Protokoll der Sitzung vom 24.02.2010

Wir wollen an der Spitze des Ressorts jemanden, der konkrete Probleme im Dialog löst, jemand, der Mittler zwischen den Interessen der Wirtschaft und den Interessen der Politik ist! Wirtschaftspolitik in Bremen ist nicht immer nur der große Wurf, ist nicht immer nur Shanghai, ist nicht immer nur Champions League, sondern ist vor allen Dingen auch das Wahrnehmen von konkreten Problemen dieser Stadt und unserer Nachbarstadt, ist die Wahrnehmung von ganz konkreten Sachverhalten, ist das Mitteln und das Lösen konkreter Problemlagen. Dafür muss man sich als Wirtschaftssenator in Bremen auf die Socken machen und mit ganz vielen Arbeitnehmern und ganz vielen Arbeitgebern sprechen und im Dialog sein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Seitdem ich Martin Günthner kenne, habe ich feststellen können, dass er beides hat. Er hat die Fähigkeit, konkrete Ergebnisse zu erzielen, und er verfügt über eine ausgesprochene Dialogbereitschaft. Deshalb glaube ich und glauben wir, dass er diese soeben

beschriebene Funktion eines Wirtschaftssenators optimal ausüben kann.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich vermute, dass wir gleich eine Diskussion darüber bekommen, was denn sozialdemokratische und grüne Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren gewesen sein könnte und gewesen sein sollte. Ich will dem nicht vorgreifen, weil es eine verlängerte Redezeit und deshalb vermutlich mehrere Runden gibt. Nur soviel: Ich möchte noch einmal aus dem zitieren, was die RotGrünen im Koalitionsvertrag zu diesem Thema niedergelegt haben. Einer der drei Leitsätze des Koalitionsvertrages lautet: „Es gilt, die wirtschaftlichen Chancen des Standortes zu sichern, um mehr existenzsichernde Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen.“ Wir sind uns sicher, dass Martin Günthner und sein Team aus der Wirtschaftsbehörde erfolgreich an der Realisierung dieses Programmsatzes arbeiten werden!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal etwas zu dem Ressort Justiz und Verfassung sagen! Ein Gesundheitssenator muss nicht Arzt sein, ein Bildungssenator muss nicht Lehrer sein. Aus eigener Erkenntnis weiß ich, Jurist sein hilft in manchen Lebenslagen, in vielen jedoch auch nicht. In meiner beruflichen Praxis habe ich im Übrigen ganz viele Juristen getroffen, die schlicht und ergreifend Unsinn erzählt haben. Diese Fähigkeit ändert sich übrigens nicht unbedingt dadurch, dass man ein Regierungsamt übernimmt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin mir sicher, dass für den Teil des Amtes Justiz und Verfassung Martin Günthner einen klaren Kompass braucht, gute Berater und die Fähigkeit, auf diese Berater zu hören. Ich bin mir sicher, dass Martin Günthner alle diese drei Dinge besitzt.

Im parlamentarischen Alltag ist es üblich, dass die Opposition den vorgeschlagenen Kandidaten der Mehrheit nicht unterstützt. Das ist parlamentarischer Alltag. Ich kann nur sagen für die Koalition, für die SPD: Wir haben Vertrauen, aber wir haben auch Erwartungen an Martin Günthner, und wir wünschen ihm viel Erfolg beim Kampf um Arbeitsplätze in unserem Bundesland. – Ich danke Ihnen!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich kann die rot-grüne Landesregierung froh sein, dass die laufende Legislaturperiode nur vier und nicht fünf Jahre läuft, wie Sie es selbst für die nächste Periode beantragt hat. Wir werden heute das dritte Mal mit einem Vorschlag für die Wahl eines Senators begrüßt. Der dritte Vorschlag in drei Jahren. Hätten wir eine fünfjährige Legislaturperiode, wäre fast der gesamte Senat ausgetauscht worden. Wir wählen heute einen neuen Wirtschaftssenator, dessen Vorgänger von sich immer behauptet hat – so wird kolportiert –, er habe in der Champions League gespielt.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie war das eigentlich bei Ihnen?)

Was unterscheidet eigentlich Senator Ralf Nagel und die Champions League? Der Unterschied liegt darin, für die Champions League muss man sich, wie wir Bremer leidvoll wissen, jedes Jahr neu qualifizieren. Ralf Nagel hat weder im ersten noch im zweiten, noch im begonnenen dritten Jahr seiner Amtsführung die in ihn hochgesteckten Erwartungen zu irgendeiner Zeit erfüllt. Während nach dem Ausscheiden des letzten Senators, Willi Lemke, der damalige Fraktionsvorsitzende noch von einem freudigen Anlass gesprochen hat, hat der SPD-Fraktionsvorsitzende das heute im Hinblick auf das Ausscheiden von Ralf Nagel aus dem Senat nicht getan. Überhaupt fällt die Bilanz über die Zeit von Ralf Nagel sehr unterschiedlich aus. Noch im Januar attestierte ihm der Präsident des Senats eine überzeugende politische Bilanz. Siegfried Breuer, der Unterbezirksvorsitzende der SPD in Bremerhaven und offensichtliche Senatorenmacher, meinte, er habe keinen großen Mist gebaut. Nach dem Rücktritt von Ralf Nagel hört sich das alles ein bisschen anders an. Unmittelbar nach Nagels Rücktritt sagte Siegfried Breuer, SPD-Unterbezirksvorsitzender und Senatorenmacher, sein Nachfolger wird einiges an Mist wegräumen müssen, den Ralf Nagel uns hier hinterlassen hat. Ich frage nun, was hat Ralf Nagel eigentlich gemacht? Mist oder keinen Mist? Wir haben festgestellt, dass Ralf Nagel über sich und seinen neuen Job sagte, er habe ihn nicht gesucht, er sein ihm angetragen worden. Der Bürgermeister, Präsident des Senats, lässt zeitgleich in einer Pressemitteilung verkünden, dass Ralf Nagel eine neue Herausforderung gesucht und gefunden hat. Was ist denn nun richtig? War Ralf Nagel auf Stellensuche, oder war er nicht auf Stellensuche? Man kann über die Person von Ralf Nagel und das Verhalten und die Einstellung der Sozialdemokraten zu diesem Senator sicherlich eine Menge spekulieren. Eines steht aus Sicht der CDU-Bürgerschaftsfraktion aber fest: Die Amtszeit von Ralf Nagel war eine wirtschaftspolitisch verschenkte Zeit für unser Bundesland.

(Beifall bei der CDU)

Welche Erwartungshaltung muss ein Parlament an den Wirtschaftssenator haben insbesondere in einer Phase, in der wir uns in einer tiefgreifenden Wirtschafts- und Finanzkrise befinden, in der viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz bereits verloren haben und viele weitere um ihren Arbeitsplatz bangen und, was wir insbesondere aus unseren Häfen wissen, zu ganz anderen Bedingungen arbeiten müssen als noch von vor zwei Jahren?

Man erwartet von einem Wirtschaftssenator und einer Landesregierung in einer solchen Phase ein Konzept für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft und ein Konzept für die Sicherung von Wachstum und Arbeitsplätzen in unserem Bundesland. Obwohl es in der Präambel Ihres Koalitionsvertrages unter anderem heißt, es gelte, die wirtschaftlichen Chancen des Standorts zu nutzen, um mehr existenzsichernde Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen, hat der rot-grüne Senat auf diesem Weg bisher nichts erreicht.

(Beifall bei der CDU)

Bremen hat von allen westdeutschen Bundesländern die höchste Arbeitslosenquote. Bremen weist im Vergleich mit den anderen Stadtstaaten, Hamburg und Berlin, die geringste Selbstständigenquote auf. In keinem Bundesland sind 2009 die Unternehmensinsolvenzen so stark gestiegen wie in Bremen, und auch der Tourismus als Wirtschaftszweig ist seit Beginn der rot-grünen Regierung auf dem Rückschritt. Die rotgrüne Regierung hat kein wirtschafspolitisches Konzept, unabhängig davon, wer zurzeit Wirtschaftssenator ist.

(Beifall bei der CDU)

Was muss ein Wirtschaftssenator noch machen, außer sich für die Interessen der Wirtschaft und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzusetzen? Er muss sich natürlich auch bei den sonstigen Themen mit wirtschaftspolitischem Sachverstand einbringen. Auch bei unbestritten wirtschaftsrelevanten Themen, wie zum Beispiel der Weservertiefung, der Umweltzone, dem Tempolimit und dem Nachtflugverbot muss er für die Interessen der in Bremen ansässigen Unternehmen und der dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer streiten und kämpfen. Auch das hat in den vergangenen Jahren nicht stattgefunden.

Es bezweifelt doch niemand, dass der Umweltsenator sich um die Umweltbelange kümmern muss, aber Sie können doch nicht von ihm auch noch erwarten, dass er die ökonomischen Sachverhalte und die ökonomischen Erfordernisse für unser Bundesland gleichzeitig mitentscheidet! Der Ausgleich zwischen ökonomischem Sachverstand, ökonomischen Erfordernissen und ökologischen Bedürfnissen darf

doch nicht nur im Kopf unseres Umweltsenators stattfinden, er muss in der Landesregierung stattfinden!

(Beifall bei der CDU)

Auch nach der Wahl von Martin Günthner zum Senator und der Übertragung der Aufgabe als Senator für Wirtschaft und Häfen wird es so sein: Den größten ökonomischen Sachverstand im Senat wird in Zukunft der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr haben, und die CDU-Bürgerschaftsfraktion ist der Auffassung, dass den größten ökonomischen Sachverstand im Senat der Wirtschaftssenator haben muss, um in diesen Ausgleich der Pole auch eintreten zu können.

(Beifall bei der CDU)

Was erwarten wir in dieser Phase bremischer Politik ganz konkret von einem Wirtschaftssenator? Er muss die dringend notwendigen Investitionen in die Verkehrs- und Hafeninfrastruktur vorantreiben, und besondere Priorität haben dabei die Finanzierung des Tunnels Cherbourger Straße zur leistungsgerechten Anbindung unseres Hafens, sicherlich auch die Errichtung des Offshore-Hafens in Bremerhaven und der Lückenschluss der Autobahn A 281. Haben Sie in den letzten Tagen gehört, was unser künftiger Wirtschaftssenator darüber denkt? Ich habe nichts gehört! Er hat zu diesem wichtigen verkehrspolitischen Problem unseres Landes keine Meinung.

(Beifall bei der CDU)

Der künftige Wirtschaftssenator muss sich um die Belange des Mittelstandes kümmern. Wir wissen, dass der Mittelstand unverändert der Jobmotor unserer Region ist. Wir werden nur dann gestärkt aus der Krise hervorgehen, wenn es Konzepte gibt, wie wir insbesondere die mittelständische Wirtschaft fördern und damit neue und krisensichere Arbeitsplätze erringen können. Welches Konzept hat eigentlich der Senat zur Förderung der mittelständischen Wirtschaft, und welches Konzept hat eigentlich der künftige Wirtschaftssenator in Bezug auf die Mittelstandsförderung? Auch dazu haben wir von der SPD und Martin Günthner nichts gehört.

(Beifall bei der CDU)

Er muss sich in die bestehenden Konflikte einmischen. Es geht um die Fragen: Wie gehen wir sachgerecht mit der Weiterentwicklung der Umweltzone um, die sich in der nächsten Phase zu einem Jobkiller für die mittelständische Wirtschaft entwickeln wird? Wie gehen wir mit der Entscheidung über das Offshore-Terminal um? All diese Probleme stehen auf der aktuellen Tagesordnung, und die einzigen, die keine Antworten auf diese existenziellen Fragen fin

den, sind der rot-grüne Senat und die ihn tragenden Bürgerschaftsfraktionen einschließlich Martin Günthner.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind nicht gegen Martin Günthner, weil er erst 34 Jahre ist, und wir sind auch nicht gegen ihn, weil er an der einen oder anderen Stelle einmal einen pfiffigen, manchmal auch einen anstrengenden Zwischenruf macht, ich sage das ganz bewusst, aber die Frage ist: Reicht das Alter von 34 Jahren und ein pfiffiger Zwischenruf eigentlich, um in Bremen Senator zu werden? Ich sage für die CDU-Bürgerschaftsfraktion, das reicht nicht. Ein Wirtschaftssenator muss mehr auf die Waage bringen, wenn er in den Senat einziehen will.

(Beifall bei der CDU)

Senator Mäurer hat vor rund zehn Tagen bei dem Radiosender Energy Bremen zur Azubi-Attacke 2010 etwas Bemerkenswertes gesagt. Er hat festgestellt, und ich zitiere ohne Genehmigung des Präsidenten:

(Heiterkeit)

„Ausbildung ist grundlegend. Wer es nicht schafft, einen vernünftigen Schulabschluss zu machen, wer keine Berufsausbildung hat, ist in dieser Gesellschaft ohne Perspektive.“ Sehr geehrter Herr Senator Mäurer, es stimmt nicht ganz, er kann noch für die Sozialdemokratische Bürgerschaftsfraktion Senator werden!

(Beifall bei der CDU)

Da reicht es nämlich aus, wie wir eben gehört haben, eine Parteikarriere zu haben und lange im Parlament zu sitzen. Man braucht keine besondere fachliche Eignung, keine besondere fachliche Ausbildung. Wenn ich das hier kritisiere, das will ich ausdrücklich sagen, ist das nicht arrogant, sondern das ist die Erwartungshaltung, die die Menschen an eine solche Spitzenfunktion auch in der Politik haben: Sachverstand, Durchsetzungsfähigkeit und eine vernünftige eigene berufliche Grundlage, und all das hat Martin Günthner nicht.

(Beifall bei der CDU)

Er wird nicht nur Wirtschaftssenator werden, sondern er wird nach dem Willen der SPD auch die Aufgabe eines Justizsenators übernehmen.

Wir haben recherchiert: In allen anderen 15 Bundesländern und im Bund werden die Aufgaben eines Justizsenators von einem Juristen wahrgenommen, und es war auch in Bremen viele Jahre Tradition, dass die Aufgabe des Senators für Justiz und

Verfassung von jemand wahrgenommen wird, der eine entsprechende berufliche Ausbildung hat.

(Abg. D e n n h a r d t [SPD]: Sie sind da betriebsblind!)

Ich bin da nicht betriebsblind, weil sonst ja 15 andere Länder, egal mit welchen politischen Mehrheiten, auch betriebsblind wären, Herr Dennhardt! Der einzige, der einen Nicht-Fachmann zum Senator machen will, ist die SPD-Bürgerschaftsfraktion in Bremen. Überall sonst in Deutschland wird meine Auffassung geteilt.

(Beifall bei der CDU)

Auch vor dem Justizsenator liegen gewaltige Herausforderungen. Er muss sich um die Steigerung der Aufklärungsquote von Kriminalitätsfällen kümmern, bei der Bremen unverändert im Bundesvergleich die rote Laterne in der Hand hält, und obwohl Bremen von allen Bundesländern die meisten Drogentoten je Einwohner hat, werden in keinem anderen deutschen Oberlandesgerichtsbezirk prozentual so viele Drogendelikte eingestellt wie in Bremen. Der Justizsenator muss dieses dringende Problem, von dem insbesondere unsere jüngere Generation betroffen ist, anpacken. Es darf keinen Freiraum für Drogen in Bremen und Bremerhaven geben!

(Beifall bei der CDU)

Martin Günthner hat unter anderem eine Homepage betrieben unter der Adresse www.majakowski.com, die allerdings seit dem 12. Februar 2010, dem Tag seiner Nominierung durch den SPD-Landesvorstand, abgeschaltet ist. Warum eigentlich, Herr Günthner, wird denn die Seite, wie es so schön heißt, im Moment überarbeitet? Doch nicht etwa, weil Sie befürchten, dass sich die Zweifel an Ihrer Qualifikation nur durch den Blick auf diese Seite allein schon verstärken könnten?