Auch bei den Gewerkschaften und bei den Weiterbildungsträgern bestand und besteht der Konsens, dass der Bildungsurlaub nicht in erster Linie betrieblich-ökonomischen Qualifizierungsinteressen dient, und wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP und der CDU, von veränderten Anforderungen und zeitgemäßen Möglichkeiten sprechen, gleichzeitig aber Angebote als Angebote mit Freizeit- und Sportcharakter denunzieren und ablehnen, haben Sie bis heute Sinn und Zweck nicht verstanden. In unseren Augen bewegen Sie sich nicht auf der Höhe der Zeit! Ich gebe Ihnen dazu einige Beispiele.
Erstens: Die Erweiterung des persönlichen Horizonts und die Möglichkeit der freien Entfaltung sind wichtig für Innovation, aber auch, wenn Sie ausschließlich die Wirtschaft in den Mittelpunkt stellen, für betriebliche Änderungsvorschläge.
Zweitens: Weiterbildungen mit eher sportivem Charakter, so will ich es einmal vorsichtig formulieren, sind beispielsweise sinnvoll bei der Ausübung überwiegend sitzender Tätigkeiten oder wenn man körperlich schwer arbeiten muss, sie dienen der Gesunderhaltung.
Drittens: Sprachliche Weiterbildungen sind sinnvoll in einer Arbeitswelt, die weit über die deutschen Grenzen hinaus reicht. Die Angebote, die hier von den Weiterbildungsträgern gemacht werden, sind so
vielfältig wie die Menschen, die diese Angebote in Anspruch nehmen, und Bremen kann auf seine vielfältige Infrastruktur für die Weiterbildung stolz sein.
In der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen, Orientierungswissen, sozialen und persönlichen Kompetenzen muss Bremen doch versuchen, den Qualifizierungsstand seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erhalten und natürlich auch noch weiter auszubauen. Dennoch stößt der Bildungsurlaub bis heute immer wieder auf Ablehnung von Arbeitgebern und, wie wir heute wieder hören, von konservativer Politik. Im Wesentlichen wird mit der Kostenbelastung der Wirtschaft durch die bezahlte Freistellung argumentiert – das konnten wir auch heute hören –, damit im Zusammenhang steht der immer wieder geäußerte Zweifel am Nutzen für die jeweiligen arbeitsplatzbezogenen Anforderungen. Jetzt will ich einmal ein wenig versuchen, Ihr Schreckgespenst vom „Bildungsurlaub“ zu entmystifizieren, denn wenn wir ganz ehrlich miteinander umgehen und hier auch im Parlament ehrlich debattieren, dann steht doch fest, dass vor dem Hintergrund der sich immer schneller wandelnden Arbeitswelt Weiterbildungsangebote immer weniger in Anspruch genommen werden. In den letzten zwei Jahren haben gerade einmal etwas mehr als zwei Prozent der Menschen Bildungsurlaub in Anspruch genommen. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit sind immer weniger Unternehmen überhaupt bereit, in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren.
Viertens: Nach wie vor sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit niedriger Qualifikation ebenso wie Frauen mit Kindern und Menschen mit Migrationshintergrund in einem hohen Maß vom Zugang zur Weiterbildung ausgeschlossen.
Die LINKE streitet nicht um den Namen, ob man jetzt Bildungsurlaub sagt oder das Ganze Bildungsfreistellung nennt. Die LINKE befürwortet vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ausrichtung von Bildungsträgern und Bildungsangeboten zumindest die Prüfung, ob man die im Gesetz stehenden Tage splitten kann, aber eine weitere Ökonomisierung und Privatisierung des Weiterbildungsbereichs lehnen wir genauso ab, wie wir bisherige gesetzliche Regelungen zum Bildungsurlaub oder zu Qualifizierung ausbauen oder zumindest erhalten wollen.
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollten vielmehr ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu ermuntern, diese Art von Urlaub zu nutzen, um sich politisch, beruflich und auch allgemein weiterzubilden. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst einmal lassen Sie mich zwei, drei Sachen klarstellen! Frau Böschen, mir ist nicht bewusst, dass ich in meiner Debatte die weibliche Form vergessen hätte. Ich habe sogar einmal etwas zu viel gesagt, was einfach falsch ist, ich habe nämlich gesagt: Angestelltinnen.
Nein, ich rede aber von meinem Debattenbeitrag! Dazu haben Sie ja gesagt, darin sei nichts erwähnt worden. Da habe ich sogar Angestelltinnen gesagt, das ist vollständig falsch, es gibt nur Angestellte. Arbeiterinnen und Arbeiter habe ich auch genannt; ich habe sie dort mit Sicherheit nicht ausgelassen.
Frau Schön, ich bin zwar etwas älter, da haben Sie recht, aber ich kann mich trotzdem nicht daran erinnern, was hier in der letzten Legislaturperiode gelaufen ist. Da habe ich diesem Parlament nämlich noch gar nicht angehört, das ist halt so, und dann erinnert man sich manchmal auch schlecht. Wenn Sie hier laufend über Kosten reden, weiß ich nicht, welchen Antrag Sie gelesen haben. Ich lese in unseren Anträgen nichts von Kosten. Darin steht etwas über die Einbringung von Zeit, aber über Kosten steht nichts darin, das wird nicht einmal erwähnt.
Dann zu den Wiederholungen! Dass dadurch nichts besser wird, ist mir klar, es ist in den ganzen Jahren nichts besser geworden, aber vielleicht werden einige Dinge dann doch irgendwann einmal abgeschafft. Je häufiger man sie wiederholt, desto besser gehen sie vielleicht in die Köpfe aller, das könnte ja nicht schaden.
Nachdem ich eben den Vortrag von Frau Nitz gehört habe, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als hier überhaupt noch einmal Wiederholungen aufzuführen. Ich will das auch gern tun! Bei dem Träger, der über 600 Angebote nur noch im zweiten Halbjahr anbietet, einer von zwölf, geht es los mit „Titel, Tore, Transaktionen – ein Blick hinter die Kulissen des Fußballgeschäfts“, Bildungsurlaub. Das finde ich wahnsinnig toll, das soll auch jeder machen, der abends in der Kneipe über Fußball diskutiert. Dass das aber Arbeitgeber mit Extraurlaub belohnen sollen, kann mir leider nicht einleuchten.
„Architekturenlandschaft, Parks in Berlin und Potsdam, verbunden mit einer netten Reise“, ich weiß ja
nicht, ob man dort lernt, wie man hier den Bürgerpark umgestaltet, „Werkstattfotografie, Fotografieren, Blicksicht und Blende“, „Experimentelles Malen und künstlerische Gestaltung“, „Einführung in die biodynamische Tanzpädagogik“, „Aliens im Tierund Pflanzenreich – Bedrohung oder Bereicherung?“, „Eintauchen in den Herbst“ und nicht zu vergessen „Aktmalerei und Aktmodellierung“.
so einfach ist das nicht mit dem Oh-Schreien! Dann würde ich auch an die Damen appellieren, denn ich habe einmal hineingeschaut. Dort sind nur weibliche Aktmodelle. Lassen Sie uns doch einfach einmal über Gender-Mainstreaming reden, denn da ist es mit Sicherheit auch angebracht!
Am Schluss kommt ein Lehrgang, an dem ich dann selbst teilnehmen werde, nachdem ich das durchhabe: „Einmal richtig durchatmen, Bildungsurlaub“.
Meine Damen und Herren, das alles mag zwar einem Hobby und der Freizeitgestaltung dienen, mit Bildung und mit dem Nutzen in beruflicher Bildung oder politischer Bildung aus diesem Angebot hat das recht wenig zu tun. Wenn jemand diese Art von Kursen besuchen will, kann er das auch gern tun, aber dafür kann man doch keinen Extraurlaub gewähren. Die, die dies beanspruchen, sollen Abendkurse besuchen, und zwar auf eigene Rechnung.
Die Spiegelreflexkameras, meine Damen und Herren, die zum Beispiel für das Fotografieren erstanden wurden, waren mit Sicherheit nicht ganz billig. Für das Beibringen, mit ihnen zu fotografieren und auf den entsprechenden Knopf zu drücken, sollen dann andere herhalten. Das kann es nicht sein! Bildung ja, aber mit Sinn und Verstand! Bildung muss etwas beinhalten, Bildung muss dazu dienen, einen Menschen weiterzubringen, sich zu festigen, sich wettbewerbsfähig zu machen. So etwas darf nicht nur allein durch staatliche gemeinnützige Anbieter in monopolistischer Manier angeboten werden! Gerade die qualifizierten und gewerblichen Anbieter aus den jeweiligen Fachbereichen sind hier gefragt. Natürlich, Frau Schön, muss geprüft werden, ob sie dazu
geeignet sind, da bin ich mit Ihnen vollständig konform, aber die gewerblichen Anbieter stehen im Markt, sie wissen deshalb vielfach besser als die öffentlichen, welche Anforderungen benötigt werden. Eine gesunde Konkurrenz sorgt auch für einen hohen Qualitätsstandard. Für Bildung muss man selbst auch etwas tun. Darum sagen wir: Das bedarf der Eigeninitiative, wer Bildungsurlaub will, muss auch eigene Zeit mit einbringen, bitte kein Geld! Denn nur, wer selbst investiert, verlangt geradezu auch nach Erfolg.
Dann komme ich zum Schluss, vielleicht darf ich eben noch einen Gedanken sagen! Was mir vorliegt, ist nämlich ein Antrag mit der Drucksachen-Nummer 17, dahinter keine Aufführung. Das ist ein Antrag der SPD und der Grünen, der heute hier nicht vorliegt, ich weiß nicht, warum er zurückgezogen worden ist. Dass Frau Ziegert befangen ist, haben wir alle wahrgenommen, das ist auch in Ordnung so. Nun habe ich aber gestern die Presseerklärung auf den Tisch bekommen. Diese ist wiederum von Frau Ziegert unterschrieben. Ich frage mich jetzt allen Ernstes – und das werden Sie mir bestimmt erklären –, ob Frau Ziegert dahingehend die Seite gewechselt hat von einer Befangenen dieses Parlaments zu einer Lobbyistin der Gewerkschaft. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer wollte etwas dagegen haben, dass sich Menschen in Kunst, Kultur oder Sport weiterbilden? Darum geht es uns überhaupt nicht, und ich glaube, auch bei einigermaßen unterstelltem guten Willen kann man das diesem vorgelegten Antrag nicht unterschieben, sich dagegen zu wenden. Nur bleibt die Frage: Muss dies im Rahmen des Bildungsurlaubsgesetzes – wie es ja bisher immer noch heißt, egal, wie oft die Bürgerschaft schon darüber debattiert haben mag und wer anderer Meinung sein mag – geregelt sein, dass derartige Bildung stattfindet, oder ist das nicht auch etwas, das mündige Bürger in ihrem Privatleben organisieren könnten?
Ich will mich einmal mit einigen Argumenten der Vorrednerinnen auseinandersetzen! Ich fange einmal mit Frau Nitz an! Wenn Sie beklagen, dass hier konservative Kräfte oder Politik, wie Sie sich ausgedrückt haben, am Werke seien, kritisieren Sie nach meinem Eindruck doch die Fraktionen in der linken Hälfte dieses Hauses, die gerade hier keinen Fortschritt
wollen; das sind die Fraktionen der SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und Ihre eigene Fraktion. Ich halte das für eine sehr richtige und bemerkenswerte Klarstellung.
(Beifall bei der FDP – Abg. Frau S t a h - m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir sit- zen nicht links, wir sitzen in der Mitte!)
Weiterhin haben Sie, das ist ja keine ganz neue Übung, unserer Fraktion einmal wieder unterstellt, wir würden uns da einseitig auf die Seite der Arbeitgeber schlagen, und die Arbeitgeber seien sowieso im Prinzip wegen ihrer böswilligen Haltung Schuld daran, dass der Bildungsurlaub so selten in Anspruch genommen wird. Ich will Sie einmal mit einer Aussage konfrontieren, die der Geschäftsführer der Arbeitnehmerkammer – weiß Gott niemand, der den Liberalen besonders nahesteht – gegenüber der „taz“ am 11. August in dem zitierten Artikel gemacht hat. Er hat gesagt: Es sind gar nicht die Chefs der Unternehmen – damals waren gerade kleine Unternehmen gemeint –, die sich gegen den Bildungsurlaub aussprechen, es sind vielmehr oftmals die Kollegen, die das Problem darstellen, weil sie nämlich in der Zeit für andere mitarbeiten müssen. Das ist nämlich auch ein Stück der Wahrheit, eines der Konstruktionsprobleme dieses Bildungsurlaubsgesetzes, das Sie hier verteidigen.
Das hat in der Tat auch sehr viel mit dem Vorschlag, den die Grünen gemacht haben, der da nämlich nicht weiterhilft, zu tun. Splitting verbessert das doch nicht, sondern Sie haben dann das Problem, dass Sie vielleicht einzelne Tage die Abwesenheit der Kolleginnen und Kollegen rechtfertigen müssen, aber substanziell ist der Weg, den wir vorgeschlagen haben, der richtige, weil es der einzige ist, der tatsächlich demjenigen, der Bildungsurlaub im Sinne einer Bildungsfreistellung in Anspruch nimmt, das auch rechtfertigen lässt gegenüber den Kolleginnen und Kollegen, weil er sich selbst einbringt, weil er selbst seine eigene Freizeit zu einem Teil mit einbringt, und das auch zu Recht.
Ich will auf ein Argument eingehen, das Frau Böschen genannt hat! Ich glaube, bei aller Liebe zur Sprache ist manchmal auch die Mathematik zurate zu ziehen, Frau Kollegin Böschen! Es geht nicht darum, dass wir insgesamt weniger Tage Bildungsanspruch gewähren wollen, sondern wir wollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sogar mehr Zeit zur Verfügung stellen mit der Einschränkung, dass sie einen Teil davon selbst beitragen, das ist richtig. Insgesamt aber, wenn Sie einmal nachrechnen, werden Sie merken, dass wir anschließend zwei Tage mehr Bildungsurlaub gewähren können, wenn wir
das umsetzen, was wir vorgeschlagen haben, als es bisher nach dem Bildungsurlaubsgesetz möglich ist.
Das heißt, Sie haben viel mehr Zeit, die Bildung, die Sie eingefordert haben, auch wirklich zu erwerben, und das ist doch wohl im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.