Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne die 54. Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag).
Ich begrüße recht herzlich die anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse und der Medien.
Meine Damen und Herren, die interfraktionellen Absprachen können Sie dem Umdruck der Tagesordnung mit Stand heute, 9.00 Uhr, entnehmen.
Nachträglich wurde interfraktionell vereinbart, den Tagesordnungspunkt 36 „Duale Ausbildung im Handwerk stärken – Meisterbrief nicht entwerten“ auszusetzen.
Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 19. September 2013 (Drucksache 18/1063)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Schwul“ ist auf Bremer Schulhöfen immer noch das am meisten verwendete Schimpfwort. Schwulenklatschen, das heißt, das Verprügeln von Homosexuellen, ist neben Angriffen auf Andersfarbige, auf Behinderte, auf Obdachlose das häufigste Delikt der sogenannten Hate Crimes. Schwul wird immer noch als Synonym für weibisch, für schwach, für undiszipliniert verwendet.
Immer noch verbreitet ist die Vorstellung, dass Homosexuelle ihr lasterhaftes Tun ausschließlich deshalb ausleben, weil sie sich willentlich von der wahren, von der richtigen sexuellen Norm abwenden. Wer so etwas tut, der kann eben kein richtiger Mann oder auch keine richtige Frau sein. Bestenfalls ist er krank oder süchtig, vielleicht einfach disziplinlos. Schlimmstenfalls negiert er zur sexuellen Befriedigung vorsätzlich das vorgeblich Normale, ist enthemmt, ist hedonistisch, oder er will zum Sittenverfall in Wort und Tat beitragen. Die Konsequenzen eines solchen Denkens sind unter anderem die russischen Gesetze gegen homosexuelle Propaganda.
Selbstverständlich ist eine solche Vorstellung völlig frei von jeder wissenschaftlichen Begründung. Man entscheidet sich nicht dafür, homosexuell zu sein. Man
entscheidet sich auch nicht dafür, heterosexuell zu sein. Es ist keine Frage des freien Willens, sondern man ist einfach so.
Gleichfalls wird aber die rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung, die wir in Deutschland und überhaupt in Westeuropa in den letzten Jahren erreicht haben, als Angriff auf gesellschaftliche Traditionen und Werte verstanden. In der Positionierung gegen die Gleichstellung der Homosexualität fokussiert sich der Kampf gegen eine liberale, gegen eine demokratische, gegen eine offene, gegen eine internationalistische, gegen eine westliche Lebensweise. Wie sonst ist es zu erklären, dass der progressive Wandel, den wir in Westeuropa haben, synchron, symmetrisch mit einer Verschärfung der Situation von Homosexuellen in Osteuropa, in Afrika und in Asien einhergeht?
Homophobie ist die Angst vor homosexuellen Menschen und vor ihren Lebensweisen. Es ist die Angst vor der Infragestellung zentraler Normvorstellungen. Es ist die Angst vor dem Angriff auf traditionelle Familienstrukturen. Gegebenenfalls ist es auch die Angst vor der Infragestellung der eigenen Männlichkeitsund der eigenen Weiblichkeitsideale. Diese Angst hat in Frankreich Hunderttausende in den letzten Jahren auf die Straße getrieben, die gegen die Homoehe demonstriert haben. Diese Angst treibt über 100 000 Menschen dazu, eine Petition gegen einen Bildungsplan in Baden-Württemberg zu unterschreiben. Diese Angst hat in Kroatien dazu geführt, dass in einer Volksabstimmung die homosexuelle Ehe für die kroatische Verfassung ausgeschlossen worden ist.
Man muss feststellen, dass diese Angst Triebfeder eines Kulturkampfes ist. Auch in Europa und Deutschland wird dieser Kulturkampf geführt, meistens hier in Deutschland als Abwehrschlacht, bei der man erst dann zurückweicht, wenn die Positionen durch Verfassungsgerichte für nicht mehr haltbar erklärt werden.
Die Strafbarkeit homosexueller Beziehungen wurde erst vor 20 Jahren aufgehoben. Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist zwölf Jahre alt. Die Urteile zur steuerlichen Gleichbehandlung der Lebenspartnerschaft stammen aus den letzten vier Jahren. Eine vollständige rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung, zum Beispiel im Adoptionsrecht, ist allerdings noch immer nicht erreicht. Angst ist meines Erachtens immer ein schlechter Ratgeber. Eine demokratische Gesellschaft lebt von ihrer Vielfalt.
Homosexuelle – und das ist meine feste Überzeugung – müssen in unseren Städten offen schwul oder lesbisch leben können, ohne körperliche und verbale Gewalt befürchten zu müssen.
Deshalb müssen sich staatliche und demokratische Institutionen gegen diese Angst positionieren. Sie müssen in diesem Kulturkampf Partei ergreifen. Mit dem Aktionsplan Homophobie und anderen Beschlussvorschlägen kann die Bürgerschaft in Abwandlung des Rosa-Luxemburg-Wortes unterstreichen: Freiheit ist auch immer die Freiheit des Andersseienden! – Ich danke Ihnen!
Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne eine englische Delegation aus Staffordshire. Ganz herzlich möchte ich den Chairman of the County Council, Mr. Ian Lawson, und seine Frau Kay begrüßen.
Diese Delegation ist auf Einladung des Volksbundes unter anderem zum Besuch der Jubiläumsmusikschau der Nationen in Bremen. Seien Sie ganz herzlich willkommen!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir im September diesen Antrag einbrachten, konnten wir eigentlich noch nicht ahnen, welche Dimensionen das Thema Homosexualität und die Frage der Homophobie in den letzten Wochen annehmen würde.
Als sich mit Thomas Hitzlsperger vor Kurzem der erste deutsche Fußballnationalspieler geoutet hat, brach in unserem Land wieder eine Debatte aus, und alle Seiten bekannten sich doch irgendwie zu ihrer Toleranz: Es sei ja auch gar nicht so schlimm, schwul zu sein. Danach wurde aber schon sehr schnell deutlich, dass es mit eben dieser Toleranz dann doch nicht so weit her ist, auch im Sport. Es sei schon richtig, so versuchten uns mehrere Experten und Bundesligamanager zu erklären, dass sich Thomas Hitzlsperger nun, wo er nicht mehr aktiv ist, geoutet hat. Zu einem Outing als aktiver Profi könne man ja nun wirklich niemandem raten. Man wisse halt nicht, wie die Fans in den Stadien reagieren würden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, solche Aussagen sind weder hilfreich, noch sind sie durch irgendetwas begründet.
Kurz danach machte dann eine Petition deutschlandweit die Runde, die sich gegen den Bildungsplan der baden-württembergischen Landesregierung wandte. Die in der Petition verwandten Begründungen, warum Schülerinnen und Schülern im Unterricht nicht ohne ethische Bewertung die sexuelle Vielfalt dargestellt werden sollte, waren von Vorurteilen und Unwahrheiten gegenüber Homosexuellen geprägt. Da war die Rede von Suizidgefährdung, da war die Rede von psychischen Erkrankungen und vielem mehr.
Deutschlandweit und auch in Bremen fand sich eine erschreckend hohe Zahl von Menschen, die diese Haltung mit ihrer Unterschrift unterstützten. Viele setzen Homosexualität offensichtlich noch immer mit einer Krankheit gleich und halten sie für heilbar. Mich persönlich erinnert das gelegentlich an den Exorzismus. Auch da hat man versucht, Menschen etwas auszutreiben.
Beide Beispiele stammen aus sehr unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft, machen aber eines deutlich: Vielfalt ist in unserer Gesellschaft noch längst keine Selbstverständlichkeit.
Die sehr große Mehrheit in diesem Haus hat in den vergangenen Jahren alle landesgesetzlichen Regelungen zur Gleichstellung homosexueller Paare mit der Ehe beschlossen. Auf der Ebene des Bundes herrscht dagegen seit Jahren Stillstand, wenn nicht das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber zum Handeln auffordert. Das ist wiederum ein sehr trauriges Bild.
Wenn der Staat selbst diskriminiert, signalisiert er, Schwule und Lesben sind eben nicht gleichwertig. Das darf nicht sein!
Aber Gesetze sind halt nur ein Teil der gesellschaftlichen Anerkennung. Der andere findet tagtäglich da draußen und hier drinnen statt. Über unseren eigenen Umgang mit unterschiedlichen sexuellen Identitäten tragen wir alle zum gesamtgesellschaftlichen Bild bei: am Arbeitsplatz, in der Kneipe, im Sport und eben auch in der Politik. Mein Respekt gehört schon jetzt all jenen Sportlerinnen und Sportlern, die sich im Rahmen der Olympischen Winterspiele in Sotschi