Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

Wir wissen, dass unsere Häfen, das Herzstück unserer Wirtschaft, im Augenblick von der Krise besonders betroffen sind, und wir verfolgen schon seit dem Sommer die Bemühungen von Gewerkschaften, von Betriebsräten und von Unternehmen, hier einigermaßen diese Krise zu meistern. Wir wissen, dass gerade der GHBV, der hier besonders im Fokus steht, mit dem Abbau von über 1 000 Arbeitsplätzen und mit dem Absenken von Löhnen teilweise in fast unerträglicher Weise schon ein großes Opfer gebracht hat. Trotzdem sieht es im Augenblick so aus, als ob der GHBV weiter in seinem Bestand gefährdet ist. Deswegen appellieren wir an die Hafenwirtschaft und besonders an die BLG, Bremen Logistics Group, als einer Gesellschaft, die auch im bremischen Besitz ist,

als größtem Arbeitgeber in Hafen, alle Anstrengungen zu unternehmen, um den GHBV in seinem Bestand zu sichern und auch die qualifizierten und motivierten Kollegen, die dort arbeiten, möglichst weitgehend abzusichern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der GHBV ist ja nicht irgendeine Gesellschaft, sondern die Gründung des GHBV hatte einen riesigen sozialen Fortschritt bedeutet. Ich glaube, dass wir stolz darauf sein können, dass es uns allen gemeinsam damals gelungen ist – der Hafenwirtschaft, den Gewerkschaften, der Politik –, Hafenarbeit zu regulieren, anständig zu bezahlen, sozial abzusichern und gleichzeitig den Anforderungen der Hafenwirtschaft nach flexiblem Arbeitseinsatz gerecht zu werden.

(Abg. E r l a n s o n [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Frau Kollegen Ziegert, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Erlanson?

Nein, ich möchte bitte gern meinen Gedanken zu Ende führen!

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Das war klar! – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das war über- flüssig bei der knappen Redezeit, Herr Roh- meyer!)

Ohne die Leistungen der Kolleginnen und Kollegen des GHBV wäre die rasante Umschlagsentwicklung in unseren Häfen, wäre auch die Produktivitätssteigerung dort nicht möglich gewesen. Wollen wir jetzt wieder zurück in die Zeiten, wo Hafenarbeit wenig qualifiziert war und der Hafenarbeiter auf Abruf arbeitete? Ich glaube nicht, und ich glaube, dass das auch nicht in die moderne Zeit passt und auch nicht im Interesse der Hafenwirtschaft liegen kann.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Reguläre Arbeit im Hafen darf nicht durch Leiharbeit außerhalb des GHBV ersetzt werden, Hafenarbeiter dürfen nicht zu Billigarbeitskräften werden!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Kolleginnen und Kollegen, ich erinnere daran, wie es war, als im Jahr 2003 die EU-Kommission versucht hat, durch Port Package Billigarbeit in den Häfen einzuführen. Damals haben Gewerkschafter, Beschäftigte und die Politik diesen Versuch gemeinsam ab

gewehrt, wir erinnern uns noch an die großen Demonstrationen beim Europäischen Parlament, und dies muss auch weiter unser gemeinsames Ziel in der Krise sein.

Deswegen erwarten wir vom Senat – damit will ich es in dieser Aktuellen Stunde bewenden lassen –, dass er in enger Abstimmung mit den Unternehmen und der Gewerkschaft ver.di eine für alle tragbare Lösung findet. Damit ist auch völlig klar, dass wir als SPDFraktion die Kolleginnen und Kollegen – meistens sind es ja Kollegen! – vom GHBV hier unterstützen und auch erwarten, dass der Senat alles tut, um seinen Einfluss in der BLG geltend zu machen, dass dies auch durchgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Nitz.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Dort, wo ich aufgewachsen bin, gibt es ein geflügeltes Wort, das man sagen würde, nachdem man hier die Redebeiträge der Kolleginnen Frau Schön und Frau Ziegert gehört hat. Da heißt es nämlich nur ganz kurz: „Nachtigall, ick hör dir trapsen“, weil für den Missbrauch, den Sie hier angeprangert haben, ja bekanntlich die rot-grüne Bundesregierung Tür und Tor geöffnet hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Lohndumping scheint zum angesagten Werkzeug großer Handelsketten zu werden, um Gewinne zu steigern, wir sprechen heute über das aktuelle Beispiel der Drogeriekette Schlecker. Anstelle der kleinkarierten Sachen soll das Geschäftsmodell von Anton Schlecker umgewälzt werden, so gab er es in der Presse bekannt. In diesem Jahr sollen deshalb etwa 500 kleinere Läden, Filialen geschlossen werden, denn Schlecker will künftig mehr große Märkte betreiben. Das Vorgehen dabei ist fast immer gleich: Ein Schlecker-Markt wird geschlossen, und ein paar Meter weiter eröffnet eine größere XL-Schlecker-Filiale, nachdem alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst einmal vorsichtshalber entlassen wurden. So werden die angestammten Mitarbeiter dann wieder zu einem geringeren Lohn eingestellt, doch dabei sind Festanstellungen eher die Ausnahme.

Den weitaus größten Teil der Mitarbeiter liefert die Zeitarbeitsfirma MENIA, das wurde heute schon angesprochen. Deren Mitarbeiter sollen für nur 6,50 Euro pro Stunde – der Tarifvertrag liegt bei fast 12,80 Euro – eingestellt werden. Ansonsten ist das MENIARPersonal weitgehend rechtlos, die Arbeitsverträge ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

laufen maximal ein Jahr. Von diesem einen Jahr haben die Mitarbeiter schon allein eine Probezeit von einem halben Jahr, und in dieser Probezeit können sie natürlich auch ohne Angabe von weiteren Gründen entlassen werden.

Jetzt könnte man denken, MENIAR ist eine ganz normale, eine gewöhnliche Zeitarbeitsfirma. Das ist sie aber gar nicht, weil sie von Schlecker selbst gegründet worden ist. Der Zweck ist auch hier glasklar und liegt offen auf der Hand: Personalkosten sollten reduziert werden, ohne auf so lästige Dinge wie Arbeitnehmerrechte Rücksicht nehmen zu müssen.

(Unruhe auf dem Besucherrang – Glocke)

Beifallskundgebungen sind von der Tribüne nicht erlaubt!

Bitte, Frau Nitz!

Wer also nicht zu den Bedingungen der „ehrenwerten“ Herren arbeiten will, wird aussortiert, ist nicht weiter tragfähig für ein Unternehmen, nach der Devise, wenn du nicht willst, dann geh doch einfach, hier vor dem Tor stehen mindestens Hunderte, die deine Arbeitsstelle auch nehmen würden. Dieses Vorgehen findet DIE LINKE an Unmenschlichkeit kaum noch zu überbieten, das ist ein Prozess, den wir anprangern.

(Beifall bei der LINKEN)

Das eiskalte Kalkül dieser modernen Sklavenhalter: Wenn die Löhne nicht mehr ausreichen, um die Existenz ihrer Angestellten überhaupt zu sichern, dann wird auf die Arbeitsgemeinschaften oder hier in Bremen auf die BAgIS und die ARGE Bremerhaven verwiesen. Die werden dann schon in die Bresche springen, und sie tun es auch, denn immer mehr Mitarbeiterinnen – und wir wissen, dass vor allem Frauen betroffen sind – beziehen ergänzende Hartz-IV-Leistungen. So steigt der Gewinn auf Kosten der Allgemeinheit, und ein Konzern erzwingt vom Staat indirekt Subventionen. Dies zeigt einmal mehr, dass uns das Raubtier Kapitalismus beißt, wenn wir ihm keinen Maulkorb anlegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ohne enge gesetzliche Grenzen werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem und in anderen Bereichen bald nicht mehr sein als leicht zu ersetzendes rechtloses Humankapital. Wie weit dies dann noch vom Begriff der Sklaverei entfernt ist, das mag jeder für sich selbst entscheiden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die kälteste Nacht des Jahres mit bis zu minus 25 Grad Celsius liegt hinter uns. Auch oder obwohl wir fast sagen können, dass wir hier sibirische Verhältnisse vorfinden, könnten

wir fast meinen, das wären Luxusprobleme, denn wir haben hier ganz konkret mit sozialer Kälte zu tun. Da fröstelt es nicht nur mich, da fröstelt es alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, da fröstelt es DIE LINKE, da fröstelt es die sozialen Bewegungen, die für ihre Rechte eintreten.

Wir haben Glück, der Winter geht irgendwann zu Ende, aber Schwarz-Gelb auf Bundesebene hat gerade erst angefangen. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Nestler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus dem Fall Schlecker ist ja jetzt erst einmal ein weit gefächertes Thema geworden. Ich denke aber, das ist gut so, weil dieses Thema wichtig ist. Was den Fall Schlecker betrifft, sollte man erst einmal feststellen, dass es sich in der Abarbeitung befindet und hier als aktuelles Thema eigentlich fehl am Platz wäre. Dass es jedoch ein äußerst wichtiges Thema ist, steht für alle außer Frage. Außer Frage steht für uns auch, dass die Firma Schlecker versucht hat, auf äußerst kritikwürdige, arbeitnehmerfeindliche, unseriöse Arbeitsweise Lohndumping über eine eigene Zeitarbeitsfirma vorzunehmen. Die Arbeitsministerin hat mit ihren Ankündigungen dafür gesorgt, dass die Firma Schlecker sofort den Vertrag mit der entsprechenden Zeitarbeitsfirma aufgekündigt hat und mit ihr keine künftigen Verträge mehr abschließen will.

Meine Damen und Herren, das genügt uns aber noch nicht. Natürlich muss jetzt geprüft werden, welche Verträge schon vorher auf diese Art und Weise mit dieser Zeitarbeitsfirma abgeschlossen wurden. Die Bundesregierung, die Gewerkschaften, aber auch wir müssen darauf dringen, dass die bereits bestehenden neuen Verträge, die mit dieser Zeitarbeitsfirma aufgekündigt wurden, wieder durch die alten Verträge ersetzt werden.

Natürlich hat das zur Folge, dass auch andere Zeitarbeitsfirmen überprüft werden. Wenn es sich daraus dann als notwendig herausstellt, dass weiterer Handlungsbedarf besteht, und davon müsste man eigentlich ausgehen, muss eine entsprechende gesetzliche Regelung herbei. Dafür wurde bereits im Arbeitsministerium eine Arbeitsgruppe gegründet, die dies prüft und das Ergebnis vorlegt. Frau von der Leyen hat bereits angekündigt, in einem solchen Fall die entsprechenden Regelungen, die solche Maßnahmen unterbinden, einzuleiten.

Eines wollen wir aber auch nicht vergessen: Die Personalpolitik der Firma Schlecker ist nicht illegal. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz lässt dies schon lange eindeutig zu. Da fragt man natürlich: Warum wurde dieses Gesetz nicht schon längst geändert? Nur

das werden Sie verstehen – richtet sich diese Frage nicht an uns, sie richtet sich ausschließlich an die SPD. In wessen fester Hand war denn das Arbeitsministerium seit ewigen Zeiten? Darüber schweigt man hier heute.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt bereits heute Richtlinien, so muss zum Beispiel die Bundesanstalt für Arbeit schon jetzt die Zulassung jeder Zeitarbeitsfirma genehmigen und eine entsprechende Lizenz vergeben. Diese Lizenz muss auch nach gewissen Zeiten erneuert werden. Da muss man sich doch fragen: Ist die Prüfung von Zeitarbeitsfirmen auf einem solchen aktuellen Stand, Missbrauch zu verhindern? Hält die Gewerkschaft auch in diesem Bereich beratend Kontakt zur Bundesagentur für Arbeit? Da könnten sich doch eine Menge Möglichkeiten eröffnen, um Missbrauch unter Umständen zu verhindern.

Hier sollte Zeitarbeit dazu dienen, in diesem Fall echte Tarife, gerechte Arbeitsplätze zu vernichten, dagegen muss schlicht und einfach vorgegangen werden. Wir sollten aber Zeitarbeit nicht allgemein verteufeln. Ich glaube, das hat Zeitarbeit nicht verdient. Zeitarbeit hat uns aus einer großen Krise geholfen, Zeitarbeit hat seriöse Arbeitsplätze, hat feste Arbeitsplätze und jetzt einfach allgemein darauf herumzuschlagen, ist mit Sicherheit nicht der richtige Weg.

Frau Ziegert, auch ich bin nicht unbedingt ein Freund der christlichen Gewerkschaft, ich sage das hier ganz deutlich.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich sage aber auch, man muss einmal bei den eigenen Gewerkschaften schauen. Sehen Sie sich die Bäcker, die Friseurinnen an, in diesen Bereichen haben Ihre Gewerkschaften die Tarifverträge geschlossen. Die liegen unter sechs Euro Stundenlohn. Ob das der richtige Weg ist, weiß ich auch nicht. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir debattieren hier heute über den Missbrauch von Zeitarbeit. Man könnte versucht sein, zunächst einmal über den Missbrauch von Aktuellen Stunden für vermeintlich populäre Themen zu debattieren.

(Beifall bei der FDP – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ach, ja! – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das liegt Ihnen ja ganz fern!)