Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 c der Roland zu Bremen Oberschule, Schülerinnen und Schüler des Projektes Lernen und Arbeiten im Buntentor PLAnB und eine Gruppe der Nichtregierungsorganisation „Mehr Demokratie e. V.“
Die interfraktionellen Absprachen können Sie dem Umdruck der Tagesordnung mit Stand von heute, 9.00 Uhr, entnehmen.
Antrag des nicht ständigen Ausschusses nach Artikel 125 der Bremischen Landesverfassung – Änderung der Artikel 70, 72, 87, 148, 131 a, 131 b, 131 c der Bremischen Landesverfassung vom 23. August 2013
(Drucksache 18/1032) 2. Lesung 3. Lesung Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner. Die Bürgerschaft (Landtag) hat den Artikel 1 des Gesetzes zur Erleichterung von Bürgeranträgen und Stärkung der direkten Demokratie und das Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Han
sestadt Bremen in ihren Sitzungen am 12. Juli 2012 in erster und am 28. August 2013 in zweiter Lesung beschlossen.
Wir kommen jetzt zur zweiten Lesung der Artikel 2 bis 4 des Gesetzes zur Erleichterung von Bürgeranträgen und Stärkung der direkten Demokratie und zur dritten Lesung des Artikels 1 des Gesetzes zur Erleichterung von Bürgeranträgen und Stärkung der direkten Demokratie und des Gesetzes zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Den Ausschussvorsitzenden in der Bremischen Bürgerschaft fällt ja immer die Aufgabe zu, den Beratungsgang und das Ergebnis der Ausschussberatungen darzustellen. Dieser Gepflogenheit will ich mich auch nicht entziehen, deshalb versuche ich, relativ kurz die Gegenstände der Ausschussberatungen zu erläutern.
In den Ausschuss sind drei Verfassungsänderungsanträge überwiesen worden. Zum einen war es der Antrag zur Absenkung der Zustimmungsquoren bei verfassungsändernden Gesetzen. Zum Zweiten war es eine Veränderung im Bereich der Bürgeranträge, zum einen zur Absenkung der Quoren für das Einreichen der Bürgeranträge, und zum anderen der Möglichkeit der digitalen Unterstützung von Bürgeranträgen. Zum Dritten hat der Ausschuss darüber beraten, warum und wie ein Volksentscheid einzuführen wäre, wenn öffentliche Gesellschaften zu veräußern sind oder dies beabsichtigt wird.
Zum ersten Punkt, der Absenkung der verfassungsrechtlichen Quoren, war die Beratung sehr einfach. Das Parlament hat einstimmig den Antrag in erster Lesung beschlossen und in den Ausschuss überwiesen. Der Ausschuss hat Stellungnahmen eingeholt, es gab keine harten verfassungsrechtlichen Einwände gegen die vorgesehenen Veränderungen, deshalb ist der Ausschuss in seinen Empfehlungen auch zu dem Ergebnis gekommen, einige rechtsförmliche Veränderungen vorzunehmen, aber im Übrigen dieses Gesetz vollumfänglich der Bürgerschaft zur Beschlussfassung vorzulegen und Ihnen zu empfehlen, diesen Antrag anzunehmen.
Beim zweiten Punkt, der Erleichterung des Bürgerantrags, wird von bisher zwei Prozent der Einwohner Bremens über 16 Jahren, so ist das Quorum bisher definiert, auf eine feste Zahl von 5 000 Unterschriften im Land und 4 000 Unterschriften in der Stadt heruntergegangen. Auch dies haben wir in der ersten Lesung einstimmig beschlossen, und so soll es auch bleiben. Einige rechtsförmliche Verbesserungen hat dieses Gesetz im Ausschuss erfahren.
Der zweite Punkt bei den Bürgeranträgen war die Möglichkeit, sich diesem Bürgerantrag nicht nur durch
Unterschrift zu verpflichten, sondern ihn auch digital zu unterstützen. Darüber hat es eine etwas längere Diskussion im Ausschuss gegeben, wie eine solche digitale Unterstützung im aktuellen Medienzeitalter eigentlich aussehen könnte. Der Ausschuss ist einstimmig der Meinung gewesen, dass eine Form der digitalen Unterstützung auch erkennen lassen muss, wer denn unterstützt, es muss eine Authentizität geben. Wir haben lange darüber gesprochen, welches Verfahren denn geeignet wäre, um einen solchen Bürgerantrag zu unterstützen.
Die Lösung des Ausschusses ist zu sagen, ja, es ist möglich, digital zu unterstützen, wenn dieselben Voraussetzungen erfüllt werden wie bei einer analogen Unterschrift. In welchem jeweils gültigen Verfahren technischer Art dies stattfinden soll, wollen wir durch eine Rechtsverordnung der Senatorin für Finanzen regeln; in einer Rechtsverordnung deshalb, weil Rechtsverordnungen schneller den aktuellen technischen Anforderungen entsprechen können. Das heißt, nach der Verfassungsänderung, nach der Gesetzesänderung durch uns, bedarf es noch des Erlasses einer Rechtsverordnung durch die Senatorin für Finanzen, die dann die unterschiedlichen Möglichkeiten der authentizitären Unterstützung eines Bürgerantrags näher definiert.
Im dritten Punkt, und das war nicht mehr so einvernehmlich, aber das war auch schon nach der ersten Lesung der Verfassungsänderung klar, ging es um die sogenannte Privatisierungsbremse, die Verpflichtung, bei beabsichtigten Veräußerungen öffentlicher Unternehmen einen Volkentscheid durchzuführen. Darüber haben wir in diesem Ausschuss am längsten diskutiert. In der ersten Lesung hat dieser Antrag auch nur die Unterstützung von Rot-Grün gehabt. Es hat sich etwas verändert, auch in der jeweiligen Formulierung. Es ist nicht mehr die Ursprungsformulierung, sondern das Gesetz ist völlig neu gestaltet worden. Im Wesentlichen hat sich das durch den Beratungsgang des Ausschusses ergeben, der verschiedene externe Sachverständige angehört und verschiedene Stellungnahmen unterschiedlicher senatorischer Dienststellen eingeholt hat. Es sind uns Gutachten, die wir nicht angefordert haben, aber die trotzdem sehr erhellend waren, übersandt worden, und aus dieser gesamten Melange hat der Ausschuss beschlossen, den vorgelegten Gesetzentwurf in der Ihnen vorliegenden Form zu ändern. Die neue Fassung stellt nach unserer Meinung sicher, dass nur die ihrer Größe und Bedeutung nach wichtigen Landesbeteiligungen oder kommunalen Beteiligungen der Stadtgemeinde Bremen unter diese Privatisierungsbremse fallen.
Der Begriff der Veräußerung war auch noch ein diskursiv behandelter, was ist eigentlich eine Veräußerung. Wir haben uns als Ausschuss dazu entschlossen, uns auf die europäische Transparenzrichtlinie zu besinnen, die die Veräußerung als Verlust der Herrschaftsmacht über ein solches Unternehmen definiert,
und wir schlagen Ihnen auch vor, genau diesen Bezug auf die Transparenzrichtlinie des Europäischen Parlaments in die Verfassung zu übernehmen. Im Ergebnis ist es so, dass wir uns von der vorgesehenen rechtlich obligatorischen Regelung verabschiedet haben, dass jede dieser Veräußerungen vorzulegen ist. Wir haben eine Regelung gewählt, die in unterschiedlichen Abstufungen einen Volksentscheid nötig macht. Nach Einschätzung des gesamten Ausschusses ist es aber so, dass es auch bei de jure unterschiedlichen Voraussetzungen zur Festsetzung oder zur Durchführung eines Volkentscheides de facto bei allen in Bremen umstrittenen Privatisierungen zu einem Volksentscheid kommen wird. Ich überlasse es den Fraktionsvorsitzenden oder den Obleuten der anderen Fraktionen darzustellen und zu begründen, welche unterschiedlichen Positionen es im Grundsatz oder zu einzelnen Regelungen der Privatisierungsbremse gibt. Der Ausschuss, und das ist das Ergebnis, empfiehlt mit den Stimmen von SPD, den Grünen und der LINKEN, die neu gefassten Änderungen anzunehmen, die CDU empfiehlt, diese Änderung abzulehnen. Der Dank des Ausschusses gebührt wie üblich allen, die sich als Sachverständige, Gutachter oder auch nur als Ratgeber in diese Diskussion eingebracht haben, insbesondere gilt der Dank den Mitarbeitern der Bürgerschaftskanzlei, die in der üblichen effizienten Weise den Gang der Beratungen unterstützt haben. – Ich danke Ihnen für Ihre Geduld und beende hiermit meinen Beitrag als Ausschussvorsitzender!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es bei diesen umfangreichen Gesetzes- und Verfassungsänderungen heute im Kern? Es geht um unser Verhältnis, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger, zwischen dem Parlament und der Bevölkerung. Mit diesen Beschlüssen heute erleichtern wir die direkte Demokratie in Bremen. Heute ändern wir die Spielregeln zu ihren Gunsten!
Dabei muss die direkte Demokratie nicht im Gegensatz zu der repräsentativen Demokratie gesehen werden, sondern kann als Ergänzung verstanden werden. Das Grundgesetz sieht schließlich Wahlen und Abstimmungen vor. Umfragen zeigen jedoch, dass sich 70 bis 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mehr Mitbestimmung und mehr Einfluss wünschen. Sie wollen als kompetente Mitspie––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
lerinnen und Mitspieler wahrgenommen werden und grundlegende Entscheidungen selbst treffen können. Heute, liebe Bremerinnen und Bremer, stärken wir Ihre Mitbestimmungsrechte!
Wir werden, wie vom Berichterstatter ausgeführt, drei wesentliche Änderungen vornehmen. Wir werden die Quoren bei Verfassungsänderungen senken. Volksbegehren werden zukünftig nicht mehr mit 20 Prozent, sondern mit 10 Prozent der Unterschriften aller Wahlberechtigten möglich sein. Das Zustimmungsquorum senken wir von 50 auf 40 Prozent, dies ist eine Hürde, die zu schaffen ist. Es ist schon lange ein angestrebtes Ziel der Grünen, die Quoren zu ändern, weil wir denken, dass die Verfassung die Grundregeln des Gemeinwesens beinhaltet, darüber müssen sie auch mitbestimmen können.
Als zweiten Punkt erleichtern wir den Bürgerantrag. Mit diesem Instrument können Bürgerinnen und Bürger Themen setzen, die ihnen wichtig sind. Diese Möglichkeit gibt es nur in sehr wenigen Kommunen und Bundesländern. Damit das Instrument des Bürgerantrags in Bremen noch besser genutzt werden kann, werden wir das Quorum dafür um mehr als die Hälfte senken. Es werden zukünftig, wie Herr Tschöpe schon gesagt hat, nur noch 5 000 Unterschriften auf der Landesebene und 4 000 Unterschriften auf der städtischen Ebene nötig sein. Außerdem führen wir elektronische Unterschriften ein. So können Unterschriften zukünftig auch im Internet gesammelt werden und nicht mehr nur auf der Straße, was vieles enorm erleichtern wird.
Drittens, wir führen die Privatisierungsbremse ein. Damit betreten wir absolutes Neuland. Nirgendwo in Deutschland gibt es bis jetzt solch eine Regelung. Die Privatisierungsbremse ist nicht unumstritten, aber dazu wird von unserer Seite in der zweiten Runde Herr Dr. Kuhn noch mehr sagen. Ich gehe davon aus, dass nach diesen Änderungen Bremen im bundesweiten Ranking von „Mehr Demokratie e. V.“ vom 5. Platz auf das Siegertreppchen steigen wird, und zwar unter die ersten drei.