Es gibt aber gute Gründe, Zeitarbeit ins Entsendegesetz aufzunehmen. Mit der Herstellung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU zum 1. Mai 2011 droht der deutschen Arbeitsbranche und den dort beschäftigten Menschen ein ruinöser Wettbewerb durch Dumpinglöhne insbesondere osteuropäischer Wettbewerber. Darum wollen wir mit der Aufnahme der Zeitarbeitsbranche ins Entsendegesetz gleiche Wettbewerbschancen gewährleisten, da dann ja für die neuen Wettbewerber ein Mindestlohn Anwendung finden würde, der für alle Zeitarbeiter gilt, auch für die, die nach Deutschland entsandt werden.
Auf den Antrag der FDP gehe ich hier nicht weiter ein. Meine Damen und Herren, Sie kennen die Diskussion in Berlin, die FDP ist auch dort der Blockierer, also werde ich mich mit diesem Antrag hier nicht beschäftigen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Nestler, dann will ich einmal versuchen, zum Brechen der Blockade beizutragen.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Vielleicht ein bisschen Glühwein trinken oder so?)
Das überlasse ich Herrn Dr. Loske, aber darüber sprechen wir später! Wir haben hier drei unterschiedliche Anträge vorliegen, die in der Tat, insofern hat Herr Nestler nicht ganz unrecht, zumindest was den Antrag der Koalitionsfraktionen anbelangt, sehr unterschiedliche Themen berühren. Zum einen ist Ihr Adressat die Beschäftigungsform der Arbeitnehmerüberlassung. Ich bin sehr dafür, dass wir das auch ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
einmal mit einem qualifizierten Begriff belegen, worum es hier geht. Es handelt sich dabei nicht um eine Branche, sondern um eine bestimmte Form der Beschäftigung im Arbeitsmarkt, die sich mittlerweile quer über alle Wirtschaftszweige erstreckt. Zum anderen geht es Ihnen wieder einmal mehr um die Frage eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns für alle Branchen, den wir, wie Sie wissen, ablehnen.
Ich will auf das Thema Arbeitnehmerüberlassung nochmals hier dezidiert eingehen. Wieso ist es eigentlich zu der Regelung gekommen, die jetzt im Gesetz steht? Sie alle erinnern sich, damals gab es eine hohe Arbeitslosigkeit von über fünf Millionen Menschen. Die damalige rot-grüne Bundesregierung war sehr unter Druck geraten. Da sie sich nicht dazu durchringen konnte, die doch sehr bürokratische Kündigungsschutzhürde – zumindest für kleine und mittelständische Unternehmen – zu überarbeiten, ist sie diesen Weg gegangen. Ich bin eigentlich, und das, finde ich, gehört sich an dieser Stelle auch einmal zu sagen, den Unternehmen im Bereich Arbeitnehmerüberlassung, die sich in den Folgejahren engagiert haben, auch sehr dankbar. Auch dafür gilt nämlich, dass ein Arbeitsplatz in einem Zeitarbeitsunternehmen für mich am Ende dann doch prinzipiell erst einmal positiver zu bewerten ist als eine Beschäftigungsmaßnahme, in welchem arbeitsmarktpolitischen Instrument von Herrn Staatsrat Dr. Schuster auch immer!
Das ist dann so, da können Sie den Leuten auch die Müllgabel geben und sagen, hier haben wir wieder ein innovatives Instrument für Beschäftigungsförderung, da können Sie auch jedes Jahr ein neues erfinden. Ich glaube, dass viele Menschen sehr zufrieden sind und sich sehr darüber freuen, dass sie überhaupt die Möglichkeit haben – sei es dann auch in Zeitarbeit –, eine vernünftige Arbeit im ersten Arbeitsmarkt gefunden zu haben. Dies verdient erst einmal unseren Dank und auch unsere Anerkennung. Insofern, glaube ich, ist das grundsätzlich erst einmal nichts Schlechtes.
Es gibt Auswüchse, es gibt da auch Fehlentwicklungen, denen gegengesteuert werden muss. Deshalb haben wir als FDP in unserem Antrag auch klar gesagt, auch wir treten für Equal Pay, also für die Gleichbezahlung der Stammbelegschaften und den ihnen überlassenen Arbeitskräften ein, natürlich nach einer Einarbeitungsphase, das muss das Ziel sein. Soweit gehen wir den Weg grundsätzlich auch mit. Das kann man, glaube ich, auch nicht als Blockadehaltung oder Ähnliches auslegen, das vertritt
die FDP auch in den Gesprächen mit Ihnen im Bund. Was wir aber nicht mittragen, sind Ausweitungen von Mindestlohnregelungen oder Ähnliches im Weg eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns, das wollen wir nicht und können uns das auch nicht vorstellen.
Wir glauben auch nicht, dass es sinnvoll ist, diese Debatte zu flankieren, so wie die Kollegen der CDU das jetzt mit ihrem, im Übrigen wohl teilweise von Rot-Grün abgeschriebenen Antrag hier versuchen, indem man jetzt Ressentiments gegen Arbeitskräfte aus anderen europäischen Staaten zu wecken versucht, das ist kein sachgerechter Beitrag.
An dieser Stelle bekennen wir Liberale uns auch eindeutig zur europäischen Integration und zum europäischen Binnenmarkt. Deshalb glauben wir, dass eine Regelung zu einem differenzierten Equal Pay, so wie wir sie vorgeschlagen haben, besser ist als eine Aufnahme dessen, was Sie als Zeitarbeitsbranche bezeichnen, in das Arbeitnehmerentsendegesetz. Das ist nicht sachgerecht, dafür ist das nicht gemacht.
Ich habe es eingangs in meiner Rede gesagt, das, was Sie als Branche bezeichnen, ist eigentlich keine Branche, sondern ist eine Beschäftigungsform, die Sie in verschiedenen Wirtschaftsbereichen so wiederfinden, übrigens in ganz unterschiedlicher Ausprägung. Sie können das genauso beim Facharbeiter, wie beim Studierten, wie bei demjenigen mit geringer Qualifizierung wiederfinden, und gerade für Letztere wäre doch ein gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn etwas sehr Schädliches, weil gerade Menschen mit geringer Produktivität dort zumindest am Arbeitsleben im ersten Arbeitsmarkt gehindert würden. Denen bliebe dann in der Tat nur noch das, was über Beschäftigungsmaßnahmen angeboten wird, und das wollen wir bewusst nicht.
Deshalb werbe ich für die Zustimmung zu unserem Antrag, weil er vielleicht auch hilft, die Debatte auf den Kern des Problems zu reduzieren, keine unnötigen Nebenkriegsschauplätze aufmacht und hier im Übrigen auch eine sachgerechte Perspektive für das Problem, das auch wir durchaus sehen, nämlich die schwarzen Schafe im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, bietet. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbstverständlich werde ich dem Antrag, Leiharbeiter und Stammbelegschaften gleichbehandeln, uneingeschränkt zustimmen. Tatsache ist doch, und das habe ich schon des Öfteren erwähnt, es ist schon eine langjährige Praxis, dass Leiharbeiter oftmals als sogenannte Sklavenarbeiter dazu missbraucht werden, die Stammbelegschaft abzubauen. Das ist nun wirklich kein großes Geheimnis mehr, immer mehr ehemalige gelernte Facharbeiter müssen sich als Leiharbeiter, sprich Sklavenarbeiter, mit viel zu geringem Lohn abspeisen lassen. Das führt natürlich unweigerlich dazu, dass sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrem viel zu geringen Lohn nicht sozial gerecht leben können. Sie kämpfen praktisch täglich um das nackte Überleben. Laut einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit verdient ein Leiharbeiter circa sage und schreibe 900 Euro weniger als ein unqualifizierter Festangestellter. Diese schlimmen Folgen Ihrer beschönigten Arbeitsmarktpolitik sind, dass erstens immer mehr Menschen zwei Arbeitsstellen benötigen, um überhaupt einigermaßen überleben zu können, zweitens jede zweite Neueinstellung nur befristet und zudem auch noch äußerst schlecht bezahlt ist. Drittens verdrängt Ihre skandalöse Arbeitsmarktpolitik unausweichlich reguläre Arbeitsplätze und so weiter. Unser Minister Brüderle predigt täglich mit weinerlichem Gesicht gebetsmühlenartig den viel beschworenen Aufschwung, Tränen laufen ihm herunter vor Glück. Nur glaubt es ihm kein Mensch mehr, denn unsere Bürgerinnen und Bürger merken von dem viel beschworenen Aufschwung überhaupt nichts, ganz im Gegenteil, die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer! Die Aussage über die angeblich nur drei Millionen Arbeitslosen ist doch auf einem einzigartigen Lügengerüst aufgebaut. Wir haben angeblich 3 Millionen Arbeitslose, aber 6,6 Millionen Hartz-IV-Empfänger, 7 Millionen Minijobber mit zum Teil nur fünf Euro Stundenlohn. Hinzu kommen noch die unzähligen Umschüler, die ABM-Beschäftigten und so weiter. Das alles passt doch hinten und vorn nicht mehr zusammen! Wer soll denn das Märchen von den angeblich drei Millionen Arbeitslosen noch glauben? Für wie blöd halten Sie unsere Bürgerinnen und Bürger überhaupt? Darum sage ich in aller Deutlichkeit, unsere Bürger brauchen keine leeren Versprechungen, die auf einem Lügengerüst aufgebaut sind, unsere Bürgerinnen und Bürger brauchen dringend, händeringend Arbeit, sichere und gerecht bezahlte Dauerarbeitsplätze, damit sie und ihre Familien zukunftsorientiert und sozial gerecht überleben können. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Das heißt, gute Arbeit, guter Lohn, weg mit Sklavenarbeit, sprich Leiharbeit, und weg mit Hartz IV, und, sehr geehrte Frau Nitz, vielleicht sollte Ihr großer Vorsitzender Ernst nicht nur dauernd mit dem Porsche umherdüsen und große Sprüche über Armut und Arbeitslosigkeit klopfen, sondern DIE LINKE sollte insgesamt einmal endlich damit anfangen, zum Beispiel die Leiharbeit, sprich Sklavenarbeit, wirkungsvoll und effektiv zu bekämpfen, das wäre wichtiger!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Tittmann, ich wusste nicht, dass DIE LINKE schon in der Bundesregierung ist und damit in Verantwortung steht, dass wir die Leiharbeit abschaffen können. Es ist aber schön, dass Sie uns schon an dieser Stelle sehen!
(Abg. T i t t m a n n [parteilos]: Weil Sie eine gegensätzliche Politik machen, eine unge- rechte Politik!)
Herr Dr. Möllenstädt, bei Ihnen würde ich mich freuen, wenn Sie irgendwann einmal hier vorn stünden und nicht ständig so weltfremd daherreden würden,
denn Ihr Antrag zeigt doch einmal mehr, wie weit Sie tatsächlich von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entfernt sind, und dementsprechend kann man Ihrem Antrag auch nicht zustimmen.
Im Übrigen ist es immer relativ komisch und kommt etwas überraschend, wenn hier ein Antrag von der rot-grünen Mehrheit des Hauses eingebracht wird. Es ist nun einmal so, dass die rot-grüne Bundesregierung unter Schröder zum 1. Januar 2002 die maximal erlaubte Überlassungsdauer von 12 Monaten auf zwei Jahre verdoppelt hat, das ist Fakt!
Die gleiche Bundesregierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hat dann im Jahr 2003 mit dem ersten Hartz-Gesetz die Beschränkung der Überlassungsdauer vollständig aufgehoben, auch das ist Fakt.
Ebenso wurde das Verbot der Wiedereinstellung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern, das sogenannte Synchronisationsverbot eingeführt. Durch dieses Synchronisationsverbot durften Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bei der Verleihfirma nicht nur für einen ganz bestimmten Auftrag eines Entleihers eingestellt werden, auch diese Beschränkungen wurden von SPD und Bündnis 90/Die Grünen abgeschafft.
(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: DIE LINKE ist die einzige Fraktion, die keine politischen Fehler gemacht hat! Wunderbar!)
Natürlich müssen genau diese gesetzlichen Deregulierungen, die der Leiharbeit in Deutschland Tür und Tor geöffnet haben, wieder auf die politische Agenda, natürlich müssen sie wieder zurückgedreht werden, und trotzdem bleibt dieses komische Gefühl, dass es ausgerechnet Rot-Grün war, von denen diese Deregulierung eingeführt wurde.
Ich hätte mir jetzt gewünscht, dass hier ein sehr kämpferischer Antrag auf den Tisch gelegt wird, ein Antrag, der vielleicht auch eine eindeutige Absage an eine rot-grüne Schröder-Fischer-Politik beinhaltet, das ist nicht der Fall. Schade eigentlich!
Sie haben die Chance verpasst, Sie machen etwas Wahlkampf mit Ihrem Antrag, aber das ist auch in Ordnung. Wenn man aber schon nicht für ein Verbot der Leiharbeit aktiv werden will, dann sollte man zumindest die Forderungen etwas konkreter benennen, als Sie es im Antrag tun. Ich nehme jetzt vorweg, bevor Sie hier weiter dazwischenrufen, natürlich werden wir Ihren Antrag unterstützen, aber er ist einfach zu vage!
Wir hätten gesagt, erstens, die Wiedereinführung des Synchronisationsverbots muss hinein. Leiharbeit darf nicht dazu dienen, eine befristete Einstellung über Bande zu spielen, sprich sie durch eine Leiharbeitsfirma vornehmen zu lassen. Es wäre zudem wünschenswert gewesen, wenn Sie zweitens die Entlohnung von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern zu den gleichen Bedingungen wie denen der Stammbelegschaften vornehmen lassen würden, plus eine Flexibilitätsprämie, die es natürlich dann auch ermöglicht, Leiharbeit, die dazu da ist, Auftragsspitzen abzufedern, für diejenigen etwas attraktiver zu machen, die sich tatsächlich flexibel am Arbeitsmarkt bewegen. Drittens darf die Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern und
Stammkräften nicht durch Tarifvertrag abdingbar sein, warum sollte es da Änderungsmöglichkeiten geben? Das Einfallstor, das hier geschaffen wurde, muss dringend wieder geschlossen werden.
Viertens wäre es auch wünschenswert gewesen, wenn Sie konkret benannt hätten, dass eine erneute Begrenzung der überhaupt erlaubten Überlassungsdauer, wie sie schon einmal darin stand, wieder aufgenommen wird. Es ist doch vollständig absurd, dass eine Einstellung für einen Zeitraum von einem Jahr und länger in der Form der Leiharbeit getätigt wird. Genau diese Regelungen haben dazu beigetragen, dass Leiharbeit immer weniger mit dem Ausgleich kurzfristiger Auslastungsspitzen zu tun hat, es hat vielmehr immer mehr damit zu tun, dass Tarifverträge unterlaufen werden, dass Lohndumping stattfindet. Die Fraktion DIE LINKE wird sich, wie gesagt, Ihrem Antrag anschließen. Wir sagen aber auch klar, unser Ziel ist nicht, dass wir hier eine Art nachhaltige Leiharbeit einführen, die schlimmsten und skandalösesten Auswüchse begrenzen wollen, und damit die Leiharbeit zur Normalität werden lassen. Leiharbeit ist unserer Meinung nach ein Irrweg, und wir wollen, dass dieser Irrweg wieder beendet wird.