Protocol of the Session on February 18, 2015

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Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/1691 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU und BIW)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Dann wer- den wir Herrn Mäurer jetzt nie wieder un- terstützen! – Heiterkeit)

Bremen braucht ein Wohnungsaufsichtsgesetz als wirksames Instrument gegen Immobilienverfall und Überbelegung – Bremisches Wohnungsaufsichtsgesetz (BremWAG)

Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 10. Februar 2015 (Drucksache 18/1735) 1. Lesung

D a z u

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vom 17. Februar 2015

(Drucksache 18/1748)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Lohse.

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Pohlmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir alle erinnern uns noch sehr gut an das Thema Neuwieder Straße und weitere verwahrloste Immobilien. Immer wieder sind wir als Politiker gefordert, uns mit der Frage auseinanderzusetzen, was der Staat und unser Gemeinwesen gegen solche entsetzlichen Heuschrecken unternehmen können, die zum einen ganz elementar gegen die Rechte der Mieter vorgehen, aber zum anderen auch dazu beitragen, ganze Stadtquartiere nachhaltig und langfristig herunterzuziehen. Kein Strom, menschenunwürdige Verhältnisse, Wucherpreise, die Städte und unser Gemeinwesen brauchen endlich bessere gesetzgeberische Handhabe, um gegen die profitorientierten Vermieter der sogenannten Elendshäuser oder auch ganzer Quartiere vorzugehen.

(Beifall bei der SPD)

Bestimmte Finanzinvestoren – wie gesagt, umgangssprachlich auch Heuschrecken genannt – haben in den letzten Jahren verstärkt in ganz Deutschland Hunderttausende Wohnungen in großen Gebäudekomplexen aufgekauft, so auch bei uns in Bremen, Bremen-Nord und Bremerhaven. Ihr Ziel war und ist es, durch den schnellen Wiederverkauf großer Wohnungspakete den maximalen Profit zu erwirtschaften. 20 Prozent Rendite und mehr sind die Geschäftsbedingungen, die sie einplanen, bei diesen Transaktionen auch teilweise realisieren, und auf der Verliererseite stehen stets die Mieter, die Kommunen, ganze Stadtquartiere, die hier nachhaltig heruntergezogen werden.

Nun sei es jedem Unternehmen gegönnt, Gewinn zu machen, das ist auch die Aufgabe unserer Markt

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(B) (D)

wirtschaft, aber es kann nicht auf Kosten derjenigen gehen, die in diesen Anlagen wohnen, und deshalb kämpfen wir als SPD gemeinsam mit unserem Koalitionspartner Seite an Seite seit Jahren dafür, diesen menschenunwürdigen Wohnverhältnissen etwas entgegenzusetzen.

Natürlich könnten theoretisch auch die Mieter juristisch gegen Wucher vorgehen und gegen den Vermieter die Reparatur defekter Installationen und anderer Anlagen einklagen. Wir wissen aber, dass sich viele der betroffenen Mieter gar nicht trauen, wegen der verwahrlosten Wohnungen gegen die rücksichtslosen Vermieter vorzugehen. Viele dieser Mieter haben Angst, ihre Unterkunft, und sei sie noch so marode, zu verlieren. Viele dieser Mieter haben oft keine Chance, weiter auf dem regulären Wohnungsmarkt unterzukommen. Das ist wichtig, und da sehe ich auch den Kontext der ganzen wohnungspolitischen Diskussion, die wir auch in den Sitzungen der Stadtbürgerschaft und hier im Landtag geführt haben.

Ich erinnere noch einmal daran, gestern hätten wir eigentlich ein wichtiges Instrument, das Vorkaufsrecht für die Grohner Düne, zu diskutieren gehabt. Ich hätte es schön gefunden, wenn wir noch die Zeit gehabt hätten, dies auch zu tun,

(Abg. Frau N e u m e y e r [CDU]: Ja! – Vi- zepräsidentin S c h ö n übernimmt den Vor- sitz.)

aber das wird mit Sicherheit auch noch folgen. Die Grohner Düne, die Neuwieder Straße oder das Quartier Robinsbalje, wo die Vermieter den Medien zufolge in den letzten Monaten einfach kein Heizöl gekauft und die Menschen weder eine warme Wohnung noch warmes Wasser hatten, sind Teile der Realität auf unserem Wohnungsmarkt. Darum sagen wir ganz eindeutig, wir wollen versuchen – und das war auch eine Erkenntnis aus den Debatten –, unserem Gemeinwesen, unserem Staat, unserer Verwaltung mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, um dagegen vorzugehen. Ich glaube, mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf für das Wohnungsaufsichtsgesetz, eingebracht von der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen, gehen wir einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, um auch hier die Wirksamkeit von staatlichem Handeln im Interesse der Menschen gegen diese Heuschrecken deutlich zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Es liegt auch ein Änderungsantrag der LINKEN vor. Darin sind zwei Antragsbereiche enthalten, der erste Antragsbereich gilt der Erweiterung des Paragrafen 1. Darin steht, dass wir auch die Aufgaben der Wohnungsaufsicht der Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven wahrzunehmen haben. Wir möchten noch einmal ausdrücklich sagen, dass wir das nicht wollen, weil sich dies auch eindeutig gegen die Intention des Gesetzes und unsere Vorhaben richtet.

(Glocke)

Ich werde in meinem zweiten Redebeitrag noch einmal auf den weiteren Punkt eingehen, den werden wir auch ablehnen, und das werde ich dann noch einmal begründen.

Ein Satz noch, Frau Präsidentin! Ich glaube, es ist notwendig, mit dem Wohnungsaufsichtsgesetz gerade auch die Masse der Vermieter, die sich wirklich sehr ordentlich und gesetzestreu verhalten – das muss man auch einmal feststellen –, gegenüber den Miethaien zu schützen. Wir sollten mit der Verabschiedung dieses Gesetzes ein klares Signal setzen! – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Wendland.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mieterinnen und Mieter, ich spreche Sie heute direkt an, weil heute ein guter Tag für Sie ist; denn wir schließen eine Lücke. Wir verabschieden nämlich ein Gesetz, das verantwortungslose Wohnungseigentümer in die Pflicht nimmt, menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen. Es geht nicht an, dass Investoren oder Wohnungsbaugesellschaften Wohnraum nicht sanieren, obwohl er dringend saniert werden muss, etwa weil er feucht ist, weil die Heizung nicht funktioniert oder die Klospülung versagt. Ausziehen können die Mieter meistens nicht, weil sie genau wissen, dass andere – bezahlbare – Wohnungen kaum mehr zu finden sind. Zu angespannt ist der Markt für Wohnungen, insbesondere für solche mit günstigen Mieten.

Beispiel ist die „Grohner Düne“ in Bremen, die sich im Eigentum der Grand City Property, einer „Heuschrecke“, befindet. Sie zieht viel Geld heraus, steckt wenig hinein und hat nur die Rendite im Blick. Dort gibt es defekte Aufzüge, Schimmel und schlechte energetische Werte. Deswegen ziehen wir, das Parlament, jetzt das Wohnungsaufsichtsgesetz als eine Art Notbremse ein. Die Behörden erhalten damit die gesetzliche Grundlage, um einzugreifen, wenn Investoren nichts machen und damit die Wohnungsnot schamlos ausnutzen. Menschen mit geringem Einkommen haben nicht nur ein Recht auf bezahlbaren Wohnraum, nein, sie haben auch ein Recht auf guten Wohnraum.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir können also eingreifen, wenn zum Beispiel der Aufzug nicht funktioniert, und dem Eigentümer eine Frist setzen, um diesen Missstand zu beheben. Passiert nichts, bestellt die zuständige Behörde demnächst

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einen Handwerker. Bezahlt der Wohnungseigentümer die Rechnung dann immer noch nicht, erfolgt ein Eintrag in das Grundbuch. Damit wird die Kommune Miteigentümerin und kann verhindern, dass der Vermieter mit dieser Immobilie möglicherweise spekuliert. Ein gutes Gesetz, das aus der Sicht der Sozialpolitik längst überfällig ist!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Schauen wir in den 2. Armuts- und Reichtumsberichts des Landes Bremen! Darin geht es um Wohnblocks, die ehemals von gemeinnützigen Gesellschaften als Sozialwohnungen gebaut wurden und jetzt im Besitz von privaten Investoren, zum Beispiel der Deutschen Annington, sind. Die Mieten steigen zwar nur moderat, aber die Wohnungen sind meist in miserablem Zustand; zum Teil wird die Gesundheit der Bewohner gefährdet. Das kann mit dem Wohnungsaufsichtsgesetz künftig verhindert werden. Bremen und Bremerhaven greifen mit diesem Instrument in den Markt ein. Das ist wirtschaftspolitisch vielleicht bedenklich, aber sozialpolitisch unbedingt notwendig, weil der Markt an dieser Stelle versagt. Die Politik korrigiert, zieht mit dem Wohnungsaufsichtsgesetz Wohnungsstandards verbindlich ein und verhindert, dass Menschen unwürdig wohnen und ganze Stadtquartiere verfallen. Das Wohnungsaufsichtsgesetz soll aber auch verhindern, dass Menschen auf engstem Raum eingepfercht werden. Zehn Bewohner auf 40 Quadratmetern ohne Kochmöglichkeit – immer wieder empören wir uns, wie etwa ausländische Billigarbeiter untergebracht sind, weil die Rendite stimmen soll. Wird künftig Überbelegung festgestellt und publik, kann die Behörde eingreifen. Bremen und Bremerhaven schaffen sich mit diesem Gesetz also ein gutes Instrument, um Wohnungsund Sozialpolitik aktiv zu gestalten, um ein Druckmittel zu haben, wenn Unternehmen sich nicht um ihre Immobilie kümmern und damit um die Menschen, die darin wohnen. Wenn wir das Gesetz in 2. Lesung verabschiedet haben, brauchen wir schnellstmöglich eine Anlaufstelle und feste Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die Mieterinnen und Mieter. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Als Nächste hat das Wort Frau Kollegin Bernhard.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir debattieren heute über das Wohnungsaufsichtsgesetz. Ich kann es gleich vorwegnehmen: Aus unserer Sicht ist das ein wesentlicher, richtiger und absolut unterstützenswerter Schritt.

(Beifall bei der LINKEN und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Die Wohnungsaufsicht ist eine Pflicht des Staates. Das ergibt sich schon aus dem Grundsatz, dass Wohnen ein Menschenrecht ist. Mehrere Bundesländer haben dieses Gesetz bereits eingeführt, andere denken darüber nach, es zu tun. Anlässe gibt es zuhauf. Die Neuwieder Straße wurde schon erwähnt, ist aber nur ein Beispiel. Es gibt auch die „Grohner Düne“ und das Schweizer Viertel. Wir haben die großen Wohnungsbaugesellschaften, die flapsig „Heuschrecken“ genannt werden. Aber es gibt auch kleine private Vermieter, die durchaus ihre Wohnungen verfallen lassen und dadurch absolute unwürdige Wohnbedingungen heraufbeschwören. Ich möchte auch, meine Vorrednerin durchaus unterstützend, die Leiharbeiter erwähnen, die praktisch zusammengepfercht werden. Zwar werden exorbitante Mieten verlangt, aber mit „Wohnen“ kann das nicht mehr tituliert werden.

Das Gesetz klärt vor allen Dingen – das halte ich für wesentlich –, dass ein Vermieter finanziell belangt werden kann, zum einen für die Kosten, die für die Beschaffung von Ersatzwohnraum anfallen, zum anderen über Bußgelder. Es geht letztlich nicht darum, die Leute auf die Straße zu setzen, sondern es geht darum, dass qualitativ adäquater, anständiger Wohnraum zur Verfügung steht.

Ich möchte jetzt aufgrund der Kürze der Zeit nur auf den zweiten Punkt unseres Änderungsantrags eingehen. Wenn man den vorliegenden Gesetzentwurf mit den entsprechenden Gesetzen anderer Bundesländer vergleicht, fällt natürlich auf, dass die Zweckentfremdung von Wohnraum – der zweite Passus in unserem Änderungsantrag – herausgefallen ist. Diesen Passus würden wir aber gern aufnehmen. Darauf bezieht sich schwerpunktmäßig unser Änderungsantrag. Die Koalition hat in ihrem Gesetzentwurf, der dem Wohnungsaufsichtsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen sehr ähnlich ist, genau diesen Punkt weggelassen.