Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich als Erstes auch noch einmal dem Lob für die FDP anschließen, dass sie dieses wichtige Thema Praktika aufgenommen hat!
Ja, das ist die neue Koalition, Herr Perschau! Wir hatten ja zu Beginn dieses Jahres dieses Thema schon diskutiert, und dass wir jetzt einen doch sehr breit getragenen Antrag in die Bürgerschaft einbringen können, finde ich angesichts des Themas sehr gut.
Herr Möllenstädt hat gesagt, es gebe in Bremen nur einige schwarze Schafe, und an die richte sich dies sozusagen. Mir ist ehrlich gesagt dazu keine Untersuchung über Bremen bekannt. Ich kenne natürlich auch einige schwarze Schafe, kann mich aber zum einen auf eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes und zum anderen auch auf eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg beziehen.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg kommt sehr wohl zu dem Ergebnis, dass Praktika für viele Absolventen eines Studiums einen guten Einstieg in eine spätere feste berufliche Stellung bedeuten. Das, denke ich, sollte man auch durchaus anerkennen, das wird hier auch anerkannt. Die Befragung des DGB zeigt allerdings, dass vor allen Dingen und gerade in vielen Bereichen im Kulturund Medienbereich doch häufig ein Missbrauch von Praktikumsverhältnissen festzustellen ist. Da stellen wir eben fest, dass über 60 Prozent der Praktikanten angeben, dass sie in den Betrieben richtige Arbeit leisten, also einen richtigen Arbeitsplatz ersetzen, und dann wäre praktisch das passiert, dass sie durch ihre Praktikumstätigkeit die Arbeitsplätze sozusagen wegpraktizieren, die sie eigentlich einmal einnehmen könnten.
Deswegen – und jetzt komme ich zu meinem zweiten Punkt – ist es wichtig, dass wir hier eine klare Abgrenzung des Praktikums von einem Arbeitsverhältnis vornehmen. Wir wollen sehr deutlich sagen: Ein Praktikum ist ein Einstieg in eine berufliche Tätigkeit und als solcher als ein Ausbildungsverhältnis zu definieren. Ich sage aber auch, wir haben uns beschränkt: Es handelt sich hier um Absolventen eines Hochschulstudiums, und deswegen halte ich es für
gerechtfertigt und notwendig – und das zu Ihrer Frage, Herr Ravens! –, dafür auch eine Vergütung zu zahlen. Diese Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis zeigt dann auch die Begrenzung auf, wie Frau Schön gesagt hat, in der Regel 4 Monate. Das ist auch noch einmal eine Ausformung dieser Abgrenzung, um damit einer Verwischung mit dem Arbeitsverhältnis vorzubeugen.
Ich muss zu dem Antrag der Linken sagen, es scheint mir da eher so, dass Sie hier ein Arbeitsverhältnis regeln wollen. Dies ist ja gerade nicht unsere Absicht, sondern wenn das so eintritt, wie es die Linken geregelt haben wollen, würde ich sagen, ist es ein Arbeitsverhältnis, kein Praktikumsverhältnis mehr, und dann müsste das auch entsprechend in Anspruch genommen werden. Deswegen finde ich es auch richtig, dass es im Berufsbildungsgesetz geregelt wird.
Das ist ja übrigens auch in der Diskussion, Herr Ravens. Herr Müntefering hatte ja diesen Ansatz gemacht, die Änderung des Berufsausbildungsgesetzes vorzunehmen und die Praktika dort zu regeln. Ich halte das für richtig, weil es eben noch eine Sonderform der Ausbildung neben der herkömmlichen Ausbildung ist.
Ich komme dann zum dritten Punkt, den tariflichen Regelungen! Es gibt ja bereits tarifliche Regelungen für solche Praktika, die sozusagen als dritte Phase nach dem Studium vorgeschrieben sind, um überhaupt in den Beruf eintreten zu können. Im Erziehungsbereich gibt es tarifliche Regelungen, und ich meine, wenn die Tarifparteien sich auf den Weg machen, auch in weiteren Bereichen solche Praktika tariflich zu regeln, sollte dies vom Senat unterstützt werden. Ich stimme da sogar mit Herrn Möllenstädt überein: Das ist Sache der Tarifvertragsparteien, ganz klar, aber man sollte die Tarifvertragsparteien möglicherweise auch ermutigen, diesen Weg zu gehen.
Schließlich und endlich, der vierte Punkt, alles andere ist von meinen Vorrednern und Vorrednerinnen schon gesagt worden: Ich wünsche mir dann auch, wenn wir diesen Ansatz machen, der ja auch einige praktische Veränderungen im Land Bremen mit sich bringen soll, dass wir eine zeitnahe Berichterstattung durch den Senat bekommen, wie die Umsetzung dieses Antrags stattgefunden hat. Wir haben das zwar jetzt nicht extra in den Antrag hineingeschrieben, aber ich würde mir wünschen, dass dies dann doch innerhalb des nächsten Jahres passiert. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht kann ich dem Präsidium die Arbeit noch ein klein we
nig mit meinem Eingangsstatement erleichtern. Die FDP hat ihren Antrag 17/113 zurückgezogen. Mit unserem Änderungsantrag 17/143 hatten wir uns auf diesen Antrag bezogen. Der ist ja nun nicht mehr Gegenstand der Diskussion
und wird deswegen zurückgezogen. Der Änderungsantrag 17/148 zum Dringlichkeitsantrag der Grünen und der SPD soll stattdessen in die Debatte aufgenommen werden. Natürlich werben wir um Zustimmung! Der Begriff „Generation Praktikum“ steht meist für die negative Lebensrealität junger Menschen in der heutigen Lern- und Arbeitswelt. Viele junge Menschen absolvieren im Rahmen ihres Studiums oder im Rahmen ihrer Ausbildung ein Praktikum oder mehrere Praktika. Dabei hat das Praktikum heutzutage fast ausschließlich die Bedeutung – meine Vorredner und Vorrednerinnen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, haben sich in ihren Ausführungen überwiegend auf Studenten bezogen –, dass junge Menschen vermehrt unbezahlten oder minder bezahlten Tätigkeiten, in ungesicherten beruflichen Verhältnissen über längere Zeiträume nachgehen müssen, um beispielsweise spätere Lücken im Lebenslauf zu vermeiden. Das macht sich bei einer Bewerbung immer nicht so gut. Praktikantinnen und Praktikanten werden vielfach fest in den Betriebsverlauf eingeplant, und sie werden damit natürlich auch für den Betriebsverlauf unverzichtbar. Unternehmen umgehen feste Neueinstellungen, Tarifverträge und Kündigungsfristen. Dabei ist die Arbeitsbelastung für die Praktikantinnen und Praktikanten vergleichbar mit der Arbeitsbelastung von Festangestellten. Nach der derzeitigen Rechtsprechung fehlen arbeitsrechtliche Mindestschutzbestimmungen. Eine Berufung auf das Berufsausbildungsgesetz, wie sie beispielsweise im Paragrafen 26 BBiG für sogenannte andere Vertragsverhältnisse definiert ist, ist den Praktikantinnen und Praktikanten nicht möglich. Es ist daher aus Sicht der Linken notwendig, eine gesetzgeberische Klarstellung einzufordern, die die betreffende Gruppe von Praktikantinnen und Praktikanten eindeutig in diesen Geltungsbereich mit aufnimmt. Die Auswirkungen der zunehmenden Flexibilisierung des Arbeitsmarktes müssen immer mehr Menschen am eigenen Leib erfahren, so auch Praktikantinnen und Praktikanten. Der Abbau von erkämpften Rechten hat zur Folge: Arbeitslosigkeit oder Arbeit mit zu wenig Lohn zum Leben, und das wollen wir, Die Linke, nicht!
Deshalb ist es unsere Forderung, eine Regelung zu verbindlichen Praktikarichtlinien, die unter anderem
eine Vergütung und auch eine ausreichende Betreuung vorschreiben, anzuregen. Die Vorschläge, die bisher vorgetragen wurden, bedürfen unserer Ansicht nach nicht nur der Optimierung – das war mein anfänglicher Eindruck –, sondern auch noch des weitergehenden Ausbaus. Was wir zukünftig brauchen, sind gesetzliche Bestimmungen, die ausreichend Schutz gegen die zunehmende Ausbeutung bieten. Unser Antrag stellt die Bedeutung des Themas klarer heraus, und er konkretisiert die unter zweitens aufgeführten Punkte a bis i.
Wenn wir hier, liebe Frau Schön, liebe Frau Ziegert, lieber Herr Möllenstädt, über faire Praktikumsbedingen sprechen und uns im Folgenden auch über die Selbstverpflichtung der Fraktionen, über die Einführung eines Gütesiegels „faires Praktikum“ unterhalten, dann wollen wir auch noch appellierend gegenüber Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie ihren Verbänden auftreten – –.
Als auch unterstützend bei den tariflichen Regelungen mitwirken! Dann wären wir doch nur zu gut beraten, die gewünschten Standards einfach, klar und verständlich, aber eben nicht so minimalistisch wie im vorliegenden Antrag zu formulieren und festzuhalten.
Ich möchte es an drei Beispielen deutlich machen. Im Punkt 2 b könnten wir anstatt, es wird ein schriftlicher Vertrag geschlossen, die Formulierung wählen: „Praktikantinnen und Praktikanten dürfen ausschließlich auf Grundlage eines Praktikumsvertrags zwischen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und Praktikanten tätig werden, dessen Inhalt keine Umgehung von Arbeitnehmer/-innenrechten ermöglichen darf.“ Das ist konkret, das ist klar und eindeutig.
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Dürfen Sie denn den Betriebsrat mit- wählen, oder was?)
Statt Punkt 2 e, „es existiert eine feste Betreuungsperson“, ist doch nichts gegen die von uns gewählte bessere Formulierung einzuwenden: „Praktikantinnen müssen während ihres Lernverhältnisses angemessen betreut werden, dazu gehören unter anderen die Vereinbarung von Qualifikationszielen und die Benennung einer betreuenden Person im Praktikumsvertrag.“
Statt der minimalistischen Forderung unter Punkt 2 f, „es besteht Anspruch auf Urlaub und Vergütung“, ist es doch besser, wenn wir auch hier eine klarere Definition fänden, zum Beispiel: „Praktika müssen angemessen vergütet werden. Wenn keine tarifvertraglichen Regelungen greifen, sollte sich die Praktikumsvergütung in einem anteiligen Verhältnis an einem gesetzlichen Mindestlohn orientieren. Nach einem abgeschlossenen Studium oder nach einer Berufsausbildung dürfen nur reguläre Arbeitsverhältnisse mit einer der Tätigkeit entsprechenden tarifvertraglichen Entlohnung oder mit einer Entlohnung, deren Höhe der Entlohnung bereits beschäftigter Arbeitnehmerinnen entspricht, zugelassen werden.“
Den Worten Taten folgen lassen! Das gehört zum Anspruch der Linken. Konkret nachvollziehbar und überprüfbar wollen wir auch Beschlüsse hier in der Bremischen Bürgerschaft fassen, anstatt unkonkrete Formulierungen, die jederzeit eine veränderte Interpretation ermöglichen, zu unterstützen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eines ganz klar auch für unsere Fraktion vorausschicken: Wo Praktika missbraucht werden, ist das nicht in Ordnung!
Wo es Probleme bei den Praktika gibt, sind wir gezwungen oder herausgefordert, zu helfen. Auch das ist keine Frage! Wo Praktika dazu benutzt werden, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu vermeiden, zu verhindern oder zu umgehen, da ist das nicht in Ordnung.
Eines ist mir aber heute zu kurz gekommen, und das ist, dass Praktika grundsätzlich positiv sind und wir grundsätzlich dankbar sein müssen, dass Unternehmen und Behörden auch immer Praktikumsplätze zur Verfügung stellen.
Man kann mit einem Praktikum erste Einblicke in künftige Tätigkeitsfelder nehmen, die Praktikanten –––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
können ihre Fähigkeiten praktisch erproben, Orientierung im Vorfeld der beruflichen und akademischen Tätigkeit ausüben. Insofern sind Praktikumsplätze sehr positiv, und auch das möchte ich hinzufügen, 94 bis 96 Prozent der Absolventen von Praktika haben nach einem Studium 9 Monate später einen ordentlichen Arbeitsplatz. Nur 4 bis 6 Prozent sind auch nach 9 Monaten noch arbeitslos, aber die Quote von 96 Prozent ist sehr gut.
Das belegt auch – ich habe natürlich auch eine Studie zu Hilfe gezogen wie viele hier, keine DGBStudie, sondern vom Hochschul-Informations-System – ein sehr neutraler Dienst. Dieser hat einen Projektbericht vorgelegt über Generation Praktikum, Mythos oder Massenphänomen. Darin wird deutlich, die überwiegende Mehrheit bewertet ihr Praktikum als gut oder sehr gut.
Zwei Drittel der Absolventen sagen: Das Praktikum war hilfreich für die berufliche Zukunft, nämlich 65 Prozent der Universitätsstudenten und 66 Prozent der Fachhochschulabsolventen. Nur jeder Siebte sah den beruflichen Nutzen seines Praktikums als sehr schlecht an. Das waren 14 Prozent an der Universität und 15 Prozent an den Fachhochschulen. Diese sind zu viel, das sage ich hier ganz deutlich.