Protokoll der Sitzung vom 29.10.2009

Wie wirken die von uns beschlossenen Gesetze vor allem im Alltag der Menschen? Gerade in letzter Zeit wird das Mittel der elektronischen Petition verstärkt genutzt. Noch nicht so sehr in Bremen, aber zumindest auf Bundesebene wird doch dem Protest in verschiedenen Bereichen eindeutig Ausdruck verliehen. Ich nenne einige Beispiele, die uns allen aus den letzten Wochen und Monaten zumindest aus den Medien bekannt sein dürften, wenn es darum geht, GEMAGebühren zu überprüfen, ob sie denn noch rechtens sind, wenn Überwachungskameras aufgestellt werden sollen, die Debatte um „Zensursula“ im Zusammenhang mit der unkontrollierte Sperrung von Internetseiten, aber auch die Debatten um Sanktionsparagrafen im Sozialgesetzbuch II. Auf Landesebene wurden schon einige Beispiele angeführt. Hier beschäftigen wir uns vor allem mit Aufenthaltsregelungen, Bauangelegenheiten, auch hier mit den Auswirkungen des Sozialgesetzbuchs II auf die Menschen und ihr Lebensumfeld, aber auch mit Lärm, in den letzten Tagen insbesondere mit Fluglärm.

Staatliches Handeln kann in der Praxis Mängel zeigen, das ist immer so, aber daher ist es umso wichtiger, dass wir als Parlamentarier davon erfahren. Wir haben sehr gern das Anliegen der FDP-Fraktion aufgegriffen, das Bremische Petitionsgesetz zu ändern, zu vereinfachen, und wir möchten uns an dieser Stelle auch dem Dank an alle anderen Fraktionen für die

konstruktive Zusammenarbeit anschließen, insbesondere dem Dank an die Verwaltung und hier namentlich genannt Frau Schneider.

(Beifall)

Das Interesse innerhalb der Bevölkerung für politische Themen ist allemal vorhanden. Mit diesem vorliegenden Gesetzentwurf schließen wir einige Regelungslücken Ich hoffe, so viele wie möglich! Wir machen das Petitionsrecht in Bremen für alle Menschen leichter zugänglich, und wir verbessern sogar die Lesbarkeit durch eine ordentlichere, deutlichere Struktur und eine bürgernahe Sprache, denn die Bürgerinnen und Bürger sind es, die dieses Gesetz lesen und anwenden können und sollen. Massen- und Sammelpetitionen werden eingeführt. Das wurde bereits erwähnt. Öffentliche Petitionen sollen ermöglicht werden. Ende 2007 hatten wir uns ja schon darauf verständigt, Online-Petitionen einzuführen.

Insgesamt stärken wir mit diesem Gesetz die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger hier in Bremen. Kleine Ecken und Kanten wurden angesprochen, ich denke, wir können sie auch noch glätten. Insofern freue ich mich, wenn wir hier in diesem Hause diesem Gesetzentwurf in erster Lesung einstimmig zustimmen können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Motschmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Petitionsrecht ist sehr alt, es ist auch viel älter, als es 1949 ins Grundgesetz kam, das wissen wir auch alle. Schon im alten Rom nannte man Bitten an die Herrscher Supplikation, was vom Verb supplicare abgeleitet ist und heißt, vor jemandem auf die Knie fallen und flehentlich bitten. Der Kniefall ist zum Glück Geschichte, das flehentliche Bitten nicht, und der Weg vom Kniefall bis zur öffentlichen Petition, zur Online-Petition, zur E-Petition, ist weit. Das letzte Stück sind wir im Ausschuss gemeinsam gegangen. Ich möchte auch von meiner Seite sagen, es hat Spaß gemacht, vielen Dank dem Vorsitzenden, Herrn Oppermann, vielen Dank der FDP, die den Anstoß gegeben hat, Frau Nitz hat die Stellvertretung gemacht, und Frau Dr. Mohammadzadeh hat ebenfalls mitgemacht!

Wir haben ein Beispiel dafür abgegeben, wie einig sich Fraktionen bei einem Thema auch sein können, und haben das modernste Petitionsgesetz geschaffen, das es in den Ländern gibt. Ich werde als Vorsitzende inzwischen immer häufiger in andere Bundesländer eingeladen, zuletzt auch vom Europäischen Ombudsmann-Institut, um unseren Weg und den Entwurf vorzutragen, andere wollen es nachma

chen. Der Bundestag hat ja schon etwas Entsprechendes gemacht.

Ich möchte noch einen einzigen Aspekt anfügen, der noch nicht genannt worden ist. Manche fragen, ob der normale geschriebene Brief damit ersetzt werden soll, wenn wir eine E-Petition haben oder wenn wir jetzt öffentliche Petitionen haben, Foren im Internet. Nein, der Brief bleibt bestehen! Den Brief halte ich auch nach wie vor für ein wichtiges Mittel, um seine Bitten vorzutragen, weil er eben doch auch sehr zur Konzentration zwingt. Wir alle wissen, dass man eine E-Mail viel schneller einmal schreibt als einen Brief, von daher möchte ich dieses Missverständnis, das manche haben, hier ausräumen. 20 Prozent unserer Petitionen kommen inzwischen per E-Mail, das ist eine ganze Menge, das wird auch mehr werden, aber der alte Brief soll damit nicht aufgehoben werden.

(Beifall)

Auch ich möchte mich bei der Ausschussassistenz bedanken. Frau Schneider hat uns mit einer großen Präzision, mit großer Verlässlichkeit und Kompetenz begleitet, und dafür können wir ihr nur sehr danken.

(Beifall)

Die CDU stimmt dem Gesetzentwurf zu, und wir wollen ihm noch den letzten Schliff geben, um uns dann in zweiter Lesung wiederzutreffen, aber ich denke, bis hierhin haben wir gute Arbeit gemacht und können stolz darauf sein. Deshalb empfehle ich allen, sich das auch einmal selbst anzusehen, es lohnt sich. Bremen ist hier Vorreiter, hat die Nase vorn, ist ja auch einmal schön, wenn wir die Nase vorn haben und nicht das Schlusslicht sind. Insofern wünsche ich dem neuen Gesetz viel Erfolg, auch denjenigen, für die wir es gemacht haben, nämlich für die Menschen draußen. – Vielen Dank!

(Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz über die Behandlung von Petitionen durch die Bürgerschaft, Drucksache 17/910, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

(Einstimmig)

Es ist nun Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an den Petitionsausschuss beantragt worden.

Wer der Überweisung des Gesetzes über die Behandlung von Petitionen, Drucksache 17/910, zur Beratung und Berichterstattung an den Petitionsausschuss seine Zustimmmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist das Gesetz zur Beratung und Berichterstattung an den Petitionsausschuss.

(Einstimmig)

Enquetekommission „Zukunft der Freien Hansestadt Bremen als Bundesland“

Antrag der Fraktion der CDU vom 22. Oktober 2009 (Drucksache 17/969)

D a z u

Änderungsantrag der Fraktion der FDP vom 27. Oktober 2009

(Drucksache 17/977)

Wir verbinden hiermit:

Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der Enquetekommission „Zukunft der Freien Hansestadt Bremen als Bundesland“

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert, die sich aber entschuldigt hat und etwas später kommen wird, sie ist unterwegs. Die Mitteilung haben wir gerade noch bekommen.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir gestern hier im Parlament gemeinsam um die möglichen Einwirkungen auf den Sanierungskurs unseres Landes von außen gestritten haben, wollen wir heute auf Antrag der CDU-Fraktion darüber reden, was wir selbst unternehmen müssen, um den enormen Anforderungen an den öffentlichen Haushalt im Lande Bremen gemeinsam gerecht zu werden. Die CDU-Fraktion schlägt Ihnen heute hierzu die Einsetzung einer Enquetekommission vor. Es hat sich gelohnt, sich einmal anzuschauen, zu welchen Themen bereits in anderen Parlamenten Enquetekommissionen eingesetzt worden sind. Im Deutschen Bundestag sind seit 1971 insgesamt über 20 solcher Kommissionen eingesetzt worden, unter anderem zu solchen Themen wie Psy

chiatrie, Frau und Gesellschaft, Schutz der Menschen und der Umwelt oder auch zur Kultur in Deutschland.

Die Grünen selbst haben auch im Deutschen Bundestag mehrfach solche Kommissionen beantragt oder zumindest mit beantragt, aber auch in anderen Landesparlamenten hat es bereits erfolgreich die Einsetzung von Enquetekommissionen gegeben. So wurde in Hamburg im Jahr 2006 auf Antrag der Oppositionsparteien von SPD und Grün-Alternativer Liste eine Enquetekommission zur Schulentwicklung eingesetzt, die zu einem übereinstimmenden Ergebnis zur Schulstruktur in Hamburg gekommen ist, das im Wesentlichen auch unter der schwarz-grünen Regierung bis heute trägt. In Berlin wurde im Jahr 2003 auf Antrag der Oppositionspartei CDU, aber mit den Stimmen aller im Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen die Kommission „Eine Zukunft für Berlin“ eingesetzt, die sich mit der Lösung der extremen Haushaltslage in diesem Bundesland beschäftigt und dazu auch Vorschläge entwickelt hat.

Man kann also zusammenfassend sagen, Enquetekommissionen haben Erfolg, und wir halten das jetzt vorliegende Thema, nämlich die Zukunft unseres Bundeslandes, für geeignet, die erste Enquetekommission hier in Bremen einzusetzen. Wir haben bereits einen Antrag auf Einsetzung einer Enquetekommission hier im Parlament gestellt, der von der rot-grünen Regierungsmehrheit abgelehnt worden ist. Damals ging es, wie in Hamburg auch, um die parteiübergreifende Entwicklung eines dauerhaften und tragfähigen Schulsystems für unser Bundesland. Die Enquetekommission hat es nicht gegeben, die parteiübergreifende Verständigung gleichwohl, im Übrigen mit zwischenzeitlich großer bundesweiter Anerkennung. Das heißt, es macht Sinn, sich auch über Parteigrenzen hinweg zu zentralen Fragestellungen unseres Bundeslandes zusammenzusetzen und zu versuchen, das übliche Spiel zwischen Regierung und Opposition zu vermeiden und sich auf einen gemeinsamen Weg für unser Bundesland zu verständigen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben gestern bereits am Anfang darüber debattiert: Das Land Bremen steht fiskalisch vor enormen Herausforderungen. Der rot-grüne Senat hat einen Haushalt vorgelegt, in dem im Jahr 2010 eigene Einnahmen von 3,4 Milliarden Euro Ausgaben von 4,3 Milliarden Euro gegenüberstehen. Das heißt, dem Land fehlen 900 Millionen Euro, die durch zusätzliche Schuldenaufnahme, die die nachfolgenden Generationen belasten wird, aufgebracht werden müssen, und wir haben die Verständigung von Bund und Ländern in der Kommission der Föderalismusreform II und die daraus erwachsende Verpflichtung, dem Bund und den anderen Ländern zum Erhalt der Hilfe von immerhin 300 Millionen Euro pro Jahr nach

zuweisen, dass Bremen den Rest dieses riesigen und gewaltigen Problems aus eigener Kraft lösen kann.

Nun haben wir gestern darüber geredet, wie der Weg zu solchen, ich glaube, insgesamt unumstrittenen Sparanstrengungen führen soll. Der Bürgermeister hat gestern gesagt, bevor über konkretes Sparen in Bremen geredet wird, möge man doch bitte die Verwaltungsvereinbarung zur Föderalismusreformkommission abwarten, die für den Juni nächsten Jahres erwartet wird. Für die CDU-Fraktion kann ich nur sagen, so viel Zeit hat Bremen nicht, wir müssen jetzt handeln, und bis Sommer 2010 müssen Vorschläge auf dem Tisch liegen, wie wir dem Bund nachweisen können, dass wir einen Großteil der Probleme unseres Bundeslandes aus eigener Kraft, mit eigenen Beschlüssen und mit eigenen Anstrengungen auch tatsächlich lösen können.

(Beifall bei der CDU)

Wir schlagen Ihnen daher die Einsetzung einer Kommission vor, wie sie bereits im Jahr 2004 der Präsident der Bremischen Bürgerschaft, Christian Weber, vorgeschlagen hat. Damals ist es zur Einsetzung dieser Kommission aus welchen Gründen auch immer nicht gekommen.