Allerdings muss ich sagen, dass wir etwas enttäuscht waren. Ihr Vorschlag ist zwar sinnvoll, aber er geht längst nicht weit genug. Der Antrag betrifft nur einen Teilbereich des Gebiets der interfamiliären Gewalt und Nötigung. Deswegen war unser Änderungsantrag notwendig.
Im Gegensatz zu dem vorliegenden Antrag beinhaltet unser Änderungsantrag wichtige Ergänzungen. Ihr Antrag geht zwar im Einleitungstext auch auf Verschleppung ein, in den Antragspunkten ist dann aber keine Rede mehr davon. Es sollten auch Menschen, die gegen ihren Willen und ohne eigenes Verschulden im Ausland festgehalten werden, das gleiche Rückkehrrecht bekommen wie Zwangsverheiratete. Es geht darum, dass von familiärem, staatlichem oder sonstigem Zwang Betroffene nicht auch noch vom deutschen Staat bestraft werden.
Unser Antrag beinhaltet auch den Tatbestand der Verschleppung, sodass das Aufenthaltsrecht für alle bestehen bleibt, die gegen ihren Willen im Ausland sind oder dort festgehalten werden. In Ihrem Antrag sind nur Zwangsverheiratete mit ausländischem Pass berücksichtigt, die in Deutschland lebten und ins Ausland verheiratet werden. Deren Situation ist zurzeit so, dass ihr Aufenthaltstitel erlischt, wenn sie länger ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
als sechs Monate im Ausland sind. Das gilt sogar bei einer Niederlassungslerlaubnis, also einem unbefristeten Aufenthaltsrecht. Das muss natürlich geändert und ein fristloses Rückkehrrecht im Gesetz festgeschrieben werden.
Der Antrag von SPD und Grünen lässt aber ausländische Opfer, die im Rahmen einer Zwangsverheiratung nach Deutschland kommen, völlig außen vor. Sie haben das Problem, dass ihr Aufenthaltsrecht mindestens zwei Jahre an den Ehepartner gebunden ist, wenn sie im Rahmen des Ehegattennachzugs nach Deutschland kommen. Wenn sie sich trennen, erlischt ihr Aufenthaltsrecht, und sie müssen ausreisen. Um diese Zwangslage zu verhindern, ist es nötig, diesem Personenkreis ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu geben, nur so können sie sich aus einer Zwangsehe lösen, ohne sofort in ihr Heimatland zurückkehren zu müssen, wo die Familie auf sie wartet, die sie erst in diese Ehe gedrängt hat.
Das Gleiche gilt für Papierlose, die wir im Punkt d berücksichtigt haben. Auch sie brauchen einen wirksamen Schutz vor Zwangsverheiratungen. Das geht nur dann, wenn man ihr durch die Ehe erhaltenes Aufenthaltsrecht nicht an das des Partners bindet. Wer es mit der Unterstützung von Zwangsverheirateten ernst meint, muss auch diese Personengruppe im Blick haben. Unser Änderungsvorschlag zielt im Gegensatz zu dem Antrag von SPD und Grünen, bei denen diese Menschen gar nicht auftauchen, darauf ab. Auch präventive Maßnahmen wie die automatische Erteilung einer unbefristeten Niederlassungerlaubnis für Minderjährige mit ausländischem Pass würde Zwangsverheiratungen erschweren. Dann würden die oder der Jugendliche ein eigenständiges Aufenthaltsrecht besitzen, das nicht nur von den Eltern abhängig ist. Auch melderechtliche, erbrechtliche und weitere aufenthaltsrechtliche Änderungen sollten in diesem Zusammenhang in Erwägung gezogen werden.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die geschlechtsspezifische Einseitigkeit des rot-grünen Antrags. Gewalt gegen Frauen ist zwar mit großem Abstand häufiger innerfamiliärer Zwang, aber auch Gewalt gegen Jungen und Männer ist existent. In einer Studie des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2007 zu Zwangsverheiratungen ist von circa 200 bis 300 Betroffenen pro Jahr und Stadt die Rede. Hierbei geht es jedoch nur um die registrierten Fälle von Beratungseinrichtungen in Berlin. Dort waren circa zehn Prozent der Betroffenen männlich. Diese Zahlen sind keine belastbaren Daten, da sie nur ein Ausschnitt sind. Leider
wissen wir in diesem Bereich viel zu wenig, weil auch das Dunkelfeld sehr groß ist. Gerade deswegen brauchen die Betroffenen aber verlässliche Regelungen.
Wenn Sie einen effektiveren und umfassenderen Schutz für von Zwangsverheiratung Betroffene oder Bedrohte befürworten, sollten Sie unserem Änderungsantrag zustimmen! Er geht inhaltlich weiter und berücksichtigt auch Menschen, die bei Ihnen nicht vorkommen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwangsverheiratung ist kein Randthema, sondern gesellschaftliche Realität. Wir Freien Demokraten haben das Ziel, dieses Thema stärker in die Öffentlichkeit zu tragen, hier mehrfach vorgebracht. Wir haben hierzu auch schon eigene Anträge in dieses Haus eingebracht und hierzu debattiert. Es darf nach unserer Auffassung keine Toleranz gegenüber Zwangsehen unter dem Deckmantel der Multikulturalität geben!
Es muss klargestellt werden, dass Zwangsheirat verboten und nicht durch religiöse oder traditionelle Gründe gerechtfertigt ist. Die Vereinten Nationen bezeichneten im Juni 2001 die Zwangsheirat sogar als moderne Form der Sklaverei, und das zu Recht.
Alle geeigneten Maßnahmen müssen ergriffen werden, damit Zwangsverheiratungen verhindert und die Opfer geschützt werden. Bereits im Frühjahr 2008 haben wir Liberale dieses Thema hier in die Bremische Bürgerschaft getragen. Mit unserem Antrag „Aufklärung und Prävention stärken – Zwangsverheiratungen verhindern“ haben wir auf eine ganze Reihe von Missständen hingewiesen und die Verstärkung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Zwangsheirat gefordert.
Auch auf Bundesebene wurde eine intensive Debatte geführt. Schon Anfang 2006 hat die FDP-Bundestagsfraktion die wirksame Bekämpfung der Zwangsehe zum Gegenstand einer parlamentarischen Debatte in diesem Haus gemacht. Wir haben schon früh ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
der Antrag hat das Datum vom 5. April 2006 – in einem Forderungskatalog unter anderem ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für zwangsverheiratete Frauen, die Erleichterung des Rückkehrrechts, das Recht auf Wiederkehr für Ausländer, die als Minderjährige regelmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatten, verlangt.
Doch unser Antrag wurde – und das ist hier auch schon erwähnt worden – damals mit den Stimmen der damaligen Großen Koalition, also auch mit den Stimmen der SPD abgelehnt. Nachvollziehbar ist auch nicht, warum die damalige Bundesregierung trotz entsprechender Vereinbarungen im Koalitionsvertrag den auf Initiative des baden-württembergischen Justizministers, Dr. Goll, vom Bundesrat beschlossenen Entwurf für ein Zwangsheiratsbekämpfungsgesetz seit Jahren blockiert hat.
Ich hoffe, dass wir mit der hier eingeforderten Bundesratsinitiative dort auch zu Fortschritten kommen. Der Gesetzentwurf, auf den ich mich soeben bezogen habe, enthält neben den zivil- und strafrechtlichen Instrumentarien Aufklärung, Information und Prävention weitere wichtige Bausteine zur Bekämpfung der Zwangsehe. Wenn Sie in Ihrem Antrag jetzt eine Initiative auf Bundesebene fordern, möchte ich auch diesen Gesetzentwurf, der hier schon angesprochen worden ist, ausdrücklich noch einmal in Erinnerung rufen.
Wir werden dem Antrag der rot-grünen Koalition zustimmen, denn in einem sind wir uns einig: Oberstes Ziel ist es, die von Zwangsverheiratung Betroffenen besser zu schützen und ihre rechtliche Situation zu verbessern. Ich möchte zum Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auch noch einige Punkte anmerken. Viele der Punkte, die in Ihrem Änderungsantrag stehen, sind langjährige Forderungen, die wir auch teilen können, ich habe ja bereits die Erleichterung des Rückkehrrechts nach Deutschland und ein eigenständiges Aufenthaltsrecht angesprochen. Wir erkennen auch die Erweiterung des Betroffenenkreises auf Männer ausdrücklich an. Zwar sind die Zahlen von betroffenen Männern eher gering, aber wir möchten durchaus auch die Tatsache, dass es solche Schicksale von Männern gibt, nicht vernachlässigen.
In diesen Punkten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, sind wir d’accord. Doch nun kommen wir zu den Punkten, in denen wir nicht übereinstimmen! Sie sprechen in Ihrem Antrag davon, allen Opfern von Zwangsverheiratungen und Verschleppung Zuflucht und Aufenthalt zu ermög
lichen. Diese Forderung geht uns Liberalen allerdings dann doch ein wenig zu weit. Unseres Erachtens ist das Kriterium des vorübergehenden regelmäßigen Aufenthalts in Deutschland trotz großen humanitären Engagements nicht zu vernachlässigen.
Besonders von der Zwangsverheiratung betroffen sind Mädchen und Frauen, die noch am Anfang ihres Integrationsprozesses stehen, daneben aber auch und gerade Migrantinnen, deren Lebenseinstellung und Lebensweise nicht mehr denen von Kultur und Sitten der ehemaligen Heimat der Eltern geprägten Erwartungen in der Familie und im sozialen Umfeld entsprechen.
Wir glauben auch – und an dieser Stelle möchte ich auch zum Schluss kommen –, dass der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, den Sie uns vorgeschlagen haben, doch ein wenig zu weit geht. Ich denke, insgesamt muss uns klar sein, dass es ein ernsthaftes Thema ist und dass wir realistisch schauen müssen, welche Punkte wirklich wesentlich sind und auch im Vordergrund stehen sollten. Wir glauben, dass die Punkte im Antrag der Koalition schon richtig formuliert sind. Dementsprechend werden wir diesem Antrag auch zustimmen! – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion stimmt dem Antrag der Koalition zu. Wir stimmen dem Änderungsantrag der LINKEN nicht zu, er geht zu weit und gefährdet damit die Annahme des Antrags nicht nur hier, sondern auch in Berlin, und damit helfen wir am Ende keiner Frau. Darüber hinaus möchte ich sagen, dass sowohl Frau Mahnke als auch Frau Dr. Mohammadzadeh klar gesagt haben, was das für diese Frauen bedeutet. Es ist ein Verstoß gegen Menschenrechte, wenn man Frauen zwangsverheiratet und sie verschleppt.
Zum Glück kann sich niemand von uns wirklich vorstellen, was es bedeutet, wenn man zwangsverheiratet oder in ein anderes Land verschleppt wird. Da fehlt uns allen wahrscheinlich die Fantasie. Was diese Frauen erleiden müssen, führt zu einer Schädigung der Seele für das ganze Leben, ich glaube, darüber sind wir uns klar, das geht wie ein Schatten mit. Es gibt keinen Trost und sehr wenig Hilfe. Das Einzige, was wir tun können, ist an ihnen dieser Stelle einen Rechtsanspruch auf die Rückkehr nach Deutsch
land zu geben. Weil das die einzige Unterstützung dieser Frauen – und es sind natürlich mehrheitlich Frauen, die das erleiden, das wurde auch von allen gesagt – ist, sollten wir diesem Antrag alle zustimmen, und das tun wir ja auch. Ich finde es gut, dass dieses Thema so konsensual in diesem Haus behandelt wird, wir haben ja heute auch kontroverse Themen gehabt.
Wenn es aber um die geringe Hilfe und Unterstützung von Frauen geht, die zwangsverheiratet oder verschleppt wurden, sind wir uns einig, und das ist gut so. Deshalb danke ich ausdrücklich denjenigen, die diesen Antrag eingebracht haben, in dem Fall den Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, damit habe ich überhaupt kein Problem, unsere Fraktion auch nicht. Vielen Dank! Ich finde es schön, dass wir das gemeinsam machen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir stellen hier in großer Übereinstimmung fest, dass die Zwangsheirat ein gesellschaftliches Phänomen ist, das mit der Rechtsordnung der Bundesrepublik unvereinbar ist und gegen das Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen verstößt. Trotz aller Anstrengungen und rechtlichen Regelungen, insbesondere im Familien- und Strafrecht, können solche Zwangsehen aber nach wie vor leider nicht immer verhindert werden.
Bei dem heute vorliegenden Antrag geht es um die Frage, inwieweit die aufenthaltsrechtlichen Regelungen den Besonderheiten der Zwangsheirat gerecht werden. Im Vordergrund stehen dabei das Recht auf Wiederkehr sowie die Regelungen zum Erlöschen von Aufenthaltstiteln bei einer Ausreise. Das geltende Aufenthaltsgesetz stellt bei dem Recht auf Wiederkehr auf die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts vor der Ausreise, den Schulbesuch und das Höchstalter ab. Zur Vermeidung einer besonderen Härte kann aber von diesen Voraussetzungen abgewichen werden.
In den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz, die jetzt gerade neu gefasst worden sind, heißt es nun auch in diesem Punkt: „In Fällen der Zwangsverheiratung kann je nach Umständen des Einzelfalles eine besondere Härte vorliegen.“ Das ist schon ein Fortschritt gegenüber dem Zustand, den wir bis dahin hatten. Es bleibt aber dabei, dass es sich, wie auch in dem Antrag zutreffend festgestellt wird, um eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörden handelt. Wünschenswert wäre jedoch eine Regelung im Gesetz selbst, um deutlich zu machen, dass das Aufenthaltsrecht im Fall einer Zwangsheirat auch bei einer erzwungenen Ausreise nicht ver
Es hat in der Vergangenheit Versuche gegeben, diesen Umstand und dieses Bedürfnis gesetzlich zu regeln. Im Jahr 2005 ist ein entsprechender Vorstoß gescheitert. Ich glaube aber, dass wir heute in einer deutlich besseren Situation sind, denn ich kann Ihnen mitteilen, dass der Bundesrat in seiner Sitzung am 18. September beschlossen hat, die Bundesregierung zu bitten, bei der nächsten Überarbeitung des Aufenthaltsgesetzes eine verbesserte Rückkehrmöglichkeit für Opfer von Zwangsheirat durch Ergänzung von Paragraf 51 Aufenthaltsgesetz vorzusehen, und es ist ausdrücklich auch darauf hingewiesen worden, dass der Aufenthaltstitel nicht schon nach sechs Monaten erlöschen darf, weil es Betroffenen häufig erst später gelingt, sich aus ihrer Zwangssituation zu befreien und nach Deutschland zurückzukehren.