Protokoll der Sitzung vom 25.09.2014

Wort der Abgeordnete Dr. vom Bruch.

Herr Präsident,

meine Damen und Herren! Kern Ihres Antrags ist die Forderung nach Leitlinien für die bremische Entwicklungszusammenarbeit. Um es vorweg zu sagen: Viel Falsches steht nicht in dem Antrag, und wir werden dem Antrag auch – ähnlich wie der Kollege es gerade für die LINKEN erklärt hat – im Ergebnis zustimmen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Auch andere Bundesländer machen oder haben

Ähnliches. Es ist sicher richtig, dass Bremen ein Land und eine Stadt des Handels ist, ein Gemeinwesen, das in jeder Hinsicht international aufgestellt und entsprechend ausgerichtet ist. Es ist selbstverständlich richtig zu sagen – und so sehen wir Ihren Antrag –, dass auch Bremen im internationalen Rahmen Ver antwortung übernehmen muss. Das zeigt sich nicht nur darin, dass man Geld gibt, sondern es zeigt sich auch im eigenen Verhalten. Fairtrade ist sicherlich ein

wichtiges Signal, und allen daran Beteiligten danke ich für ihr Engagement und für die Beachtung der entsprechenden Richtlinien.

Herr Kollege Saffe hat in seinem Beispiel deutlich

gemacht, dass auch in unserer Hansestadt in dem Verhalten noch deutlich Luft nach oben ist und dass wir auch hier zukünftig eine entsprechende Ent wicklung benötigen. Von diesem Konzept und von der Entwicklung solcher Leitlinien würde ich den Impuls erwarten, dass wir hier auch ein weiteres Stück vorankommen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Eines möchte ich an dieser Stelle aber durchaus

kritisieren: Ihr Antrag enthält nach unserem Eindruck noch nicht allzu viel Neues, stattdessen enthält er vieles, das man sicher gern liest, aber das vor dem Hintergrund der vielfältigen, offenkundigen Proble me in dieser Welt für meinen Geschmack etwas zu wenig pointiert daherkommt.

Internationale Politik – und dazu gehört auch

Entwicklungszusammenarbeit – ist in erster Linie ein Kampf für Menschenrechte, für menschenwürdiges Dasein und für ein Leben in materieller und physi scher Sicherheit, es ist zum Beispiel, wie in Afrika, ein Kampf gegen lebensbedrohende Seuchen, gegen Vertreibung, beispielsweise aus Gründen der Res sourcenknappheit. Hier muss auch robust gedacht und gehandelt werden. International und schneller als bisher müssen an Hilfeerwartungen gegebenenfalls auch konkrete Bedingungen gebunden werden, muss sich an gegenwärtigen Problemen orientiert werden.

Insofern möchte ich am Rande auch erwähnen,

dass mir in Ihrem Antrag zum Beispiel der Aspekt der Gesundheit komplett fehlt. Leitlinien zu Projekten wie „Aktiver öffentlicher Einkauf, ökologisch, sozial und wirtschaftlich“ mögen helfen, sie können aber angesichts der Bedrohung in dieser Welt aber nicht die einzige Botschaft sein, die wir mit einem solchen Konzept verbinden wollen.

Entwicklungszusammenarbeit soll helfen, aber

nicht das eigene Gewissen beruhigen oder das eigene politische Gefühl bedienen und ohne begriffliche Überhöhung, die ich manchmal in Ihrem Antrag her auslese, auskommen. Entwicklungshilfe soll konkret sein. Sie muss sich an den eigenen Möglichkeiten orientieren und im Bundesrahmen vernetzen, und darin haben wir bereits Erfahrungen.

Bremer Organisationen sind zum Beispiel schon

jetzt in den Bereichen Wasser, Energieversorgung und Hygiene beteiligt. Hier gilt es anzusetzen, Stärken zu stärken, Schwerpunkte zu bilden und unmittelbar und pragmatisch an den Bedürfnissen der Menschen orientiert zu handeln, also Hilfe zur Selbsthilfe.

Wenn das Ihre Ziele und Prämissen sind, diskutieren

wir im Lichte des im Auftrag gegebenen Konzepts

gern mit Ihnen inhaltlich weiter, und wir sind auf eine Beratung in den zuständigen Ausschüssen gespannt. Wenn das Ihre Anregung ist, wenn das insofern konkret und konstruktiv gemeinschaftlich und gemeinsam beraten werden soll, dann haben Sie uns bei diesem Prozess an Ihrer Seite, und wir freuen uns auf diese Diskussionen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das

Wort Frau Staatsrätin Hiller.

Herr Präsident, meine sehr ge

ehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich schon einmal vorab für die wirklich konstruktive und wert volle Debatte, die ich eben gehört habe. Ich möchte zunächst sagen, dass Entwicklungszusammenarbeit einen langen Atem braucht.

Vieles, das hier angesprochen worden ist, würden

sich ganz viele anders wünschen. Wir sind wieder in der Situation, dass es auf der Welt massiv Kriege gibt – wir haben es in den letzten Tagen gehört –, es wird von Verfolgung, Armut, Hunger und von Seuchen gesprochen. Es ist eigentlich unerträglich. Natürlich kann man sich fragen, was ein kleines Bundesland wie Bremen zu all diesen großen The men leisten kann.

Bremen hat eine sehr lange Tradition darin, den

Blick über die eigenen Grenzen zu werfen und die damit verbundene Verantwortung zu pflegen. Am 12. Juli 1978, vor 36 Jahren, wurden hier im Haus der Bürgerschaft die Grundlagen für eine Bremer Entwicklungspolitik verabschiedet. Es gab schon damals das Ziel, insbesondere die Kluft zwischen Armut und Reichtum zu beseitigen und sich dafür in vielfältiger Form zu engagieren. Seit dieser Zeit ist Bremen – und das kann ich auch ein bisschen mit Stolz sagen – ein Vorbild für andere Bundesländer.

Bis heute wird sehr viel auf das geschaut, was wir

tun, und manchmal hat man auch als kleines Bundes land die Möglichkeit, Dinge wie zum Beispiel den Be reich des fairen Handels und der fairen Beschaffung, schnell umzusetzen und auch zu versuchen, wenn man mit den richtigen Akteuren zusammenarbeitet, im Prozess die Dinge anzugehen und nicht zu viel darüber zu reden, sondern es wirklich anzugehen, aber auch mit dem Wissen, dass manches auch etwas länger dauert als man es gern hätte.

Bremer Entwicklungszusammenarbeit hat dadurch

einen besonderen Stellenwert, dass der Weg des staatlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements immer zusammen beschritten worden ist. Es wurde vorhin auch schon das Projekt BORDA erwähnt. Die Beteiligten haben immer großen Wert darauf gelegt, eine staatliche Unterstützung zu bekommen, um dann weltweit für ihre sanitären Projekte auch vor Ort mit den Kommunen ins Gespräch zu kommen und auch dort einen Türöffner zu haben.

Wir haben eine umfangreiche, hoch engagierte

Projekteszene, die sich teilweise ehrenamtlich en gagiert, ob das in Durban ist, ob das die Nothilfe von BORDA im Irak ist, ob das die Initiative Weltwärts ist, die von Bremen aus für die ganze Bundesrepublik begleitet wird. Die jungen Menschen kommen nach Bremen und werden hier geschult, um anschließend ihren Auslandsdienst aufzunehmen. Eine wichtige Bildungsarbeit, die von der Senatorin für Bildung engagiert unterstützt wird, leistet das Bremer Infor mationszentrum für Menschenrechte. Es ist vor 35 Jahren gegründet worden, und daran erkennt man die lange Bremer Tradition der Entwicklungszu sammenarbeit. Es gibt viel Gutes, das bisher getan worden ist, es gibt viele gute Beispiele für eine große politische Unterstützung durch unser Bundesland.

Wir merken aber auch – das wurde auch schon

angesprochen –, dass es bei der Entwicklungszu sammenarbeit eine Veränderung gibt. Es ist positiv zu sehen, dass sie sich von einem klassischen Wis senstransfer immer mehr zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe entwickelt. Man spürt aber auch, dass die Arbeit in Bremen einen viel größeren Stellenwert bekommen hat: Verbraucherinnen und Verbraucher fragen nach, ob Produkte mit Kinderarbeit oder in welcher Arbeitsform sie hergestellt worden sind, aber auch die globalen Rahmenbedingungen ändern sich. Ich denke, es gilt immer noch die Aussage, global denken, kommunal lenken.

Vieles wurde angesprochen, die Bundesländer

sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Im Juni 2014 ist mit einem Beschluss der Ministerpräsidenten noch einmal deutlich gemacht worden, dass die Entwicklungszusammenarbeit auf der Länderebene unterstützt werden soll.

Ich danke Ihnen sehr für den Antrag, der im Juni

2014 eingebracht worden ist, und ich freue mich sehr auf die Entwicklung des Leitbildes. Sie sehen ja – und das ist auch vorhin noch einmal angesprochen worden –, es ist ein Querschnitt. Es gibt unheimlich viele Themen, ob es frauenpolitische Themen oder der Gesundheitsschutz sind, aber auch all das, das aufgezählt worden ist, die zu diskutieren sind.

Nun dürfen wir uns auch nicht überhöhen. Wir

haben uns in der Zwischenzeit auch überlegt, wie wir das angehen wollen. Wir werden das Format eventuell – für Sie etwas überraschend – verändern, indem wir junge Menschen im ersten Schritt bitten, uns ihre Meinung mitzuteilen, wie sie die zukünfti gen Themen der Entwicklungszusammenarbeit, der internationalen Arbeit sehen.

Dazu werden wir Sie im Oktober zu einer Zu

kunftswerkstatt einladen. Wir wollen dann mit all den Erfahrenen und Experten, die auch aufgezählt wurden, in einen Dialog treten, ein hoffentlich span nendes Leitbild entwickeln, in dem die wichtigsten Punkte herauskristallisiert sind, denn wir können aus Haushaltsgesichtspunkten nicht alles unternehmen

und Ihnen das dann sicherlich nicht Ende des Jahres 2014, sondern eher – das kündige ich jetzt schon einmal an – im Frühjahr 2015 hier vorlegen. Ich bin sehr gespannt, hoffe auf einen engagierten Prozess und danke Ihnen für Ihre breite Unterstützung und die konstruktive Debatte! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

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