Protokoll der Sitzung vom 09.12.2015

Der Regelungsbedarf, der jetzt vor uns liegt, ist gewaltig, und die Zeit ist knapp. Bis 2019 laufen die bestehenden Vereinbarungen für die Finanzströme zwischen Bund und Ländern aus. Hinzu kommt, dass sich mit Inkrafttreten der Schuldenbremse auch die Spielregeln für die Zukunft verändern.

Die Länder haben sich nun auf einen gemeinsamen Weg zur Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen verständigt. Nicht nur das! Sie haben sich einstimmig entschieden. Damit ist es gelungen, die vielfach widerstreitenden Interessen doch noch unter einen Hut zu bringen.

Gerade diese Einstimmigkeit hat einen enorm hohen Wert, denn sie ist auch ein ganz starkes Signal für das Zusammenstehen der staatlichen Glieder in Deutschland. Das bündische Prinzip verlangt, dass auch die Organe des Bundes dazu ihren Beitrag leisten. Mein Eindruck ist, dass auch die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister diese Botschaft verstanden haben.

Meine Damen und Herren, vor gut drei Jahren haben die ersten Gespräche über einen neuen BundLänder-Finanzausgleich begonnen. Allen, die daran mitgewirkt haben, war von Beginn an klar, das wird ein schwieriger und wahrscheinlich auch sehr langer Weg. Die Materie ist komplex, die Interessen der Beteiligten sind, wie gesagt, sehr unterschiedlich und nicht zuletzt geht es um viel Geld.

Es geht aber eben nicht nur um Geld. Es geht auch um die ganz entscheidende Frage, wie wir in Deutschland in Zukunft leben wollen, wie wir es schaffen, dass auch und gerade nach der Wiedervereinigung das grundgesetzlich verankerte Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im föderalen System der Bundesrepublik finanziell nachhaltig abgesichert und zukunftsfest gemacht wird,

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

und wie wir es schaffen, dem von einigen Akteuren propagierten Wettbewerbsföderalismus einen Riegel vorzuschieben.

Bevor ich auf den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz im Einzelnen eingehe, möchte ich zum Ver

ständnis des Ergebnisses auf einen weiteren Kernpunkt hinweisen.

Dieses Ergebnis ist ein Kompromiss aller Beteiligten. Das macht die Einstimmigkeit vielleicht auch deutlich. Kein Land hat seine Interessen eins zu eins durchsetzen können, auch wir nicht. Das ist die Natur von Kompromissen, die man sich auch selbst zu eigen machen muss.

Bremen hat sich immer für eine Regelung stark gemacht, die der Altschuldenproblematik Rechnung trägt. Wir haben einen Altschuldentilgungsfonds vorgeschlagen, von dem alle Länder profitiert hätten. Das aber ist von einer politischen Mehrheit abgelehnt worden. Eine Altschuldentilgung gibt es nun nicht. Ich bedauere das, weil es ein finanzpolitisch sinnvoller Weg gewesen wäre.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Es ist Bremen gelungen, einen Mechanismus in das System einzubauen, der uns und allen anderen Konsolidierungsländern sofort und ab 2020 auch den übrigen Ländern eine deutliche strukturelle Entlastung beim Schuldendienst bieten wird. Ich komme darauf noch zurück.

Meine Damen und Herren, das erreichte Ergebnis ist ein gutes Ergebnis für Bremen. Es ist in der Tat ein weiterer Baustein für die Sicherung unserer Zukunft. Es ist aber im Übrigen ein Ergebnis, an dem viele Anteil haben, das will ich hier auch sehr deutlich sagen, denn es spiegelt nicht nur die Vereinbarungen der letzten Tage und Wochen wider, sondern hat sein Fundament in der politischen Arbeit und den politischen Entscheidungen der letzten Jahre.

Bremen wird auf Bundesebene und unter den Ländern als verlässlicher Partner anerkannt und geschätzt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Bremen wird als ein Land wahrgenommen, auf das man sich auch in schwieriger Lage verlassen kann, das Wort hält.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Na ja!)

Daran haben auch Sie hier im Hause, die den anstrengenden Sanierungskurs in den letzten Jahren mitgetragen haben, Ihren Anteil, und dafür möchte ich Ihnen an dieser Stelle danken.

Bremen hat in der Vergangenheit immer seine finanzpolitischen Zusagen dem Bund und den anderen Ländern gegenüber eingehalten, deshalb haben wir auch in den letzten fünf Jahren jedes Jahr die vereinbarten 300 Millionen Euro vom Bund und von den Ländern als Konsolidierungshilfe erhalten.

Dass dies auch unter enorm schwierigen Bedingungen immer wieder gelungen ist, ist, wie gesagt, das

Verdienst von vielen. Ich möchte deshalb an der Stelle ganz ausdrücklich meinem Vorgänger Jens Böhrnsen und den Mitgliedern seines Senats danken, dem wir ganz entscheidende Weichenstellungen mit dem Blick auf die Neuordnung zu verdanken haben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte genauso und besonders unserer Finanzsenatorin Karoline Linnert und den Mitstreiterinnen und Mitstreitern im Finanzressort, aber auch in allen anderen Ressorts unseres Senats und bei mir im Rathaus sehr danken. Es ist ganz ohne Zweifel ihnen allen und der Finanzsenatorin in den nicht ganz einfachen letzten Jahren zu verdanken, dass das Ergebnis für uns möglich wurde.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

An dieser Stelle will ich sagen, die Finanzsenatorin und Bürgermeisterin Linnert wird heute, gleich nach dieser Debatte, nach Berlin fahren, um im Stabilitätsrat die Ergebnisse Bremens zu präsentieren. Sie sehen daran, dass das nicht zu Ende ist, sondern dass wir Schritt für Schritt an unserer Zukunft und unseren Zielen weiterarbeiten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Mit der Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz sollen die Finanzströme zwischen dem Bund und den Ländern ab 2020 vereinfacht und so auch weniger streitanfällig werden. Hierzu wird der Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form abgeschafft, ebenso wie der sogenannte Umsatzsteuervorwegausgleich. Zukünftig erfolgt der Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern bereits bei der Zuteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer. Ab 2020 werden die Finanzströme zwischen dem Bund und den Ländern in drei wesentlichen Stufen geordnet.

In der ersten Stufe wird wie bisher das Aufkommen der Steuern zwischen dem Bund und der Gesamtheit der Länder und Kommunen verteilt. In einem zweiten Schritt werden die Einnahmen aus dem Umsatzsteuertopf nach Einwohneranzahl auf die Länder verteilt, und im dritten Schritt werden dann die Finanzkraftunterschiede der Länder mithilfe des Bundes angeglichen. Diese Vereinfachung gegenüber dem Bisherigen wird eine Verfassungsänderung erfordern, Artikel 107 Grundgesetz wird geändert werden müssen.

Meine Damen und Herren, was bedeutet nun dieser Beschluss für Bremen? Wenn der Bund zustimmt, dann wird Bremen ab 2020 im neuen System der Finanzbeziehungen unter dem Strich 500 Millionen Euro mehr erhalten, als wir ohne eine Einigung bekommen hätten.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will hier noch einmal sehr deutlich sagen, Ende 2019 wäre das bestehende System ausgelaufen, inklusive der 300 Millionen Euro, die wir bekommen hätten. Wir hätten insofern auf Null gestanden, und dies ist ein Mehr von 500 Millionen Euro gegenüber dieser Null, und ich will auch darauf verweisen, dass wir die 300 Millionen Euro, die wir jetzt als Konsolidierungshilfe bekommen, zur Minderung der Kreditaufnahme einsetzen werden. Eine Kreditaufnahme wird es noch im Jahr 2019 geben – in einem kleinen Maße, Sie kennen unsere Finanzplanung –, aber nicht mehr ab dem Jahr 2020, und deshalb haben wir auch an der Stelle ein deutliches Mehr und eine deutliche Verbesserung erreicht.

Für unser Bundesland sind dabei vor allem sechs Punkte wichtig: Bremen profitiert auch durch die Erhöhung des Umsatzsteueranteils der Länder, durch die Erhöhung der Bundesergänzungszuweisungen und auch der Gemeindeverkehrsfinanzierung. Unser Land erhält aus dem Gesamttopf der Steuerumverteilung strukturell 75 Millionen Euro jährlich. Dieser strukturelle Anteil ist von hoher Bedeutung und für die anderen Länder sozusagen die Grundlage für ihre Verbesserung. Für uns sind das allein 114 Euro pro Einwohner und Jahr, im Durchschnitt der westdeutschen Länder sind nur 93 Euro pro Einwohner mehr herausgekommen und im Durchschnitt aller Länder 109 Euro, aber selbst da liegen wir mit unserem Ergebnis allein auf der strukturellen Seite schon darüber.

Zweitens, ein ganz wichtiger Punkt: Die Einwohnerwertung der Stadtstaaten bleibt bei 135 Prozent erhalten. Auch die großen Flächenländer haben damit akzeptiert – und es gab den Versuch, diese zu mindern –, dass die Stadtstaaten ganz besondere Lasten tragen, die bei der Verteilung der Einnahmen berücksichtigt werden müssen.

Drittens erhält Bremen die viel diskutierten weiteren Hilfen, und zwar in Höhe von 400 Millionen Euro jährlich. Diese wären ja sonst, ich habe es angesprochen, weggefallen und wir hätten sie nicht gehabt. Hierbei – und das will ich an der Stelle sagen – handelt es sich nicht um milde Gaben Dritter, das Ganze ist und war vielmehr immer von Beginn an der Sache nach – noch nicht der Höhe nach – anerkannt als strukturell bedingter, außergewöhnlicher Ausgleich für Belastungen, die im Saarland und in Bremen auftreten. Beide Länder bekommen diese so wertvolle besondere Unterstützung, weil wir verlässlich die bisherigen Vereinbarungen eingehalten haben.

Vierter Punkt: Auf unseren Vorschlag hin sollen ab 2016 alle Konsolidierungsländer, ab dem Jahr 2020 dann alle Länder, von den besonderen besseren und günstigeren Zinskonditionen des Bundes profitieren. Das ist angesichts der regelmäßigen Verlängerung der Kredite, die wir natürlich vornehmen müssen, weil

die Kredite auslaufen – Jahr für Jahr ein Teil unserer Schuldenlast –, eine strukturelle Zinsentlastung, die sich Jahr für Jahr in zweistelliger Millionenhöhe aufbaut und natürlich von Jahr zu Jahr steigt.

Ich will an dieser Stelle einmal sagen, weil ja auch die große Sorge besteht, dass wir natürlich ein Risiko von Zinserhöhungen haben, diese Einigung und dieser Mechanismus, den wir durchgesetzt haben, ist eine Sicherung und ein Element, das uns zumindest ein wenig vor Zinserhöhungen schützt.

(Beifall SPD)

Weiteres war bei der Frage der Absicherung vor Zinserhöhungen nicht zu erreichen, denn – und ich will das hier vielleicht nur als Frage in den Raum stellen, die Sie sich dann selbst beantworten können – wen hätten wir denn finden sollen, der am Ende das Erhöhungsrisiko vielleicht aller Länder in Kauf nimmt und trägt? Ich glaube, daran wird schon deutlich, welche gewaltige Last damit verbunden sein kann, wenn es schlecht läuft, und dass man darüber keine einseitigen Lasten hinbekommt, sondern man bekommt dieses Prinzip der gemeinschaftlichen Verantwortung hin, und das wird deutlich, wenn wir zukünftig gemeinsame Bund-Länder-Anleihen tätigen können.

Fünftens ist die kommunale Finanzkraft der Länder in dem System deutlich stärker berücksichtigt als früher, nämlich zu 75 Prozent statt wie bisher zu 64 Prozent. Das ist ein wichtiger Schritt, weil es damit nicht mehr möglich ist, dass sich künftig reichere Länder künstlich arm rechnen durch die geringere Belastung ihrer reichen Kommunen. Übrigens hilft es auch uns mit unseren beiden Stadtgemeinden.

Sechstens ist die bisherige Abgeltung der Hafenlasten weiterhin gesichert worden. Die unionsgeführten Länder hatten einen Vorschlag gemacht, der diese kassiert hatte. Wir haben gemeinsam mit Hamburg und Berlin in den Beschluss hineinverhandelt, dass es diese Abgeltung der Hafenlasten weiterhin geben wird.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus gibt es weitere wichtige Reformschritte und -elemente, die uns sicher auch in diesem Haus noch beschäftigen werden. Ein Element ist, dass die Ministerpräsidenten der Ausweitung der Zuständigkeiten des Stabilitätsrats zugestimmt haben. Bremen hat – Sie wissen das – in den letzten Jahren schon vielfältige Erfahrungen mit dem Stabilitätsrat gesammelt. Wir sind deshalb nicht mehr so richtig zu schrecken. Man darf aber gespannt darauf sein, wie die finanzstärkeren Länder mit dieser Kompetenzerweiterung des Stabilitätsrats hinsichtlich ihrer Haushaltsführung umgehen.

Darüber hinaus haben wir auf eine wichtige Passage im Koalitionsvertrag des Bundes Bezug genommen. Dort ist festgehalten, dass die Kommunen in Deutschland über diese Einigung hinaus um weitere fünf Milliarden Euro ab 2018 entlastet werden sollen. Auch

das ist ein wichtiges Element für Bremen und Bremerhaven, was nicht in diesem Paket enthalten ist. Wir drängen mit allen Ländern darauf, dass der Bund diese Zusage einhält und realisiert.

Das neue System wird, wie ich angesprochen habe, eine Grundgesetzänderung notwendig machen. Auch hierzu haben wir aus Bremen bei den Verhandlungen eine Initiative ergriffen und gemeinsam mit Berlin einen Beschluss erwirkt. Er sieht vor, dass die Änderung des Artikels 107 Grundgesetz den angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder nicht untergräbt. Das muss weiterhin sichergestellt bleiben. Das ist existenziell wichtig für uns in Bremen, aber auch für schwache Länder insgesamt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Deshalb ist gerade das für uns nahezu eine Sicherungsklausel. Sie ist sehr bedeutend für uns.

Sie haben wahrscheinlich gelesen, das neue System wird ab 2020 gelten, dann aber unbefristet. Die Auswirkungen sollen erstmals 2030 überprüft werden. Es ist die Möglichkeit vorgesehen, dass sich mindestens drei Länder zusammentun, um eine Kündigung der Vereinbarung durchzusetzen. Diese neu verhandelte Regelung soll so lange weiterlaufen, bis es eine neue Regelung gibt. Das unterscheidet sie von der jetzt auslaufenden Regelung. Die Kündigung kann also lediglich den Einstieg in Verhandlungen erzwingen, nicht aber ein Auslaufen dessen, was wir erreicht haben.

In den letzten Wochen und Monaten war es natürlich das Flüchtlingsthema, das auch dazu geführt hat, dass die Bund-Länder-Finanzen insgesamt in den Hintergrund getreten sind. Nun haben wir endlich dieses wichtige Ergebnis zur Sicherung unserer Selbstständigkeit erreicht. Man konnte schon am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz am vergangenen Donnerstag hören, und es zeichnete sich deutlich ab, dass mit dieser gefundenen Verständigung auch die Klagen anderer Länder vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den bestehenden Länderfinanzausgleich keinen Nährboden mehr haben. Das hat mich besonders zufriedengestellt.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)