Protocol of the Session on March 14, 2013

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Ich eröffne die 38. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Medien.

Zur Abwicklung der Tagesordnung wurden interfraktionelle Absprachen getroffen, die Sie dem Umdruck und der Tagesordnung mit Stand von heute 9.00 Uhr entnehmen können. Ich möchte Ihnen noch mitteilen, dass nachträglich interfraktionell vereinbart wurde, den Tagesordnungspunkt 45, Bremer essen regional, für diese Sitzung auszusetzen.

Bevor wir nun in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Herrn Dr. Kuhn zu seinem heutigen Geburtstag die allerherzlichsten Glückwünsche des Hauses aussprechen.

(Beifall – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Vielen Dank, Herr Präsident!)

Herr Dr. Kuhn, ich freue mich, dass Sie heute unter uns sind.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Entwicklung der Offshore-Windindustrie sichern

Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und der CDU vom 13. März 2013 (Neufassung der Drucksache 18/758 vom 7. Februar 2013) (Drucksache 18/826)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Lohse.

Die Beratung ist eröffnet.

Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Kottisch.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden heute über ein Thema, das von gesellschaftlicher Bedeutung ist: die Energiewende! Wir reden auch über die Offshore-Industrie, die einen Teil dieser Energiewende ausmacht, ein Teil, der gerade für uns in Bremen und hier in Norddeutschland für die Zukunft von extremer Bedeutung ist.

Diese Energiewende, die aus meiner Sicht momentan eine der größten und politischen Herausforderungen darstellt, wurde durch eine Katastrophe in Fernost eingeleitet: Fukushima. Danach hat eine Ethik-Kommission ihre Arbeit aufgenommen. Auf Basis ihrer Vorschläge wurde im Jahr 2011 von dieser Bundesregierung dann zwar ein Beschluss gefasst, eine ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Energiewende einzuleiten, aber bis heute fehlt hierfür ein nachhaltiges Management. Selbst Klaus Töpfer, damaliger Leiter der Ethik-Kommission, antwortet mehr als anderthalb Jahre nach dem Einläuten der Energiewende auf die Frage, ob er mit dem bisherigen Verlauf der Energiewende zufrieden sei, mit Nein. Für einen Politiker ist es ja nicht alltäglich, dass er auf eine gestellte Frage auch mit Ja oder Nein antwortet, in diesem Fall mit Nein. Wir sind gerade dabei, diese gemeinschaftliche Zustimmung wieder zu verspielen. Wir brauchen dringend so etwas wie einen professionellen Projektmanager.

Auch der aus Bayern stammende BUND-Bundesvorsitzende Hubert Weiger sieht die Energiewende politisch bedroht und kritisiert, dass sich deren Diskussion auf die Energiepreise reduziere. Statt über die Chancen zu diskutieren, über Hunderttausende neue Arbeitsplätze, über die Verringerung unserer Abhängigkeit von zum Teil politisch instabilen Systemen, über eine saubere und nachhaltige Energieversorgung, die irgendwann aufgrund der stets vorhandenen Ressourcen Wind, Wasser und Sonne sogar deutlich sinkende Energiekosten verspricht, diskutieren wir auf der einen Seite ausschließlich über die heute notwendigen Investitionsausgaben, und dies tun wir noch nicht einmal ehrlich.

Allein die Mehrausgaben für steigende Ölpreise im vergangenen Jahr sind gemäß BUND größer als die Gesamtkosten der Energiewende. Mehr als Zweidrittel der Strompreiserhöhungen seit dem Jahr 2002 haben nachweislich nichts mit den erneuerbaren Energien zu tun. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Artikel „Strompreisanstieg zu stark“ im „Weser-Kurier“ von vorgestern. Die Unternehmen in diesem Bereich nutzen jetzt natürlich auch die Gelegenheit, im Schatten der Energiewende ihre Preise zu erhöhen, anstatt Rationalisierung durchzuführen oder sich wettbewerblich am Markt aufzustellen.

Auf der anderen Seite diskutiert niemand über die Aufnahme der Kosten der Atommüllentlagerung in die Preise. Gleiches gilt in Bezug auf den CO2-Ausstoß. Claudia Kemfert, immerhin im Schattenkabinett des ehemaligen CDU-Bundesumweltministers Röttgen für die Wahl im Jahr 2011 in Nordrhein-Westfalen und anerkannte Umweltökonomin, spricht hier von einer Strompreislüge.

Auch über die Kosten der politischen Landschaftspflege spricht hier niemand. Laut Matthias Kurth, dem ehemaligen Chef der Bundesnetzagentur, machen die Kosten der politischen Landschaftspflege allein 50 Prozent der Gesamtkosten der Energiewende aus. Davon spricht niemand. Stattdessen rücken jetzt die Strompreisbremse sowie die Befreiung energieintensiver und im internationalen Wettbewerb stehender Betriebe von Nutzungsentgelten und EEG-Umlage in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Das ist Augenwischerei, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Ablenken von der eigenen politischen Unfähigkeit!

(A) (C)

(B) (D)

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Laut Claudia Kemfert leistet ein Teil der Bundesregierung sogar einen offenen Widerstand gegen den Fahrplan zur Energiewende. In jedem Fall lenkt dies aber vom notwendigen und schnellen Ausbau der für uns so wichtigen Offshore-Industrie hier oben im Norden ab. Die politische Unfähigkeit der Bundesregierung wird in vielerlei Hinsicht dokumentiert.

(Zuruf der Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU])

Hören Sie einmal gut zu, das ist wirklich sehr interessant!

Wir werden allein in zwei Jahren so viel Photovoltaikkapazität haben, dass sie rein theoretisch ausreichen würde, 52 Kernkraftwerke abstellen zu können. Dies gilt aber nur theoretisch, denn die Sonne scheint nun einmal nicht immer. Die Sonne scheint nicht den ganzen Tag, die Sonne scheint nicht am Tag und bei Nacht und auch nicht im Sommer und Winter gleichermaßen, gerade im Winter ist der Energieverbrauch hoch, dennoch geht dort ein Höchstmaß an Förderung hinein. Der Ausbau von Photovoltaik erfolgt völlig unkoordiniert. Die teuerste und unwirtschaftlichste Form der Energiegewinnung wird mit 50 Prozent der Gesamtförderung in Höhe von 20 Milliarden Euro europaweit am stärksten gefördert. Warum ist dies so? Sie können einmal versuchen, diese Frage zu beantworten!

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Weil Sie es im Bundesrat verhindert haben!)

Die CDU hier in Bremen geht den Weg unseres Erachtens vernünftig mit, aber Ihre Schwesterpartei, die CSU in Bayern –

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Aber im Bundesrat war es die SPD, die es verhindert hat!)

ja, doch! –, kämpft für Solarenergieförderung genauso intensiv wie für Agrarsubventionen, diese fließen nämlich in großer Menge dorthin, und für die Förderung von Biogasanlagen, das ist nämlich dieselbe ländliche Zielgruppe, die dort bedient wird. Solange dies in dieser Bundesrepublik so ist, wird der Süden bevorteilt und der Norden übervorteilt, dagegen sollten wir hier etwas tun. Ich finde gut, dass Sie heute unserem Antrag beitreten.

(Beifall bei der SPD)

Ich will jetzt gar nicht gegen Solarenergie sprechen, auch Solarenergie ist wichtig, das ist überhaupt keine Frage, aber es kommt auf den Mix und auf das Management an. Solarenergie soll selbstverständlich

auch wie Biogas ein wichtiger Baustein einer Energiewende sein. Momentan fehlt jedoch jegliche Koordinierung in Bezug auf die notwendigen Leitungsnetze und Trassen von Nord nach Süd, stattdessen herrscht Flickschusterei diverser dezentral geförderter Maßnahmen.

Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe „Energiewende“ ist in Gefahr. Sie wird momentan lokalen Partikularinteressen untergeordnet –

(Glocke)

ich komme sofort zum Ende –, und das Missmanagement der Bundesregierung, und eben nicht die Förderung der erneuerbaren Energien, führt dazu, dass die Energiepreise für die Verbraucher steigen. Ich finde, dies muss man auch einmal so sagen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. H i n n e r s [CDU])

Im Übrigen, Herr Hinners, ist die Verteilungswirkung von Geringverdienern hin zu wohlhabenden Landwirten und Solarinvestoren größer als die des Länderfinanzausgleichs –

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Ja, eine Mil- liarde Euro nach Bayern!)

lassen Sie sich dies einmal aufzeigen! –, und mit dieser Bundesregierung wird dies weiter zunehmen.

In meinem zweiten Beitrag werde ich darlegen, warum ein konsequenter Ausbau der Offshore-Industrie der bessere Weg wäre. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schierenbeck.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Entwicklung der Offshore-Industrie langfristig abzusichern ist das Ziel des Antrags, der Ihnen vorliegt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen steht voll hinter dem Umbau unserer Energieversorgung. Wir wollen 100 Prozent erneuerbare Energien, und zwar nicht langsamer, sondern so schnell wie möglich. interjection: (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich freue mich, dass auch die CDU in Bremen hier auf unserer Seite steht. Vielleicht können Sie dies mit Ihrer Bundesregierung ja noch bis zur Bundestagswahl klären oder entsprechend Ihr Kreuz woanders setzen. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

(A) (C)

(B) (D)

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Sie können das dann ja aus der Opposition weiter begleiten in Berlin!)

Die Offshore-Industrie kann einen Beitrag zum Umbau unserer Energieversorgung leisten.

Nach 15 Jahren intensiver Entwicklungsarbeit stehen nun endlich die ersten Windanlagen in der Nordsee und produzieren mehr Strom, als prognostiziert wurde. Im Jahr 1999 wurde der erste Antrag für Borkum-West gestellt, im Jahr 2007 wurden die Seekabel verlegt und im Jahr 2011 die Anlagen für den Windpark „alpha ventus“ errichtet. Nun sind also die technischen Voraussetzungen geschaffen, die Entwickler, Errichter und Betreiber haben aus ihren Erfahrungen gelernt. Es könnte also mit dem rasanten Ausbau losgehen, so wie wir ihn an Land und bei der Photovoltaik erlebt haben. Dabei geht es um gigantische Investitionen.