Protokoll der Sitzung vom 16.07.2014

berufliche Ausbildung, um angemessenes Wohnen vom ersten Tag an, um medizinische Betreuung und Versorgung. Meine Damen und Herren, ich habe dieses Thema nicht angesprochen, um mich darüber zu beklagen, dass wir ein Aufnahmeort für Flüchtlinge sind, sondern um deutlich zu machen, dass diese notwendige humanitäre Aufgabe natür lich auch eine gewaltige und große Anstrengung für unsere Haushalte in Bremen und Bremerhaven ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Auch die sozialstaatliche Verpflichtung in anderen

Bereichen, zum Beispiel bei der Eingliederung von Menschen mit Behinderungen oder bei der Sicherung des Kindeswohls, bringt viele Kommunen in Deutsch land – Bremen und Bremerhaven eingeschlossen – an den Rand der finanziellen Leistungsfähigkeit. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, notwendig und auch hilfreich, dass sich die neue Bundesregierung die finanzielle Entlastung der Kommunen zur Aufgabe gemacht hat. So sieht der Koalitionsvertrag vor, dass der Bund die Kommunen bei der Eingliederungshilfe in Höhe von 5 Milliarden Euro entlastet, beginnend mit einer Milliarde Euro Entlastung im Jahr 2015. Auch für die Finanzierung von Kindergruppen und Kitas sind weitere Hilfen zugesagt. Dieser Weg ist richtig, aber wir müssen und werden darauf drän gen, dass diese Zusagen auch eingehalten werden.

Meine Damen und Herren, zu den allenfalls be

grenzt steuerbaren öffentlichen Ausgaben gehört

auch die Höhe der Besoldung unserer Beamten. Seit der ersten Föderalismusreform, seit dem Jahr 2006, wird die Besoldung bekanntlich nicht mehr bundes einheitlich festgesetzt, die Festsetzung liegt jetzt in der Kompetenz der Landesparlamente. Erlauben Sie mir, an dieser Stelle zu sagen, weil ich schon immer ein Kritiker dieser Kompetenzübertragung war: Das aus meiner Sicht bittere Ergebnis dieser Kompetenz übertragung ist erstens ein völlig unübersichtlicher Flickenteppich unterschiedlicher Besoldungen in Deutschland und zweitens der Druck auf die finanz schwächeren Länder, die Besoldung ihrer Beamten als Einsparpotenzial zu nutzen.

Frau Kollegin Linnert wird vieles darüber erzählen

können, wie man von außen auf unseren Haushalt schaut und sagt: Der größte Ausgabenposten in Ihrem Haushalt sind die Personalkosten, Sie haben doch – bei den Angestellten zwar nicht, aber bei den Beamten! - die Möglichkeit, diese Kosten zu beein flussen, und wir erwarten es von Ihnen. Das heißt, das Fiskalische, das Haushaltspolitische steht im Vordergrund und nicht die Frage, um die es hier auch geht, wie eigentlich das Verhältnis der Besoldung im eigenen Land zu anderen Ländern ist, und deswegen erlauben Sie mir, hier eine Hoffnung auszudrücken: Wenn es irgendwann die Chance geben sollte, zu einer bundeseinheitlichen Besoldungsgesetzgebung zurückzukehren, dann sollte man sie nutzen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Derzeit ist die Lage aber noch anders. Bremen hat

sich bei der Besoldungsgesetzgebung im vergange nen Jahr an Nordrhein-Westfalen orientiert. Warum? Die Überlegung dabei war: Was das größte Land der Bundesrepublik Deutschland, das sich nicht in einer Haushaltsnotlage befindet, für vertretbar und angemessen hält, das drängt sich für das kleinste Land der Bundesrepublik Deutschland, für Bremen, das sich in einer Haushaltsnotlageland befindet, als Maßstab auf, jedenfalls würde man das von außen nicht anders beurteilen. Das war im Grundsatz die Überlegung.

Mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs

vom 1. Juli dieses Jahres ist eine neue Situation entstanden. Das Verfassungsgericht NordrheinWestfalen hat die Besoldungsanpassung für die Jahre 2013/2014 in Nordrhein-Westfalen für unvereinbar mit dem sogenannten Alimentationsprinzip aus Artikel 33 Grundgesetz erklärt. Das Gericht – und da muss man die Begründung sehr genau lesen – hält den Besoldungsgesetzgeber nicht für verpflichtet, das Tarifergebnis für die Angestellten im öffentlichen Dienst eins zu eins für die Beamten zu übernehmen, das Gericht hält es auch für zulässig, zwischen den verschiedenen Besoldungsgruppen zu differenzieren. Beanstandet hat das Gericht die konkrete Ausgestal tung der unterschiedlichen Behandlung von unteren,

mittleren und oberen Besoldungsgruppen, und zwar gemessen an den konkreten Prozentsätzen. Diese Gerichtsentscheidung aus Nordrhein-Westfalen hat für Bremen keine unmittelbare Rechtswirkung.

Gleichwohl wollen wir, will der Senat, diese neue

rechtliche Vermessung der Handlungsmöglichkeiten des Besoldungsgesetzgebers annehmen. Wir wol len langwierige Gerichtsverfahren vermeiden, die Beamtinnen und Beamten in der Freien Hansestadt Bremen sollen schnell Klarheit bekommen, und die selbe Klarheit brauchen wir auch für unseren Haus halt. Deshalb ist der Senat auf die Gewerkschaften zugegangen, meine Kollegin Frau Linnert und ich werden Gespräche führen. Sie beginnen schon in Kürze, die Termine sind vereinbart. Unser Ziel ist es, ein rechtlich und finanzpolitisch tragfähiges Ergebnis zu finden. Bitte verleiten Sie mich nicht dazu, jetzt zu spekulieren, wie ein solches Ergebnis aussehen kann. Wenn man in Gespräche geht, dann kündigt man, glaube ich, nicht vorher an, welche Gedanken man dazu hat. Wir wollen der Bürgerschaft aber möglichst für die Sitzung im September oder Oktober einen Gesetzesvorschlag vorlegen.

Meine Damen und Herren, angesichts absehbarer

Ausgabensteigerungen und voraussichtlicher Min dereinnahmen, zum Beispiel durch eine geringere Gewinnabführung der BLG, hat der Senat gehandelt und eine Haushaltssperre beschlossen. Ich will hin zufügen, die Haushaltsrisiken sind nicht allein auf die gestiegenen Sozialleistungen zurückzuführen. Auch bei den Assistenzleistungen für behinderte Schülerinnen und Schüler, den Zuschüssen für Pri vatschulen, bei der Kinderbetreuung sowie durch den TVöD sind Mehrausgaben nicht auszuschließen. Auch weitere vorgesehene Einnahmen können nicht überall erzielt werden, etwa bei der Verkehrsüber wachung, im Rettungsdienst und bekanntlich auch bei der Spielbankabgabe wird es voraussichtlich zu Mindereinnahmen kommen. Deshalb war die Haushaltssperre notwendig.

Die Haushaltssperre war auch deshalb notwendig,

weil wir eine nahe liegende Quelle zur Schließung einer Haushaltslücke nicht nutzen wollen und die unter anderen Bedingungen in jedem anderen Bun desland sofort genutzt worden wäre, ich spreche von Steuermehreinnahmen. Steuermehreinnahmen wollen wir zur Senkung der Nettokreditaufnahme und nicht für zusätzliche Ausgaben verwenden, und deswegen wird und muss die Haushaltssperre einen Beitrag zur Ausgabenbegrenzung leisten.

Vielleicht noch einmal ein Hinweis zum Instru

ment der Haushaltssperre! Jede Haushaltsordnung eines jeden deutschen Landes und des Bundes sieht eine solche Haushaltsperre vor. Wenn die Ziele des Haushalts gefährdet sind, dann macht eine Regierung davon Gebrauch, übrigens auch die CDU-Regierung, das ist keine Spezialität einzelner Parteifarben. Davon Gebrauch zu machen ist Ausdruck der Verantwortung

für die Ziele des Haushalts und übrigens auch der Verantwortung gegenüber dem Haushaltsgesetz geber. Diese Verantwortung ist es, die den Senat geleitet hat, und nichts anderes, was ich sonst so gelesen habe, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ende September wird der Senat ein umfassendes

Lösungskonzept vorlegen, das voraussichtlich – das ist kein Geheimnis – die fünfprozentige Planungs reserve und die Zinsminderausgaben in Anspruch nimmt, und auch die Ergebnisse des vom Senat im März auf den Weg gebrachten Programms zur Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung werden in dieses Konzept einfließen.

Meine Damen und Herren, unsere eigenen An

strengungen auf dem Weg zu einem Haushalt ohne neue Schulden im Jahr 2020 sind die unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass wir bei der anstehenden Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einen Erfolg für Bremen erreichen können. Ich darf noch einmal daran erinnern, zum Ende des Jahres 2019 – es sind also nur noch ein paar Jahre bis dahin – laufen der Länderfinanzausgleich, der Solidaritäts zuschlag und weitere wichtige Regelungen über die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern aus. Damit muss eine tragende Säule unseres föderalen Systems neu verhandelt werden.

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung

hat für den nötigen Rückenwind gesorgt, er hat einen klaren inhaltlichen und zeitlichen Fahrplan festgelegt. Vor diesem Hintergrund haben die Regierungschefin nen und Regierungschefs der Länder und des Bundes am 12. Juni in Berlin den Bundesfinanzminister, die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder beauftragt, die Grundlagen für Vereinbarungen zu den föderalen Finanzbeziehungen zu erarbeiten. Dabei geht es nicht um Prüfungen oder Überlegun gen, sondern es geht ganz klar um die Erwartung der Ministerpräsidenten, entscheidungsreife Vorla gen auf den Tisch zu bekommen, und seien es auch Vorlagen, die Alternativen beschreiben, mit denen man sich dann auseinandersetzen muss.

Zu den vertikalen Finanzbeziehungen, also zu den

Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und allen Ländern, wird die Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober beraten. Die horizontalen Finanzbezie hungen, also der eigentliche Länderfinanzausgleich, werden im Dezember auf der Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz stehen.

Man darf also feststellen – und ich sage für mich

ganz offen, ich habe es vor einigen Monaten noch nicht für möglich gehalten, dass sich diese Entwick lung so schnell ergibt, wenngleich Sie mir glauben können, dass ich in jeder Runde den Ministerpräsi denten darauf gedrängt habe –, die gerade für Bremen

so entscheidenden Verhandlungen beginnen jetzt, übrigens auch unter Beteiligung der Länder Bayern und Hessen, die beim Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich klagen. Auch wenn die Politik schon ein gutes Stück weiter ist, also eigentlich alle Voraussetzungen vorliegen, dass diese Klage entweder zurückgenommen oder auf Eis gelegt werden könnte, nehmen wir die Klage weiter ernst. Wir haben mit Professor Joachim Wieland ei nen ganz erfahrenen und bundesweit anerkannten Verfassungsjuristen als Prozessbevollmächtigten gewonnen, und er hat dem Bundesverfassungsgericht unsere Argumente bereits vorgetragen.

Im Vordergrund stehen aber die jetzt beginnenden

Verhandlungen. Es gibt die historische Chance, die Finanzbeziehungen so zu ordnen, dass alle födera len Ebenen in Deutschland ausreichend finanziert werden und damit in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen, gleichwertige Lebensverhältnisse zu sichern und die Schuldenbremse einzuhalten.

Wir setzen zur Durchsetzung unserer Interessen

auf die Kraft guter Argumente, dazu suchen wir Bündnisse, Kooperationen und Abstimmungen mit den Ländern, und zwar über Parteigrenzen hinweg. Auf der Ebene der Finanzministerien haben sich elf Länder, inklusive Bremen, zum Forum Finanzaus gleich zusammengeschlossen. Mit dem Saarland, das sich in einer ähnlichen Lage wie Bremen befindet, besteht eine besondere Verbundenheit.

Am kommenden Montag werden meine Kollegin

Frau Linnert und ich mit der Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer, der stellvertretenden Minister präsidentin Rehlinger und mit dem Finanzminister Toscani in Saarbrücken zu Abstimmungsgesprächen zusammenkommen. Ich darf außerdem erwähnen, dass wir mit dem ersten Bürgermeister von Hamburg, Herrn Olaf Scholz, einen besonders verlässlichen Verbündeten an unserer Seite haben. Verschweigen will ich auch nicht, dass sich Bayerns Ministerprä sident Horst Seehofer hinter verschlossenen Türen aufgeschlossener zeigt, als manche öffentliche Äuße rungen erwarten ließen. Meinen Optimismus, etwas Vernünftiges zustande zu bekommen, hat das gewiss nicht geschmälert.

Wenn ich von einer historischen Chance spreche,

dann deshalb, weil ja nicht nur Bremen an einem fairen Länderfinanzausgleich und an einer klaren Perspektive interessiert ist, sondern alle Länder – oder man kann sagen, fast alle Länder – müssen schnell Klarheit haben, wie denn ihre Finanzper spektive in der Zeit nach dem Jahr 2019 aussieht. Insbesondere die östlichen Bundesländer, die ja jetzt vom Auslaufen des Solidarpaktes betroffen sind, von einem Abschmelzen der Gelder aus dem Solidaritätszuschlag, brauchen eine Perspektive, und die große Herausforderung der nächsten Zeit ist es, im Rahmen dieser Verhandlungen, im Rahmen dieser unterschiedlichen Interessen die bremischen

Interessen zur Geltung zu bringen, und das wollen wir mit Kraft machen.

Meine Damen und Herren, bei den vertikalen Fi

nanzbeziehungen stehen mehrere Fragen im Zentrum. Erstens: Ist der Bund bereit, weitere Anteile an den bundesgesetzlichen Sozialausgaben zu übernehmen? Die Forderung Bremens und aller anderen Länder lautet: Da der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat, sollte er auch die Kosten tragen.

(Beifall bei der SPD)

Dahinter steht natürlich im Weiteren der Aspekt,

die Finanzverantwortung folge der Gesetzgebungs kompetenz. Warum? Weil der Bund auch die Steu ererhebungskompetenz hat – jedenfalls in großem Rahmen –, um die bundesgesetzlichen Leistungen, die er festlegt, auch finanzieren zu lassen. Das können Länder und Gemeinden mit ihrem Steueraufkommen nicht leisten. Im Übrigen muss man darauf hinweisen – auch deswegen sollte es Aufgabe des Bundes sein –, dass die Belastung der Länder und Gemeinden mit Sozialausgaben natürlich höchst unterschiedlich und damit auch ungerecht verteilt ist.

Nach der Übernahme der Kosten für die Grund