Protokoll der Sitzung vom 18.02.2015

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist sehr vieles in diesem Haus gesagt worden, dem ich absolut zustimmen kann, deswegen möchte ich nur um ganz wenige Dinge ergänzen.

Ich glaube auch, dass diese Predigt eine unmittelbare Reaktion auf das Bündnis „Bremen ist bunt“ war,

auf die große Menschenmenge auf dem Marktplatz, das Zusammenstehen, gerade auch mit einer prominenten Rolle der Bremischen Evangelischen Kirche dabei. Ein Aspekt ist noch nicht erwähnt worden, wir müssen natürlich sehen, dass eine solche Predigt, gerade wenn sie eine Reaktion auf ein Bündnis ist, das ein ganz bestimmtes gesellschaftliches Klima hier in Bremen, nämlich das des Friedens und der Gemeinsamkeit, der Solidarität war, dann natürlich auch wieder Reaktionen hervorruft, vielleicht sogar Reaktionen hervorrufen soll, genauso intendiert war, nämlich sozusagen den Keim des Streits und der Auseinandersetzung in eine für den Geschmack von Pastor Latzel zu friedliche und gemeinsame Veranstaltung hier in Bremen zu legen.

(Abg. D r. K o r o l [BIW]: Das war eine Verschwörung! Eine Verschwörung war das!)

Nein, Herr Korol, tut mir leid, Sie nehme ich leider nicht ernst, auch nicht Ihre Zwischenrufe, das müssen Sie schon entschuldigen! Hier geht es um wirklich ernste Dinge.

Wenn es so intendiert war – und das war einer der ganz wenigen Punkte, bei denen ich in Nuancen einen kleinen Widerspruch zu Ihrer Rede habe, Herr Röwekamp, die ich ansonsten sehr weitgehend teile –, dann handelt es sich auch um ein Politikum, und wahrscheinlich war die Predigt auch als ein Politikum gemeint. Daher finde ich es auch richtig, dass wir es als Politikum auffassen und uns in diesem politisch gewählten Haus damit befassen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Der zweite Gedanke, ich glaube, dass jede Gewalt immer zunächst vom Wort ausgeht. Das Wort geht immer der Gewalt voraus. Ja, es stimmt, dass es in bestimmten Predigten, in bestimmten Moscheen oder in anderen Zusammenhängen unmittelbar zusammenhängt, dass das Gewalt schürende Wort gleich mit dem Aufruf zur Gewalt einhergeht und wir das so bei Herrn Pastor Latzel nicht haben.

Wenn aber das Wort, die Anstiftung, die geistige Grundlage immer die Basis von Gewalt ist, dann ist es natürlich auch gefährlich, wenn es noch getrennt daherkommt, wenn Herr Pastor Latzel quasi sagen kann, seht her, wenn daraus jetzt Konflikte und auch Gewalt entstehen – und ich finde, es ist eine Predigt, die Gewalt in dieser Gesellschaft sät –, dann habe ich damit nichts zu tun, denn ich habe in meiner Predigt in meiner Kirche ja nicht zur Gewalt aufgerufen. Insofern finde ich es trotzdem wichtig zu sehen, dass die Grundeinstellung und Grundphilosophie dieser Predigt eben auch in unserer Gesellschaft in der Geschichte wie auch heute aktuell am Ende immer auch als Einstellung und Grundlage von Gewalt die

nen kann. Zumindest kann Herr Pastor Latzel, wenn er so etwas predigt, nicht ausschließen, dass andere sein Wort als Grundlage für Gewalt nehmen, und das macht sie so gefährlich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich finde auch, dass sie aber trotzdem als Predigt von der Rede-, Religions- und Meinungsfreiheit voll gedeckt ist. Daher auch der Dank an DIE LINKE, diesen letzten Satz herauszunehmen, jetzt nicht aus diesem Haus Konsequenzen, schon gar keine innerkirchlichen Konsequenzen, fordern zu wollen! Das war ja auch etwas, von dem wir gesagt haben, es würde uns die Zustimmung zum Antrag wesentlich erleichtern. Das ist so erfolgt, deswegen können wir es hier heute als grüne Fraktion auch frohen Herzens beschließen.

Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, was dieser spezielle – und ich habe es mir wirklich oft genug angehört – Effekt ist, den der Pastor vermutlich auch ganz genau beabsichtigt.

Man konstruiert eine bestimmte religiöse Position, die man als ausschließlich „rein“ – der Begriff „Reinheit“ fällt an ganz vielen Stellen – bezeichnet. Alles andere ist demnach unrein. Dann ist klar, dass das „Reine“ gegen das „Unreine“ zu kämpfen hat und Letzteres aus der Welt verschwinden muss. Wer diesem Gedanken weiter folgt, der landet nicht nur beim Konflikt, nicht nur bei friedlichen rhetorischen Auseinandersetzungen, sondern auch bei Gewalt. In einem Haus der Bremischen Evangelischen Kirche hat dieses Wort vom Effekt her nichts zu suchen. Auch wenn das in einer Predigt so behauptet werden darf, wünsche ich mir in Bremen eine Kirche – auch ich gehöre ihr an –, die genau das Gegenteil der Position von Herrn Latzel, und zwar in allen Punkten, die er gepredigt hat, verkündet und die Menschen dahinter versammelt. Ich glaube, dass das in Bremen gelingen wird, sowohl auf kirchlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene, natürlich auch auf politischer Ebene in diesem Haus. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Als Nächster erhält das Wort Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Freiheit des religiösen Bekenntnisses, Trennung von Staat und Kirche – das sind Errungenschaften des demokratischen Rechtsstaates. Deshalb ist es nicht selbstverständlich, dass wir hier über eine Predigt debattieren, die in einer bremischen Kirche gehalten worden ist. Ich weiß nicht, ob das schon häufig in diesem Parlament geschehen ist. Ich würde aber die Frage nach der Notwendigkeit, darüber zu diskutieren, mit einem ganz klaren Ja beantworten.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Dennoch ist es wichtig, zwei Aspekte auseinanderzuhalten. Gestatten Sie mir aber zuvor den Hinweis, dass die Predigt in der Innenstadtgemeinde Sankt Martini stattfand. Der eine oder andere, auch aus diesem Haus, wohnt in der Nähe einer anderen Gemeinde, die aber auch Sankt Martini heißt. Wir sollten die beiden Gemeinden nicht in Verwechslung bringen.

Die Predigt von Pastor Latzel am 18. Januar 2015 hat eine breite innerkirchliche, zum Teil theologische Debatte ausgelöst, eine Debatte, die ich als Mitglied der Bremischen Evangelischen Kirche sehr begrüße und an der ich mich, so es dafür Zeit und Möglichkeit gibt, gern beteilige. Es ist eine Debatte über Fragen wie: Was ist christlicher Glaube in einer multireligiösen Welt? Welche Botschaften verbinden sich mit dem christlichen Glauben? Wie ist das Verhältnis von Christen zu anderen Religionen? Vor allen Dingen: Was ist mit dem Markenkern der Bremischen Evangelischen Kirche, der Glaubens- und Lehrfreiheit der einzelnen Gemeinden? Letzteres ist ein kostbares Gut, das Vielfalt ermöglicht und gläubigen Christen in Bremen eine gute Möglichkeit gibt, sich zu engagieren.

Das ist eine Debatte, die ich als Senator für kirchliche Angelegenheiten, der ich auch bin, nicht kommentieren möchte, weil sie den innerkirchlichen Bereich betrifft. Ich weiß aber, dass diese Debatte mit großem Ernst, hohem Verantwortungsbewusstsein und viel Engagement in der Bremischen Evangelischen Kirche geführt wird. Wir sollten uns, sofern wir Mitglied der Bremischen Evangelischen Kirche sind, daran nach Möglichkeit beteiligen.

Aber – deswegen ist das hier ein Thema – Kirchen und Religionsgemeinschaften wirken nicht nur nach innen. Sie wirken in die soziale Welt einer Stadt und eines Landes hinein. Sie haben eine Rolle inne bei der Gestaltung unseres sozialen Zusammenlebens. Sie prägen Wertvorstellungen, sie prägen Haltungen, sie prägen Menschen. Mit den Worten, die in Kirchen gesprochen oder in Schriften verbreitet werden, sind sie auch Teil des politischen Lebens. Deshalb hat diese Predigt eine politische Dimension, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Die Predigt haben nicht nur die Menschen gehört, die in der Kirche saßen. Wir haben sie auf einer Internetseite abrufen und uns im Wortlaut anhören können; ihre Botschaft war also nach außen gerichtet. Die politische Wirkung dieser Predigt ist – ich kann es mit einem Wort beschreiben – verheerend. Deswegen ist das unser Thema.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Wer die Glaubensformen oder die religiösen Gefühle seiner Mitmenschen beleidigt, wer den inter

religiösen Dialog verunglimpft und – ganz konkret – Buddhisten, Katholiken oder Muslime in ihren Glaubensvorstellungen attackiert, der muss Widerspruch erfahren. Wir lassen uns nicht hineintreiben in ein Leben des Gegeneinanders, sondern wir wollen das tolerante Miteinander. Für ein solches Zusammenleben in unserer Gesellschaft tragen wir alle Verantwortung, auch ein Pastor auf seiner Kanzel. Diese Verantwortung muss auch dort wahrgenommen werden.

Ich schließe mich allen Äußerungen vonseiten der Koalitionsfraktionen, aber auch vonseiten der CDU und der LINKEN an, die zur inhaltlichen Würdigung dieser Predigt getätigt worden sind. Die Frage ist aber, was außer Worten wir einem solchen Predigttext entgegensetzen sollten. Wir können dem etwas entgegensetzen, zum Beispiel dadurch, dass wir uns gemeinsam um einen Dialog der Religionen und der Kulturen bemühen, wo immer wir es können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir stehen dafür – das sollten wir klar sagen –, dass wir alle uns mit Respekt begegnen, mit Respekt vor dem Glauben des anderen, auch mit Respekt vor der Vielfalt und der Vielfältigkeit des Glaubens.

Ich habe hier schon – ich glaube, in der letzten Sitzung der Bürgerschaft – an eine Veranstaltung mit fast 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern erinnert, die Anfang Januar im Rahmen des interreligiösen Dialogs im Rathaus stattfand. Wir trafen uns dort zum wiederholten Mal. Vertreter von sieben Religionen kamen zusammen, aber nicht, um den Übertritt zu der jeweils anderen Religion zu vollziehen, sondern deshalb, weil wir alle erkannt haben, dass wir vereint auf einem Fundament stehen. Dazu bedarf es nicht unbedingt einer theologischen Formulierung, sondern der Übereinstimmung, schon im Interesse des menschlichen Zusammenlebens in der täglichen Praxis die Religion des anderen zu respektieren, anzuerkennen und sich dafür zu interessieren. Wir glauben, dass der Kern einer jeden Religion das friedliche, vertrauensvolle, menschliche Zusammenleben ist. Diese Überzeugung muss man einer Predigt wie der von Pastor Latzel entgegensetzen. Die Stadtgesellschaft in Bremen und Bremerhaven will nicht so leben, wie Pastor Latzel es von seinen Zuhörerinnen und Zuhörern erwartet. Das wäre nicht unser Bremen. Wir wollen ein anderes. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 18/1754 – das ist die Neufassung des Antrags mit der DrucksachenNummer 18/1742 – seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU und Abg. D r. K o r o l [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Entschließungsantrag zu.

Wirtschaftsförderung des Landes geschlechtergerecht und arbeitsplatzorientiert weiterentwickeln

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7. Oktober 2014 (Drucksache 18/1570)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält Frau Kollegin Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir – respektive Sie – haben schon in der letzten Bürgerschaft ausführlich über die Situation der Frauen im Lande Bremen gesprochen. Wir haben reflektiert, dass es damit nicht gerade rosig aussieht. Ich weiß, dass es einerseits – das sage ich auch aus meiner persönlichen Situation heraus – um Selbstverständlichkeiten geht, über die zu diskutieren eigentlich nicht notwendig sein sollte. Auf der anderen Seite weiß ich, dass noch ein dickes Brett zu bohren ist.

Noch einmal kurz zu den Zahlen! In Bremen sind in etwa gleich viele Männer wie Frauen erwerbstätig, von den Bremerinnen sind es fast 63 Prozent. Aber wenn wir uns die Zahlen genauer anschauen, erkennen wir, dass davon wiederum nur 46 Prozent, also nur fast die Hälfte, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze innehaben, die andere Hälfte nicht.

Die Wirtschaftsförderung im Lande Bremen geht jedoch an Branchen, die zu 75 Prozent einen Männeranteil und nur zu 25 Prozent einen Frauenanteil haben. Männer profitieren bei uns also dreimal so stark von der Wirtschaftsförderung wie Frauen. Das ist nicht gerecht. (Beifall bei der LINKEN)

Es sollte ein selbstverständliches Ziel der Wirtschaftsförderung sein, dass Frauen mindestens so viel

von ihr haben wie Männer. Die Ausrichtung ist nicht nur ungerecht für Frauen, sondern auch, wenn ich das sagen darf, wenn wir uns die Migrationsanteile ansehen, sieht es nicht viel besser aus. Das heißt, die Wirtschaftsförderung benachteiligt diejenigen Beschäftigten, die ökonomisch ohnehin schon schlechter gestellt sind und am Arbeitsmarkt größere Probleme haben. Das ist unter sozialpolitischen, migrationspolitischen und eben gerade auch gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten ausgesprochen unbefriedigend. Diese Verzerrung ist aber auch arbeitsmarktpolitisch unvernünftig.

Das produzierende Gewerbe, das am meisten von der Wirtschaftsförderung profitiert, baut kontinuierlich Arbeitsplätze ab. In den Jahren 2008 bis 2012 sind dort mehr als 1 000 Arbeitsplätze verschwunden. Dafür sind im Bereich der wirtschaftlichen Dienstleistungen circa 6 000, im Gesundheits- und Sozialwesen 2 000 und auch in der Erziehung und im Unterricht Arbeitsplätze entstanden. Ausgerechnet die Bereiche, die unter Beschäftigungsgesichtspunkten eine dynamische Entwicklung aufweisen, sind aber von der Wirtschaftsförderung des Landes ausgenommen. Das widerspricht eigentlich jeder volkswirtschaftlichen Vernunft.

Warum ist das so? Die Wirtschaftsförderung hier stammt aus drei Quellen, zum ersten aus den Bundesmitteln im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftsförderung, zum zweiten aus EUMitteln, also aus dem EFRE, und zum dritten aus Landesmitteln. Für die Bundesmittel, die sogenannten GRW-Mittel, ist die Beschränkung auf die Exportbranchen zwingend vorgeschrieben.