Björn Tschöpe

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kollege Knäpper, vielleicht hilft es, Ihnen das Verfahren zu verdeutlichen, wenn ich Ihnen erläutere, an welchem Punkt wir gerade sind. Das ist Ihnen anscheinend nicht ganz präsent.
Die Entscheidung, wer sich für Deutschland beim IOC bewerben wird, trifft ausschließlich der Deutsche Olympische Sportbund. Im März entscheidet der DOSB zwischen der Stadt Berlin und der Stadt Hamburg. Beide Städte haben Konzepte vorgelegt, wie sie sich bewerben wollen. Die Stadt Hamburg hat ein Konzept vorgelegt, das überhaupt keine Beteiligung der Freien Hansestadt Bremen oder der Hansestadt Rostock vorsieht. Hamburg hat, da man dort schlecht segeln kann, für die Segelwettbewerbe die Hansestadt Kiel einbezogen. Wie heißt der Ort für die Vielseitigkeitsreiter? Ich vergesse das immer.
Luhmühlen. – Ansonsten hat man in Hamburg eine Insel. So wollen die Hamburger die Olympischen Spiele ausrichten. Das ist das Konzept. Auf dieser Grundlage wird der DOSB entscheiden.
Es ist doch völlig selbstverständlich, dass die Stadt Hamburg, sollte sie für den DOSB in die internationale Ausscheidung einziehen, überlegen wird, ob sie das Konzept, mit dem sie sich national beworben hat, aufrechterhält oder ob sie von den im Rahmen der
Reformbestrebungen vom IOC geschaffenen erweiterten Möglichkeiten Gebrauch macht und die Spiele diversifiziert, das heißt, auf verschiedene Veranstaltungsorte verteilt. Dann wird Hamburg an Bremen herantreten – oder auch nicht – und uns fragen, ob wir ihnen helfen können, indem wir vorhandene Sportanlagen zur Verfügung stellen. Bremen wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir sagen würden, dass wir das nicht machen. Selbstverständlich würden wir helfen!
Dann gibt es ein neues Konzept, Herr Knäpper, und das IOC entscheidet, ob eine deutsche Stadt – Sie hoffen, dass es Hamburg ist – Austragungsort sein wird; nach allem, was ich höre, wird das ohnehin nicht 2024, sondern frühestens 2028 der Fall sein. Dann wird man schauen, wie man das alles umsetzen kann. Bremen wird seine jetzt vorhandene Sportinfrastruktur gern der Schwesterstadt Hamburg zur Verfügung stellen, wenn das gewünscht ist.
Lassen Sie mich klar sagen, dass es bei den LINKEN, den Grünen und der SPD sehr unterschiedliche Einstellungen zu Olympischen Spielen gibt; bei der CDU ist das vielleicht anders. Der Bogen reicht von der absolut negativen Einstellung des Kollegen Tuncel bis hin zu der positiven Einstellung, die Kollegin Rosenkötter dargestellt hat. Wenn Bremen sich selbst bewerben, das heißt, den Hut in den Ring werfen würde, um Austragungsstadt für Olympische Spiele zu werden, müssten wir darüber entscheiden. Ich glaube in der Tat, dass es auch in der SPD zu einer schwierigen Diskussion darüber käme, ob es angemessen wäre, dass Bremen allein sich für Olympische Spiele bewirbt.
Aber darüber müssen wir nicht entscheiden. Wir sind selbstverständlich bereit, unsere vorhandene Sportinfrastruktur – ob mit oder ohne Entgelt, am besten mit – Hamburg zur Verfügung stellen, wenn Hamburg sie braucht.
Dafür muss sich erst einmal für Hamburg entschieden werden. Der Antrag der CDU-Fraktion kommt zur Unzeit. Darüber hinaus fordern Sie – das finde ich für ein Haushaltsnotlageland in der Tat schräg –, dass wir Bremer Steuerzahlergeld für Olympische Spiele einsetzen, die gegebenenfalls in Hamburg stattfinden. Das werden wir garantiert nicht tun.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Artikel 4 und Artikel 59 unserer Landesverfassung definieren die Rolle des Staates – und damit auch des Parlamentes – in Glaubenskonflikten:
„Glaube, Gewissen und Überzeugung sind frei. Die ungehinderte Ausübung der Religion wird gewährleistet.“
„Die Kirchen und Religionsgesellschaften sind vom Staate getrennt. Jede Kirche, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre sämtlichen Angelegenheiten selber im Rahmen der für alle geltenden Gesetze. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“
Völlig klar und unzweifelhaft ist Pastor Latzel ein Rundumbeleidiger. Integrale Glaubensbestandteile des Buddhismus, des Islams, des Katholizismus so abzuwerten, wie Latzel es getan hat, ist beleidigend für Buddhisten, Moslems und Katholiken. Deshalb prüft die Staatsanwaltschaft, ob Paragraf 166 StGB – Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen – erfüllt ist. Im Übrigen beseitigt eine Entschuldigung, wie ernst auch immer sie gemeint ist, die mögliche Strafbarkeit dieses Verhaltens nicht.
Auch stellt die Religionsfreiheit keinerlei Rechtfertigungsgrund für ein derartiges Verhalten dar. Ich habe
aber gleichzeitig großes Vertrauen darin, dass eine unabhängige Justiz dies angemessen zu werten weiß.
Meine Damen und Herren, es ist weder die verfassungsrechtliche Aufgabe des Parlamentes noch haben wir den Auftrag zu entscheiden, ob Latzels Thesen von der Reinhaltung des christlich-evangelischen Glaubens am Beispiel Gideons konfessionsresistent sind oder nicht. Eigentlich könnte man mit diesem Hinweis die Debatte im Parlament um die Latzel-Predigt beenden und feststellen: Es ist eine innerkirchliche Angelegenheit der BEK, wie sie damit umgeht. – Kollege Röwekamp hat die Schwierigkeiten der BEK geschildert. Ich persönlich finde den bisherigen Umgang der BEK mit dieser Predigt völlig angemessen.
Trotzdem – in diesem Punkt unterscheiden wir uns, Kollege Röwekamp – wird die SPD-Fraktion dem Antrag der LINKEN zustimmen. Wir sind nämlich der festen Überzeugung, dass es in der Predigt vom 18. Januar 2015 nicht – wenn, dann nur untergeordnet – um theologische Differenzen gegangen ist. Am 11. Januar 2015 hatten in Paris Millionen Menschen jeglicher Religion gegen Hass und Terror und für ein friedliches Zusammenleben aller Religionen demonstriert. Am 13. Januar 2015 gab es eine von Muslimen organisierte Großdemonstration in Bremen mit Rednern aller Religionen zu demselben Thema. Am 16. Januar 2015 haben wir, die Fraktionen, aber vor allen Dingen Vertreter der Zivilgesellschaft und aller Bremer Religionsgemeinschaften, im Rathaus zusammengesessen und den Aufruf „Bremen tut was!“ verfasst und unterzeichnet. Ich möchte aus diesem Aufruf kurz zitieren:
„Damit dieses weltoffene Bremen jeden Tag Realität sein kann, müssen wir ohne Vorbehalte und Ängste aufeinander zugehen, miteinander reden, einander zuhören und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wir setzen auf ein friedliches Miteinander aller Menschen in unserer Stadt und bieten deshalb intensiv den Dialog zwischen allen Kulturen, Religionen und Weltanschauungen an.“
Ich bin mir sicher, Pastor Latzels Predigt zwei Tage später war eine direkte Replik auf diesen gemeinsamen Aufruf. Neben der Rundumbeleidigung aller anderen Religionen war das Thema seiner Predigt die Abgrenzung, das Trennende, die Reinhaltung seines von ihm definierten Glaubens am Beispiel Gideons. Thema war nicht das Verbindende, sondern es wurde bewusst ein Kontrapunkt zu dem Aufruf gesetzt. Die Predigt war ein bewusstes Absetzen von der Feststellung „Bremen ist bunt!“ Latzels Position ist nicht meine und auch nicht die der SPD. Ich glaube, sie ist auch nicht die Position der Mehrheit dieses Hauses.
Latzels Beleidigungen sind ein Fall für die Justiz. Seine Reinhaltungsposition ist hingegen von der Meinungsfreiheit und der Religionsfreiheit gedeckt. Auch wenn man sie nicht teilt, muss man sie wahrscheinlich als politische Öffentlichkeit ertragen. Aber – das ist genauso sicher – Meinungsfreiheit ist nie die Freiheit, ohne Widerspruch zu bleiben.
Mit unserer Zustimmung zu diesem Antrag tun wir genau dies: Wir erheben Widerspruch gegen die gesellschaftliche Spalterposition Pastor Latzels.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man aus fast zweijährigen Ausschussberatungen, die sehr sachbezogen und en détail mit Sachverständigenanhörungen stattgefunden haben, herauskommt, ein Ergebnis erzielt hat, das nicht nur alle tragen, sondern das drei Parteien für das einzig rechtlich mögliche Ergebnis halten, während eine Partei eine rechtlich abweichende Position hat, dann ist es erstaunlich, wenn hier im Parlament sozusagen Krieg und Frieden aufgeführt wird, das ganz große Drama, als wäre das eine derartig existenzielle Frage, und wir hätten nichts gelernt. Ich glaube, wir haben alle etwas gelernt, Herr Röwekamp!
Die Auseinandersetzung, die sich im Jahr 2010 abgespielt hat, das muss man vielleicht noch einmal sagen, gab es doch zwischen denjenigen, die gesagt haben, das bräuchten wir in der Landesverfassung nicht, weil das, was im Grundgesetz stehe, die Länder unmittelbar bindet und denjenigen, die wie Sie gesagt haben, wir bräuchten es trotzdem, um politisch noch einmal zu demonstrieren, dass wir es auch wollen! Wir haben immer gesagt, dass das völliger Unsinn ist, weil wir eine entsprechende Vereinbarung mit dem Bund haben unterschreiben lassen, mit der wir uns zur Konsolidierung verpflichten. Wenn Sie jetzt sagen, Sie hätten es immer gewusst, Sie können dazu gleich noch etwas sagen: Ich glaube, Ihnen war nicht völlig klar, welchen Gestaltungsspielraum wir am Ende haben.
Ich gebe ehrlich zu, ich habe in diesem Prozess gelernt. Ich habe gedacht, die Notwehrklausel, die wir vorgeschlagen haben, die Rheinland-Pfalz in der Landesverfassung hat, ist vernünftig. In Berlin wird über eine Steuersenkung entschieden, und das führt in Bremen relativ kurzfristig zu Ausfällen von 20, 30, 40 Millionen Euro im Jahr. Da habe ich gedacht, dass es doch ausgesprochen vernünftig ist zu sagen, dieser Anpassungsprozess muss abgefedert werden können, zumindest kurzfristig. Ich habe lernen müssen, dass diese Anpassung nicht im Rahmen des Artikels 109 Grundgesetz vorgesehen und rechtlich nicht zulässig ist. Inhaltlich finde ich es übrigens immer noch vernünftig, dass man auf Faktoren, auf die man keinen Einfluss hat, reagieren kann.
Frau Vogt hat ja Recht, wir sind in unserer Einnahmesituation, in unserer Ausgabesituation massiv abhängig von dem, was der Bund macht, und dass man einen Zeitkorridor zur Anpassung hat, Herr Dr. Kuhn, darüber haben wir auch lange diskutiert, ob das eigentlich richtig oder falsch ist.
Ich habe dazu noch einen weiteren Gedankengang, es ist immer so leicht, Schuldenbremse, Herr Dr. Kuhn, am Ende war mir das zu wenig kritisch: Am Ende teile ich den Weg, aber die Analyse, dass Schulden die Handlungsfähigkeit des Staates massiv reduzieren, teile ich absolut. Wir sehen aber doch schon jetzt, mit welchen Kosten das auch schon im reichen Deutschland verbunden ist, wenn man eine schwarze Null erreicht. Es funktioniert nämlich indem, dass ich bei den Investitionen nachgelassen wird. Wir haben ein Investitionsdefizit im öffentlichen Bereich, etwa bei Straßen und Brücken, von 5 Milliarden Euro, dem wir nicht begegnen, ich gebe das nur zu bedenken.
Ich glaube, dass die Regelung, die wir jetzt im Grundgesetz haben, volkswirtschaftlich wahrscheinlich nicht das letzte Wort sein wird. Das Ziel, als Staat handlungsfähig sein zu müssen, sowohl einerseits Investitionen in die Zukunft leisten zu können und auf der anderen Seite uns nicht so zu verschulden, dass uns die Zinsen auffressen, wird, glaube ich, das Kunststück sein, das Politik am Ende des Tages zu bewältigen hat. Die Regelung des Bundes ist aber eine andere, sie ist so, wie sie ist, und man kann sie nicht ändern. Dementsprechend habe ich auch kein Problem, an dieser Stelle mitzugehen. Ich glaube aber, an dieser Stelle müssen wir aber Frau Vogt auch einfach noch einmal recht geben. Das ist nicht unproblematisch, das ist auch nicht nur ein Stück Freiheit, das man da gewinnt, sondern damit sind auch viele ungeklärte Fragen verbunden.
Ich komme zu meinem zweiten Punkt, auf europäischer Ebene wird es doch sehr wohl diskutiert: Ist Austeritätspolitik, die in Spanien zu einer Jugendarbeitslosigkeit von 55 Prozent führt, die zu massi
ven Verwerfungen in Portugal führt, zu massiven Verwerfungen in Irland geführt hat, der Weisheit letzter Schluss? Nach allem, was mir bekannt ist, ist dieser Diskussionsprozess noch nicht abgeschlossen. Ich glaube, wir müssen zu einer Regelung kommen, und Deutschland hat sie so getroffen, wir wollen keine zusätzlichen Schulden, die uns knebeln, aber wir wollen auch weiterhin etwas investieren können. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, für Bremen wird es ein Problem werden, wenn wir für eine größere Brücke in Bremen Investitionsbedarf haben, den nicht ein anderer Kostenträger deckt. Wenn die Stephanibrücke hier herunterfällt,
dann werden wir sie am Ende des Tages ersetzen müssen, und wenn uns das kein anderer zahlt, dann wird es ausgesprochen fraglich sein, wie wir im Jahr 2021 eine solche Brücke finanzieren könnten. Dementsprechend sage ich, diese Regelungen sind im Rahmen dessen, was Deutschland sich gesetzt hat, sie haben viel befreiendes Potenzial, dass man sich nicht für Unnützes oder die Befriedigung politischer Bedürfnisse verschuldet, aber sie sind auch nicht unproblematisch.
Dann komme ich einmal auf Ihren Beitrag, Herr Röwekamp! Ich habe Ihre sachbezogene Zusammenarbeit im Ausschuss ausgesprochen geschätzt, aber wie tief muss eigentlich der Stachel sitzen, in der Opposition zu sein?
Eben, deswegen frage ich Sie ja!
Der Stachel, in der Opposition zu sitzen, muss unglaublich tief sein.
Wir haben ein sehr striktes Schuldenregiment, eine Konsolidierungsvereinbarung mit dem Bund. Diese Konsolidierungsvereinbarung mit dem Bund sieht vor, in einem Zeitraum von zehn Jahren das Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben jedes Jahr um ungefähr 100 Millionen Euro zu reduzieren. Erstaunlicherweise, Herr Röwekamp, haben wir das in den letzten vier Jahren jedes Jahr – Jahr für Jahr, egal welches Theater die CDU hier aufgeführt hat – geschafft, und der Bund hat 300 Millionen Euro als Bonus dafür überwiesen.
Dann kann man sagen, ihr spart nicht genug, oder hier müsstet ihr an dieser Stelle noch mehr sparen. Ich fühle mich immer – ich habe das, glaube ich, schon einmal in einer Debatte gesagt – in solch einer Debatte wie im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“: DIE LINKE sieht die verelendenden Massen durch Bremen marodieren, die CDU sieht auf der anderen Seite den Staatsbankrott nahen, und was ist passiert? Wir haben ein funktionierendes Gemeinwesen, über das man politisch diskutieren und dabei sagen kann, was man anders machen würde, aber, Herr Röwekamp, was mich wirklich langsam nervt, ist das Aufführen desselben Stücks! Sie sagen, ihr spart nicht genug, und jeder Ihrer Anträge und jeder der Redebeiträge der von mir sehr geschätzten Kollegen der CDU lautet: Gebt dort mehr Geld für Lehrer aus, gebt dort mehr Geld für die Polizei aus, baut dort mehr, spart hier weniger!
Das kann man als Opposition machen, wenn man sich im Wahlkampf befindet, aber irgendwann ist die Grenze der Lächerlichkeit einer solchen Positionsentwicklung erreicht! Für mich war sie vor zwei Tagen erreicht, als die CDU öffentlich verkündet hat, die Sanierung Bremens werde dadurch gelingen, dass die Große Koalition aus Rot und Grün auf den autofreien Sonntag verzichtet. Das ist absurd, was Sie hier zum Teil darbieten!
Deswegen, Herr Röwekamp, noch einmal der Dank. Ich fand es gut, mit Ihnen im Ausschuss zusammengearbeitet zu haben, ich finde diese Lösung, die wir hier gemeinsam gefunden haben richtig, sie wird auch tragen. Ich bitte Sie aber, werden Sie endlich oppositionsfähig, und machen Sie hier nicht solch ein Gehampel!
Herr Präsident, meine sehr
verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Wochen wurden in Paris 17 Men schen von drei islamistischen Attentätern ermordet. Getötet wurden linksliberale Journalisten, Polizisten, zufällig ausgewählte Juden in einem Supermarkt. Auf ihrer Flucht ermordeten sie kaltblütig den bereits
hilflos am Boden liegenden Polizisten Ahmed Me rabat. Ein weiterer Attentäter erschoss wahllos eine Polizistin und dann, einen Tag später, vier jüdische Geiseln in einem Supermarkt. Unmittelbar nachdem die Attentäter elf Menschen in der Redaktion von Charlie Hebdo brutal umgebracht hatten, riefen die Täter: „Wir haben Charlie getötet!“
Meine Damen und Herren, dem französischen
Philosophen Voltaire wird folgendes Zitat zuge schrieben: „Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dür fen.“ Wahrscheinlich schwingt zu viel Pathos in diesem Zitat mit, ich jedenfalls weiß nicht, ob ich in einer für mich existenziell gefährlichen Situation wirklich wie Lassana Bathily handeln würde und unter Lebensgefahr das Leben von sechs jüdischen Geiseln retten könnte. Ich weiß auch nicht, ob ich wie Ahmed Merabat pflichterfüllend umgehend zu einem Einsatzort eilen würde, an dem Männer mit Schnellfeuergewehren auf mich warten, ich weiß auch nicht, ob ich, nachdem man mein Büro in Brand gesetzt hat, weiterhin unbeirrt religionskritische Karikaturen gezeichnet hätte.
Lässt man aber diesen historisch bedingten Pathos
weg, kommt in diesem Voltaire zugeschriebenen Zitat etwas anderes zum Ausdruck: Es kommt zum Aus druck, dass jeder in einer freiheitlichen Gesellschaft seine Meinung frei und ohne Druck äußern darf. Es kommt die Überzeugung zum Ausdruck, dass auch die andere Meinung den gleichen Wert hat, gehört zu werden, und es kommt zum Ausdruck, die Über zeugung, dass man abweichende Meinungen auch erdulden muss, selbst wenn es einem schwerfällt, eine, wie ich finde, ganz entscheidende Positionie rung von Demokraten.
Meine Damen und Herren, eine demokratische
und menschliche Gesellschaft hat diese Meinungs- und Pressefreiheit zu gewährleisten. Wenn heute die Bremische Bürgerschaft den vorliegenden Ent schließungsantrag verabschiedet, dann machen wir dies im Gedenken an die Opfer von Paris und um ein Zeichen zu setzen gegen den Terror und für die Meinungsfreiheit in unserer Gesellschaft. Ich mache das in voller Überzeugung in Trauer um die Opfer von Paris, aber ich gebe auch zu, mit einer gehö rigen Portion Wut; Wut auf die Täter, die Religion als Rechtfertigung für ihre Morde missbrauchen, aber ich sage auch ganz deutlich, Wut auch auf die Rechtspopulisten, die jetzt versuchen, zynisch Kapital aus diesem Terror zu schlagen.
Beide wollen und wollten einen Keil in unsere
freie und offene Gesellschaft treiben. Ich bin aber sicher, es wird ihnen nicht gelingen, denn in vielen europäischen Städten haben die Menschen auf den Straßen in den vergangenen Tagen ein beeindru ckendes Signal gesetzt: Wir gehören zusammen, Atheisten, Christen, Muslime und Juden. Wir haben gemeinsame Werte, frei und ohne Angst, so wollen die Menschen, so wollen wir leben. Wir wollen kei
ne Einschränkung der Pressefreiheit, weder durch Selbstzensur noch durch staatliche Maßnahmen. Wir wollen keine Sippenhaft für Muslime, für Killer, die sich auf den Islam berufen, und wir wollen nicht und auf keinen Fall wieder, dass sich in Europa oder irgendwo sonst Juden in Kellern verstecken müssen, um ihr Leben zu schützen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen
und Kollegen! Wir haben Charlie Hebdo getötet. Das haben die Attentäter von Paris gerufen, als sie aus den Redaktionsräumen gestürmt sind. Die letzten Wochen haben gezeigt: Nein, das habt ihr nicht! Die Demokratie ist stark, weil die Menschen für ihre Werte zusammenstehen, sie ist stark, weil sie aufstehen gegen den Terror der Verlierer aber auch gegen den Hass der Realitätsverweigerer, die Demokratie ist stark, weil sie ihre Werte verteidigen kann und verteidigt. Dies wird europaweit von vielen Menschen ausgedrückt, unter denen für mich zusam mengehörenden Bannern: Nous sommes Charlie, je suis Ahmed, nous sommes tous des juifs de France!
Der damalige norwegische Ministerpräsident Jens
Stoltenberg hat in seiner Trauerrede zu den Toten von Utoja eine, wie ich finde, universelle Antwort auf jede Form von Terrorismus gegeben, ich zitiere: „Wir sind entrüstet über das, was uns getroffen hat, aber wir werden nie unsere Werte aufgeben. Unsere Antwort wird mehr Demokratie sein, mehr Offenheit und mehr Menschlichkeit, aber nie Naivität.“ – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wenn es Sie wahrscheinlich erstaunen wird, auch ich war einmal Hundehalter.
Ich habe niemals verstanden, trotz allen Umgangs mit diesem Hund, warum die Glückseligkeit von manchen Menschen davon abhängt, dass sie sich aus 400 definierten Hunderassen vier nicht auswählen können. Das Problem, über das wir reden, ist doch kein tierschutzrechtliches Problem, sondern das Problem, über das wir reden, ist, dass der Gesetzgeber die Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit bei vier von 400 Rassen vorgenommen hat. Ich glaube, das hat mit Tierschutz überhaupt nichts zu tun, sondern es ist die Frage zu beantworten, ob man sich als Bürger dieses Staats jeden Wunsch erfüllen darf oder nicht. Es gibt eine klare, rechtliche Regelung, die in Bremen nicht neu ist. Der ehemalige Innensenator Böse hat sie im Jahr 2001 mit der Polizeiverordnung über Kampfhunde eingeführt, Herr Röwekamp hat sie mit dem Hundehaltungsgesetz fortgesetzt, und sie wurde unter Senator Mäurer verlängert.
Es gab im Übrigen immer einen breiten Konsens in diesem Hause, wie wir mit diesen vier Listenhunden, genannt Kampfhunde, umgehen. Mich wundert, dass der jetzt bröckelt, aber vielleicht kann ich Sie noch einmal daran erinnern. Es ist im Übrigen auch nicht willkürlich, dass wir diese vier Hunderassen landesrechtlich ausgesucht haben, sondern der Bundestag hat im Jahr 2001 mit Zustimmung aller damals im Bundestag vertretenen Parteien die Einfuhr genau dieser vier Hunde verboten. Er ist sogar noch weitergegangen, er hat die Züchtung verboten. Diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht nicht bestätigt, aber es darf keiner dieser Listenhunde nach Deutschland eingeführt werden. Also überhaupt nicht willkürlich, Herr Timke, das ist eine Entscheidung gewesen, die der Bundesgesetzgeber getroffen hat, die Bremen weiter umsetzt.
Lassen Sie mich noch einmal weiter ausführen, es ist ja nicht so, dass dieser Streit, ob das zulässig wäre oder nicht, nicht geführt worden wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat sich insgesamt sechsmal mit dieser Frage auseinandergesetzt, und jedes Mal hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass es dem Gesetzgeber zusteht, die Haltung und Züchtung dieser Hunde zu verbieten. Eine klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Wir dürfen das!
Jetzt ist die Frage, die sich dann ja immer anschließt, man muss ja nicht alles machen, was man darf: Ist das denn sinnvoll? Herr Timke, Sie haben doch eben gerade die Antwort auf diese Frage ganz klar gegeben: Wir hatten vor dem Inkrafttreten der Polizeiverordnung über 70 Beißvorfälle mit Kampfhunden, jetzt haben wir keinen Beißvorfall. Ich frage Sie, ist das nicht ein Erfolg dieses Gesetzes? Wir finden, ja!
Wer von diesem Konsenspfad abweichen möchte, möge begründen, warum er es wollte. Frau Neumeyer, mir ist nicht klar geworden, warum Sie davon abweichen wollen.
Ich möchte mich noch einmal kurz Ihren Änderungsvorschlägen widmen. Das eine ist die Chippflicht. Frau Neumeyer, vielleicht ist Ihnen bekannt, dass gerade eine Klagewelle zum Thema Chippflicht durch Niedersachsen rollt,
bei der es um die Kosten und die Einrichtung des Registers geht. Wir haben das Thema schon einmal hier diskutiert. Die SPD lehnt die Chippflicht wegen der Kosten, wegen der ungeklärten datenschutzrechtlichen Folgen und wegen des Aufbaus eines riesigen Verwaltungsapparats ab.
Wesentlich offener sind wir bei der Pflichthaftpflicht. Ich glaube aber, dass man in der Tat darüber noch einmal in Ruhe reden muss, weil – der Kollege Erlanson hat es gesagt – die finanzielle Belastung durch die Haftpflichtversicherung für Hunde liegt zwischen 50 und 150 Euro im Jahr. Es gibt viele Menschen, die schon eine haben, aber ob man einfach mit einem Fe
derstrich eine Pflichthaftpflicht einführen kann, darüber würde ich gern, meinetwegen auch in der Innendeputation, sprechen wollen.
Herr Timke, ich habe Ihre Kritik an der Tierarztregelung nicht verstanden, Sie sagten, ein ganzer Berufsstand werde unter Generalverdacht gestellt.
Ich lese Ihnen einmal den Paragrafen 278 des Strafgesetzbuches vor: „Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen, welche ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseren Wissens ausstellen, werden mit Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafen bestraft.“
Diesen Paragrafen gibt es, glaube ich, seit dem Jahr 1893 im deutschen Strafrecht, das einzige, was jetzt hier gemacht wird, ist, dass er Tierärzte den normalen Ärzten gleichstellt. Ich kann da überhaupt keinen diskriminierenden Generalverdacht, sondern nur eine absolute Gleichbehandlung erkennen. Ihre Argumentation finde ich absurd!
Lassen Sie mich eine Sache sagen: Wir können politisch über die Frage streiten, ob es eigentlich sinnvoll ist, dass Bremen so weit geht und sagt, Kampfhunde, die außerhalb Bremens gehalten werden, wollen wir eigentlich auch nicht auf Bremens Straßen sehen. Darüber können wir politisch unterschiedlicher Meinung sein. Ich halte es für sinnvoll, dass außerhalb Bremens gehaltene Kampfhunde nicht durch Bremen promenieren können, sondern dass deren Aufenthaltsdauer in Bremen limitiert ist. Ich glaube, das schafft Sicherheit. Die Beißvorfälle, die wir vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gehabt haben, sprechen eine deutliche Sprache, jetzt haben wir keinen mehr, das Gesetz hat sich bewährt. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Über die gesellschaftlichen Verhältnisse und die beginnende Legitimationskrise unseres demokratischen Systems haben meine Vorredner ausreichend gesprochen, ich will das nicht wiederholen, auch die Zahlen nicht.
Im Jahr 1990 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Wahlrecht unmittelbar an die deutsche Staatsbürgerschaft gekoppelt werden muss. Dieser Sichtweise hat sich der Staatsgerichtshof im Frühjahr 2014 schließlich mit einer Mehrheit von sechs zu eins angeschlossen. Ich gebe hier ganz offen zu, dass ich diese Entscheidung bedauere.
Ich bin auch davon überzeugt, dass das angestrengte Verfahren im Gegensatz zu der Verlautbarung manch anderer Parteien überhaupt nicht vergeblich gewesen ist, denn der Staatsgerichthof hat anders als das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass diese Verhältnisse in Deutschland durch eine einfache Grundgesetzänderung veränderbar sind. Das heißt, wenn der Bundesgesetzgeber will, kann er das Grundgesetz ändern, und damit könnte ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern das Wahlrecht gewährt werden. Das sah 1990 in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts deutlich anders aus, als es jetzt nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs aussieht.
Jetzt kommen wir zu der Frage, die nicht mehr juristisch ist, sondern politisch wird: Für eine solche Änderung des Grundgesetzes, Kollege Röwekamp, braucht man eine Zweidrittelmehrheit. Leider ist es in der Geschichte der Bundesrepublik so, dass es noch nie eine Zweidrittelmehrheit gegen die CDU gegeben hat.
Wenn ich jetzt aufzähle, wer auf Bundesebene alles für eine Wahlrechtsänderung ist, dann sind das die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE. Wir
unterscheiden uns graduell darin, wie weit die Änderung gehen kann und wie es ausgestaltet wird.
Nein, selbst wenn man die Splitterparteien Piratenpartei und FDP hinzunehmen würde, reichte es immer noch nicht, Kollege Röwekamp!
Worauf kommt es an? Es kommt am Ende des Tages – –.
Dass die CSU an dieser Stelle progressiver sein wird als die CDU, kann ich mir nicht vorstellen.
Es kommt am Ende des Tages, Herr Kollege Röwekamp, auf Ihre Haltung dazu an, und das ist die Frage, die Sie und Ihre Partei irgendwann einmal beantworten müssen. Es kommt auf die Haltung der CDU dazu an, ob Sie die Partizipation von Drittstaatsangehörigen und EU-Bürgern wollen oder nicht.
Sie können sich nicht mehr dahinter verstecken, und das war ja auch das Ärgerliche in der Auseinandersetzung, dass das grundgesetzlich nicht möglich ist. Der Staatsgerichtshof hat deutlich festgestellt: Es geht, man muss nur noch wollen! Damit wird es eine Frage der Haltung.
Die Mehrheit in diesem Haus, alle außer Ihrer Fraktion – –.
Sie wollen es nicht. Wir sind der Meinung, es wäre ein Gewinn für die Demokratie. Ich persönlich bin mir im Übrigen sicher, Kollege Röwekamp, dass die CDU diesen gesellschaftlichen Wandel auf Dauer nicht ignorieren kann. So eine Blockadehaltung zahlt sich nicht aus!
w e k a m p [CDU]: Wenn es falsch wäre, gäbe es ja vielleicht auch eine andere Mehrheit!)
Es gibt ja auch Menschen, die die CDU aus anderen Gründen wählen als wegen ihrer Haltung zum Wahlrecht für EU-Ausländer.
Das gibt es bei der SPD auch, aber vielleicht ist es ja einmal ganz hilfreich, so ein bisschen hinauszuschauen und sich anzusehen, wer sich denn eigentlich alles für so ein Ausländerwahlrecht einsetzt. Da gibt es Menschen, die ganz tief in Ihrem Milieu verwurzelt sind.
Ich möchte hier noch einmal den Doyen des konsularischen Korps zitieren, der uns in der Anhörung des Wahlrechtsausschusses, wie ich fand, eine sehr bedenkenswerte Argumentation mit an die Hand gegeben hat. Er hat gesagt, das konsularische Korps Bremens hätte diese Frage erörtert, und sie wären einvernehmlich der Meinung, dass das Wahlrecht internationalisiert gehört. Er hat das mit denselben Argumenten getan, mit denen das auch die Koalitionsfraktionen getan haben, aber er hat darüber hinaus noch einen weiteren Gedankengang eingeführt, den ich zumindest in diese Debatte auch noch einmal einführen möchte. Er hat gesagt, für ein Land in der Mitte Europas, für dessen wirtschaftliche und soziale Prosperität ein Zuzug von Menschen aus anderen Ländern erforderlich ist und zunehmend erforderlich sein wird, seien im Wettbewerb um geeignete Zuwanderer die Möglichkeiten der politischen Partizipation ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor.
Wenn das diplomatische Korps, das von seiner sozialen Zusammensetzung mit Sicherheit Ihnen nähersteht als vielen anderen, zu so einer einhelligen Meinung kommt, dann bin ich fest davon überzeugt, dass die Zeit nicht mehr lange dauert, bis auch Sie Ihre Haltung in dieser Frage ändern.
Lassen Sie mich mit einem Zitat von Brecht schließen: „Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so eine einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.“ Wir als SPD werden weiter dafür streiten, dass Brecht an dieser Stelle nicht recht behält. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Häsler, ich möchte einmal damit beginnen, Ihnen zuzustimmen! Der Staatsgerichtshof hat bestätigt, ja, die Landesgesetzgeber haben keinen abweichenden Spielraum bei der Definition des Wahlvolkes.
Das hat in dieser Debatte aber auch keiner behauptet, das stimmt. Welche Auswirkungen hat das? Der Staatsgerichtshof hat ausdrücklich festgestellt, dass der Bundesgesetzgeber die Definitionsmacht über das Wahlvolk hat. Daraus folgt, egal, welche juristischen Nebelbomben Sie werfen, dass es einfach einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag bedarf, damit es ein Ausländerwahlrecht gibt. So einfach wäre das.
Als politischer Diskurs bleibt dann übrig – und den fände ich wirklich spannend zu führen –, ob die CDU das will oder nicht.
Sie haben zum Schluss noch einmal gesagt, Sie wollen das nicht, und ich glaube, die politische Kontroverse in diesem Land wird wie bei so vielen Dingen in den nächsten Jahren davon geprägt sein, dass die CDU erklären muss, warum sie die einzige politisch relevante Kraft in diesem Land ist, die sich gegen eine notwendige Veränderung stemmt.
Kollege Röwekamp, man kann diese Debatte führen, und ich glaube, es ist die Debatte einer tiefen gesellschaftlichen Spaltung. Wir werden sie austragen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass der progressive Teil dieses Parlaments diese Debatte gewinnen wird wie bei den Rechten der Homosexuellen, vielleicht nicht in fünf, aber in zehn Jahren.
Frau Häsler, die unterschwellige Intendierung, die Koalition würde mit dem gewählten Verfahren Rechtsbruch oder, ich habe nicht genau zugehört, ich glaube, Sie haben sogar gesagt, Verfassungsbruch begehen, hat mich wirklich aufgeregt.
Der Begriff Rechtsbruch ist auf jeden Fall gefallen.
Juristen hilft bekanntermaßen der Blick in das Gesetz. Der Artikel 140 unserer Landesverfassung – den dürften Sie kennen – lautet wie folgt: „Der Staatsgerichtshof ist zuständig für die Entscheidung von Zweifelsfragen über die Auslegung der Verfassung und andere staatsrechtliche Fragen, die ihm der Senat, die Bürgerschaft oder ein Fünftel der gesetzlichen Mitgliederzahl der Bürgerschaft oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft des Landes Bremen vorlegt.“ Hier hat, und ich rufe das noch einmal in Erinnerung, das Parlament mit einem Bürgerschaftsbeschluss, der getragen wurde durch die Zustimmung der SPD, der Grünen und der LINKEN, bei der Enthaltung der CDU, nichts anderes getan, als den Staatsgerichtshof zu fragen, ob die Rechtsposition, die die Mehrheit des Parlaments gedenkt einzunehmen, eigentlich verfassungskonform ist, ja oder nein. Darauf hat der Staatsgerichtshof geantwortet, und Sie wollen dieses normale demokratische Verfahren als Rechtsbruch titulieren? Frau Kollegin Häsler, ich rate Ihnen, sich an dieser Stelle zu mäßigen! – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Paragraf 175, der den einvernehmlichen sexuellen Verkehr von Männern untereinander unter Strafe stellt, ist vor 20 Jahren aufgehoben worden. In den unterschiedlichen Fassungen bestand dieser Tatbestand seit der Einführung des Strafgesetzbuchs im Jahr 1871 für Deutschland. Er überlebte das Kaiserreich, die Weimarer Republik, die Besatzungszeit, die DDR, die Bundesrepublik, wie gesagt, bis zum Jahr 1994. Interessant ist, dass mit Ausnahme der Verurteilungen der Zeit von 1933 bis 1945 alle anderen Verurteilungen weiterhin rechtskräftig sind.
Bis zur Aufhebung der Vorschrift wurden in der Bundesrepublik circa 50 000 Männer verurteilt, gegen mindestens 100 000 Männer wurden Ermittlungsverfahren geführt, in der DDR waren es deutlich weniger. Viel schwerer wiegt aber, dass eine weitaus größere Dunkelziffer von betroffenen Menschen hinzukommt, das sind diejenigen, die öffentlich angeklagt, verdächtigt, in der Presse verfolgt wurden, deren gesellschaftliche Reputation zerstört wurde und die sich aufgrund der Strafandrohung selbst umgebracht haben.
Christine Lüders, die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, hat das so zusammengefasst, wie man es nicht besser zusammenfassen kann, sie hat gesagt: „Die junge Bundesrepublik hat eine ganze Generation von Männern, die Männer liebten, um ihr Lebensglück betrogen.“ Ich glaube, aus heutiger Sicht kann man sagen, dass dieser Straftatbestand eine ganz klare Menschenrechtsverletzung gewesen ist.
Umso mehr verwundert allerdings – ich hatte das eben schon ausgeführt –, dass die Urteile aus der NaziZeit von 1933 bis 1945 alle aufgehoben worden sind,
der Straftatbestand aber unverändert zumindest bis 1969 in die Rechtsordnung der Bundesrepublik übernommen wurde und die Urteile, die wegen derselben Normen ergangen sind, allerdings unter einem anderen Regime, weiterhin Bestand haben.
Der Hintergrund ist ein juristischer, ich versuche einmal, ihn einfach darzustellen: Rechtskräftige letztinstanzliche Urteile können in der Demokratie nur durch ein Gesetz aufgehoben werden. Wenn durch ein Gesetz Urteile aufgehoben werden, dann erhebt sich die Legislative, die Parlamente, über die Judikative, damit haben Juristen Probleme, weil die Gewaltenteilung durcheinandergebracht wird. Hinzu kommt, dass im Jahr 1957 – für mich völlig unverständlich – das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, dass der Straftatbestand des Paragrafen 175 StGB verfassungskonform ist. Aus all diesen Gründen haben in der vergangenen Diskussion Juristen die Position bezogen, ja, es sei klar ein Menschenrechtsverstoß, könne aber nicht aufgehoben werden, weil das Parlament sich nicht gegen die Entscheidung der dritten Gewalt erheben dürfe.
Eine im Auftrag des Berliner Senats erstellte Expertise kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass eine Aufhebung problemlos möglich ist. Auf Grundlage dieser Expertise hat der Bundesrat mit überwältigender Mehrheit – ich habe nicht mehr nachgeschaut, ob es einstimmig oder annähernd einstimmig war – beschlossen, der Bundesregierung die Prüfung der Aufhebung dieser Urteile erneut anzuempfehlen. Ich meine, wenn es zwei juristische Positionen gibt, dann soll man das tun, was anständig ist, und anständig wäre es, Urteile über Menschen, die man nur deswegen verfolgt hat, weil die Mehrheit eine andere Moralvorstellung hatte, endgültig aufhebt und den Makel beseitigt!
Ich kann Betroffenen nicht erklären, warum der Staat anerkanntermaßen Unrecht gesprochen hat, dieser Spruch aber nicht zu beseitigen sein soll.
Neben der Beseitigung individuellen Unrechts gibt es aber auch noch einen zweiten Grund, ich glaube, er macht auch die politische Relevanz deutlich, weshalb man 20 Jahre danach noch einmal darüber reden muss. Homophobie ist alltäglich und überall, 45 Prozent der offen schwul lebenden Männer geben an, im Alltag Diskriminierung zu erfahren. 70 Prozent der schwulen Jugendlichen fürchten sich vor schwerwiegenden Konsequenzen im Privatleben und in der Schule. 75 Prozent der Eltern fänden es schlimm, wenn sich herausstellen sollte, dass das eigene Kind schwul oder lesbisch wäre.
Ich meine, für eine tolerante Gesellschaft ist es erforderlich, dass man Vorurteile abbaut. Das kann aber nur dann gelingen, wenn auch der Staat bereit ist,
Unrechtsurteile abzubauen! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Häsler, ich bin Ihnen ja noch schuldig zu sagen, wie wir uns in der Abstimmung verhalten werden. Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, weil er in der Analyse, dass es sich hierbei um eine Menschenrechtsverletzung handelt, unserer sehr gleichkommt. Wir sind auch der Meinung, dass man auch einen Entschädigungsfonds einrichten kann. Ihr Antrag ist aber ein Minus zu unserem Antrag, weil er die Konsequenz nicht zieht. Wenn es eine Menschenrechtsverletzung ist – und davon bin ich felsenfest überzeugt, und der Bundestag hat das auch erklärt –, die darauf basiert, dass eine Mehrheit die eigenen Moralvorstellungen gegenüber einer Minderheit mit Mitteln des Strafrechts durchgesetzt hat, ist das ein derartiges eklatantes Sonderstrafrecht gewesen, und wenn sie mit den betroffenen Personen sprechen, erfahren Sie, dass es ihnen nicht darum geht, noch einmal ein paar Euro von diesem Staat zu bekommen, sondern es geht ihnen darum, dass sie reingewaschen werden wollen von dem Vorwurf, Straftäter zu sein.
Ich persönlich glaube, dass das rechtlich vertretbar ist, und ich kann Ihnen nur sagen: Unabhängig von diesem juristischen Streit finde ich, dass der deutsche Staat nach über 120 Jahren, die es diesen Paragrafen hier gegeben hat, irgendwann einmal den Mut haben und das Richtige tun muss, nämlich sich anständig gegenüber den Betroffenen zu verhalten! – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bremische Bürgerschaft ist der letzte Landtag Deutschlands, der über die Anerkennung des Status Körperschaft des öffentlichen Rechts für Religionsgemeinschaften entscheidet. In 14 anderen Bundesländern entscheidet die Verwaltung. In NRW entscheidet zunächst die Verwaltung, und dann wird dem Landtag ein Widerspruchsrecht eingeräumt. In der letzten Dekade ist die Bürgerschaft genau einmal mit solch einem Antrag konfrontiert worden, das war der Antrag der Zeugen Jehovas für die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Bekanntermaßen haben wir damals den Antrag abgelehnt und die Anerkennung verweigert – die Kolleginnen und Kollegen werden sich erinnern –,
nachdem eine längere Anhörung stattgefunden hat, in Kenntnis der zu den Zeugen Jehovas ergangenen höchstrichterlichen Urteile, in Kenntnis des Ergebnisses der anderen Anhörungen und darüber, dass die Zeugen Jehovas in 14 anderen Bundesländern als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt worden sind.
Die Paulusgemeinde ist Mitgliedsorganisation des Mülheimer Verbandes freikirchlicher-evangelischer Gemeinden. Zum Mülheimer Verband, welcher bis zum Jahr 2013 als GmbH geführt wurde und seitdem als Verein geführt wird, oder seinen angeschlossenen Gemeindevereinen liegen bisher keine Entscheidungen anderer Bundesländer oder von Gerichten vor. Zweifelsfrei liegen bei der Paulusgemeinde viele Kriterien vor, welche einen Anspruch auf Anerkennung begründen. Allerdings muss eine Religionsgemeinschaft insbesondere auch die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die Grundrechte Dritter nicht gefährdet. Die Bremische Bürgerschaft hat unter anderem mit dieser Begründung den Zeugen Jehovas die Anerkennung verweigert.
Der Mülheimer Verband arbeitet ausweislich seiner Zeitschrift „Gemeinde KONKRET“ mit Markus Hoffmann zusammen. Markus Hoffmann ist Leiter der Organisation wuestenstrom e. V. Der Mülheimer Verband lässt seine Pastoren und Vikare durch diese Organisation schulen. Die Organisation wuestenstrom e. V. und Herr Hoffmann vertreten unter anderem die These, dass es sich bei Homosexualität um Symptome einer therapierbaren seelischen Störung handelt. Vereinfacht gesagt, wuestenstrom will Homosexuelle umpolen, um sie von ihrem Leiden zu erlösen. Der Hauptgeschäftsführer des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen, Armin Traute, wertet diesen Therapieansatz von wuestenstrom deshalb auch als Verletzung des Schutzes von anvertrauten Personen.
Soweit die Pastoren des Mülheimer Verbandes die Ansichten und Ansätze der Organisation wuestenstrom in ihre seelsorgliche Tätigkeit übernehmen, steht für uns deutlich im Raum, dass die Gemeinden dieses Verbandes eben nicht die Gewähr für den Schutz der Grundrechte Dritter bieten. Sie können sich mit Sicherheit davon exkulpieren, indem sie sich entsprechend erklären. Für die Aufhellung dieser Fragestellung ist eine ausführliche Anhörung im Rechtsausschuss erforderlich. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Röwekamp, aus der Vorlage dieses Gesetzesentwurfes abzulesen, dass der Gesetzesentwurf zu 100 Prozent in Ordnung sein muss und man ihn so beschließen kann, ist natürlich gewagt. Denn der Senat hat hier auch die Anerkennung der Zeugen Jehovas eingebracht, und dieses Parlament hat sich zu 100 Prozent anders entschieden.
Was ist an diesem Fall anders? Anders als im Fall der Zeugen Jehovas ist, dass keine ausgefeilte Rechtsprechung vorliegt. Es liegen keine staatlichen Erkenntnisse vor, aber es liegen zivilgesellschaftliche
Erkenntnisse vor. Noch einmal, für den Fall, dass das eben vielleicht ein bisschen verschwommen wahrgenommen worden ist: Ich persönlich bewerte nicht den Glaubensinhalt von Menschen. Das ist auch nicht das entscheidende Kriterium, wie ich mich hier im Parlament verhalte. Entscheidend ist, ob die Paulusgemeinde und der Mülheimer Verband den Kriterien, die die Kultusminister im Jahr 1957 aufgestellt haben, gerecht werden. Eines dieser Kriterien ist, ob man erwarten kann, dass sie in Zukunft verfassungstreu sind. Verfassungstreu wären sie dann, wenn sie die Grundrechte anvertrauter Dritter nicht beeinträchtigen. Hier steht im Raum, dass sie mit wuestenstrom zusammenarbeiten. Ich habe nicht einmal gesagt, dass sie das übernommen haben. Wenn sie das aber in ihre seelsorgerische Tätigkeit übernehmen, dann steht zumindest fachlich im Raum, dass das nicht gut für ihre Gemeindemitglieder ist und sie damit Grundrechte beeinträchtigen. Diese Frage muss geklärt werden, und dann werden wir entscheiden. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Da
men und Herren! Unabhängig davon, ob es eine inhaltliche Konnexität der beiden Anträge gibt, das übliche parlamentarische Verfahren ist, dass der
Antragsteller einer Verbindung mit einem anderen Antrag zustimmen muss, und das hat der Antragsteller nicht getan. Das übliche parlamentarische Verfahren ist, dass wir uns an die Vorgabe des Antragstellers halten, das wird die SPD-Fraktion auch tun.
Ich weise in dem Zusammenhang aber noch einmal
darauf hin, dass es vielleicht vernünftig wäre, in An betracht dessen, dass wir 71 Tagesordnungspunkte auf der Tagesordnung haben, in Zukunft vielleicht großzügig über Verbindungen und Ähnliches mit einander zu sprechen.
Herr Präsident, meine Damen
und Herren! Vorab möchte ich darauf hinweisen, dass die Änderung eines Beitrags- und Gebühren gesetzes im Land Bremen wahrscheinlich die höchs te bundesdeutsche Aufmerksamkeit erfahren hat. Üblicherweise werden solche Dinge zwar auch in vergleichbarer Zeit verabschiedet, aber nicht so enthusiastisch diskutiert wie hier.
Zur Sache! Aus Frankfurt wenig Neues! Das ist,
glaube ich, das Resümee der Anhörung im Haus halts- und Finanzausschuss gewesen. Frei, in Ab wandlung von Karl Marx, möchte man dem DFB und der DFL erwidern, Geschichte ereignet sich immer zweimal, einmal als Tragödie und einmal als Farce. Vor wenigen Wochen, als die Koalitionsfraktionen ihre Forderung aufgestellt haben, die Polizeikosten mögen doch bitte von den wirtschaftlich Begünstigten getragen werden, hat die DFL schweres Geschütz aufgefahren. Zum einen hat sie gesagt, wir werden dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen – das fand ich angemessen, das ist das gute Recht der DFL –, zum anderen hat sie aber auch gesagt, wenn ihr diesen Weg weitergeht, dann werden wir euch ein Fußball-Länderspiel entziehen und darüber hinaus dafür sorgen, dass bei euch keine sportlichen Großereignisse mehr ausgetragen werden. Die se Drohung – und ich sage das an der Stelle noch einmal, weil das wichtig ist – ist in der Geschichte der Bundesrepublik einzigartig, ein frei gewähltes Parlament so unter Druck setzen zu wollen!
Soweit zur Tragödie, nun zur Farce! Was passierte
im Haushalts- und Finanzausschuss in der letzten Woche? Der Kollege Liess hat eben geschildert, wer bei der Anhörung anwesend war. In der Anhörung führte der Geschäftsführer der DFL, Herr Rettig, aus, dass man nicht nur gegen die Gebührenbescheide klagen würde, wofür wir in der Tat vollstes Verständ nis haben, sondern er führte auch aus – und das muss man sich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen –, dass die freiwilligen Leistungen des Profifußballs natürlich gestrichen werden müssten, wenn wir sie
mit den Polizeikosten belasten würden, weil die Belastung des Profifußballs nicht erhöht werden darf. Was will er uns damit sagen? Er will uns damit sagen, dass der bisherige Beitrag des Profifußballs zur Gewaltprävention augenscheinlich nicht mehr so wichtig ist, sondern man das Geld gern einsparen möchte, damit man insgesamt mehr Geld für den Spielbetrieb hat. Ich kann Ihnen sagen, ich finde, das ist eine schändliche Argumentation!
Man muss sagen, in der Diskussion über dieses Thema haben die DFL und der DFB wenig gelernt.
Um es noch einmal klarzustellen: Das eine hat
doch mit dem anderen gar nichts zu tun. Ja, wir als Politik bekennen uns dazu, dass wir zusammen mit dem Fußball alles tun müssen, um Gewaltprävention zu leisten und der Gewalt vorzubeugen, aber davon ist völlig losgelöst, wer die Kosten für die Polizeiein sätze trägt. Wir sind der Meinung, dass derjenige, der den wirtschaftlichen Nutzen aus Veranstaltun gen hat, auch für die Kosten dieser Veranstaltungen aufkommen muss.
Vielleicht noch einmal ganz kurz zur Erinnerung:
Es trifft hier auch nicht den kleinen Sportverein, der ehrenamtliches Engagement beweist. Die DFL als Veranstalter der Profiligen, der Ersten und der Zweiten Bundesliga, konnte zu Beginn der Spielzeit 2013/2014 ihren Erlös aus der Verwertung der Fernsehrechte noch einmal um 216 Millionen Euro pro Jahr auf 628 Millionen Euro steigern. Demgegenüber stehen die Polizeikosten in Höhe von 90 Millionen Euro in ganz Deutschland für alle Fußballspiele, die die Steuerzah ler bezahlen müssen. Die DFL hat eine Bilanzsumme von 2,62 Milliarden Euro und einen Gewinn von 300 Millionen Euro, und dieser Unterhaltungskonzern will uns sagen, dass jeder Betrag, den er einnimmt, in den Spielbetrieb zu investieren und nichts, aber auch gar nichts, für die Gemeinschaft abzuführen ist, das spricht deutlich für sich selbst!
Rechtlich ist das im Übrigen überhaupt nicht zu
beanstanden, als Wirtschaftsunternehmen kann und darf man so agieren. Ob man so agieren muss, ist aber die Frage.
Der Auftritt von Herrn Rettig – und das fand ich
eigentlich ganz positiv – hat noch einmal den Grund konflikt sehr deutlich gemacht. Der Grundkonflikt lautet: Hat ein milliardenschwerer Unterhaltungs konzern wie die DFL mit einem höchst attraktiven Produkt, für das viel Geld bezahlt wird, einen An
spruch darauf, seine Gewinne zu privatisieren und die Kosten zu sozialisieren, oder muss auch er einen Beitrag zu den gesellschaftlichen Aufwendungen leisten? Die Positionen der DFL einerseits und die der SPD sowie von, ich glaube, zwei Dritteln der Bevölkerung andererseits sind genau entgegenge setzt. Wir meinen, dass Unternehmen für die durch sie verursachten gesellschaftlichen Folgekosten Verantwortung übernehmen müssen.
Wenn in Deutschland ein Drittel aller Polizeiein
satzstunden auf das Konto des Profifußballs geht, dann wird es höchste Zeit, dass sich der Profifußball seiner Verantwortung stellt. Wir haben in der letzten Debatte schon darauf hingewiesen, Kostentragungs pflichten bestehen in England, Frankreich, Spanien und Katalonien, also mit Ausnahme der Schweiz vielleicht in den stärksten Ligen Europas. Es kam die Frage, was denn mit Italien sei. Ich kann Ihnen mitteilen, der italienische Senat hat in der letzten Woche entschieden, dass es auch in Italien eine Kostentragungspflicht geben soll.
Wer sich die Debatte anschaut, stellt im Übrigen
fest, dass die Argumente des AC Mailand und der Clubs der Serie A denen der DFL verblüffend ähnlich sind. Ich kann zwar kein italienisch, aber die Überset zungen zeigen genau dieselbe Argumentationslinie
Ich kann abschließend sagen, wir lassen uns von
dem Säbelrasseln aus Frankfurt nicht beeindrucken. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass es nicht nur gerechtfertigt, sondern vor allem auch gerecht ist, wenn sich das Milliardengeschäft Profifußball an den selbstverursachten gesellschaftlichen Folgekosten beteiligt. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen
und Herren! Die rechtliche Auseinandersetzung mit der Kollegin Vogt möchte ich nicht führen, ich verweise nur auf den „Weser-Kurier“ von heute und die Ausführungen zum Luftsicherheitsgesetz, das ist eigentlich plastisch genug, um zu erklären, warum es sehr wohl eine Haftung gibt.
Herr Hinners, ich habe mich eigentlich nur noch
einmal gemeldet, weil Sie eben gesagt haben, dass es doch selbstverständlich ist, dass die DFL das an die Vereine weiterreichen kann. Das ist eine inte ressante These von Herrn Rettig, und Sie haben ja schon einmal die These von Herrn Rettig, dass das verfassungsrechtlich alles gar nicht funktioniert,
weitergetragen. Es ist aber ja immer ganz schön, wenn man sich selbst mit den Materialien beschäftigt.
Im Moment ist es so, dass die DFL als GmbH organi
siert ist, und nach Paragraf 29 Absatz 3 GmbH-Gesetz die Verpflichtung hat, nach Gesellschafteranteilen auszuzahlen, es sei denn, es ist ein anderer Vertei lungsschlüssel festgelegt. Schaut man einmal in die Ordnung für die Verwertung kommerzieller Rechte des Ligaverbandes, darin ist alles beschrieben, was die DFL macht, hinein – und ich habe das gemacht –, ist im Paragraf 17 ein anderer Verteilungsschlüssel aufgeführt. Darin steht – Herr Hinners, das kann man ja einmal gemeinsam lesen –, der Ligaverband zahlt den lizensierten Klubs der Lizenzligen für die Teilnahme am Spielbetrieb einen einheitlichen So ckelbetrag und einen Betrag, der leistungsbezogen ist.
Man wird, glaube ich, nicht definieren können,
dass die Schlechtleistung des SV Werder Bremens darin besteht, ein unbotmäßiges Parlament nicht an die Leine genommen zu haben. Deshalb halte ich die These, die Herr Rettig vertritt, für völlig falsch. Es liegt in der Tat im Ermessen der DFL, eine neue Regelung zu schaffen, aber im Moment ist die DFL der Gebührenschuldner, und sie bleibt es auch. Ob sie die Gebühren im Innenverhältnis an die Vereine weiterreicht, das ist die Frage des sportlichen Um gangs innerhalb der DFL und nicht des Adressaten, des Staates. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen
und Herren! Wenn wir heute über die Änderung des Bremischen Gebühren- und Beitragsrechts sprechen und sie nach dieser Debatte hoffentlich auch be schließen werden, dann werden wir eine Grundlage dafür gelegt haben, dass in Zukunft nicht mehr die Kindergärtnerin, der Klempner oder die Architektin die Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen bezahlen, sondern der Profifußball dies selbst tut.
Veranstalter der Profispiele in der Ersten und
Zweiten Bundesliga ist die Deutsche Fußball Liga. Die Deutsche Fußball Liga konnte zum Beginn der Spielzeit des Jahres 2013/2014 ihre Einnahmesituation durch Verbesserungen der Verträge zur Fernsehüber tragung um 216 Millionen Euro verbessern. Insgesamt erhält die Deutsche Fußball Liga 628 Millionen Euro aus der Verwertung der Fernsehrechte.
Der Präsident der DFL hat, glaube ich, völlig zu
Recht festgestellt, wie man die Veränderung zu dieser Spielsaison zu bewerten kann. Er hat festgestellt, dass es ein Quantensprung in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der DFL sei. Man ist geneigt, dem zuzustimmen. Es ist aber nicht nur ein Quantensprung, sondern dieser Quantensprung findet ja auf einem sowieso schon unglaublich hohen Niveau statt. Die Deutsche Fußball Liga hat eine Gesamtbilanzsumme von 2,65 Milliarden Euro, in der letzten Spielzeit hat die DFL 300 Millionen Euro Gewinn gemacht.
Im Vergleich dazu die Situation, wie wir sie in
Bremen haben: Polizeieinsätze anlässlich der Bundes ligaspiele hier in Bremen kosten je nach Gefahren analyse – je nachdem, wer hier spielt, das hängt auch davon ab, in welchen Wettbewerben Werder Bremen vertreten ist – zwischen 1,4 und 2,8 Millionen Euro pro Jahr. Diese Kosten werden aus öffentlichen Kassen bezahlt. Wenn man zum Vergleich die Polizeikosten für Fußball in Deutschland insgesamt zugrunde legt, dann ist das schätzungsweise ein Betrag von 90 bis 110 Millionen Euro, also ungefähr ein Drittel dessen, was die DFL als Einnahmeverbesserung zu Beginn dieser Saison erzielt hat.
Die politische Frage, die wir hier als Volksvertreter
und damit auch als Hüter der öffentlichen Kosten beantworten müssen, lautet: Hat ein milliarden schwerer Unterhaltungskonzern wie die DFL mit einem höchst attraktiven Produkt Anspruch darauf, seine Kosten zu sozialisieren und seine Gewinne zu privatisieren, oder muss auch er einen Beitrag zu den gesellschaftlichen Folgekosten seines Tuns leisten?
Unsere Antwort ist klar: Wir wollen erreichen, dass
die DFL einen Beitrag zur Kostendeckung leistet!
Ich glaube, wir stehen damit auch überhaupt nicht
allein, anders als andere behaupten. Ich verweise auf die einschlägigen Internetvotings, die Meinungsum fragen, alles, was es dazu gibt, und da kann man den Eindruck gewinnen, dass gut zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland hinter diesem Vorschlag stehen.
Ich möchte aber auch noch einmal auf etwas an
deres verweisen, nämlich dass das ja nicht eine unsinnige Idee aus einem kleinen gallischen Dorf ist, sondern dass auch Vertreter von Organisationen, die nicht gerade sozialdemokratische Vorfeldorgani sationen sind, dies als längst überfälligen Vorschlag begrüßt haben. Der Bundesvorsitzende Wendt der Deutschen Polizeigewerkschaft, deren Verbindungen zur SPD nicht besonders eng sind, hat gesagt, dass es ein längst überfälliger Vorschlag sei und wir das eigentlich nicht für ein Land bräuchten, sondern dass der Profifußball eigentlich 50 Millionen Euro jedes Jahr für die Polizeikosten zur Verfügung stel len müsste.
Bernhard Zentgraf, beileibe kein Sozialdemokrat,
hat gesagt, dass endlich eine Forderung des Steuer zahlerbundes auch im politischen Raum gehört und umgesetzt werde. Einen besseren Kronzeugen kann man sich als Sozialdemokrat für sein Tun in so einer Angelegenheit eigentlich kaum wünschen, auch Herr Zentgraf hat eine völlig andere Grundausrichtung.
Ich glaube, dass das, was wir hier vorgeschla
gen haben, was der Senat uns vorlegt, eine gute und ausgewogene Sache ist. Ich möchte aber nicht verschweigen, dass es in den letzten Wochen und Monaten eine Vielzahl von Kritiken und Gegenreden gegeben hat. Damit möchte ich mich auch gern noch einmal auseinandersetzen, das gehört ja zu einem ausgewogenen Bild.
Der erste Kritikpunkt war, dass mit einer Kosten
tragungspflicht die öffentliche Sicherheit privatisiert wird. Warum ist das ein völlig unsinniges Argument? Weil jetzt die mittlere Polizeiebene – gegebenenfalls die hohe Polizeiebene – darüber entscheidet, welche Form ein Polizeieinsatz anlässlich eines Bundesli gaspiels haben soll. Auch wenn der Innenminister von Nordrhein-Westfalen ein anderes Bild erwecken möchte, entscheidet nicht die politische Ebene, wie viele Polizisten eingesetzt werden, sondern das ent scheidet fachbezogen die Polizei. Ich finde es übrigens auch richtig so, dass das nicht politisch diktiert wird, sondern die Polizei eine Gefahrenanalyse macht.
Das wird auch in Zukunft so bleiben, dass die Polizei genau dies entscheidet.
Das Einzige, was sich ändert, ist, wer für diese
Polizeieinsätze zahlt. Zahlen wird nicht mehr die Gesamtheit der Steuerzahler, zahlen werden die jenigen, die den wirtschaftlichen Nutzen aus der Veranstaltung haben!
Verfassungsrechtlich wird die Kostentragungs
pflicht privatisiert, das ist übrigens ein völlig üb licher Vorgang im Polizeikostenrecht. Jeder, der sich damit beschäftigt hat, weiß, dass derjenige, der eine Facebook-Party verursacht, die Kosten des Polizeieinsatzes tragen muss. Jeder weiß, dass der Eigentümer, wenn eine Alarmanlage ausgelöst, ohne dass ein Einbrecher festgestellt werden kann, die Kosten für den Polizeieinsatz tragen muss. Jeder, der die Nacht in einer Zelle verbringt, weiß, dass er danach die Reinigung bezahlen muss, wenn sie verschmutzt ist. Jeder, der eine Sitzblockade macht, weiß, dass er den Polizeieinsatz bezahlen muss. Das ist ein völlig normales Instrument. Warum dieses normale Instrument im Umgang mit dem Unterhal tungskonzern DFL nicht angewendet werden soll, erschließt sich mir in keiner Weise.
Ein weiteres lustiges Argument, warum das nicht
gehen soll, sind die Teilkosten der DFL. Die DFL zahlt Steuern, und wenn sie ihre Steuern gezahlt hat, dann hat sie sozusagen ihre Schuld gegenüber dem Staat und dem Gemeinwesen geleistet, da kann doch nicht noch etwas hinzukommen. Ich fand das im ersten Moment durchaus erwägenswert, weil die Gesamtheit aller Steuerzahler die Kosten für die Polizei zahlt, sie ist für alle da, und das soll auch so bleiben.
Wenn man sich das aber einmal näher anschaut,
wird dieses Argument immer fadenscheiniger. Alle halbwegs intakten wirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland zahlen Steuern. Mir ist aber noch kein Unternehmen in Deutschland begegnet, das mit Hinweis darauf, dass es Steuern zahlt, fordert, dass es zum Beispiel von Deichbeiträgen, Schorn steinfegergebühren, Straßenreinigungsgebühren, Rettungsdienstgebühren oder Notar- und Gerichts kosten befreit werden möchte. Meine Damen und Herren, das ist ein Ansatz, den ich zum letzten Mal in der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens gelesen habe, als Ebenezer Scrooge auf die Frage, ob er nicht Geschenke an die Armen geben würde, antwortet, dass er das nicht machen wolle, weil er Steuern für Armenhäuser und Gefängnisse zahle. Das ist eine Geisteshaltung, die ich für überhaupt nicht gemeinschaftsförderlich halte.
Lassen Sie mich aber noch einen Gedankengang
ausführen: Ich glaube, die DFL sieht das selbst nicht so. Ich bin mir sicher, dass Herr Rauball, sollte er die Stadtbibliothek in Dortmund frequentieren und sich dort ein Buch ausleihen, selbstverständlich die Gebühren der Stadtbibliothek bezahlen würde und nicht davon ausginge, dass sie mit den Steuern, die er zahlt, abgeglichen seien.
Der dritte Kritikpunkt ist die Aussage, dass so eine
Kostentragungspflicht verfassungsrechtlich überhaupt nicht möglich sei. Da rechtliche Debatten in einem Parlament sich immer nur bedingt dazu eignen, empfehle ich schlichtweg einen Blick in die Archive. Schon vor 35 Jahren hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den VfB verurteilt, die Polizeikosten eines Spiels gegen Bayern München zu tragen, und zwar damals genau 10 307,85 DM. Der VfB hat wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit davon Abstand genommen, Rechtsmittel dagegen einzulegen. Seit 35 Jahren ist klar, dass eine Kostentragungspflicht von Fußballveranstaltern in Deutschland grundsätz lich zulässig ist.
Der vierte Kritikpunkt besagt – und darauf wird
am häufigsten verwiesen –, dass Bremen verbindli che Absprachen breche und einen völlig abseitigen Sonderweg beschreite. Ich möchte etwas zu den verbindlichen Absprachen sagen. Verbindliche Ar beitsergebnisse einer Fachministerkonferenz werden dann in das Recht von Bundesländern transformiert, wenn es Parlamentsbeschlüsse dazu gibt. Ich sage hier ganz eindeutig – Herrn Senator Mäurer und mich trennt das manchmal, aber ich glaube, es muss gesagt werden! –, dass die mehrheitliche Verabredung von 17 Männern mit irgendwelchen Verbandsvertretern keinen demokratischen Entscheidungsprozess er setzen kann!
Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Par
laments. Das Parlament – wir, Sie, ich und auch die, die dagegen sind – entscheidet darüber, wo Steuern und Gebühren erhoben werden. Kein Parlament der Bundesrepublik wird sich dieses Recht auf Dauer nehmen lassen. Das Parlament in Bremen ist eine andere verbindliche Absprache eingegangen, dass wir nämlich im Gegenzug zu den 300 Millionen Euro Sanierungsbeihilfe alle Anstrengungen unterneh men, um unsere Haushalte bis zum Jahr 2019 zu konsolidieren.
Das heißt für uns, dass wir vertretbare Einsparun
gen prüfen und vornehmen, das heißt aber auch, dass wir vertretbare Einnahmesteigerungen prüfen und vornehmen. Das haben wir in diesem Parlament in der vergangenen Zeit immer wieder getan. Wir haben die Grunderwerbssteuer erhöht, wir haben
die Citytax eingeführt, und genau das werden wir auch jetzt mit der Kostenbeteiligung der DFL tun.
Zum Thema abseitiger Sonderweg hat der Kollege
Dr. Kuhn ja immer wieder darauf hingewiesen, dass Bremen auch ein Gliedstaat in Europa ist. Unsere Initiative wird dazu führen, dass auch in Deutschland die europäische Normalität Einzug halten wird. In England, Frankreich, der Schweiz und Katalonien ist eine Kostenerstattung für Polizeieinsätze zum Teil schon seit über 15 Jahren gang und gäbe. Es kann doch niemand ernsthaft behaupten, dass die inter nationale Konkurrenzfähigkeit der französischen, der englischen Vereine – der Schweizer vielleicht –
und des FC Barcelonas dadurch eingeschränkt sei, dass sie ihre Polizeikosten bezahlen müssen. Was ist das für eine abseitige Argumentation? Es ist europä ische Normalität, dass der Verursacher für die von ihm verursachten Kosten dem Gemeinwesen auch Ausgleich zu leisten hat!
Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: Ein
milliardenschwerer Unterhaltungskonzern wie die DFL hat nach unserer Auffassung keinen Anspruch darauf, seine Kosten zu sozialisieren. Wenn wir über Kleinstbeiträge für die Abgeltung von Überstunden von Polizisten, für die Einführung von Ganztagsgrund schulen, für Projekte für Frauen und gegen Gewalt oder über die Zukunft unserer Hochschulen streiten wie in den letzten Haushaltsberatungen, dann ist es unserer Meinung nach nicht vertretbar, auf mögliche Einnahmen in Millionenhöhe zu verzichten.
Es mag im Übrigen sein, dass dieser Handlungs