Protokoll der Sitzung vom 11.05.2011

Herr Senator, Sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Fecker zu beantworten?

Ja!

Bitte schön, Herr Fecker!

Herr Senator, ich begrüße Ihre Worte ausdrücklich, ich kann

mir auch vorstellen, dass es mehrere Vereine und Verbände gibt, die das unterstützen. Wäre es nicht auch angemessen, da die Ausstellung eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses ja gebührenpflichtig ist, wenn die Stadt Bremen den Übungsleiterinnen und Übungsleitern entgegenkommt? Sehen Sie da eine Möglichkeit, vielleicht in einem begrenzten Zeitraum eine gemeinsame Kampagne zu starten und dann vielleicht auch auf Teile der Einnahmen zu verzichten?

Wir sprechen hier über sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, und ich glaube, dass diese Maßnahme nicht daran scheitern darf, dass wir dafür kein Geld haben.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der LINKEN – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Danke sehr!)

Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1776, Neufassung der Drucksache 17/1643, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu. interjection: (Einstimmig)

Umsetzungsstand der Bremer Schulreform Große Anfrage der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 11. Februar 2011 (Drucksache 17/1644)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 12. April 2011 (Drucksache 17/1743)

Wir verbinden hiermit:

Deutschlandabitur schafft Transparenz, Vergleichbarkeit und Mobilität

Antrag der Fraktion der CDU vom 8. März 2011 (Drucksache 17/1681)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Jürgens-Pieper.

Ich gehe davon aus, Frau Senatorin Jürgens-Pieper, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht mündlich wiederholen möchten.

(Senatorin J ü r g e n s - P i e p e r: Nein, möchte ich nicht!)

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Das Wort hat der Abgeordnete Güngör.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vorweg einige Anmerkungen zum Antrag der CDU machen! Wir halten die Verständigung über verbindliche Lehrinhalte in der gymnasialen Oberstufe für pädagogisch sinnvoller und nachhaltiger als eine Entwicklung einheitlicher Aufgaben für eine punktuelle Abschlussprüfung von Norden bis Süden. Abgesehen von all den organisatorischen Problemen verführt ein Deutschlandabitur doch dazu, den Unterricht weiter auf die angekündigten Abiturthemen einzuengen und sich nur noch das abgefragte Wissen anzueignen. Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren!

Wir benötigen kein bundesweites Zentralabitur! Dieser Forderung hat ja selbst ihr bayerischer Kultusminister gerade erst in einer Pressemitteilung eine Absage erteilt. Selbstverständlich wollen wir auch die Vergleichbarkeit zwischen den Ländern, um mehr Transparenz herzustellen und auch Mobilitätshemmnisse abzubauen. Aus diesem Grund brauchen wir eine klare Vereinbarung zwischen den Ländern. Deshalb hat die Kultusministerkonferenz Bildungsstandards für die Primarstufe und den mittleren Bildungsabschluss beschlossen. Gerade werden im Auftrag der KMK Abiturstandards für die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch und normierte Aufgabenpools erarbeitet, um später überprüfen zu können, ob die Standards auch erreicht werden. Diese eignen sich dann auch für die Testung am Ende der letzten Jahrgangsstufe der gymnasialen Oberstufe. Daher ist Ihr Antrag wegen der Beschlussfassung in der KMK überflüssig.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

Die Zeitvorgabe lässt leider keine Generaldebatte zur Schulreform zu, sondern nur die Benennung einiger wesentlicher Punkte und Perspektiven. Alle Schulen – bis auf die acht durchgängigen Gymnasien – sind dabei, sich in Oberschulen umzuwandeln. Mit Veränderungen wie der Einführung von Jahrgangsteams, Jahresarbeitsplänen, einem Unterricht, der auf ein unterschiedliches Leistungsniveau angesetzt ist, einem Lerntempo, das auf die Kinder eingeht und selbstgesteuerte Lernformen vermittelt, so––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

wie der Verkleinerung von Klassen haben wir gute Voraussetzungen für ein längeres gemeinsames Lernen geschaffen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ein Schwerpunkt in der Unterrichtsentwicklung liegt zukünftig auf dem Umgang mit Heterogenität. In einer gut durchmischten Schülerschaft und in einer anregungsreicheren Lernumgebung soll jede Schülerin und soll jeder Schüler individuell gefordert und gefördert werden, um so den höchstmöglichen Schulabschluss zu erreichen. Dazu ist in der Schule auch in der Tat mehr Lernzeit und mehr Übungszeit nötig. Deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode den Ausbau der Ganztagsschulen vorangetrieben. Augenblicklich sind stadtbremisch 23 Prozent der Grundschulen, 78 Prozent der Oberschulen und 25 Prozent der Gymnasien Ganztagsschulen. Ich plädiere dafür, dass wir den Ausbau der Ganztagsschulen auch in der nächsten Legislaturperiode intensiv fortsetzen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir sind auch das erste Bundesland, das schulgesetzliche Konsequenzen aus der UN-Konvention gezogen und schrittweise die inklusive Beschulung eingeführt hat. Viele Eltern nehmen ihr Recht auf eine inklusive Beschulung wahr, und das stellt uns vor große Herausforderungen in den nächsten Jahren. Ob die zum Beispiel im Gutachten zur Inklusion empfohlenen und jetzt zur Verfügung gestellten Ressourcen ausreichend sein werden, wird mit dem Durchlauf der ersten Jahrgänge noch genau analysiert werden müssen. Die Frühförderung ist ein weiterer Schwerpunkt unserer Schulreform. Die Einführung eines verbindlichen Sprachtests und verbindlicher Sprachfördermaßnahmen zeigen auch erste Erfolge. Von 720 Kindern – das können wir der Anfrage entnehmen –, die 2009 im Sprachtest noch einen Förderbedarf hatten, wurde 2010 bei 551 Kindern bei der Einschulung kein Sprachförderbedarf mehr festgestellt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir wissen, dass die Sprachkompetenz maßgeblich für den Schulerfolg der Kinder wichtig ist, daher müssen wir die Sprachförderung auch in den darauffolgenden Jahrgängen noch weiter fortführen. Eine insgesamt kostenintensive, aber wirksame Maßnahme, die wir gemeinsam beschlossen haben. Überhaupt wird die größte Herausforderung der nächsten Jahre meines Erachtens die ausreichende Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund sein. Wir sind darauf noch nicht genügend vorbereitet, da wir aufgrund des demografischen Wandels in den nächsten Jahren hier viel stär

kere Zuwächse haben werden. Mit der vom Bildungsressort in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Expertise, mit Handlungsempfehlungen für einen zu erstellenden Migrationsplan haben wir eine Arbeitsgrundlage für eine interkulturelle Schulentwicklung, die über rein additive Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund weit hinausgeht und sich an alle Beteiligten in den Bildungsinstitutionen richtet.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Ich komme gleich zum Schluss.

Interkulturelle Kompetenz spielt auch bei der künftigen Lehrerausbildung eine wichtige Rolle. Nicht nur die Studierenden des neuen Lehramts Gymnasien und Oberschulen werden verstärkt auf den Unterricht in heterogenen Gruppen vorbereitet, für alle Lehrämter werden Deutsch als Zweitsprache und interkulturelle Kompetenz verbindliche Studieninhalte. Die von uns beschlossene Lehrerausbildungsreform wird so die Unterrichtsqualität weiter verbessern. Das gilt natürlich auch für das Grundschullehramt, in dem Deutsch und Mathematik zu verpflichtenden Studieninhalten geworden sind.

Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Ich glaube, es war richtig, einen Bildungskonsens zu verabschieden, der jetzt den Schulen die Zeit gibt, sich weiterzuentwickeln. Es war auch richtig, die Gymnasien achtjährig zu lassen, was das Abitur angeht, und den Oberschulen acht und neun Jahre beim Abitur zu ermöglichen. Es war, glaube ich, auch richtig, beide Schulformen gleichwertig im Schulsystem zu verankern und dass beide Schulen alle Abschlüsse anbieten und keine Schule zulasten der anderen Schulen abschulen kann. Zukünftig werden 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler auf ein integratives System in Bremen gehen, das ist in der Republik einmalig. Die Oberschule ist eine moderne Gesamtschule, die auf Qualität, Förderung und Leistung setzt und Persönlichkeitsentwicklung, soziales Verhalten und Teamfähigkeit fördert, aber eben ohne auszugrenzen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R u p p [DIE LINKE]: Die Erde ist eine Scheibe!)

Als nächste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn es nicht so ein negatives Wort wäre, würde ich sagen, Bremen muss sich anstrengen und zum Streber werden oder sich jedenfalls ordentlich auf den Hosenboden setzen und sich weiter anstrengen, weil ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

wir noch viel Arbeit vor uns haben, was die Verbesserung der bremischen Schulen angeht. Herr Güngör hat gesagt, mit dieser Großen Anfrage ziehen wir Bilanz, es liegen vier Jahre intensive Arbeit hinter der Bildungsdeputation. Wir haben hier in der neuen Legislaturperiode 2007 in der Bremischen Bürgerschaft einen Auftrag verabschiedet, und wir haben die Senatorin beauftragt, einen Schulentwicklungsausschuss einzurichten. Wir haben gesagt, es gibt viel zu viele Jugendliche ohne Abschluss im Land Bremen, rund zehn Prozent, wir haben zu viele Wiederholer, das Schulsystem ist zu kompliziert, wir haben sechs oder sieben verschiedene Schulformen, das Schulsystem ist zu selektiv, wir sind Letzter bei PISA, wir müssen mehr tun, um allen Kindern und Jugendlichen wirklich bessere Chancen zu geben und Bildungschancen zu verschaffen, die unabhängig vom Einkommen und dem Bildungsstand der Eltern sind. Eine Riesenherausforderung! Wir haben viel gearbeitet, wir haben einen Schulentwicklungsausschuss auf den Weg gebracht, wir haben uns Expertisen von außen herangeholt, wir haben an einem durchlässigen und leistungsfördernden Konzept gearbeitet und das hier in der Bürgerschaft auch mehrfach diskutiert. Wir haben eine Änderung des Schulgesetzes auf den Weg gebracht und in einer gewissen Form einen Masterplan, der ist heute nicht erledigt, sondern es liegt eigentlich noch ein ganz großer Packen an Arbeit vor uns. Es bleibt eine Riesenherausforderung für alle diejenigen, die sich im Bereich Bildung in den nächsten Jahren hier engagieren. Wir befinden uns im Jahr zwei der Schulreform, die Resonanz ist positiv. Herr Güngör hat dies beschrieben. Die Eltern oder die Schüler wählen die Oberschulen an, sie wählen sie besser an, als wie wir gedacht haben. Rund 80 Prozent der Eltern haben gesagt, ja, das ist eine Schulform, die wir wollen, nämlich eine Schulform, die die Kinder nicht gleich festlegt auf bestimmte Bildungsabschlüsse, sondern sagt, auch da kann man das Abitur nach 13 Jahren machen, man hat mehr Zeit zum Lernen, man kann ein Auslandsjahr machen, aber auch das Abitur nach 12 Jahren wird weiterhin im Land Bremen angeboten. Wir haben sogar ein Reformgymnasium auf den Weg gebracht. Ich halte das eigentlich für ein sehr gutes Paket, das wir hier im Land Bremen angestoßen haben. Das ist ein ehrgeiziges Konzept gewesen. Eigentlich heißt es, Eigenlob stinkt, aber ich möchte als Sprecherin der Deputation für Bildung schon sagen, die Kolleginnen und Kollegen und die Senatorin, die Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer haben alle viel Arbeit geleistet, und denen gilt mein Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Präsident W e b e r über- nimmt wieder den Vorsitz.)

Ich möchte noch einmal kurz daran erinnern – in einer drei Mal fünfminütigen Debatte ist wirklich nicht

viel Zeit –, dass es die Grünen waren, die 2008 und Anfang 2009 hier in der Bremischen Bürgerschaft eine große Veranstaltung durchgeführt haben mit dem Titel „Bildung und Migration“. Unser Kollege Özdemir war zu Gast, 300 Menschen sind gekommen. Das zeigt, dass das ein riesiges Thema in Bremen ist und wir es eigentlich versäumt haben, in vielen Jahren vorher zu erkennen, dass wir mittlerweile 50 Prozent der Kinder in den Schulen haben, die eben nicht deutscher Herkunft sind und die nicht nur eine Sprache mitbringen, wenn sie zur Schule kommen oder in den Kindergarten, sondern zwei oder drei Sprachen, und wir diesen Bildungsschatz bisher viel zu unsystematisch oder gar nicht gefördert haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin froh, dass wir das jetzt so auf die politische Tagesordnung gehoben haben, dass wir in dieser Bürgerschaft ein Konzept zur Mehrsprachigkeit beschließen. Wir haben ein umfassendes Konzept von Frau Prof. Karakasoglu, das wir noch diskutieren werden und von dem wir auch noch Maßnahmen umsetzen werden. Wir haben dafür gesorgt, dass mehr Migrantinnen und Migranten als Lehrerinnen und Lehrer in die Schulen kommen. Das zeigt, das Thema ist in der Politik angekommen, vielleicht zu spät, kann man kritisch sagen, aber es ist angekommen. Ich glaube auch, dass wir die Weichen gestellt haben, damit mehr Kinder, auch Kinder mit ausländischer Herkunft, Abitur machen können, denn das war bisher einfach noch nicht gut genug an der Stelle, was wir da gemacht haben. Es liegt also noch ein großes Stück Arbeit vor uns.

Die Senatorin wird uns sicherlich gleich auch noch einmal sagen, dass das in den nächsten Jahren viele Mittel kostet. Auch die Herrichtung der Schulen, sozusagen als der dritte Erzieher, wird auch noch Geld beziehungsweise Investitionen kosten. Ich glaube aber, es gibt auch Maßnahmen, die man ohne viel Geld noch anschieben kann.

Mir wäre es ein Anliegen, dass wir endlich, und das haben wir noch nicht zufriedenstellend geschafft, Kindergärten und Schulen als Bildungshäuser zusammenwachsen lassen und auch da über ein gemeinsames Bildungsverständnis sprechen. Wir haben damit im Schulentwicklungsausschuss angefangen, aber ich bin der Auffassung, dass wir nochmals über einen gemeinsamen Bildungsplan für Kinder ab null Jahren bis zum Ende der Grundschulzeit diskutieren müssen. Bayern diskutiert über einen Bildungsplan für Nullbis 18-Jährige, da hat das Land Bremen meines Erachtens noch großen Nachholbedarf.

Den Grünen ist es wichtig, in den kommenden Jahren das Thema Eigenverantwortung der Schulen weiter zu diskutieren und umzusetzen und auch sinnvoll Bildungsbürokratie abzubauen. Das ist aus unserer Sicht eine Debatte, die wir hier im Hause führen müssen. Wir möchten nochmals das Thema der

regelmäßigen Qualitätschecks von Bildungseinrichtungen anstoßen. Wir brauchen transparente Unterstützungsmodule für die Einzelschulen, und wir brauchen weiterhin eine Debatte darüber: Was ist eine gute Schule? Wenn Schulen Hilfe brauchen, müssen wir diese auch anbieten. Es gibt weiterhin den Bedarf, es klang auch in der Fragestunde schon an, bestehende Ganztagsschulen auszubauen, weitere zu schaffen, auch Qualitätsstandards zu definieren. All das sind Punkte, die in diesem ganzen Entwicklungspaket auch enthalten sind.

(Glocke)