Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Es gibt viele Leute, die arm sind, weil sie psychi

sche Probleme haben, weil sie Alkoholprobleme oder Drogenprobleme haben, weil sie alle diese Hemmnisse für den Arbeitsmarkt mit sich herum tragen. Aufgabe der Politik ist es, dafür zu sorgen, dass diesen Menschen geholfen wird, aus dieser Lebenssituation herauszukommen, um wieder in den ganz normalen Lebensalltag zurückzufinden. Das zu tun, ist eine unglaublich komplizierte Aufgabe, da braucht man Therapeuten, Beratung und Hilfskräfte jedweder Art. Das zu organisieren ist bestenfalls eine der guten Möglichkeiten der Sozialarbeit und auch der Arbeitsmarktpolitik.

Wir sollten uns den Grundgedanken in diesen Fra

gen, wonach sich Prävention auch sozialökonomisch rechnet, das eine oder andere Mal durch den Kopf gehen lassen. Wenn man wartet, bis die Probleme sozusagen am Ende der Kette angelangt sind es zu spät ist und erst dann versucht zu helfen, ist es letzt lich teurer, als wenn man von Anfang an versucht, diese Lebensschicksale zu vermeiden, indem man in vielen Bereichen eine gute Angebotspolitik macht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

In einigen Bereichen wird man nicht umhinkommen

festzustellen, dass eine Integration in den normalen Arbeitsmarkt so nicht mehr möglich ist. Wir sind der Auffassung, dass man so etwas wie einen sozialen Arbeitsmarkt braucht, man kann auch sagen, ei nen zweiten Arbeitsmarkt. Die Leistungsfähigkeit bestimmter Menschen reicht nicht für den ersten Arbeitsmarkt aus. Das zu akzeptieren tut in der Seele weh und fällt mir außerordentlich schwer. Es ist

aber so, dass wir den Menschen helfen, wenn wir ihnen leistungsorientierte Angebote machen, die sie auch bewältigen können, anstatt sie permanent zu überfordern. Deshalb dürfen solche Tätigkeiten nicht unterschätzt werden, weil es für die Menschen tagesstrukturierende und helfende Maßnahmen sind, die auch dazu beitragen, dass diese Menschen teilhaben können.

Teilhabe ist im Übrigen ein ganz großer Begriff

im Bereich der Armut. Oftmals ist es gerade bei der Altersarmut so, dass sie den Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben bedeutet. Wir haben mit Sicherheit auch im Ausschuss noch nicht die end gültigen Lösungen dafür gefunden, wie Menschen mit genau diesen Armutsproblemen dennoch an der Gesellschaft teilnehmen können, aber wir haben aufgeschrieben, wie man so etwas machen kann.

Dass das Bündnis im Rathaus und auch die Ar

mutskonferenz an diesen Bereichen natürlich auch arbeiten und Vorschläge gemacht haben, macht deutlich, dass das Thema Armut tatsächlich in der Mitte der politischen Diskussion angekommen ist, und ich finde, auch zu Recht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will noch einmal einen Aspekt herausgreifen!

Wenn man sagt, Herr Dr. vom Bruch – und da ha ben Sie meiner Meinung nach vollkommen recht –, gegen Armut sei Bildung ein Schlüssel, dann sage ich, dass es viele Kinder gibt, bei denen das Schloss gar nicht vorhanden ist, und das ist das Problem. Es gibt Kinder, die in Lebensverhältnissen leben, in denen, um es nur einmal so zu sagen, die Eltern nicht gerade liebevoll miteinander umgehen, oder anders ausgedrückt, wenn das Kind morgens am Frühstückstisch erlebt, wie der Vater die Mutter schlägt oder Ähnliches, dann ist das Schloss für die Bildungsaufnahme gar nicht vorhanden.

(Beifall bei der SPD)

Da kann man dann also ein sehr gutes Bildungs

angebot machen, aber die Kinder sind nicht in der Lage zu lernen. Das ist einfach so! Deswegen glaube ich, dass wir in den Bereichen, in denen es so ist, ganz sorgfältig hinschauen müssen.

Deswegen bin ich der felsenfesten Überzeugung,

dass wir in Stadtteilen mit sozialen Problematiken Bildungs- und Familienzentren entwickeln müssen, weil es bei der einfachen Erziehung – ich setzte das Wort einfach wirklich in Anführungsstriche, weil ich auch weiß, dass Erziehungsarbeit nicht sehr einfach ist – eben nicht nur um die Erziehungsarbeit selbst geht, sondern in diesen Stadtteilen zunehmend auch um Elternarbeit. Das können die Kitas vor Ort aus ihrem jetzigen Bestand in der jetzigen Konstruktion und Situation derzeit eben nicht organisieren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Da braucht man dann – und das haben wir auch perspektivisch beschlossen – möglicherweise Sozi alarbeit, die hilft, die Elternarbeit in den Bereichen durchzuführen.

Ich habe vor einiger Zeit in Gröpelingen an einer

Versammlung von 120 Erzieherinnen teilgenommen, die genau aus dem Bereich kommen, und diese haben sehr akkurat sieben Forderungen formuliert – Herr Dr. Schlenker war auch dabei –, wie man im Grunde genommen in diesen Stadtteilen die Erzie hungsarbeit bei den Kindern organisieren müsste. Ich finde, dass wir dem ein Stück weit Rechnung tragen müssen, weil ich glaube, dass die Erziehe rinnen in ihrer praktischen Erfahrung aus diesem Stadtteil schlicht und ergreifend recht haben und gute Vorschläge gemacht haben, und ich finde, dass wir diese aufnehmen sollten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will ich zum Schluss nicht vergessen, dem

Ausschussvorsitzenden dafür zu danken, dass er den Ausschuss in einer fairen, ruhigen und auch, wie ich finde, fachlich fundierten Art geleitet hat. Herr Dr. vom Bruch, herzlichen Dank dafür!

(Beifall)

Diese Art der Leitung des Ausschusses hat tatsäch

lich auch dazu geführt, dass man auch inhaltlich, fachlich und sachlich diskutieren konnte, und ich fand die Atmosphäre außerordentlich gedeihlich, auch das will ich am Ende meines Beitrags sagen. Ich finde, jede Abgeordnete und jeder Angeordnete sollte sich auch einmal die Mühe machen, diesen doch recht umfangreichen Bericht einmal durchzulesen, er war sehr arbeitsintensiv. Viele Anregungen daraus werden wir in der nächsten Legislaturperiode mit Sicherheit noch einmal aufgreifen müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das

Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Präsident, meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es angemessen und richtig, auch an dieser Stelle mit dem Dank für die geleistete Arbeit zu be ginnen und kann mich Herrn Möhle nur anschließen: Allen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, im besonderen Maße dem Ausschussvorsitzenden, Herrn Dr. vom Bruch, weil er besonders mit dieser Arbeit

befasst und belastet war, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den von uns eingeladenen Expertin nen und Experten und – das ist auch ganz wichtig, weil wir hier nicht in einem Raumschiff abgehoben Politik machen und, da wir gleichzeitig Landes- und Stadtparlament sind, sehr nahe an den Problemen daran sind – allen Menschen, die draußen auch ehrenamtlich gegen dieses Phänomen der Armut ankämpfen, sage ich ganz herzlichen Dank von unserer Fraktion!

(Beifall)

Wir waren in keinem parlamentarischen Untersu

chungsausschuss – die Arbeit fühlte sich vollkommen anders an –, sondern wir waren auf einer gemein samen konstruktiven Suche nach Wegen, wie wir gemeinsam besser mehr tun können, um Armut in Bremen und Bremerhaven weiter zurückzudrängen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das glaube ich!)

Dieses Verständnis hat von Anfang an in diesem Ausschuss sehr gut gewirkt.

Wir haben selbstverständlich diesen von Herrn

Möhle erwähnten Schalter nicht gefunden, aber das war auch gar nicht der Auftrag. In meinem Sinne und wie wir in unserer Fraktion den Vorschlag diskutiert haben, einen solchen Ausschuss einzurichten, war der Auftrag mannigfaltig: zum einen tatsächlich noch einmal die vielen Studien, die Expertisen der Expertinnen und Experten danach zu durchsuchen, was tatsächlich für unsere konkrete Situation im Land Bremen hilfreich sein könnte, weil sich auch das natürlich von Stadt zu Stadt, von Bundesland zu Bundesland, von Land zu Land unterscheidet, wie wir dieses enorme Wissen, das es über Armut und ihre Ursachen gibt, auf unsere Situation in Bremen heruntergebrochen werden kann.

Zum anderen wollten wir diesem Thema die an

gemessene Bedeutung und herausgehobene Stel lung bei den Problemen dieses Bundeslandes auch tatsächlich zukommen lassen. Da ging es mir von Anfang an so wie heute: Wer über die Zukunft des Landes Bremen, der beiden Städte Bremen und Bremerhaven spricht, ohne diese extreme ausein andergehende Schere zwischen Arm und Reich in den Mittelpunkt zu stellen, der hat unser Bundesland nicht verstanden, der hat nicht verstanden, was uns am Ende auseinanderreißen wird, wenn wir nicht rechtzeitig etwas dagegen tun.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Diese Schere bedroht nicht nur Menschen, die von

Armut bedroht sind, meiner Meinung nach bedroht diese Schere uns alle. Diese Schere schneidet die Lebensqualität von uns allen ab und nicht nur von

den Menschen, die akut von Armut bedroht sind, ich glaube, man kann das in anderen Ländern sehen, wo es eine noch extremere Auseinanderentwicklung von Arm und Reich gibt.

Eine demokratisch verfasste Gesellschaft kann auf

Dauer ein weiteres Auseinanderklaffen dieser Schere nicht ertragen. Wir sind es nicht nur den Menschen, den vielen Kindern schuldig, die tatsächlich in Armut leben, wir sind es auch der Gesellschaft insgesamt schuldig. Der Ausschuss hat sich größte Mühe ge geben, das umzusetzen und dies tatsächlich in das Zentrum aller oder vieler Überlegungen zu stellen.