Protokoll der Sitzung vom 16.07.2014

Nach der Übernahme der Kosten für die Grund

sicherung im Alter, die uns sehr geholfen hat, und der angekündigten Übernahme der Kosten für die Eingliederungshilfe, die uns helfen wird – ich kenne die Zahl nicht ganz genau, aber es sind weit über 100 Millionen Euro, die im Haushalt der Stadtgemeinde Bremen allein für die Eingliederungshilfe enthalten sind, und auch dort gibt es eine ansteigende Tendenz –, wäre es konsequent und richtig, den Weg fortzu setzen mit der vollständigen Übernahme der Kosten für das Wohngeld und der Kosten für die Unterkunft.

(Beifall bei der SPD)

Für Bremen wäre das insgesamt eine große Entlas

tung, und deshalb dringen wir darauf; nicht allein, ich wiederhole es noch einmal, wir verstehen uns auch als Teil der großen kommunalen Familie in Deutschland, und da ist diese Forderung natürlich einhellig.

Zum Zweiten geht es bei den vertikalen Finanzbe

ziehungen um die Weiterführung der Mittel nach dem sogenannten Entflechtungsgesetz, mit dessen Hilfe der Bund Verluste der Länder durch den Wegfall der Gemeinschaftsaufgaben infolge der Föderalismusre form 2006 ausgleicht. Die Zahlung dieser Gelder ist bislang nur bis zum Jahr 2019 gesichert. Für Bremen spielen besonders das bisherige Gemeindeverkehrs finanzierungsgesetz und die Städtebauförderung mit allen ihren wichtigen Impulsen für die Entwicklung unserer Quartiere eine wichtige Rolle. Um die Dimen sionen einmal deutlich zu machen: An dem bisherigen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz partizipierte Bremen mit jährlich rund 11 Millionen Euro, an der Städtebauförderung mit mehr als 4 Millionen Euro,

und völlig klar ist, Bremen kann, wie alle anderen Länder und Gemeinden in Deutschland, auf diese Mittel nicht verzichten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Einen ersten Erfolg konnten wir insoweit in den

letzten Monaten erzielen, als der Bund davon über zeugt werden konnte, nicht das ursprünglich ge plante Abschmelzen dieser Beträge bis zum Jahr 2019 vorzunehmen. Diese werden in gleicher Höhe weitergezahlt, aber nun geht es darum, über das Jahr 2020 hinaus Planungssicherheit und Investitionskraft für zentrale infrastrukturelle Herausforderungen zu ermöglichen.

Meine Damen und Herren, von zentraler Bedeutung

ist schließlich die Lösung der Altschuldenproble matik. Die erheblichen Unterschiede zwischen den Ländern bei der Höhe der Zinsausgaben sind in der Perspektive einer der entscheidenden Gründe, die die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutsch land gefährden werden, denn es liegt auf der Hand, dass ein Land wie Bremen, das 650 Millionen Euro Zinslasten schultern muss, weniger Möglichkeiten hat, in notwendige Zukunftschancen zu investieren als ein Land, das 100 Millionen Euro aufbringen muss. Anders gefragt: Was könnten wir noch alles zusätzlich Wichtiges für unsere beiden Städte tun, wenn wir in diesem Bereich eine Entlastung hätten? Zudem bedeutet die extrem unterschiedliche Zinsbelastung der Länder, dass einige Länder kaum oder gar nicht in der Lage sein werden, die Schuldenbremse dau erhaft einzuhalten.

Ich habe in der letzten Ministerpräsidentenkon

ferenz gesagt, ich hätte nicht das Interesse, am 31. Dezember 2019 vermelden zu können, Bremen könne für eine logische Sekunde die Schuldenbremse ein halten. Das gilt auch für andere Länder. Deswegen muss das, was gewissermaßen als Restant von der Föderalismusreform 2006 liegen geblieben ist, aber von denen auf die Agenda gesetzt worden ist – ich gehörte ja auch über zweieinhalb Jahre dazu, und der Kollege Röwekamp auch für einige Zeit –, jetzt angegangen werden. Ich glaube, nach der letzten Zusammenkunft der Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung gewinnt die Einsicht an Boden, dass eine Altschuldenregelung zwingend ist. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung hat dafür natürlich auch für den nötigen Rückenwind gesorgt.

Allen ist klar, dass es so etwas wie ein Zeitfenster

in der Legislaturperiode des Bundestags gibt. Im Jahr 2017 wird der Bundestag wieder gewählt, und dann muss das Gesetzgebungsverfahren und die voran gehende Verständigung jetzt angegangen werden. Dadurch ist dieser Fahrplan zustande gekommen. Wichtig war, dass im Koalitionsvertrag das Thema Altschuldenproblematik explizit als eine zu lösende

Aufgabe des Bundestags dieser Legislaturperiode formuliert worden ist, und Sie dürfen bitte davon ausgehen, dass das während der Koalitionsverhand lungen in Berlin auch für mich ein Schwerpunkt war, dafür entsprechend zu werben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, einen Bericht über

die unterschiedlichen Konzepte, die es für eine Alt schuldenregelung gibt, hat der Senat kürzlich dem Haushalts- und Finanzausschuss zugeleitet, ich will deshalb an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Zusammengefasst lautet die bremische Position zum Problem der Altschulden: Einnahmen aus dem über das Jahr 2019 hinaus zu erhebenden Solidaritätszu schlag sollten dazu genutzt werden, einen Altschul denfonds zu finanzieren. Bremen hat sich – ich habe es schon erwähnt – als Teil der kommunalen Familie in Deutschland auch immer dazu erklärt, dass die kommunalen Schuldenstände einbezogen werden und die notleidenden Kommunen in Deutschland nicht alleingelassen werden.

Zum Debattenstand muss man sagen, es gab ur

sprünglich drei Überlegungen, wie mit einer Fort setzung des Solidarpaktes umzugehen ist. Eine habe ich erwähnt, für die wir stehen, nämlich den Solidaritätszuschlag für einen Altschuldenfonds zu verwenden. Es gab die Vorstellung – vielleicht gibt es sie auch noch –, große Teile oder alles für einen Fonds für infrastrukturelle Aufgaben in Deutschland zu verwenden, und schließlich gibt es die Idee, den Solidaritätszuschlag in die Lohn- und Einkommens steuer und in die Körperschaftssteuer zu integrieren, um auf diese Weise die Länder zu entlasten. Ich halte beide Wege für falsch, insbesondere den letzten, denn welche Wirkung hätte eine solche Integration des Solidaritätszuschlags in unser allgemeines Steu ersystem? Das würde ja gerade die Ungleichheiten unter den deutschen Ländern verstärken, oder man könnte auch anders sagen, dadurch würden die Reichen noch reicher und den Armen nicht richtig geholfen werden, und das kann nicht das Ziel einer solchen Reform sein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, man muss allerdings der

Illusion vorbeugen, dass eine Altschuldenregelung bedeutet, wir würden eines Morgens aufwachen und sagen, heute Nacht hat die Fee alle Schulden von uns genommen. Das wäre eine schöne Vorstellung, das ist aber nicht das Konzept einer Altschulden regelung. Eine vernünftige Altschuldenregelung muss erreichen, dass alle Länder im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten und im Rahmen dessen, was ihnen zumutbar ist, ihre Schulden tilgen, damit

sie im Übrigen ihre staatlichen Aufgaben erfüllen können, die sie im Interesse der Bürgerinnen und Bürger leisten müssen. Der Sinn einer Altschulden regelung ist gewissermaßen eine Gleichheit bei der Ausgangslage zu verschaffen, eine Gleichheit von Chancen für Politik zu schaffen, eine Gleichheit der Fähigkeit der Länder in Deutschland zu schaffen, damit sie auf dieser Basis Politik für ihr Land machen können, und das beanspruchen wir auch für Bremen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Je nach Ausgang der Verhandlungen um den verti

kalen Finanzausgleich werden die Verhandlungen um den horizontalen Finanzausgleich, den Länderfinanz ausgleich, leichter oder schwerer. Es ist ja auch nicht verwunderlich, wenn ich das einmal so sagen darf, dass die Länder untereinander sich eher einig sind, wenn sie mit dem Bund verhandeln, insbesondere wenn sie sich vorstellen, dass der Bund Kosten übernehmen soll, und es ist eher schwieriger, unter den Ländern zu verhandeln, wenn der Bund an der Seite steht und zuschaut, und die Länder müssen den Ausgleich untereinander organisieren.

Die bremische Position zum Länderfinanzaus

gleich steht seit Langem fest. Bremen wird sich dafür einsetzen, dass die besonderen Belastungen der Stadtstaaten angemessen berücksichtigt werden. Wir kämpfen im Schulterschluss mit den beiden anderen Stadtstaaten Berlin und Hamburg für die Einwohnerwertung, sie ist unverzichtbar. Ich habe mit Freude gehört, dass unser niedersächsischer Nachbar, Herr Ministerpräsident Weil, beim Wirt schaftsempfang der Handelskammer hier auch klare Worte zur Unterstützung dieser Position gesagt hat, und es ist gut, das von einem Flächenland und dann noch von einem Nachbarn zu hören.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Bremens Benachteiligung bei der Steuervertei

lung muss beseitigt werden. Wir wollen, dass sich unsere starke Wirtschaftskraft in unserer Finanzkraft widerspiegelt, eine Änderung der Steuerzerlegung wäre ein großer Erfolg. Übrigens ist das auch ein Thema, das wir mit dem Saarland – für manche überraschenderweise – auch besprechen können, weil es eine ähnliche Pendlerproblematik wie Bre men hat, dort allerdings grenzüberschreitend mit Frankreich. Viele Menschen arbeiten im Saarland, zahlen aber ihre Steuern woanders, und dann auch noch in einem anderen europäischen Land. Das ist aber eine ähnliche Problematik wie bei uns, das heißt, es gibt viele Einpendler, über die wir uns freuen, die aber bedauerlicherweise ihre Steuern nicht bei uns zahlen.

Bremen erwartet eine angemessene Beteiligung an

den Hafenlasten. Dass wir mit unseren Häfen einen wesentlichen Beitrag für den Erfolg der deutschen Volkswirtschaft leisten, wissen wir. Ich sage aber jetzt auch einmal, ich habe aus den Gesprächen mitgenommen, dass noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, damit man auch im Süden Deutschlands anerkennt, was wir hier leisten, weil die dortigen Automobilwerke sonst zum Beispiel nicht wüssten, wie sie ihre Produkte weltweit trans portieren können, wenn sie die bremischen und die norddeutschen Häfen insgesamt nicht hätten.

Bremen ist der Auffassung, dass die Finanzkraft

der Kommunen vollständig im Länderfinanzaus gleich berücksichtigt werden muss, die bisherige prozentuale Berücksichtigung ist in keiner Weise plausibel. Schließlich, das will ich hier auch ganz deutlich sagen, lehnt Bremen Zuschlagsrechte der Länder auf Steuern ab, weil dies die Ungleichheit erhöhen würde. Das ist kein probates Mittel.

Meine Damen und Herren, eines ist klar: Das

Bundesverfassungsgericht wird uns, wenn es über haupt zu einer Entscheidung über die Klage von Bayern und Hessen kommt – was ich bezweifele –, jedenfalls keinen neuen Finanzausgleich präsentie ren, das müssen die Länder in ihren Verhandlungen erreichen. Bremen wird sich daran konstruktiv und selbstbewusst beteiligen, übrigens mit wunderbaren Argumenten, die auch gewissermaßen aus Bremen kommen. Der frühere Chef der Senatskanzlei, Hubert Schulte, hat jüngst in einem Aufsatz im Jahrbuch für öffentliche Finanzen nachgewiesen, dass die Belastung der Geberländer insgesamt – und zwar nicht in absoluten Zahlen, sondern gemessen an ihrer Leistungsfähigkeit – nicht gestiegen, sondern zurückgegangen ist, und deswegen muss man sagen, ist es eine politische Keule, aber nicht die Wahrheit, wenn Geberländer behaupten, sie seien übermäßig und stärker als früher belastet. Das ist schlicht falsch.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, zum Gesamtbild der

finanzpolitischen Lage und Perspektive gehören auch eine ganze Reihe von Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag in Berlin, die für Bremen von besonderer Bedeutung sind, und einige davon will ich erwähnen: Den Ländern sind sechs Milliarden Euro zusätzlich für Kitas, Bildung und Wissenschaft zugesagt worden. Dazu ist zwischen Bund und Län dern Ende Mai Folgendes vereinbart worden: Das Sondervermögen Kinderbetreuung wird auf eine Milliarde Euro aufgestockt. Dadurch erhöht sich das Mittelkontingent für Bremen um rund 4,4 Millionen Euro und möglicherweise um weitere Beträge. Ab 2015 übernimmt der Bund vollständig die Finanzie rung der BAföG-Zahlungen, dies bedeutet für Bremen bei den BAföG-Zuschüssen jährliche Mehreinnah

men beziehungsweise Minderausgaben von rund 10 Millionen Euro. Hinzu kommt die Entlastung bei den BAföG-Darlehen, diese muss man allerdings noch einmal genau berechnen. Bevor wir anfangen Geld auszugeben, bitte ich aber zu beachten, dass der Bund an die Übernahme der BAföG-Finanzierung die Bedingung geknüpft hat, dass das Kooperations verbot für den Hochschulbereich durch Änderung des Artikels 91 b Grundgesetz fällt.

Mit der Änderung von Artikel 91 b Grundgesetz

wäre neben der Finanzierung von Forschungsinsti tuten die direkte Förderung von Hochschulen mög lich. Gerade darüber werden wir Anfang September mit Bundesforschungsministerin Frau Professor Dr. Wanka sprechen können, wenn sie auf meine Einla dung nach Bremen kommt. Zum Thema Änderung des Grundgesetzes darf ich noch hinzufügen, dass ich es sehr bedauere, dass es weder in den Koali tionsvereinbarungen noch jetzt gelungen ist, das Kooperationsverbot auch weitergehend zu Fall zu bringen. Ich denke, wir sollten gerade als Bremer nicht aufgeben, daran festzuhalten, dass das Ko operationsverbot auch für den Bereich der Schulen fallen muss.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Schließlich, im Vorgriff auf die Übernahme der

Eingliederungshilfe entlastet der Bund die Kommunen ab dem Jahr 2015 durch Erhöhung seines Anteils an den Kosten der Unterkunft – das bedeutet für Bremen gut 8 Millionen Euro pro Jahr – und durch Erhöhung des Anteils der Gemeinden an der Umsatzsteuer, das bedeutet für Bremen ein Plus von etwa 5,4 Millionen Euro pro Jahr.

Das alles, was ich aufgezählt habe – man könn