Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

all das zeigt, dass wir eine neue, eine starke Verantwortung aller Demokraten wiederbeleben und stärken müssen für ein freiheitliches, für ein soziales, für ein friedliches Deutschland. Dazu gehört, dass wir es niemals als normal betrachten werden, dass Neonazis in unseren Parlamenten sitzen, niemals!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Unsere Parlamente sind Sinnbild und Ausdruck von Demokratie, und Leute, die sich zu diesem Bild, zu dieser Vorstellung von Demokratie nicht bekennen können oder wollen, haben hier keinen Platz, meine Damen und Herren. Deswegen ist es richtig, dass wir uns einig sind, dass die Neonazis in unseren Parlamenten keinen Platz haben, aber sie sind hier, weil sie in Wahlen dazu gewählt worden sind. Deswegen ist der entscheidende Punkt, dass wir schauen müssen, was sich in unseren Wahlkämpfen und bei den Wahlen abspielt.

Die Kommunalwahl in Niedersachsen hat uns gezeigt, dass dort, wo die Wahlbeteiligung gering war, Neonazis stark geworden sind. Es hat jemand in den vergangenen Tagen so ausgedrückt: „Der Schlaf der Demokratie stärkt die Rechtsextremisten.“ Darum geht es in Wahrheit, dass wir erkennen, die Demokratie ist nichts, bei der man zuschaut, auf der Tribüne sitzt, die Demokratie ist nichts – wie in dem Datenreport, den wir heute im „Weser-Kurier“ gelesen haben, gezeigt wird –, von der man sich abwendet, bei der man desinteressiert an der Seite steht, sondern Demokratie verlangt, dass wir uns beteiligen, dass wir uns einmischen, dass wir mitmachen, und das ist das Entscheidende, dass wir aufrufen müssen, sich zu beteiligen. Ich bin ganz sicher, ganz viele, die überwiegende Mehrheit der Menschen, die nicht zu Wahlen gehen, hat mit Rechtsextremisten nichts am Hut, aber wir müssen ihnen sagen, wenn sie nicht zu Wahlen gehen, dann stärken sie die, die sie nicht stärken wollen!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Hoffnung ist, nein, ich bin sicher, wir gehen das gemeinsam an, dass wir im Bürgerschaftswahlkampf in diesem Punkt einig sind, dass wir die Menschen aufrufen werden in Bremen und Bremerhaven, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, damit wir es nicht mit dieser Unnormalität der Demokratie in den Parlamenten weiter zu tun haben.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, ich bin dankbar dafür, dass wir in Bremen ein ganz breites Bewusstsein dafür haben und ganz großes Engagement, dass die Gefahren des Rechtsextremismus uns bedrohen. Ich will erinnern an so wunderbare Projekte wie „Schule gegen Rassismus“, an die „Nacht der Jugend“, die wir auch in diesem Jahr wieder am 9. November zur Erinnerung an die Reichspogromnacht im Rathaus gestalten werden, ein unglaubliches Ereignis, für das uns in Deutschland großer Respekt gezollt wird. Zweibis drei Tausend Jugendliche kommen ins Rathaus, diskutieren, machen Musik, spielen Theater, reden miteinander, vor allen Dingen Jugendliche aller Her

kunft, aller Religionen. Das ist wunderbar! Wir haben eine interreligiöse Friedensandacht regelmäßig im Rathaus, wir haben den Jugendpreis „Dem Hass keine Chance“, wir haben den One Nation Cup hier in Bremen erlebt, ein Beispiel der Völkerverständigung! Auf diesem Wege müssen wir weitermachen, und wir müssen alle mitwirken, dass die Basis noch breiter wird, damit in der Gesellschaft klar ist, in Bremen hat Hass keine Chance!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn ich davon sprach, dass wir einen neuen Anlauf brauchen, um unsere Verantwortung gegenüber dem Rechtsextremismus deutlich zu machen, dann bedeutet das natürlich auch, und Sie haben am Dienstag in der Stadtbürgerschaft darüber diskutiert, dass wir unsere Straßen und Plätze auch in Bremen den Rechtsextremisten nicht überlassen wollen. Ich will in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass wir mit der Föderalismusreform die Kompetenz zur Regelung des Versammlungsrechts bekommen haben. Das heißt, wir in Bremen müssen uns darüber Gedanken machen, welche Rechtsregeln das Parlament erlassen wird. Da gibt es eine Grundgesetznorm, da gibt es eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Ich möchte hier dazu gern sagen, dass wir nach meiner Auffassung diese Chance der Kompetenzverlagerung auf die Länder, also auch auf Bremen, dazu nutzen sollten, sehr sorgfältig zu prüfen, wie wir es besser als nach gegenwärtigem Recht ermöglichen können, Versammlungen zu untersagen, in denen für neonazistisches Gedankengut geworben werden kann. Ich denke, das ist eine Aufgabe, die sich lohnt anzugehen, zu prüfen, ob wir mit unserer Länderkompetenz dann bessere Regelungen bekommen.

Ich sage das vor dem Hintergrund einer nicht nur bremischen Tradition, sondern auch einer Landesverfassung, die eine Präambel enthält, die uns einen Auftrag gibt, der nicht erledigt ist, der nach wie vor besteht. Ich lese das einmal vor: „Erschüttert von der Vernichtung, die die autoritäre Regierung der Nationalsozialisten unter Missachtung der persönlichen Freiheit und der Würde des Menschen in der Jahrhunderte alten Freien Hansestadt Bremen verursacht hat, sind die Bürger dieses Landes willens, eine Ordnung des gesellschaftlichen Lebens zu schaffen, in der die soziale Gerechtigkeit, die Menschlichkeit und der Friede gepflegt wird.“ Soweit das Zitat dieser Präambel!

Wir haben einen Auftrag, der ist nicht traditionell, der ist nicht nostalgisch, sondern der ist aktuell, und ich bin dafür, diese antifaschistische, diese antinationalistische Tradition und diesen Auftrag unserer Landesverfassung zu versuchen umzusetzen, auch in unsere Rechtsregeln, damit wir einschreiten kön

nen gegen die Rechtsextremisten, wenn sie sich breitmachen wollen!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Da ich am Dienstag in der Debatte nicht dabei sein konnte, will ich es hier anfügen, sollte es nicht möglich sein, Anfang November diese Demonstration zu verhindern, dann wollen wir zeigen in Bremen wie in Delmenhorst: „Eine Stadt steht gegen den Rechtsextremismus.“ Wir lassen es nicht zu, dass sie sich in Gröpelingen und anderswo breitmachen, und ich sage hier, der Bürgermeister ist bei dieser Demonstration dabei! – Danke!

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Bürgermeister Böhrnsen, das war ja richtig spannend, das war ja richtig niedlich. Solche Reden wie Ihre höre ich jedes Mal vor den Wahlen mit beschönigenden Worten, bis es wieder einmal zu spät ist, und dann ist wieder Ruhe. Daran hat man sich schon gewöhnt. Es hat Ihnen aber auch gerade in Bremerhaven überhaupt nichts genützt.

Herr Dr. Güldner, für die Einladung von Gastrednern auf irgendeine Veranstaltung bin ich selbstverständlich nicht verantwortlich. Sie hätten einmal lieber Zitate aus meiner Rede hier bringen müssen und sollen, da war nämlich nichts Ausländerfeindliches dabei, nichts Antisemitisches, keine Fremdenfeindlichkeit, nichts! Das hätten Sie auch einmal bringen müssen und sogar sollen. Wir von der Deutschen Volksunion haben jedenfalls nicht und niemals Versammlungsräume für verbotene Organisationen wie zum Beispiel PKK und andere Organisationen besorgt und zur Verfügung gestellt. Wir nicht, Herr Dr. Güldner!

Selbstverständlich ist die Deutsche Volksunion gegen jegliche Gewalt, die Übergriffe gegen Wahlvorstände, welcher Partei auch immer, sind auf das Schärfste zu verurteilen, das hat die DVU schon immer gemacht und deutlich gemacht. Aber – nun kommt das Aber, und nun müssen Sie sich selbst einmal hinterfragen – mit solchen gewalttätigen Übergriffen, die Sie jetzt leider erleben müssen, musste die Deutsche Volksunion schon seit Jahrzehnten leben. Wir sind angegriffen worden von Ihren linksfaschistischen Gutmenschen, von Ihren Fußtruppen. Darüber haben Sie nur gelacht, wir wurden nicht vor gewalttätigen linksfaschistischen Gutmenschen beschützt, ganz im Gegenteil! Ich hätte mir solche Aufregung, solche Bestürzung und so einen Aufschrei, was Sie heute zutage

bringen, damals auch gewünscht, als es um uns ging, gegen andersdenkende Mitbürger, gegen eine nicht verbotene Partei, gegen die Deutsche Volksunion. Da haben Sie geschwiegen! Allen anderen rate ich jetzt, warten Sie doch das Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern ab, und das wird nicht das einzige erschreckende Ergebnis für Sie werden!

Herr Wedler, fangen Sie doch endlich einmal politisch damit an, Ihrer Meinung nach gegen rechts politisch zu handeln. Gerade in Mitteldeutschland, und das sage ich hier in vollem Bewusststein und deutlich, darüber sollten Sie nachdenken, helfen keine Sozialarbeiter mehr, denn Ihre sogenannten Rechtsradikalen sind gerade in Mitteldeutschland für viele junge Menschen, für Kinder und Jugendliche die einzigen Sozialarbeiter, die es da überhaupt gibt.

(Abg. Frau Möbius [SPD]: Rattenfänger!)

Das sind die einzigen Sozialarbeiter, die sich da sozial engagieren, aber das wissen Sie wahrscheinlich selbst.

Meine Damen und Herren, dieser Entschließungsantrag ist so lächerlich, so putzig, dass ich mich wirklich kurzfassen kann.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Dieser Antrag ist es inhaltlich nicht wert, dass man durch unendliche Diskussionen wertvolle Zeit verliert. Sie schreiben in Ihrem Entschließungsantrag so großspurig „Solidarität mit den Bürgern der Stadt Delmenhorst“.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Genau!)

Das finde ich auch gut.

(Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Genau! Punktum, gut!)

Dass Ihr Antrag gegen das geplante Tagungszentrum geht, ist auch klar. Aber jetzt kommt das Aber. Ihre Überschrift „Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Delmenhorst“ bedeutet für mich aber auch: Solidarität mit den Bürgern zeigen, die für einen Verkauf des Hotels, an wen auch immer, sind! Solidarität mit denjenigen Bürgern zeigen, denen es völlig egal ist, ob das Hotel verkauft wird oder nicht,

(Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Da gibt es doch nur einen!)

die sich durch unendliche, laute Pro-Forma-Alibi-Demonstrationen der Möchtegern-Gutmenschen gestört fühlen, die gibt es nämlich auch in Delmenhorst!

Dann gibt es noch eine bekannte Ehrenbürgerin der Stadt Delmenhorst, die bekannte Sängerin Sarah Connor, die sich selbst als Ehrenbürgerin der Stadt nicht solidarisch gegen das geplante Tagungszentrum ausgesprochen hat und deshalb in den Medien in undemokratischer Weise zerrissen und öffentlich an den Pranger gestellt worden ist.

Meine Damen und Herren, gemäß Ihrer Überschrift erkläre ich mich selbstverständlich voll und ganz solidarisch mit den Bürgern und Bürgerinnen der Stadt Delmenhorst. Ich erkläre meine volle Solidarität mit dem Betreiber des bekannten Hotels. Meine volle Solidarität gilt Herrn Günter Mergel, dem Besitzer des Delmenhorster Hotels, der durch unendliche Schikanen der sogenannten demokratisch vertretenden Parteien der Stadt Delmenhorst und der Stadtverwaltung systematisch und gnadenlos in den wirtschaftlichen und finanziellen Ruin geführt worden ist.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das kann man so nicht stehen lassen! – Abg. Frau S t a h - m a n n [Bündnis 90/Die Grünen ]: So ein Quatsch!)

Der Eigentümer des Hotels, Herr Mergel, hat schon über Jahre hinweg auf die unerträglichen Missstände und Schikanen der Stadtverwaltung hingewiesen. Was ist, wie so oft, vonseiten der Politik, der Verantwortlichen passiert? Passiert ist nichts!

(Zuruf des Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen])

Darauf komme ich gleich noch! Herr Mergel wurde von den politisch Verantwortlichen über Jahre hinweg hingehalten, schikaniert und gedemütigt. So sieht das aus! Seine Warnungen und Mahnungen wurden ignoriert. So ist Herr Mergel meines Erachtens auch aufgrund der politischen Mitverantwortung und groben Fehlverhaltens der Stadtverwaltung Delmenhorst rücksichtslos und unweigerlich in den Ruin geführt worden. Diesem Bürger der Stadt Delmenhorst gehört meine volle Solidarität.

Meine Damen und Herren, wir leben in einer Demokratie, falls Sie es noch nicht gemerkt haben! Dazu gehört eine freie Marktwirtschaft mit Angebot und Nachfrage, mit einem gesetzlich geschützten, freien Immobilienmarkt. Wenn Herr Mergel über Jahre hinweg durch diese Delmenhorster Stadtverwaltung schikaniert worden ist, die er flehend um Hilfe gebeten hat, aber immer nur belächelt und nicht ernst genommen worden ist, so braucht sich heute kein Mensch darüber zu wundern, wenn dieser über Jahre hinweg gedemütigte Mensch jetzt ein Angebot von zirka 3,4 Millionen Euro für sein Hotel, von wem auch immer, annehmen würde.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Da können Sie noch so viele Solidaritätsbekundungen abgeben. Wenn Herr Mergel sein Hotel, an wen auch immer, verkauft, so ist es ganz allein seine Sache. Da kann ich der Stadtverwaltung einen sehr guten Ratschlag geben, und der ist kostenlos: Vielleicht sollten sich diese Stadtväter und Sie hier vielleicht auch einmal zukünftig eher Sorgen um das Wohl und die Interessen der Bevölkerung machen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das tun wir! Deshalb ja!)

Meine Damen und Herren, wenn Herr Mergel sein Hotel verkauft und wann und an wen, ist seine Sache. Das nennt man Demokratie. Das noch einmal zu Ihrer Erinnerung, falls Sie das vergessen haben sollten!

Meine Damen und Herren, warten Sie doch erst einmal ab, zu welchem Preis und an wen er das Hotel verkauft, oder aber Sie überbieten ganz einfach das Angebot von 3,4 Millionen und machen daraus ein antifaschistisches, grünes Krabbelgrüppchentagungszentrum! So einfach ist das!

(Abg. Frau W i n d l e r [CDU]: Uner- träglich so etwas!)

Ich frage Sie: Welche größeren Summen haben Sie persönlich gespendet, um das geplante Tageszentrum zu verhindern? Das würde mich wirklich einmal interessieren, denn das würde auch die Glaubwürdigkeit, die Ehrlichkeit und die Ernsthaftigkeit Ihres Entschließungsantrags effektiv unter Beweis stellen. Wenn nicht, dann ist Ihr Antrag für mich, für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Delmenhorst ein reiner Wischiwaschi-Entschließungsantrag und sonst gar nichts. Bevor Sie jetzt nach vorn kommen und mich wieder einmal angreifen, was Sie auch schon gemacht haben, darf ich Ihnen im Namen der DVU, des Bundesvorstands, folgende Presseerklärung vorlesen!

(Zurufe: Nein!)

Die Medien dürfen das nicht senden, weil das nicht in ihr Schema passt. Herr Präsident, ich darf zitieren: „Die DVU hat mit dem Tagungszentrum nichts zu tun. Hierzu stellt die DVU fest: Die Deutsche Volksunion hat weder gegenüber Herrn Rieger noch gegenüber einer anderen Person oder Stelle je Interesse an einem festen Tagungszentrum bekundet. Mit entsprechenden Vorhaben, so sie dann tatsächlich existieren, hat die Deutsche Volksunion nichts zu tun.“ Das, meine Damen und Herren, ist wohl eindeutig genug. Diese klare Presseerklärung dürfte sogar Ihnen einleuchten.