Protokoll der Sitzung vom 17.12.2014

Das hat überhaupt nichts mehr damit zu tun. Im Winter ist es die schwierigste Zeit für diese Situation. Es ist auch die gefährlichste Jahreszeit. Das trifft insbesondere den allgemeinen Trend, dass es mit der Wohnungssituation nicht ganz einfach ist.

Mit unserem Antrag geht es uns aktuell schwerpunktmäßig nicht um die Wohnungssituation und die Planungen, wie man dieses Klientel quasi versorgen kann, sondern hier geht es um die Sofortmaßnahmen, die eigentlich dringend notwendig wären. Wir spüren nämlich aktuell in Bremen, dass sämtliche Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe Alarm schlagen, weil sie nicht mehr in dem Zustand sind, den tatsächlichen Bedarf zu decken.

Wir haben es auch zunehmend mit Vertreibung zu tun, mit gewalttätigen Übergriffen et cetera. Vor Kurzem ist bereits ein Wohnungsloser verstorben, weil er zu spät Hilfe bekommen hat. Das Jacobushaus ist voll belegt, alle weiteren Notunterkünfte ebenfalls. Insgesamt sind es derzeit 250 Personen, die in Notunterkünften untergebracht sind. Das Kontingent, das die GEWOBA oder die Bremische zur Verfügung stellen, ist längst ausgeschöpft. Es gäbe zwar zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten wie etwa die Schichthotels. Ich kriege aus den täglichen Erfahrungen aber immer wieder mit: Wenn man bei der zentralen Wohnungsvermittlung anruft und fragt, wie es aussieht, ist die Unterkunft eventuell am Stadtrand, in Bremen-Nord, weit weg, man kann den Hund nicht mitnehmen und so weiter. Das ist schwierig, wenn es Personen betrifft, die hier in der Stadtmitte aufgegriffen werden.

Es ist keine ausreichende Option. Die Grundversorgung findet eben nicht in ausreichendem Maße statt. Derzeit leben schätzungsweise 400 Frauen und Männer auf der Straße beziehungsweise in ungesicherten Wohnverhältnissen. Es gibt eine Dunkelziffer. Man kann es insofern gar nicht genau sagen. Es gibt natürlich auch verdeckte Wohnungslosigkeit.

Deswegen möchten wir den Aspekt hineinnehmen, dass es insbesondere auch vermehrt Arbeitsmigranten aus Osteuropa trifft. Das sind Tagelöhner, die zum Teil nur 3 oder 4 Euro verdienen. Ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern. Es gab vor ein paar Monaten auf „buten un binnen“ von Rainer Kahrs Reportagen zu den Hafenarbeitern und Werften beziehungsweise den Subsubsubunternehmen und in welcher schwierigen und auch gesundheitsgefährdenden Lage sich diese Personen befinden. In Bremerhaven gibt es so eine Versorgungsstelle. Es wäre aber wichtig, so etwas auch in Bremen zu haben. Wir haben diese Lücke.

Dringend notwendig wären niedrigschwellige Angebote, also Aufenthaltsmöglichkeiten, wo man sich einmal mit seinem Hund hinbegeben kann, wo man sich aufwärmen kann, wo man etwas zu Essen erhält, wo man sich waschen und duschen kann.

Ich weise auf das Beispiel von Franziskus hin. Ich selber bin schon lange aus der Katholischen Kirche ausgetreten. Aber der Papst in Rom hat inzwischen gesagt: Das ist ein Missstand, wir werden Duschen für Obdachlose einrichten. Das finde ich gut. So etwas kann ich nur begrüßen.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Da hat das Oberhaupt des Vatikans absolut richtig gehandelt.

Wir stehen aber auch hier in der Verantwortung, diese Möglichkeiten zu schaffen. Es wäre nicht schlecht, einen Tagestreff – wie bei der Inneren Mission – an mehreren Stellen aufzunehmen. Eine Option wäre auch, dass der Bahnhof nachts für Betroffene offensteht. Überhaupt das allgemeine Bild! Vielleicht könnte der Einzelhandel etwas toleranter gegenüber dieser Zielgruppe auftreten und nicht vertreiben, eher der Meinung sein: Das brauchen wir in unserem Stadtbild nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die BSAG – so muss ich sagen – geht mit gutem Beispiel voran, indem sie Busse und Bahnen wieder für Obdachlose öffnet. Solche Aktionen halten wir für richtig. Ich finde auch, dem muss man Rechnung tragen. Auch wenn ein Winter nicht absolute Minusgrade hat – was gerade der Fall ist –, ist es eine sehr belastende Situation.

Obdachlosigkeit ist kein individuelles Problem; sie ist auch eine systembedingte Folge des Wohnungs

notstandes und der zunehmend prekären Lebensverhältnisse, der sozialen Spaltung und allem, was daran hängt. Wir haben eine Steigerung von gut einem Drittel, und ich meine, diese Zahlen müssen uns zumindest zu denken geben.

Das eine sind die langfristigen Pläne und Aktionen, die wir vorhaben, auch mit dem, was innerhalb des Wohnungsbauprogramms vorgesehen ist, aber das andere wäre, noch einmal darüber nachzudenken, was wirklich sofort umzusetzen wäre, und deswegen möchte ich hier den Appell formulieren, auch wenn diesem Antrag wahrscheinlich nicht zugestimmt werden wird, darüber nachzudenken und das wirklich einmal zu reflektieren. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort gebe, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kurses „Gesellschaft und Politik“ der Erwachsenenschule Bremen.

Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Kollegin Grönert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch vor zwei Jahren haben die Redner aller Parteien bei einer ähnlichen Debatte deutlich gemacht, wie wichtig ihnen das Ergehen wohnungsloser Menschen ist. Nun stand kürzlich in der Zeitung, dass alle Notunterkünfte überfüllt seien, und so steht es auch heute im Antrag der LINKEN. Im Gespräch mit Herrn Reetz von der Inneren Mission wurde aber schnell deutlich, dass es einen Unterschied zwischen den Begriffen „überfüllt“ und „gut gefüllt“ gibt. Wie gefüllt – um bei dem Begriff zu bleiben – die Einrichtungen wirklich sind, ist natürlich auch extrem wetterabhängig. Bei Frost sind sie schnell einmal gut gefüllt, und sogar Feldbetten und Isomatten kommen zusätzlich zum Einsatz. Doch ganz wichtig: Es wird niemand weggeschickt, das hat mir Herr Reetz auch so versichert, und so muss es auch bleiben.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wohnungslosigkeit hat ja sehr verschiedene Gründe. Trotz vielfältiger Unterstützungsangebote wird es leider nicht immer möglich sein, sie zu verhindern, und es gibt zunehmend Menschen auf den Straßen, die wegen einer psychischen Erkrankung oder einer Suchtproblematik vorübergehend oder eben vielleicht sogar gar nicht mehr in der Lage sein werden, selbst

ständig zu wohnen. Für diese Menschen gibt es in Bremen verschiedene Unterbringungsangebote.

DIE LINKE fordert in ihrem Antrag, diese Angebote in ausreichender Form anzubieten. Das ist sicher sehr nett gemeint, aber es ist doch in unseren Augen eine ziemlich schwammige Forderung, und es stellt sich auch die Frage, ob es in diesem Bereich gerade einen großen Mangel gibt. Ich habe davon nichts gehört. Dass es immer wieder eng ist und auch Wartezeiten gibt, in Ordnung, aber dass es gerade so akut ist, wüsste ich nicht.

Eine besondere Gruppe auf der Straße sind die Menschen aus Osteuropa, aber auch von ihnen muss im Winter niemand erfrieren, denn die Innere Mission schickt sie nicht in den Frost einer Nacht zurück, wenn sie vor der Tür stehen, obwohl sie nur selten einen Rechtsanspruch auf Sozialleistungen haben. Für diese Menschen könnte es allerdings durchaus gewinnbringend sein, durch aufsuchende muttersprachliche Sozialarbeit Wege aus der prekären Situation zu suchen.

Für einen weiteren Antragspunkt habe ich aber weit weniger Verständnis: DIE LINKE will mehr Aufenthaltsstätten mit großzügigen Öffnungszeiten in den Stadtteilen einrichten. Meines Wissens ist wohnungslosen Menschen schnell bekannt, wo es in einer Stadt Unterstützungsangebote für sie gibt, das spricht sich einfach herum, trotzdem nehmen einige diese Angebote nicht in Anspruch. Nun meint DIE LINKE, dass Bremen vermehrt Aufenthaltsstätten in den Stadtteilen braucht, um diesen Menschen entgegenzukommen. Dieser Forderung können wir uns so nicht anschließen, denn durch die bereits vorhandenen Angebote gibt es eine Nothilfe und für die, die es möchten, auch weiterführende Beratung und Unterstützung. Alle diese Angebote müssen aber stets auch dem Grundsatz Hilfe zur Selbsthilfe folgen. Durch immer engmaschigere Unterstützungsangebote für ein Leben auf der Straße könnte aber gerade die Motivation zur Selbsthilfe hier und da verloren gehen. Wie genau sieht aber das richtige Maß an Unterstützung aus? Über diese Frage stolpern auch immer wieder die meisten Helfer, und ich kann sie heute hier auch nicht beantworten.

DIE LINKE spricht in ihrem Antrag auch die Mietobergrenzen an, die bei drohender oder akuter Wohnungslosigkeit nicht so streng genommen werden sollten. Meines Wissens gibt es auch hier bereits Möglichkeiten, die zumindest vorübergehend greifen, und wenn es nicht so sein sollte, dann bitte ich Herrn Staatsrat Frehe, gleich noch etwas dazu zu erklären.

Des Weiteren fordert DIE LINKE, Maßnahmen zu ergreifen, um Gewalt gegenüber auf der Straße lebenden Menschen einzudämmen und gegen eine gesellschaftliche Stigmatisierung zu wirken. Auch solche Maßnahmen gibt es natürlich in Bremen, doch es ist natürlich auch unbestritten wichtig, ihre Umsetzung nicht zu vernachlässigen und immer wieder

daran zu erinnern. Allerdings sind wohnungslose Menschen leider nicht immer die bequemsten Zeitgenossen, manche sind sehr spannende Individualisten, und einige treten auch nicht gerade sympathiegewinnend auf.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Da kenne ich hier auch welche!)

Dafür mag es Gründe geben, doch diese erschließen sich Außenstehenden nicht einmal eben so einfach, und doch gibt es gerade auch in Bremen für diese Menschen ein hohes zivilgesellschaftliches Engagement.

(Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich habe mir selbst angeschaut, wie die Ehrenamtlichen der Johanniter nachts im Kältebus arbeiten, und ich habe bei den Suppenengeln hospitiert. Auch in der Winterkirche und an anderen Orten konnte ich erleben, wie man Betroffenen mit viel Herz und guter Verpflegung die Tür öffnet; auch die BSAG wurde eben schon genannt, allerdings ohne Verpflegung.

Diese heutige Debatte erinnert uns daran, dass Bremen auch Verantwortung für wohnungs- und obdachlose Menschen trägt. Dieser Verantwortung muss Bremen auch gerecht werden und das eigene Handeln immer wieder überprüfen,

(Glocke)

doch etwas, das es schon gibt, müssen wir nicht beantragen, und mehr Einrichtungen in den Stadtteilen halten wir nicht für zielführend. Darum lehnen wir den Antrag auch ab. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch mich hat dieser Antrag, ehrlich gesagt, ein wenig überrascht, weil wir uns gerade in der letzten Deputationssitzung sehr gründlich und sehr sorgfältig über die Lage der Wohnungslosen in Bremen haben berichten lassen, sowohl von der Behörde, von der Verwaltung, als auch von Herrn Reetz, der für die Innere Mission zuständig ist. Herr Reetz hat gesagt, das hat Frau Grönert eben auch schon gesagt, es sei voll, es sei auch nicht leicht, aber man weise keinen Menschen ab.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das einmal vorweg!

Frau Bernhard, Sie tun so, als gäbe es in Bremen so gut wie nichts und als hätten wir nicht genügend Hilfsmaßnahmen. Ich glaube, da liegen Sie ziemlich falsch,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

weil die Wohnungslosenhilfe in Bremen nicht wenig, sondern sehr viel tut!

Wir haben die Diskussion geführt, ob wir zentral eigentlich noch dieses sogenannte Papageienhaus wollen oder eher mehr ambulante und dezentrale Angebote. Die Diskussion führen wir nicht nur zu Weihnachten und nicht nur, wenn es draußen auf der Straße kalt ist,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

sondern wir führen sie grundsätzlich, und natürlich macht es einen immer betroffen, wenn man bei solchem Wetter Menschen auf der Straße sitzen, liegen oder leben sieht, auch mich macht das betroffen. Ich sage aber, für alle diese Menschen gäbe es Angebote. Es ist auch so – das muss man in aller Klarheit sagen –, dass nicht alle Menschen diese Angebote annehmen, und das hat nichts damit zu tun, dass sie nicht in den Stadtteilen verteilt sind, sondern mit einer ganz bestimmten Vorstellung vom eigenen Leben, und ich finde, das muss man vielleicht auch respektieren, so bedauerlich es möglicherweise sein kann.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir werden jedenfalls nicht anfangen, weil es gerade zu Weihnachten opportun ist, jetzt einen Beschluss mitzutragen, der fordert, wir sollten in allen Stadtteilen Einrichtungen schaffen, die möglichst rund um die Uhr geöffnet haben und auch von vielerlei Sprachangeboten begleitet werden. Ich glaube, ehrlich gesagt, das geht weit über das hinaus, was man leisten kann, und vor allem auch über das, was man leisten muss.

Ich persönlich habe immer gesagt, ich finde, dass man Menschen, die nicht allein wohnen können, helfen muss, das zu lernen, und diese Menschen gibt es, ich rede da gerade von teilweise psychisch kranken Menschen und auch von drogenabhängigen Menschen, ob sie nun Alkohol trinken oder andere Drogen nehmen. Diese Menschen sind nicht in der Lage, allein zu leben, und wir müssen, finde ich, sorgfältig schauen, welche Angebote ihnen helfen können, sich wieder so weit zu entwickeln, dass sie allein leben können.