Marie Hoppe
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Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es bei diesen umfangreichen Gesetzes- und Verfassungsänderungen heute im Kern? Es geht um unser Verhältnis, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger, zwischen dem Parlament und der Bevölkerung. Mit diesen Beschlüssen heute erleichtern wir die direkte Demokratie in Bremen. Heute ändern wir die Spielregeln zu ihren Gunsten!
Dabei muss die direkte Demokratie nicht im Gegensatz zu der repräsentativen Demokratie gesehen werden, sondern kann als Ergänzung verstanden werden. Das Grundgesetz sieht schließlich Wahlen und Abstimmungen vor. Umfragen zeigen jedoch, dass sich 70 bis 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mehr Mitbestimmung und mehr Einfluss wünschen. Sie wollen als kompetente Mitspie––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
lerinnen und Mitspieler wahrgenommen werden und grundlegende Entscheidungen selbst treffen können. Heute, liebe Bremerinnen und Bremer, stärken wir Ihre Mitbestimmungsrechte!
Wir werden, wie vom Berichterstatter ausgeführt, drei wesentliche Änderungen vornehmen. Wir werden die Quoren bei Verfassungsänderungen senken. Volksbegehren werden zukünftig nicht mehr mit 20 Prozent, sondern mit 10 Prozent der Unterschriften aller Wahlberechtigten möglich sein. Das Zustimmungsquorum senken wir von 50 auf 40 Prozent, dies ist eine Hürde, die zu schaffen ist. Es ist schon lange ein angestrebtes Ziel der Grünen, die Quoren zu ändern, weil wir denken, dass die Verfassung die Grundregeln des Gemeinwesens beinhaltet, darüber müssen sie auch mitbestimmen können.
Als zweiten Punkt erleichtern wir den Bürgerantrag. Mit diesem Instrument können Bürgerinnen und Bürger Themen setzen, die ihnen wichtig sind. Diese Möglichkeit gibt es nur in sehr wenigen Kommunen und Bundesländern. Damit das Instrument des Bürgerantrags in Bremen noch besser genutzt werden kann, werden wir das Quorum dafür um mehr als die Hälfte senken. Es werden zukünftig, wie Herr Tschöpe schon gesagt hat, nur noch 5 000 Unterschriften auf der Landesebene und 4 000 Unterschriften auf der städtischen Ebene nötig sein. Außerdem führen wir elektronische Unterschriften ein. So können Unterschriften zukünftig auch im Internet gesammelt werden und nicht mehr nur auf der Straße, was vieles enorm erleichtern wird.
Drittens, wir führen die Privatisierungsbremse ein. Damit betreten wir absolutes Neuland. Nirgendwo in Deutschland gibt es bis jetzt solch eine Regelung. Die Privatisierungsbremse ist nicht unumstritten, aber dazu wird von unserer Seite in der zweiten Runde Herr Dr. Kuhn noch mehr sagen. Ich gehe davon aus, dass nach diesen Änderungen Bremen im bundesweiten Ranking von „Mehr Demokratie e. V.“ vom 5. Platz auf das Siegertreppchen steigen wird, und zwar unter die ersten drei.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen kurzen Blick auf den Bund, denn im Gegensatz zu allen Bundesländern gibt es auf der Bundesebene noch keine Volksentscheide, was wir Grünen sehr bedauern! Deshalb finden wir es wirklich schade, dass sich die CDU zwar in Bremen für Volksentscheide begeistert,
aber auf Bundesebene mit Händen und Füßen dagegen wehrt.
Wir Grünen fordern nicht nur bundesweite Volksentscheide, sondern wir zeigen auch, wie Direktabstimmungen innerhalb der Partei funktionieren können, zum Beispiel Ende des letzten Jahres bei der Urwahl zum Spitzenduo und im Juni beim Mitgliederentscheid zu den Themenschwerpunkten der Partei. Wir reden nicht nur von Demokratie, wir leben sie auch!
Zurück nach Bremen! Wir können uns hier sehr glücklich schätzen, dass Rot-Grün eine Zweidrittelmehrheit hat und die direkte Demokratie hier ausbauen kann,
aber die Instrumente müssen auch genutzt werden. Bei den gesetzlichen Bestimmungen sind wir zwar auf den oberen Plätzen, in der Praxis bilden wir jedoch das Schlusslicht. Der letzte Volksentscheid hat im Jahr 1994 stattgefunden, das letzte erfolgreiche Volksbegehren im Jahr 2006, der letzte erfolgreiche Bürgerantrag im Jahr 2007. In Bremen müssen wir direkte Demokratie also auch noch üben!
In Bremen gibt es schon lange eine ausgeprägte Kultur von Bürgerinitiativen. Viele Bremerinnen und Bremer schließen sich zusammen, wenn ihnen Vorhaben oder Beschlüsse nicht passen und werden aktiv. Ich würde mir dieses Selbstbewusstsein auch bei dem Einbringen von Ideen wünschen, wie es jetzt zum Beispiel ein Bündnis von jungen Frauen macht, das einen Bürgerantrag zur Lohngleichheit von Männern und Frauen formuliert hat. Die Frauen warten jetzt nur noch auf die Senkung der Quoren, damit sie ihn auch einbringen können.
Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass es Lerneffekte gibt. Starten einige erfolgreiche Initiativen, dann folgen meistens viele weitere. Das erhoffen wir uns auch für Bremen.
Liebe Bremerinnen und Bremer, mit den neuen Möglichkeiten sind Sie gefragt, von Ihren Rechten Gebrauch zu machen. Fühlen Sie sich eingeladen und
aufgefordert, sich einzumischen! Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich darum, den Verfassungsund Gesetzesänderungen zuzustimmen, um die direkte Demokratie in Bremen weiterzuentwickeln. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Antrag wollen wir einen weiteren wichtigen Baustein für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Bremen schaffen: leicht zugängliche und verständliche Informationen! Wir wollen eine Internetseite schaffen, die einen Gesamtüberblick über die Grundzüge Bremer Politik und die vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten gibt, alles klar und verständlich mit einem Klick!
Man könnte auch sagen, „Politik für Dummies“ – ich weiß nicht, ob manche diese Bücherreihe kennen –, also wirklich ganz einfach erklärt!
Warum ist das notwendig? Ernst Fraenkel, ein Gründungsvater der modernen Politikwissenschaften, hat einmal gesagt: „Die Demokratie ist nicht nur die kom
plizierteste Staatsform, sie ist auch die gefährdetste aller Regierungsmethoden.“ Weiter meint er, wenn die Einsicht in das Funktionieren der Willensbildung verloren geht, ist das der Selbstmord der Demokratie.
Schaut man sich die aktuellen Umfragen an, sind sie alarmierend. Nicht nur das Vertrauen in politische Institutionen, sondern auch das Wissen über sie lässt stark zu wünschen übrig. Politik wirkt auf viele Menschen nicht sehr einladend, sie sehen Politik als einen komplizierten Dschungel aus unbekannten und undurchdringbaren Strukturen. Viele Bürgerinnen und Bürger wissen oft gar nicht, wie eine politische Lösung überhaupt zustande kommt, geschweige denn, was der Unterschied zwischen einem Ausschuss und einer Deputation ist. Ich wurde auch selbst schon von Studentinnen und Studenten gefragt, was eigentlich eine Senatorin so macht.
Wir, vor allem diejenigen von Ihnen, die schon lange dabei sind, können das aber manchmal nicht ganz nachvollziehen. Es ist auch unser tägliches Brot, in Fraktionssitzungen zu beraten, Anträge an den Senat zu verabschieden oder Berichtswünsche in Deputationen zu äußern. Für viele Bürgerinnen und Bürger, die nicht in unsere alltäglichen Abläufe involviert sind, ist es nicht leicht, sich durch diesen Dschungel zu kämpfen, aber auch sie sind nicht auf den Kopf gefallen, sie sind Expertinnen und Experten in ganz anderen Bereichen. Sie sind von unseren Entscheidungen betroffen und hätten auch etwas zu der einen oder anderen Lösungsfindung beitragen können.
Die Beteiligungsmöglichkeiten in Bremen sind vielfältig, und manche werden vorbildlich beworben, wie zum Beispiel die Online-Petition. Bei anderen, wie dem Bürgerantrag oder dem Volksbegehren, lässt einen die Internetseite der Bürgerschaft aber im Dunkeln stehen. Es ist sehr mühsam, sich alle Informationen zusammenzusuchen.
Als Repräsentanten tragen wir nach Auffassung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Verantwortung, unsere Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar und verständlich darzustellen. Ein einfacher Überblick über die Strukturen, Zuständigkeiten
und Abläufe kann dabei helfen, Detailinformationen einzuordnen. Wir müssen sicherstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger mühelos in Erfahrung bringen können, wie sie sich auch außerhalb der Wahlen einbringen können. Eine Internetseite kann natürlich nur einen Teil dazu beitragen, aber über das Internet können viele, vor allen Dingen auch junge Leute erreicht werden. Bis jetzt gibt es eine solche Internetseite in Bremen nicht. Das sollten wir ändern, und deswegen bitte ich um Zustimmung für diesen Antrag. – Vielen Dank!
Wir fragen den Senat:
Erstens: Wie werden Kinder und Jugendliche in Verfahren der stadträumlichen, städtebaulichen und verkehrlichen Entwicklung beteiligt?
Zweitens: Wie werden Kinder und Jugendliche an der Entwicklung, Konzeption und Realisierung von außerschulischen Bildungs-, Kultur- und Freizeitangeboten und -einrichtungen beteiligt?
Drittens: Wie werden Kinder und Jugendliche in den Bremer Kindertagesstätten und Schulen auf Beteiligungsprozesse, -möglichkeiten und -rechte vorbereitet?
Frau Senatorin, Sie haben gesagt, dass es ein zentrales Handlungsprinzip bei den außerschulischen Einrichtungen ist und dass es in den Angeboten berücksichtigt wird. Können Sie mir vielleicht Beispiele nennen, wie die Kinder und Jugendlichen dort beteiligt werden?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Jawohl, wir nehmen das Gesetz sehr ernst, liebe Frau Motschmann, und ich sehe das ein wenig anders als Sie! Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind, befinden sich in einer Konfliktsituation und brauchen eine gute Beratung sowie ein umfassendes Informationsangebot. Dies finden sie auch in Bremen. Die Mehrheit des Petitionsausschusses teilt die Einschätzung des Senats, dass Schwangerschaftskonfliktberatungen in Bremen fachgerecht durchgeführt werden.
Das gilt auch für den in der Petition kritisierten Träger pro familia! Der Bundesverband pro familia ist der gemeinnützige Träger der Beratungsstellen und des Medizinischen Zentrums, in dem unter anderem auch Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Da haben Sie auch recht, aber es ist rechtens, denn das Medizinische Zentrum ist wirtschaftlich und organisatorisch streng von der Beratung getrennt.
Regelmäßige Überprüfungen durch die senatorische Behörde stellen dies sicher. Somit ist ein materielles Interesse der Beratungsstelle an der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen auszuschließen.
Zum Internetauftritt, Frau Motschmann: Seit 2008 ist der Bundesverband pro familia für den Internetauftritt von pro familia in Bremen verantwortlich. Es gibt mehrere Rechtsgutachten zu diesem Internetauftritt, die zeigen, dass es auch hier nichts zu beanstanden gibt.
Auf der Internetseite können sich die Frauen umfassend über die verschiedenen Angebote informieren, und das ist auch gut so.
Insgesamt schätzen wir Grüne die Arbeit von pro familia sehr. Pro familia bietet eine wichtige Alternative zu den kirchlichen Beratungsstellen und berät Rat suchende Frauen sehr kompetent und einfühlsam und nicht interessengeleitet!
Somit folgen wir der Empfehlung des Petitionsausschusses. – Vielen Dank!