Dazu begrüße ich als Vertreter und Vertreterin des Senats Bürgermeister Böhrnsen und Bürgermeisterin Linnert.
Hinsichtlich der Reihenfolge der Rednerinnen und Redner wurde vereinbart, dass zunächst die Senatorin für Finanzen spricht und dann jeweils der erste Redner der Fraktionen in der Reihenfolge CDU, SPD, DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Abgeordneter Tittmann und Abgeordneter Timke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Senat legt Ihnen hier die Mitteilung des Senats zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz vor. Mit dieser Mitteilung wollen wir dem Parlament in der gebotenen Form berichten, wie wir das Gesetz einschätzen, wie Bremen mit den Beratungen umgegangen ist, und wie wir denken, wie es weitergehen soll.
Die Bundesregierung hat auf die sich abzeichnende Krise schnell reagiert. Man konnte feststellen, dass im Gefolge der längere Zeit schwelenden SubprimeKrise auch Deutschland von einer Vertrauenskrise der Banken mit ihren Geschäften untereinander und was Kapital- und Spareinlagen von Privatanlegern bei Banken betrifft, betroffen war. Es ist zu Geldknappheit der Banken gekommen, was dazu führte, dass Unternehmen, die Kredite für Investitionen brauchten, Schwierigkeiten bekamen, und galoppierend sinkende Aktienkurse haben dann letztendlich den Anstoß dafür gegeben, dass die Bundesregierung tätig geworden ist.
Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz hat drei Bestandteile, die ich hier kurz vorstellen will, und ich möchte dann auch sagen, wie wir sie bewerten. Der erste Bestandteil ist eine Garantieermächtigung der Bundesregierung, an der die Länder beteiligt sind. Diese Garantieermächtigung funktioniert so ähnlich wie eine Bürgschaft; sie soll dazu dienen, dass dem fehlenden oder angeschlagenen Vertrauen der Banken untereinander, wenn sie sich gegenseitig Geld leihen sollen, dadurch begegnet wird, dass der Bund
oder das Finanzmarktstabilisierungsgesetz diesen Interbankenverkehr mit Garantieermächtigungen stabilisiert und sicherstellt, dass, wer im Vertrauen auf die Garantieermächtigung Geld verleiht, sicher sein kann, dass er es auch wiederbekommt.
Der Löwenanteil in diesem Topf, nämlich 400 Milliarden Euro, ist für diese Garantieermächtigung vorgesehen. Es handelt sich hier nicht direkt um Geld, was fließt, sondern es geht um eine Sicherung von Kreditgeschäften von Banken untereinander.
Der zweite Baustein der Hilfe dient der Rekapitalisierung. Wir stellen im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise fest, dass Banken wegen des Werteverfalls ihrer Anleihen nicht über ausreichend eigenes Kapital verfügen, und hier ist vorgesehen, dass der Bund beziehungsweise die jetzt hierfür zuständige Anstalt Anleihen kauft oder stille Beteiligungen eingeht, um die Kapitalausstattung der Banken zu verbessern.
Der dritte Baustein ist die sogenannte Risikoübernahme. Hier ist es möglich, dass Wertpapiere oder auch Forderungen gekauft werden, die von den Banken als problematisch in ihren Bilanzen eingeschätzt werden, und auch auf die Art und Weise soll über gesündere Bilanzen sichergestellt werden, dass der Geschäftsverkehr gefördert wird.
Für diese beiden Bausteine, Rekapitalisierung und Risikoübernahme, sind weitere 80 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist Geld, das direkt fließen wird. Aber, wie ich versucht habe darzustellen, es stehen dem auch Werte gegenüber. An die Teilnahme an diesem Risikotopf sind Bedingungen geknüpft, die vom Senat auch ausdrücklich begrüßt werden. Es werden Höchstgrenzen für Vorstandsbezüge gelten, es wird von den Banken, die daran teilnehmen, verlangt, dass sie auf Bonuszahlungen verzichten, und Dividenden, die von den entsprechenden Banken ausgeschüttet werden, dürfen ausschließlich zugunsten des Fonds getätigt werden.
Dieser Fonds wirkt vor allen Dingen, das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich aus der Sicht des Senats betonen, durch seine Existenz. Es gibt kein Wertesystem dafür, dass „die Guten“ daran teilnehmen und „die Bösen“ nicht oder vielleicht auch umgedreht, sondern es geht darum, nach außen der Welt und nach innen Deutschland zu zeigen: Hier gibt es eine starke Regierung, die den Geldtransfer und -verkehr stützt. Aber die Entscheidung der Geldinstitute, ob sie sich unter diesen Schirm begeben wollen, ist keine moralische Frage, sondern eine der Geschäftspolitik der Unternehmen.
Wir als Senat rechnen nicht damit, dass sich größere Ausfälle für den Haushalt aus der Zustimmung zu der Beteiligung Bremens, die uns nicht leicht gefallen ist, die wir aber selbstverständlich gegeben haben, sonst wäre Bremen das einzige Bundesland gewesen, das ausgeschert wäre, das wäre nicht sinnvoll gewesen, ergeben. Der Senat rechnet nicht da
mit, dass die maximal 73 Millionen Euro, die im Worst case auf Bremen zukommen würden, letztendlich auch haushaltswirksam werden.
Bremen und das Saarland haben gemeinsam eine Protokollerklärung abgegeben, in der wir noch einmal darauf hinweisen, dass die Verhandlungen im Rahmen der Föderalismusreform, nämlich Schuldengrenzen und Hilfen für die Bundesländer, die an Schuldengrenzen nicht teilnehmen können, auf jeden Fall fortgesetzt werden müssen. Das sind also die Bedingungen, unter denen Bremen sich selbstverständlich an dem Fonds beteiligt. Ab 2013 kann man genauer, seriöser abschätzen, zu welchen Ausfällen, zu welchen Summen es letztendlich kommen wird, weil wir dann versuchen können, die Fondsbeteiligung auch abzurechnen.
Aber ich möchte noch einmal, weil es jetzt in der Öffentlichkeit auf einmal hieß, Bremen habe, wo wir doch so sparen müssen, auf einmal 73 Millionen Euro leichtfertig bereitgestellt, darauf hinweisen: Wenn es wirklich so kommen würde, dass Bremen und andere Bundesländer und der Bund ihren Anteil bezahlen müssten, dann hätten wir eine Volkswirtschaft, die am Ende ist. Das sind die absoluten „Worst-worstcase“-Bedingungen, das heißt, dass die großen Kreditinstitute in die Knie gegangen sind und die gesamte Volkswirtschaft am Boden liegt. Das ist überhaupt nicht zu erwarten.
Aber das wären die Bedingungen, unter denen solche Summen für Bremen kommen würden, deshalb ist das, glaube ich, ein unberechtigter Vorwurf an den Senat, dass wir da solche Summen bereitstellen. Wir haben uns an dem Paket beteiligt, wir werden dem Haushalts- und Finanzausschuss regelmäßig über den Werdegang berichten, und selbstverständlich werden wir das Geld, falls es dazu kommt, dass es finanzielle Folgen für Bremen gibt – die können natürlich auch positiver Art sein –, außerhalb des nach Karlsruhe gemeldeten Tableaus ausweisen. Es muss niemand befürchten, dass Kürzungen in Kindergärten passieren, weil Bremen sich an dem Rettungsschirm beteiligt.
Noch einmal zurück zur Protokollerklärung Bremens! Aus dem Antrag der LINKEN habe ich entnommen, dass die LINKEN fordern, dass wir unbedingt aufhören sollen, über das Verschuldungsverbot vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise zu verhandeln. Ich glaube, das hat mit der politischen Wirklichkeit nichts zu tun. Bremen ist auf Hilfen angewiesen! Die Debatte in Deutschland, wie wir sie auch in der Protokollerklärung niedergelegt haben, geht so, dass, wenn es gelingt, alle Bundesländer und den Bund davon zu überzeugen, es Verschuldungsgrenzen bei der Kreditaufnahme der öffentlichen Haushalte geben soll, es dann einige Länder gibt, die sich daran so nicht beteiligen können. Das wird Bremen sein, und darauf folgt die Hilfe. Zu glauben, dass es irgendeine Art von politischer Grundlage gibt, nur über Hilfen ohne ein generelles Verschuldungsverbot zu verhandeln, ist völlig illusorisch. Es wäre auch nicht
richtig. Wir können uns lange darüber verständigen, was man aus dieser Finanzmarktkrise noch alles nebenbei lernen kann, aber dass das eine Argumentation für eine Verschuldungspolitik des Staates sein kann, das ist mir völlig unverständlich. Das Gegenteil ist der Fall.
Es wird sich immer mehr herausstellen, dass seriöse Finanzpolitik letztendlich zu den ganz fundamentalen Grundlagen eines Gemeinwesens gehört.
Über die Ursachen möchte ich hier, darüber kann man viel spekulieren, vielleicht nur eine Bemerkung verlieren: Ich bin nicht einverstanden mit einer Sichtweise, die darauf hinausläuft, entfesselte Banker hätten an der Wall Street die ganze Welt an der Nase herumgeführt. Ich glaube, es ist immer besser, wenn man vor seiner eigenen Tür kehrt und auch mit weniger heißem Herzen analysiert, was da abgelaufen ist. In Wirklichkeit ist es so gewesen, dass es unter der Bush-Regierung in den Vereinigten Staaten eine zum Teil auch sozialpolitisch motivierte politische Linie gegeben hat, dafür zu sorgen, dass jeder, der möchte, ein Eigenheim bekommt. Es ist richtig diskutiert worden, dass es diskriminierend sei, wenn man keine Kredite bekommt.
Hier in Europa oder zumindest in Deutschland ist es völlig undenkbar, dass man ohne Eigenkapital ein Haus kaufen kann, das finde ich auch nach wie vor richtig, aber es ist dort eine politische Linie gewesen, letztendlich mit dieser Art von Kredit-Party, wenn man das ganz nüchtern sieht und nur eine Verteilungswirkung analysiert, dafür zu sorgen, dass Hunderte von Milliarden Euro, weltweites Geld, in die amerikanische Volkswirtschaft gepumpt wurden. Es ist die politische Linie der Bush-Regierung gewesen, diese Party zu veranstalten!
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Den sind wir ja nun bald los! Gott sei Dank!)
Das rechtfertigt nicht, dass man darauf hereinfällt, das finde ich auch, zumal viele Mahner seit Jahren darauf hinweisen, dass die große Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Realwirtschaft und der Geldwirtschaft bedrohliche Ausmaße annimmt. Trotz der unangenehmen Folgen gibt es auch Seiten, wo man sagen kann, man ist froh, dass diese Blase jetzt geplatzt ist, weil man endlich vielleicht auch Mehrheiten organisieren kann, dem politisch koordiniert zu begegnen.
Auch in Deutschland ist die Konnotation „böse Banker – liebe Politik“ zu kurz gesprungen, der Senat wird da nicht mit einstimmen, obwohl wir natürlich der Auffassung sind, dass die Exzesse in der
Bezahlung unbedingt eingeschränkt gehören, aber man muss auch selbstkritisch einräumen, dass überall in Banken Politiker auch in Aufsichtsgremien sitzen. Sie sehen selbst auch, wie – mit der Sächsischen Landesbank beginnend, aber jetzt auch mit der West LB und der HSH Nordbank – die Landesbanken gerade unter Druck geraten und sie auch einräumen müssen, dass sie große Fehler gemacht haben.
Als ich das erste Mal bei der Finanzministerkonferenz war, das muss im Sommer letzten Jahres gewesen sein, wurden Themen für die nächste Sitzung gesammelt. Ich habe mich getraut zu sagen, dass ich Interesse habe, über die Landesbanken zu sprechen. Ich habe dort betretenes Schweigen geerntet und habe verstanden, dass ich dort mit dem Instinkt einer Neuen das größte Fettnäpfchen, das dort herumsteht, aufgesucht habe. Natürlich müssen sich alle Landesregierungen die Frage gefallen lassen, welche Linie für den Umgang mit ihrer Landesbank gilt, und welche Fehler in der Vergangenheit gemacht worden sind?
Auch in Deutschland hat man sich auf Ratingagenturen verlassen. Wer macht das eigentlich, wenn sie so organisiert sind, wie sie organisiert sind? Auch in Deutschland haben viele darauf hingetrommelt, dass möglichst viele Menschen kapitalgestützte Alterssicherung machen, ohne parallel ein Sicherungssystem zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass diejenigen, die Anleihen eingehen und ihr Geld anlegen, gleichzeitig auch gut beraten und gesichert werden. Wenn man sich dann auch noch einmal bei den ganzen Ursachen anschaut, mit welchen Verbraucherinnen und Verbrauchern – zugegeben, das schwächste Glied in der Kette – wir es zu tun haben, dann stellt man doch irritiert fest, dass Menschen ganz lange darüber nachdenken, wo sie den billigsten Liter Milch bekommen können. Wenn es dann aber darum geht, große Summen oder die Alterssicherung anzulegen, das mögen auch kleine Summen sein, dass man dann sehr blauäugig und sorglos vorgeht.
Die Koalition fordert eine bessere Ausstattung der Verbraucherzentrale, das begrüßen wir als Senat sehr, das ist eine ganz entscheidende Schlüsselstelle, aber auch die Frage: Gibt es eigentlich in den Schulen eine Aufklärung über Geldkreisläufe, was passiert eigentlich? Verstehen die Menschen das eigentlich, was da passiert? Da müssen wir in den nächsten Jahren noch mehr tun. Wir werden lernen müssen, dass in einer Welt mit globalisierter Finanzwirtschaft Menschen mehr Kompetenzen erwerben müssen, was diesen Punkt betrifft.
Was tun? Ich habe große Zweifel, dass es gelingen kann, ein weltweites, einheitliches System der Kontrolle oder der Verbote bestimmter Geschäfte aufzurichten. Umso wichtiger ist, dass wir einen europäischen Weg gehen, dass Deutschland maßgeblich dazu beiträgt, dass ein europäischer Weg gegangen wird,
das betrifft auch ausdrücklich den Aufbau einer eigenen Ratingagentur. Grüne sollten sich auch dafür einsetzen, dass Hochrisikoanlagen oder zum Beispiel das unappetitliche Wetten auf sinkende oder steigende Getreidepreise, schlicht und einfach verboten werden beziehungsweise in den Bereich des Glücksspiels fallen.
Das ist doch mehr reguliert als diese Art der Spekulationsgeschäfte. Da muss man auch wiederum sagen, es liegt eine Chance darin, nämlich die Chance, dass Europa sich als seriöser, gesicherter und transparenter Finanzplatz profilieren kann. Verbraucherschutz: Ja, ganz viel! Wir werden alle zusammen viel lernen müssen über eine neue Welt, Schulen und Medien spielen dabei eine große Rolle, und an Sie da draußen: Fragen Sie die Bankmitarbeiter, ob sie Einkommensanteile darüber generieren, dass sie Ihnen eine ganz bestimmte Anlage verkaufen! Auch dort wird sich eine Scheidelinie zwischen der Qualität der Banken ergeben. Wer macht eine nachhaltige Geschäftspolitik und weiß, dass er den Menschen, denen er heute etwas verkauft, morgen und übermorgen noch begegnet? Oder geht es nur um kurzfristige Gewinne und schnelles Geld? Die Bremer Landesbank, das will ich hier noch einmal ganz ausdrücklich betonen, hat – es geht ja auch um das Verhältnis zwischen Landesregierung und den Banken – in den letzten Jahren, nicht nur in dieser Legislaturperiode, sondern auch in denen davor, eine gute, seriöse, auf regionale Erfordernisse ausgerichtete Geschäftspolitik gemacht mit dem Schwerpunkt Spezialfinanzierung, Schiffe und Windkraft. Wenn jetzt in Deutschland so ähnlich wie bei der Länderfusionsdebatte wieder große Künstler meinen, auf dem Reißbrett zählt man, führt man Dinge zusammen, dann können Sie sicher sein: Die Bremer Landesbank werden wir als Senat in diesen Strudel nicht hineinbegeben.