zu dürfen, wo ihr Hund vielleicht auch schon markiert hat, ist eigentlich traurig.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich sage es ganz offen, früher hat man sich dafür geschämt, ans Rathaus zu pinkeln. Da es ein wenig in Vergessenheit geraten ist, sehen wir jetzt ein Lehrgeld vor, damit wir das Gedächtnis hinsichtlich guter Manieren etwas auffrischen können.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt natürlich eigentlich auch für Frauen, aber die sind nicht das Problem.

(Zurufe von der SPD und von der CDU)

Meine Damen und Herren, die große Koalition legt ein Sicherheitspaket vor, das sich nicht den Ruf einhandeln wird, ein großer Wurf zu sein, aber es leistet wichtige Beiträge zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit in Bremen, und es schließt mit Hinblick auf die Härtefallkommission eine beschämende Lücke. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Güldner.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Gewöhnlich definieren die Fraktionen alle selbst, was ihre Position zu den jeweiligen Tagesordnungspunkten ist. Herr Herderhorst hat vorhin versucht, das schon vorwegzunehmen und zu sagen, was die Grünen wohl zu dem einen oder anderen Tagesordnungspunkt hier zu sagen haben. Ich werde jetzt trotzdem noch einmal und so, dass es dann auch tatsächlich mit dem übereinstimmt, was die Grünen zu diesen Dingen den––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ken, hier vortragen, was wir zu den heute hier vorgetragenen Positionen denn tatsächlich finden. Ganz so, wie Sie das vorgetragen haben, ist die Position natürlich nicht, und das wissen Sie auch ganz gut.

Wir haben heute mit mehreren Gesetzen und dem Bericht zur Videoüberwachung in der Tat ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die wir hier diskutieren. Lassen Sie mich deswegen vorweg einige grundsätzliche Bemerkungen zu dem Thema innere Sicherheit machen! Ich glaube, wir haben hier im Hause an dem grundsätzlichen Punkt eine ganz große Übereinstimmung, dass innere Sicherheit für die Bevölkerung ein sehr wichtiges und unverzichtbares Gut ist und dass es neben Arbeit, sozialer Sicherung und Freiheit zu den Dingen gehört, die Menschen, und zwar vom Staat, erwarten.

Meine Damen und Herren, innere Sicherheit gehört zu den Dingen, bei den vielen Dingen, die wir schon privatisiert haben in diesem Lande, die Sie nicht privatisieren können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie ist auch für den einzelnen Menschen, denken Sie gerade an Kinder, an Frauen, die in bestimmten Situationen bedroht sind, die Grundvoraussetzung für Zufriedenheit, um in unseren beiden Städten Bremen und Bremerhaven ein friedliches Leben zu führen. Von daher glaube ich, dass wir in der Frage, muss der Staat zusammen mit allen gutwilligen Bürgerinnen und Bürgern und mit den entsprechenden Institutionen, die alle ein Stück dazu beitragen können, diese Sicherheit herstellen, keinen Dissens haben, sondern wir müssen feststellen, dass wir hier eine große Übereinstimmung haben.

Nur wenn es um die Frage geht, wie wir diese Sicherheit herstellen können, haben wir an einzelnen Punkten doch wirklich bemerkenswerte Unterschiede. Ich weiß nicht, ich habe es nicht mehr nachgezählt, die wievielte Änderung des Polizeigesetzes wir hier diskutieren. Sie scheinen sehr stark auf die Macht des Papiers, auf die Macht der immer neuen und nachgebesserten Gesetze zu setzen. Das ist nicht unsere Position. Wir glauben, dass in der täglichen Praxis derjenigen, die für die Sicherheit zuständig sind in diesem Lande, solche Dinge wie die tatsächliche Stärke der Polizei, die sie vor Ort einsetzen können, Einsatztaktik, Ausrüstung, Einsatzkonzepte, intelligentes Ermitteln, beherztes Zugreifen, alle Fragen, die in der Praxis tatsächlich eine Rolle spielen, wesentlich wichtiger sind als die Frage, wie oft wir in einer Legislaturperiode das Polizeigesetz geändert haben, weil viele Paragraphen, die darin stehen, mit der Sicherheit der Menschen in diesen beiden Städten überhaupt nichts zu tun haben. Sie kommen gar nicht zum Tragen, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auf welchem Stand sind wir? Vier CDU-Innensenatoren der großen Koalition in den letzten zehn Jahren haben hier gewirkt, und ich bin nicht derjenige, der hier steht und sagt, dass das alles verkehrt gewesen ist oder dass sie alles falsch gemacht haben. Ich glaube, dass hier auch etliches Positives gemacht worden ist. Ich möchte an dieser Stelle gleich auch einmal eine Bemerkung machen und in Richtung der FDP einfließen lassen. Wenn wir gemeinsam mit der großen Koalition in der Innendeputation eine Polizeireform, wie sie im Moment stattfindet, für richtig halten und auch gemeinsam dort verabschieden, dann stehen wir hinterher dazu, auch wenn es einmal in bestimmten Punkten Ärger gibt, wenn es dann einmal nach außen hin so aussieht, als ob diese Polizeireform vielleicht dann doch nicht das bringt, was sie tut. Wir stehen dazu, weil wir überzeugt sind von dem, was vorgetragen worden ist, dass mit unserer jetzigen Mannschafts- und Frauschaftsstärke der Polizei, mit unseren Grundvoraussetzungen, die wir auch im Haushalt haben, über die wir wahrscheinlich in den nächsten Jahren kaum hinausgehen können, dass wir dann mit dieser Organisation der Polizei den effektivsten Einsatz der Kräfte an den Stellen, wo es auch wirklich brennt, auch leisten können.

Hier lassen Sie mich, lieber Herr Wedler von der FDP, noch einmal sagen, wenn Sie glauben, dass Sie – ich weiß nicht, ob wider besseres Wissen oder ohne Kenntnis, das eine ist gerade so schlecht wie das andere – dann so eine Art Fundamentalopposition machen müssen, weil Sie irgendwo gehört haben, dass es einmal ein paar Menschen in der Stadt gibt, die nun sagen, das ist der falsche Weg, dann glaube ich, dass Sie mit dieser Politik keinen Erfolg haben werden, falls Sie das zu einem Wahlkampfschlager im nächsten Jahr machen wollen, lieber Herr Wedler!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dennoch habe ich einen zentralen Dissens mit praktisch allen dieser vier Innensenatoren, die in den letzten Jahren hier in Bremen gewirkt haben. Ich glaube, dass wir uns zu sehr bei der Frage, wie wir Sicherheit herstellen, auf symbolische Fragen konzentriert haben. Das lässt sich gut verkaufen, damit lassen sich gute Pressekonferenzen und vor Ort Termine machen.

Das letzte Beispiel ist die Image-Kampagne der Polizei, lassen Sie mich das an dieser Stelle gleich sagen! Völlig verfehlt, die bremische Polizei hat eine solche Kampagne überhaupt nicht nötig, das ist das Erste. Das Zweite: Sie ist ziemlich dümmlich und verunsichert die Bevölkerung, drittens, sie kostet Geld, und viertens, wer Sicherheit nach allen Regeln der Kunst herzustellen versteht, der muss nicht Plakate kleben, dass er ein tolles Image haben möchte, meine Damen und Herren. Hier ist völlig der falsche Weg gegangen worden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn Sie im Wesentlichen auf diese Art von Präsentation von Sicherheit setzen, das heißt, wir vermitteln der Bevölkerung, was uns wirklich interessiert, das ist die subjektive Sicherheit, dann haben Sie einen Punkt sicherlich nicht erkannt, denn vieles hängt tatsächlich von der subjektiven Sicherheit der Menschen auch ab. Aber mein Vorwurf an Sie ist, der Schwerpunkt, den Sie in diesem Bereich setzen, ist viel zu groß, und wir sollten uns vielmehr um die tatsächliche Kleinarbeit kümmern. Das ist nicht so attraktiv und so sexy, aber wir sollten uns trotzdem darum kümmern. Die Arbeit der Polizei jeden Tag in unseren beiden Städten ist viel wichtiger als solche Repräsentationen nach außen und solche Kampagnen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn wir uns die Erfolge dann tatsächlich anschauen, meine Damen und Herren, sieht das Bild auch etwas anders aus. Es gibt nicht nur die subjektive Sicherheit, es gibt auch die objektiven Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik, meine Damen und Herren.

„Die Gesamtkriminalität im Lande Bremen ist im vergangenen Jahr erneut gesunken. Das ist eine Folge konsequenter Kriminalitätsbekämpfung, die Straftaten nicht verharmlost, sondern engagiert gegen jede Form des Rechtsbruchs vorgeht. Besonders erfreulich ist der Rückgang von Gewaltkriminalität, Jugendkriminalität, Raubdelikten sowie Ladendiebstahl. Bremen ist noch sicherer geworden.“ CDU-Innensenator Schulte 1999!

Jetzt schauen wir uns einmal an, wie sich von diesem Zitat aus bis heute – wir haben die polizeiliche Kriminalstatistik 2004 – die Kriminalität in Bremen entwickelt hat: Gesamtkriminalität Anstieg plus 17 Prozent, Vergewaltigung und Nötigung plus 20 Prozent, Diebstahl plus 15 Prozent, Körperverletzung plus 30 Prozent, Betrug plus 23 Prozent, Betäubungsmittel plus 6,7 Prozent. Zitat: Wir sind auf einem guten Weg und haben alles im Griff! Meine Damen und Herren, die Zahlen sprechen für sich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)