Protokoll der Sitzung vom 12.05.2011

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Grundgesetz ist für uns der politische, rechtliche und ethische Rahmen. Dieser Rahmen bestimmt für alle das Fundament, den Grundriss und die tragenden Prinzipien des Hauses, in dem wir gemeinsam leben wollen. Wie das dann aber in den Zimmern aussieht, wie wir sie gestalten, wie wir leben, welche Kultur wir pflegen, zu welchem Gott wir beten oder nicht, ist nicht Sache des Staats.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Grundgesetz kennt grundsätzlich keine Rangfolge von Religionen oder Nichtreligion. Das Grundgesetz setzt keine Kultur vor die andere. Im Gegenteil, meine Damen und Herren: Das Grundgesetz gibt uns gerade auf, diese Gleichheit und die Freiheit der Entscheidung zu schützen. Das ist der Kern unserer Verfassung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Deshalb ist die Behauptung der CDU, multikulturell sei gescheitert, einfach grundfalsch. Im Gegenteil, das Grundgesetz macht es uns gerade zur Pflicht, viele Kulturen – es heißt ja multikulti in diesem schlechten Küchenlatein – als gleichberechtigt zu respektieren, aus grundsätzlichen Erwägungen und auch, um den inneren Frieden unserer Gesellschaft zu wahren und auch, um die Beiträge aller nutzen zu können.

Das bedeutet gerade nicht – und das haben wir Grüne niemals getan, Herr Kollege Bartels, niemals! –, Verbrechen oder Verletzungen der Menschenwürde mit dem Hinweis auf kulturelle Tradition zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Das kann es natürlich nicht heißen, weil der Rahmen eben das Grundgesetz und unsere Gesetze sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Deshalb ist aber die christlich-jüdische Leitkultur der CDU eben ein Phantom, das dem Geist unserer Verfassung widerspricht, weil dieses Phantom den Islam und andere Religionen bewusst herabsetzt und herabstuft.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Es ist unglaublich, nach der jahrtausendlangen Geschichte der Verfolgung der Juden im Namen des Christentums, ausgerechnet die Juden gegen den Islam vereinnahmen zu wollen. Es gibt im Verhältnis der Religionen zueinander kein oben und unten, kein Leiten und kein Folgen. Noch einmal und zugespitzt: Es gibt vielleicht viele historische Traditionen, natürlich auch Verdienste und Privilegien der christlichen Kirchen, aber das Grundgesetz ist nicht getauft, meine Damen und Herren, das muss man klar sagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Deshalb ist es ein Trauerspiel, dass die CDU den einfachen, klaren Satz von Bundespräsident Wulff, den er hier in Bremen gesagt hat, „der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“, erst mit sehr frostigem Schweigen aufgenommen hat – wir saßen da, haben das gespürt –, dann klein und ins Gegenteil geredet hat, bis zum neuen Innenminister Friedrich, der gesagt hat: „Die Muslime gehören schon zu Deutschland, aber der Islam nicht.“ Da frage ich Sie: Wie will er das trennen? Begreifen Sie doch endlich, dass die Muslime, die hier in Deutschland leben, diesen Satz so verstehen werden und verstehen müssen: Ja, klar, ihr seid zwar hier, aber eigentlich gehört ihr hier nicht her. Das aber darf nicht unsere Botschaft sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Das ist jetzt mein letzter Punkt, und ich gebe auch zu bedenken, dass ein Debattenbeitrag soeben auch noch einmal darauf hingewiesen hat, welches Problem da liegt: Ich bin überzeugt, dass die große, alte Sozialdemokratische Partei nicht auf Dauer damit leben kann, dass ein prominentes Mitglied vergiftende und herabwürdigende Lehren verbreiten kann.

Nichts davon hat Herr Sarrazin zurückgenommen! Ich bin überzeugt, dass eine demokratische Partei keine Angst vor Stimmungen haben darf. Da muss ich sagen, es stimmt ja nachweislich empirisch nicht, was Herr Böhrnsen sagt, dass Sarrazin in der SPD völlig isoliert sei. Das ist nicht der Fall, und das ist ja gerade das Problem. Ich hoffe und bin überzeugt, dass die SPD hier für Klarheit sorgen wird, denn es geht hier um grundsätzliche Fragen der Demokratie.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Die Redner sind sich einig gewesen: Es gibt viel zu tun. Meine Erwartung und meine Hoffnung sind, dass wir Grüne mit Abgeordneten wie der Kollegin Frau Dr. Mohammadzadeh unsere Arbeit in den kommenden vier Jahren mit den Prinzipien „für Menschenrechte und Integration auf Augenhöhe“, fortsetzen können. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Cakici.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ehrlich gesagt, habe ich gedacht, dass die letzte Debatte – heute auch meine letzte Debatte! – ein bisschen positiver abzuschließen ist. Allerdings war klar, dass natürlich ein gewisser Herr S. aus B. noch einmal erwähnt werden muss. Ich habe mir vorgenommen, seinen Namen nicht mehr in den Mund zu nehmen, das ist er gar nicht wert.

(Beifall bei der SPD)

Vollzeitidioten gibt es überall, siehe Herrn Tittmann!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Für einzelne Menschen kann man nichts, und ich finde einfach, der Herr hat schon genug Beachtung bekommen. Man sollte sich einfach an positiveren Dingen orientieren. Das fängt damit an, wie es innerhalb unserer Bürgerschaft hier aussieht, wie es in den einzelnen Parteien aussieht. Was tun Sie dafür, um mehr Migrantinnen und Migranten zu gewinnen? Wir haben heute auch über Quoten gesprochen. Ich denke, Quoten sind schön und gut, allerdings ist es bei uns – ich kann jetzt für die SPD-Fraktion hier in Bremen sprechen – eine Selbstverständlichkeit, dass wir über 21 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund auf der Kandidatenliste haben.

(Beifall bei der SPD) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Ich kann Ihnen versichern, dass darüber nicht einmal diskutiert wurde. Diese Kandidaten wurden auch nicht aufgestellt, weil sie einen Migrationshintergrund haben, sondern weil sie in der SPD schon jahrelang viel geleistet haben und weiterhin viel leisten werden. Wenn man einmal bedenkt, was überhaupt in den vier Jahren hier passiert ist, es gab ja auch eine Große Koalition, die vier Jahre waren nicht nur irgendwie der Unterausschuss, den Herr Bartels vorhin betont hat. Wir haben einen Rat für Integration. Wenn man sich den einmal anschaut – Herr Bartels, ich glaube, da waren Sie in den letzten vier Jahren nicht ein Mal –, wird da eine Menge geleistet und auch kleinteilige Arbeit gemacht. Darüber sollten wir sprechen, wie die einzelnen Parteien eben auch mit ihren Leuten umgehen oder eben Alibikandidaten aufstellen. (Beifall bei der SPD)

Ich meine, Frau Nitz, wir sind sozusagen ehemalige Genossinnen, und ich kann ganz sicher berichten, wie es in dieser Partei war, und ich glaube, das wissen Sie besser als ich: In der Partei DIE LINKE spielt das Thema Migration gar keine Rolle, auf gar keinen Fall, dafür kann ich meine Hand ins Feuer legen. Ich gebe zu, dass zwei oder drei Einzelne aus der Bürgerschaftsfraktion DIE LINKE mit Sicherheit eine andere Position vertreten, aber in der Partei hat es definitiv keine Rolle gespielt. Ich hoffe, dass es in Zukunft anders aussieht. Wir sollten einfach über positivere Dinge berichten und – damit möchte ich auch noch einmal abschließen! – auch über die Verantwortung, die die Medien haben. Es wird immer wieder nur über Negatives berichtet. Warum berichtet man nicht über positive Dinge, wie zum Beispiel, wie erfolgreich unsere Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund sind, wie erfolgreich einzelne Abgeordnete sind und so weiter? Es gibt so viele positive Beispiele, und ich spreche da nicht nur von „unseriösen“ Medien, ich spreche auch von „seriösen“ Medien“, wobei ich dazu auch ein gespaltenes Verhältnis habe. Ich wünsche mir einfach, dass man hier über positivere Dinge spricht, und ich bin mir sicher, dass die nächste Bürgerschaftsfraktion der SPD noch viel bunter wird. Ich bin mir auch ganz sicher, dass in den kommenden vier Jahren viel mehr erreicht wird. Da hoffe ich auch, dass dieses Mal alle Parteien mitmachen. In diesem Sinne bedanke ich mich für die letzten vier Jahre, es ist auch meine letzte Rede, und ich denke, ich kann auch viel Positives mitnehmen, vor allem aus den letzten sechs Monaten. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Rosenkötter.

Herr Präsident, liebe Abgeordnete! Respekt, Toleranz, Anerkennung sind die wichtigen Grundpfeiler im alltäglichen Miteinander und im Umgang miteinander, und das gehört dazu, wenn wir über unsere Gesellschaft sprechen. Heute an dieser Stelle in der letzten Bürgerschaftssitzung über das Thema Integration zu sprechen, finde ich, ist ein gutes und ein wichtiges Signal. Ich freue mich über die weitestgehend sehr sachliche, aber auch sehr emotionale Debatte, weil ich weiß, dass es ein Thema ist, das nicht nur auf der sachlichen Ebene abgehandelt werden kann.

Wir haben zum heutigen Tag einen Abschlussbericht über das Konzept zur Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern vorgelegt, einen Abschlussbericht, der ja sehr leicht suggerieren könnte, damit wäre etwas abgeschlossen. Nein, das ist ein Abschlussbericht für die Jahre 2007 bis 2011, sozusagen ein aktueller Sachstand dessen, was wir gemeinsam in den letzten Jahren vorangebracht haben, was wir erreicht haben! Gleichzeitig steckt darin aber auch sehr deutlich, dies ist eine Aufgabe und ein Prozess, der weitergehen muss, der uns alle fordert und uns alle aufruft, tagtäglich in unserer Arbeit, überall, wo wir unterwegs sind, dies zu tun und dies weiter voranzubringen. Insofern sage ich, jawohl, d’accord, Querschnittsaufgabe, es ist nicht nur etwas, was nur in einem Ressort angesiedelt und zu bearbeiten wäre, sondern das ist eine Aufgabe, die uns in allen Politikfeldern begleitet, die immer wieder auch mit in unsere Überlegungen einbezogen werden muss. Es ist nicht nur diese Aufgabe, sondern vor allen Dingen sind es auch die Menschen, die immer wieder einbezogen werden müssen, hier diese Aufgaben mit uns gemeinsam zu lösen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es sei mir erlaubt, hier doch auf das eine oder andere in aller Kürze hinzuweisen, was wir erreicht haben, ich will es wirklich nur stichwortartig tun! Ich fange an mit dem Thema, das uns allen wichtig ist und uns allen am Herzen liegt, nämlich den Allerjüngsten in unserer Gesellschaft allen eine gute Startchance zu geben. Dazu gehört die Sprachförderung in den Kitas, dazu gehört das, was wir in den Grundschulen insbesondere in diesen Bereichen tun, etwas ganz Wichtiges, was wir in dieser Legislaturperiode sehr deutlich vorangebracht haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als weiteres Thema gehören natürlich auch die Integrationskurse dazu, die hier von den Zuwanderinnen und Zuwanderern besucht werden. Ich erlaube ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

mir an der Stelle einen kleinen Schwenk in die Bundespolitik und sage, ich wünsche mir, dass eben nicht an diesen Stellen gekürzt wird, wie es vorgesehen ist und wie es teilweise schon erfolgt. Sie haben ja recht, Herr Bartels, wenn Sie sagen, das muss weitergeführt werden, aber wir müssen auch in den Stand versetzt werden, das in unserem Land tun zu können. Also, tun Sie alles dafür, dass das auch weitergehen kann!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Natürlich geht es darum, Qualifizierungen anzubieten, und ein ganz wichtiger und zentraler Punkt ist das Anerkennungsgesetz von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen. Auch da hätte ich mir bundesweit ein bisschen mehr Dynamik gewünscht, da hätte ich mir gewünscht, dass das schneller vorangeht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir in Bremen haben hier zwischenzeitlich Strukturen geschaffen, haben Unterstützungsmöglichkeiten geboten, damit wir denen, die hier eine Anerkennung wollen, diese hier so schnell wie möglich auch gewähren können. Nicht in jedem Fall ist das ganz einfach, das sage ich auch, und in manchen Fällen braucht es einen längeren Weg. Insofern müssen wir diesen Menschen Mut machen, dass sie bei uns gewollt sind, dass sie bei uns gewünscht sind, dass wir ihre Kompetenzen und ihre Potenziale schätzen und dass wir sie wollen, und das hängt auch am Ende an der Anerkennung eines Berufsabschlusses.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ein weiterer Punkt darf nicht unerwähnt bleiben, wenn wir über die interkulturelle Öffnung auch unseres öffentlichen Dienstes sprechen: Wie gehen wir auf die Bürgerinnen und Bürger, die mit Migrationshintergrund zu uns kommen, zu? Wie sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorbereitet? Ich freue mich sehr, dass es immer mehr gelingt, gerade im Bereich der Ausbildung junge Menschen mit Migrationshintergrund dafür zu gewinnen, sich einer solchen Berufsausbildung zu stellen und für uns tätig zu werden, gemeinsam hier etwas für die Gesellschaft zu leisten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Natürlich, und ich glaube, das gehört natürlich fairerweise dazu, müssen wir sagen, dass wir noch viele Schritte vor uns haben. Wir müssen hier auch wei

ter daran arbeiten, insbesondere für die jungen Menschen in unserer Gesellschaft, dass die Schulabschlüsse besser werden können und sie hier auch in eine Berufsausbildung münden, damit ihr Lebensweg dadurch auch gestaltet werden kann. Ich will zum Schluss denjenigen meinen ganz herzlichen Dank sagen, die in Vereinen und Organisationen, in Einrichtungen und Maßnahmen teilweise ehrenamtlich hier eine ganz wichtige und wertvolle Arbeit leisten. Dazu gehört an allererster Stelle der Bremer Rat für Integration,

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

der gerade in den letzten Monaten sehr aktiv bei der Unterstützung darin war, Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder sehr früh in die Kindereinrichtungen zu geben, um eben diese Startchancen für die Kinder zu verbessern. Ein letzter Satz zu den Highlights sozusagen, die wir im Bereich der Integration gemeinsam gestalten: Ich bin sehr froh darüber, dass es gelingt, den Integrationsgipfel und die Integrationswochen immer in einer wirklichen gemeinsamen Arbeit wie Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung hier auch auf den Weg zu bringen. Das zeigt, dass wir hier die richtigen Schritte tun. Ich wünsche mir sehr, und ich arbeite sehr dafür, dort Vertrauen zu gewinnen, wo es in den letzten Monaten verloren gegangen ist. Ich will hier sehr deutlich sagen: Dieses Vertrauen zu diesen Menschen mit Migrationshintergrund in ganz persönlichen Gesprächen beim Besuch von entsprechenden Veranstaltungen – gerade am Wochenende bin ich auf einer großen Veranstaltung gewesen – entweder wiederzugewinnen oder zu stärken, das wünsche ich mir, und auch, dass wir hier wieder und weiter eine gemeinsame Ebene für ein gemeinsames Leben in unseren beiden Städten haben. – Ich danke Ihnen sehr herzlich!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

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