Protokoll der Sitzung vom 17.03.2010

(Abg. T i m k e [BIW])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Nun lasse ich über den Antrag des Abgeordneten Timke abstimmen.

Wer dem Antrag des Abgeordneten Timke mit der Drucksachen-Nummer 17/1224 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, DIE LINKE, FDP und Abg. M ö h l e [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Anhörung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Leichenwesen

Antrag der Fraktion der CDU vom 9. März 2010 (Drucksache 17/1206)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Rosenkötter, ihr beigeordnet Herr Staatsrat Dr. Schulte-Sasse.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohr-Lüllmann.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir stellen hier heute einen Antrag auf eine öffentliche Anhörung zur Änderung des Gesetzes über das Leichenwesen. Ich möchte das wie folgt begründen: Wie alle Gesundheitsdeputierten wissen Sie, dass dieses Gesetz etliche Male in der Gesundheitsdeputation zur Vorlage gekommen ist, zur Abstimmung aber leider nicht. Es wurde mindestens drei Mal wieder zurückgezogen, und als der Entwurf nun im Februar erneut die Öffentlichkeit der Deputation erreichte, kam es zur Ablehnung der FDP und anschließend, kann man sagen, zu einer breiten Berichterstattung. Sogar in der Senatsrunde, so konnten wir lesen, gab es Diskussionen über die Änderung des Gesetzes, was schließlich zur Aussetzung der Vorlage am 2. März 2010 führte. Man kann also feststellen, dass es der Senatorin für Gesundheit nicht gelungen ist, ihre Senatskollegen und Regierungspartner von der Sinnhaftigkeit des Gesetzes zu überzeugen.

(Beifall bei der CDU)

Was wir auch der Presse entnehmen konnten, ist, dass die Fraktion der Grünen überlegt, auch noch den Fraktionszwang aufzuheben, wenn es dann zur Abstimmung über die Gesetzesänderung kommen sollte. Eine erfolgreiche Überzeugungsarbeit seitens der Senatorin sieht anders aus.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das eine hat doch mit dem ande- ren gar nichts zu tun!)

Ach so, schade eigentlich!

Ich habe mich in der Deputation, das will ich auch noch sagen, für eine Obduktionspflicht für verstorbene Kinder unter sechs Jahren mit ungeklärter beziehungsweise nicht zweifelsfrei erkennbarer Todesursache ausgesprochen. Ich will auch kurz zum Inhalt sagen: Uns sind – das möchte ich an dieser Stelle erwähnen – schon die ethischen Bedenken bewusst, und wir wissen, dass es eine starke emotionale Belastung für Eltern ist. In vielen Gesprächen, die wir mit Experten geführt haben, sind wir aber zu dem Schluss gekommen, der Änderung des Gesetzes zuzustimmen, und wir sind überzeugt, dass die Aufklärungsrate von Tötungsdelikten im Säuglings- und Kleinkindalter erhöht werden kann.

Der Tod eines Kindes ist immer tragisch, und leider lassen sich Tode, die auf Kindesmisshandlung zurückzuführen sind, auch mit der Änderung des Gesetzes nicht gänzlich vermeiden. Jedoch schafft das Gesetz eine Möglichkeit, in Zukunft die Aufklärungsrate zu erhöhen. Für die CDU-Fraktion sage ich aber, ein Gesetz, das in Teilen der Bevölkerung mit großen ethischen Bedenken verbunden wird und dessen Not––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

wendigkeit die Gesundheitssenatorin offensichtlich nicht vermitteln konnte, braucht wohl noch Zeit, und zwar Zeit für eine breitere Diskussion. Wir sind der Auffassung, dass hier möglichst viele Menschen mitgenommen werden müssen. Das heißt, sie müssen mehr Informationen bekommen.

Die mangelnde Aufklärungsarbeit hat nun dazu geführt, dass Missverständnisse und Gerüchte über die geplante Gesetzesänderung kursieren, die dem Zweck der Änderung unserer Ansicht nach auch nicht gerecht werden. Es geht bei der vorgesehenen Änderung darum, einen verpflichtenden Rechtsrahmen zu schaffen, um in Zukunft in einer geringen Anzahl von Fällen noch genauer hinzuschauen und unaufgeklärten Todesursachen bei Kindern nachzugehen.

(Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Möchten erst Sie, oder kann ich weiterreden? Es reicht uns aber nicht, wenn wir als CDU von der Gesetzesänderung überzeugt sind. Wir haben das Anliegen, möglichst viele Menschen zu erreichen und möglicherweise unbegründete Ängste und Missverständnisse aufzuklären.

Frau Senatorin, Sie müssen jetzt dafür sorgen, dass Verbände, Kirchen und Betroffene unter anderem eine Möglichkeit zur Diskussion bekommen. Eine öffentliche Anhörung eignet sich am Besten hierfür, und ich frage, wann, wenn nicht bei einem derart wegweisenden, aber nicht von allen Menschen als unumstritten angesehenen Gesetzesvorhaben soll denn sonst eine Anhörung durchgeführt werden?

(Beifall bei der CDU)

Daher empfehlen wir dem Parlament, heute unserem Antrag für die Durchführung einer Anhörung zu folgen, zumal es keine Eile für das Gesetz gibt, das muss man wohl auch noch betonen. Bremen ist ohnehin Vorreiter in der Bundesrepublik. Da machen wir schon einmal einen Vorstoß, der bundesweit einmalig ist, und in der Diskussion finden wir nun leider keine breite Resonanz, und der Vorstoß könnte jetzt daran scheitern. Wir sind der Überzeugung, lieber sorgfältig und überlegt Gesetze zu beschließen und die Menschen von den Vorteilen zu überzeugen und die Akzeptanz zu erhöhen. Daher bitte ich Sie, unserem Vorschlag zuzustimmen! – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Brumma.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute den Dringlichkeitsantrag zur Obduktionspflicht bei verstorbenen Kin

dern zu diskutieren. Das ist ein schwieriges Thema. Wir haben es uns auch nicht leicht gemacht. Meine Vorrednerin hat schon gesagt, der Tagesordnungspunkt war öfter in der Deputation abgesetzt worden. Hintergrund sind eben die schwierigen Diskussionen, die wir hatten. Es gibt einen Diskussionsbedarf. Schließlich haben wir uns dann darauf geeinigt, dass der Gesetzentwurf, wenn er verabschiedet werden soll, nach zwei Jahren überprüft beziehungsweise evaluiert werden sollte und eventuell nachjustiert werden müsste.

Sie haben es angesprochen, ich will es kurz machen: Es gibt bisher keinen Gesetzentwurf, der vom Senat verabschiedet und an uns weitergeleitet wurde, daher ist Ihr Dringlichkeitsantrag als Gegenstand der Diskussion überflüssig.

(Beifall bei der SPD)

Wir sehen ja ein, man kann bei diesem Thema unterschiedlicher Auffassung sein. Die gibt es auch im Senat. Ich weiß, die Diskussion wird dort weitergeführt. Wenn der Gesetzentwurf im Senat verabschiedet wurde und an uns weitergeleitet wird, sehen wir die Möglichkeit, dass wir eine offene Diskussion führen. Hierfür ist aus unserer Sicht der Rechtsausschuss der geeignete Ort. Wir meinen, er sollte diese Diskussion organisieren, da können die verschiedenen Akteure noch einmal angehört werden.

Was die Anhörung beim Senator für Gesundheit betrifft, wurde diese durchgeführt. Es wurden der Kinderschutzbund, die Katholische Kirche, die anderen Verbände um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. Es wurden auch Stellungnahmen abgegeben, zwar manchmal sehr kurz, aber das Verfahren war insofern korrekt.

Wie gesagt, den Antrag, den Sie heute vorgelegt haben, lehnen wir ab, weil im Moment kein Handlungsbedarf besteht. Wenn das Gesetz in die Bürgerschaft kommt, werden wir auch an den Rechtsausschuss die Bitte herantragen, hierzu eine öffentliche Informationsveranstaltung zu organisieren, denn, wie gesagt, es gibt hier unterschiedliche Meinungen, und dann sollte das Thema ruhig noch einmal breit diskutiert werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Änderung des Gesetzes über das Leichenwesen hat nicht nur in Bremen über die politischen Gremien hinaus eine breite öffentliche Debatte ausgelöst. Das ist bei diesem sensiblen Thema auch verständlich, weil es viele Argumente dafür und auch dagegen gibt. Auch die

ethischen Bedenken spielen bei solch einer Gesetzesänderung eine große Rolle.

Trauer über das verlorene Kind, Schmerz über den Verlust eines kleinen Menschen, in den man viele Hoffnungen gesetzt hat, diese Gefühle stürzen Eltern oft in ein Chaos, wenn sie ein Kind verloren haben. Eine Obduktion belastet Eltern und Angehörige in dieser Ausnahmesituation zusätzlich. Diese Gefühle und Argumente von Eltern und Angehörigen nehmen wir sehr ernst und haben sie auch immer in unserer Diskussion um die Veränderung des Gesetzes über das Leichenwesen mit bedacht.

Doch es gibt auch eine andere Seite, die wir als verantwortungsvolle Politikerinnen und Politiker nicht ausblenden können, das ist die Diskrepanz zwischen äußeren und inneren Befunden, die selbst durch qualifizierte Ärzte nicht immer aufzuklären sind. Das ist das Argument der hohen Dunkelziffer von Tötungsdelikten kleiner Kinder, die durch äußere Leichenschau nicht zu erkennen sind. Das sind die Argumente der Kinderärzte, die sich für dieses Gesetz aussprechen. Diese Argumente haben wir in unserer Fraktion ausführlich abgewogen und auch kontrovers diskutiert. Auch diese Diskussion spiegelte sich im Senat ähnlich wider, auch da gab es keine einheitliche Position zu dieser Gesetzesänderung.

Ich denke, dass bei solch einem Gesetz, über das solch eine große öffentliche Debatte geführt wird und auch geführt werden muss, auch den Abgeordneten, die nicht in der Gesundheitsdeputation sind, die Informationen gewährt werden müssen. Es muss dem Rechnung getragen werden, dass sie sich informieren können, denn sie müssen diesem Gesetz zustimmen. Deshalb stehen wir einer Expertenanhörung, die durch den Rechtsausschuss initiiert werden soll, positiv gegenüber. Entscheidungen, die einen hohen Anteil ethischer Aspekte haben, muss auch ein hoher Anteil an Informationen und Meinungsbildung vorausgehen.

Doch wo stehen wir jetzt in der Meinungs- und Entscheidungsebene? Wir haben einen Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Leichenwesens, dem die Gesundheitsdeputation zugestimmt hat, und ich erinnere mich, vielleicht korrigieren Sie mich, Herr Dr. Möllenstädt, Sie haben sich enthalten.

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Ich werde gleich noch ein paar Worte dazu sa- gen!)

Die Kollegin hat gesagt, Sie hätten dagegen gestimmt. Meine Erinnerung war so, Sie hätten sich enthalten. Gut, Sie werden etwas dazu sagen!

Der Senat hat, wie schon erwähnt, der Gesetzesänderung noch nicht zugestimmt. Es gibt also noch keine konkrete Gesetzesänderung, deshalb debattieren wir heute auch nicht weiter inhaltlich, sondern nur über den Antrag der CDU. Wie gesagt, wir ste

hen einer Expertenanhörung durch den Rechtsausschuss positiv gegenüber, wir sagen Ja dazu. Wir lehnen aber den Antrag der CDU ab, da dieser den Senat auffordert, eine Anhörung zu machen. Diese Anhörung ist schon gelaufen, so hat mein Kollege Brumma es auch ausgeführt. All die Argumente waren in der Deputationsvorlage noch einmal ausgewiesen, ich denke, das brauchen wir nicht noch einmal. Ich würde es begrüßen, wenn wir das so machen würden und die Kollegen hier auch, denke ich, zu dieser Anhörung kommen und sich selbst ein Bild darüber machen können.

Frau Dr. Mohr-Lüllmann, Sie haben noch einmal angesprochen, dass wir das eventuell freigeben wollten. Richtig, das haben wir auch so diskutiert. Bei uns ist es so, dass man irgendwann, wenn man die Argumente alle ausführlich abgewogen hat, dann auch das Recht hat, in einer ethischen Fragestellung so zu entscheiden, wie es das eigene Gewissen vorgibt. Das unterscheidet uns vielleicht von Ihnen. Ich bin aber froh darüber, in solch einer Partei zu sein. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)