Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei einigen Argumenten, insbesondere von Herr Bensch, muss ich mich doch ein bisschen wundern, dass Ihnen nicht selber auffällt,
wie unlogisch Sie das hier vorgetragen haben. Sie haben uns, wenn ich Sie richtig verstanden habe, mitteilen wollen, dass die Zahl der Tabaknutzer in diesem Land sehr stark zurückgegangen ist, und wollten damit den Beweis antreten – –.
Genau, eben! Das Argument ist doch eigentlich: Man kann auch ohne sinnlose Verbote durch Prävention und Aufklärung eine ganze Menge erreichen und Konsumentenzahlen runterkriegen, und deswegen braucht man eben keine Verbotspolitik, die mehr Schaden anrichtet als nutzt.
Ich will noch einmal zurück auf das Thema Strafverfolgung kommen. Unser Grundgesetz geht von einem bestimmten Menschenbild aus, und zwar von dem Menschenbild eines mündigen Bürgers, der über seine private Lebensführung selbst bestimmen kann. Zu dieser privaten Lebensführung gehört eben auch, die eigene Gesundheit gefährden zu dürfen. Wer lieber zu Schokolade greift als zu Obst und Gemüse, darf das tun, und Sie können sich vorstellen: Ich spreche da aus Erfahrung.
(Abg. Röwekamp [CDU]: Wir reden jetzt nicht über Schokolade! – Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/ Die Grünen]: Wer Alkohol trinkt, darf es auch!)
Wer sich beim Boxsport auf die Nase hauen lassen will, der darf das tun. Sogar wer seinem eigenen Leben ein Ende setzen will, darf das tun.
Der Staat hat die Aufgabe, Hilfe anzubieten. Aber ein paternalistischer Staat, der den eigenen Bürgerinnen und Bürgern mithilfe des Strafrechts verbieten will, sich selbst zu schädigen, maßt sich etwas an, was ihm nicht zusteht. Genau das passiert im Betäubungsmittelrecht, und damit muss Schluss sein!
Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 entschieden, dass die Strafbarkeit des Cannabisbesitzes nur dann so gerade eben noch verfassungsgemäß ist, wenn im Fall von geringen Mengen zum Eigengebrauch von der Strafverfolgung abgesehen wird. Die entsprechende Vorschrift dazu befindet sich im Paragrafen 31a Betäubungsmittelgesetz. Dieser Paragraf 31a gibt uns nun als Bundesland einen ganz erheblichen Spielraum, denn was genau unter einer geringen Menge zu verstehen ist, steht da nicht. Das können die Bundesländer selbst definieren.
Handhabung zu sorgen. Unionsgeführte Länder haben sich leider sehr hartnäckig einer Anhebung auf ein angemessenes Niveau verweigert, und das hat wiederum in den letzten 20 Jahren dafür gesorgt, dass die Grenzwerte in vielen Ländern immer weiter abgesunken sind. Ende der Neunzigerjahre gab es noch Länder, in denen bis zu 30 Gramm Canabis als geringe Menge galt. Mittlerweile haben sich die meisten Länder auf dem Niveau Bayerns eingefunden: Das bedeutet sechs Gramm. Auch in der Bremer Staatsanwaltschaft hat sich eine gewisse Praxis etabliert, die Grenze bei sechs Gramm anzusetzen. Verlassen kann man sich darauf aber auch in Bremen nicht: Manche Staatsanwälte halten sich nicht daran. Anders als in anderen Bundesländern hat das bremische Justizressort bisher keine Verfügung erlassen, die der Staatsanwaltschaft hier klare Richtlinien vorgibt.
Aus diesen Gründen gibt es in Bremen bisher noch viel zu viele Verfahren wegen Cannabisbesitz von geringen Mengen zum Eigengebrauch, und das wollen wir ja gerade ändern. Wir Grüne wollen, dass sich Bremen bei der geringen Menge an Berlin, Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz orientiert, wo die Grenze bisher bei 15 beziehungsweise 10 Gramm liegt. Auf eine feste Vorgabe an den Senat haben wir im Antrag verzichtet, weil im Geiste der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts versucht werden sollte, möglichst mit weiteren Bundesländern gemeinsam eine Anhebung zu vereinbaren.
Noch einmal zum Thema Führerschein! Nicht nur im Strafrecht werden Alkohol und Cannabis krass unterschiedlich behandelt, sondern eben auch im Führerscheinrecht. Wer eine Kiste Bier im Kofferraum seines Autos stehen hat, bekommt keine Probleme, solange er selbst nüchtern am Steuer sitzt. Wer aber im Handschuhfach ein Gramm Marihuana liegen hat, ist ganz schnell seinen Führerschein los, selbst wenn er das Zeug seit Tagen nicht angerührt hat. Das liegt daran, dass die Führerscheinstelle schon beim bloßen Besitz kleinster Mengen ein Drogenscreening anordnen kann. Wenn dabei herauskommt, dass man regelmäßig Cannabis konsumiert, ist man den Führerschein los, selbst wenn man sich noch nie berauscht ans Steuer gesetzt hat. Selbst wenn das Drogenscreening ergibt, dass man nur gelegentlich Cannabis konsumiert – da reichen schon zweimal innerhalb von ein paar Monaten –, kann man Probleme kriegen, denn dann kommt es darauf an, ob man hinreichend zwischen Konsum und Fahren trennen kann.
Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist da dann extrem streng: Selbst wer vor der Autofahrt einige Tage Konsumpause eingelegt hat, riskiert seinen Lappen. Der Grund ist ein viel zu niedriger Grenzwert für den THC-Gehalt im Blut. Selbst einige Tage nach dem letzten Konsum, wenn in aller Regel überhaupt keine Beeinträchtigung des Fahrvermögens mehr vorliegt, kann dieser Grenzwert bei einigen Menschen noch überschritten werden.
Auch viele Bremerinnen und Bremer haben auf diese Weise ihren Führerschein verloren, obwohl sie sich nie unter Cannabiseinfluss hinter das Steuer gesetzt haben. Das hat für die Betroffenen teilweise dramatische Folgen, bis hin zum Arbeitsplatzverlust und dem damit verbundenen sozialen Abstieg.
Glücklicherweise lässt auch die Fahrerlaubnisverordnung den Bundesländern einen gewissen Spielraum, und zwar sowohl was die Grenzwerte angeht als auch, was die Frage angeht, wann die Führerscheinstelle ein Drogenscreening verlangt. Die Verkehrssicherheit geht vor, aber das darf nicht dazu führen, dass selbst verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis zum Führerscheinentzug führt.
Das Verkehrsressort ist nun aufgerufen, der Führerscheinstelle im Stadtamt entsprechend klare Vorgaben zu machen. Das Justizressort wird Selbiges gegenüber der Staatsanwaltschaft zu machen haben. Das Gesundheitsressort wird ein Modellprojekt zur legalen Abgabe vorbereiten und sich auf Bundesebene um die Schaffung der dazu nötigen Voraussetzungen bemühen. Die grüne Fraktion wird diese Prozesse jeweils eng begleiten und vorantreiben. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier ist ganz viel von Eigen- und Fremdgefährdung die Rede gewesen, und gerade von der Koalition, von der LINKEN, von der FDP wurde das herausgestellt. Wenn Sie den Begriff der Eigengefährdung, den Sie ja immer wieder genommen haben, konsequent fortsetzen, dann dürften Sie bei Cannabis nicht Schluss machen. Dann müssten Sie sagen, dann müssen wir auch Heroin, Kokain, dann müssen wir alles freigeben, denn diese Argumentation ist nicht schlüssig, die Sie da führen.
Aber nun war hier auch sehr viel die Rede von der Polizei, und Frau Vogt hat sogar darauf hingewiesen, 60 Beamte würden dadurch freigesetzt.
Sie haben von Justiz am Rande gesprochen! Frau Vogt, es gibt da den Spruch: Blinde sollten nicht von der Farbe reden, womit ich nicht sagen will – –.
Frau Vogt, ich mache mir schon wieder Angst um Ihre Gesundheit! Circa 60 Beamte werden in der Bremer Polizei mit den Aufgaben der Drogenkriminalität beschäftigt.
Einen Schwerpunkt Cannabis gibt es in der Polizei überhaupt nicht, sondern es gibt den Schwerpunkt Drogenbekämpfung. Da ist Cannabis ein Nebenprodukt, ein absolutes Nebenprodukt.
Die paar Beamten, die sich damit beschäftigen, kann man an einer Hand abzählen, und die sind nicht hauptamtlich damit beschäftigt, sondern die machen das nebenbei mit, weil es einen Paragrafen 31a im Strafgesetzbuch gibt. Herr Zicht hat darauf hingewiesen. Das ist überhaupt kein Problem für die Polizei.
Wenn der BDK, der hier mehrfach angesprochen worden ist, bundesweit dazu einmal Stellung genommen hat, dann hatte das eine ganz andere Intention. Jeder, der den BDK hier heranzieht, sollte sich ganz genau anschauen, was der BDK dazu gesagt hat. Es gibt nämlich Schnittmengen zwischen dem Cannabishandel und dem sonstigen Drogenhandel, und darum geht es. Es bringt überhaupt nichts – aus Sicht der Polizei wohlgemerkt, nur für die spreche ich jetzt –, wenn der Cannabishandel freigegeben wird. Damit wird die Polizei in keinster Weise beeinflusst. Es wird hier immer so getan: Oha, dann können wir aber jede Menge Polizeibeamte freisetzen! Das ist völliger Quatsch!
Einen kleinen Ausflug, Frau Dr. Kappert-Gonther, möchte ich noch in Ihre Richtung machen! Sie haben, wie ich finde, völlig zu Recht und richtigerweise darauf hingewiesen, wie gefährlich THC sein kann, wenn das Gehirn noch nicht ausgeprägt ist. Ich habe mich einmal sehr intensiv mit dem Gehirn beschäftigen müssen, weil ich Handschriftensachverständiger bin – einige werden das wissen –, und Handschrift ist Gehirnschrift; Sie werden es vielleicht wissen. Deswegen kann ich Ihnen sagen: Mit 18 ist das Gehirn nicht ausgeprägt; mit 25 vielleicht. Wollen Sie deswegen sagen: Mit 18 Cannabisgebrauch ja, weil das Gehirn dann kein Problem mehr hat? Nein! Wenn, dann müssten Sie konsequenterweise sagen:
Erst dann, wenn das Gehirn ausgeprägt ist, darf man auch Cannabis rauchen, weil es dann kein Problem ist.
(Beifall CDU – Abg. Frau Dr. Kappert-Gonther [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Je jünger, desto schädlicher!)
Herr Dr. Buhlert, Jugendschutz verbessern! Wie? Durch eine Freigabe? Damit wollen Sie den Jugendschutz verbessern? Nein, im Gegenteil! Sie müssten sogar noch mehr Ressourcen in den Jugendschutz liefern, wenn Cannabis freigegeben würde, weil dann die Arbeit sehr viel mehr werden und sehr viel erforderlicher wird.
Diese Debatte also – damit will ich auch Schluss machen –, die Sie hier geführt haben, ist, was die Polizei angeht, völliger Quatsch.
(Abg. Frau Vogt [DIE LINKE]: Sie haben mich eben bewusst falsch zitiert, und das nehme ich Ihnen übel!)