Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Vielleicht ist es an der Zeit, die Bundesjugendspiele grundsätzlich infrage zu stellen, um über neue Konzepte der Sportvermittlung nachzudenken. Bedenkenswert wären zum Beispiel integrative Formen wie Mannschaftswettbewerbe mit gemischten Teams und Schulsportfeste, bei denen die Schülerinnen und Schüler die Wahl haben, welche Sportarten sie gerne ausüben möchten. Dies würde das Gemeinschaftsgefühl stärken, weil die Schülerinnen und Schüler nicht vereinzelt gegeneinander antreten, sondern sich gegenseitig in Teams unterstützen. Außerdem würden so auch die Wartezeiten verkürzt, und die Zeit des tatsächlichen Sporttreibens würde verlängert werden. Deshalb sind für uns die Bundesjugendspiele veraltet, und wir werden den Antrag ablehnen.

Ich hoffe, wir werden es in den Schulen in diesem Jahr gemeinsam hinbekommen, neue Formen zu finden, damit die Kinder noch mehr Sport haben, an die wichtigen Sportarten herankommen und die Möglichkeit bekommen, wirklich vernünftig unterstützt zu werden, um Sport zu treiben. – Danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Herr Öztürk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eins vorweg, Kollege Lübke: Wir werden Ihren Antrag ablehnen. Das hat mehrere Gründe: Einerseits fangen Sie mit dem Titel „Bundesjugendspiele erhalten“ an, als möchte irgendjemand die Bundesjugendspiele abschaffen. Das impliziert Ihr Antrag, das ist aber nicht der Fall. Es liegt eine Petition zur Abschaffung der Bundesjugendspiele vor: Eine junge Mutter aus Konstanz hat sich da Sorgen um ihr Kind gemacht und diese Petition eingereicht. Das ist legitim. Es gibt auch eine Gegenpetition zum Erhalt der Bundesjugendspiele. Darüber entscheidet und berät der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags so, wie es auch in Bremen der Petitionsausschuss tut. Man kann in der Tat darüber streiten, ob Bundesjugendspiele zeitgemäß sind, den sportlichen Charakter fördern, Inklusion beachten oder ob das doch eine Veranstaltung ist, wie Kollege Tuncel eben zitiert hat, bei der man nur ein paar Minuten Sport macht und dann vielleicht ziemlich lange wartet, bis die nächste Übung drankommt, um am Ende diese Urkunde des Bundespräsidenten mit nach Hause zu nehmen. Grundsätzlich ist nicht strittig, dass Sport wichtig ist und gerade junge Menschen zur Bewegung animiert, junge Menschen fordert, sich in irgendeiner Form vielleicht auch dem Wettkampfcharakter zu ergeben. Das ist gar nicht einmal so verwerflich. Darüber kann man immer streiten. Wichtig ist, dass von den Schulen darüber entschieden wird, ob die Bundesjugendspiele durchgeführt werden. Wir halten das für eine richtige Praxis, die wir in Bremen auch beibehalten wollen. Das stellt niemand in Abrede.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Mit Ihrem Antrag implizieren Sie aber, als verfolge der rot-grüne Senat irgendeinen Geheimplan, die Bundesjugendspiele auf Landesebene abzuschaffen. Jetzt zucken Sie mit den Schultern und sagen: Habe ich nicht behauptet! Wenn ich mir – ich habe Ihren Antrag nach wie vor vorliegen – die Beschlussteile ansehe, liegt diese Implikation nahe, und die weisen wir an der Stelle zurück.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Darüber hinaus haben ja auch der Behindertensportverband und die Behindertensportjugend Konzepte entwickelt, um den Schulen als Ratgeber zur Seite zu stehen, um den inklusiven Charakter auch der Bundesjugendspiele zu verankern, und das finden wir gut. Insofern finden Sie niemanden hier im rotgrünen Lager, der die Bundesjugendspiele abschaffen will. Man kann durchaus darüber diskutieren und debattieren, ob wir die Bundesjugendspiele in dem Format, in dem sie momentan durchgeführt werden, in den nächsten Jahren noch beibehalten können. Sie sagen: Ja, soll man unbedingt machen!

Wir sagen: Wir sehen da viel Luft nach oben, viele Möglichkeiten, wie man diese Bundesjugendspiele auch sportpolitisch so gestalten kann, dass sich die jungen Menschen einen sportlichen, freundschaftlichen Wettbewerb geben, sich da irgendwie gefordert fühlen, Spaß haben, wo es am Ende des Tages nicht um eine Zensur, um eine Beurteilung geht, „Du bist die Strecke in der Zeit XY gelaufen, du bekommst eine Urkunde, auf der der Platz 1 steht“, und: „Du bekommst eine Urkunde, auf der ein anderer Platz steht“. – Aber das ist ja nicht der Fall.

(Zuruf Bündnis 90/Die Grünen: Das wurde ja auch benotet!)

Genau! Das hat sich zum Teil verändert. Heute erhält man nur noch die Teilnahmeurkunde. Das freut Menschen, insbesondere junge Menschen; dann kommen sie mit so einer Urkunde nach Hause. Bei dem einen oder anderen Fall, wie im Fall der Petition – auf die möchte ich jetzt nicht explizit eingehen –, hat man natürlich Fälle, in denen sich junge Menschen gestresst fühlen, wenn sie an diesen Bundesjugendspielen teilnehmen, weil es im Gegensatz zu vielen anderen Veranstaltungen an Schulen eine verpflichtende Veranstaltung ist.

Wir finden, dass der Kurs, wie wir ihn in Bremen über die Bildungsbehörde haben, korrekt läuft. Jede Schule kennt ihre Schülerinnen und Schüler, und sie ist in der Lage, darüber zu entscheiden, ob sie an den Bundesjugendspielen teilnimmt oder ob sie vielleicht etwas Alternatives macht oder gar nicht daran teilnimmt. Das finden wir gut; das wollen wir beibehalten.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Eine letzte Bemerkung sei mir noch gestattet, obwohl ich noch reichlich Redezeit habe: Vielleicht sollten wir doch einmal in der Sportdeputation – das wäre der richtige Ort – über die Bundesjugendspiele nachdenken und debattieren und überlegen, welche Form der Bundesjugendspiele in Bremen so durchgeführt werden kann, dass sich junge Menschen an Schulen, ob verpflichtend oder nicht, betätigen können. Das ist ein langer Prozess.

Im Rahmen des Sportentwicklungsplans wird man darüber wahrscheinlich auch noch einmal sprechen können, ob die Kapazitäten, die wir haben, dafür ausreichen. Man sollte auch mit vielen Jugendverbänden außerhalb des Sports sprechen – dafür sind wir Grüne sehr offen –, wie man solche Jugendspiele grundsätzlich durchführen kann, ob sie nur an einem Vormittag stattfinden oder über mehrere Tage gehen – all das kann man diskutieren.

Das alles kam in Ihrem Antrag nicht vor. Sie haben sich darauf kapriziert und diese Petition aufgegriffen, um diese Irritation auszulösen, als möchte irgendjemand hier im Haus die Bundesjugendspiele abschaffen. Wir zumindest wollen das nicht. Ansonsten müssen Sie Ihre Bundesregierung fragen, denn der Petitionsausschuss wird darüber beraten und der Deutsche Bundestag wird darüber entscheiden. Es regiert eine Koalition in Berlin, die aus CDU und SPD besteht. Am Ende entscheidet das Parlament über diese Petition. Ich bin gespannt, wie das Votum des Parlaments dazu ausfällt. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Rosenkötter das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn eins im Bundesland Bremen sicher ist und alle Bildungsreformen überstanden hat, dann sind es die Bundesjugendspiele, und das soll unserer Meinung nach auch so bleiben.

(Beifall SPD, CDU)

Gleichwohl, wenn ich hier in die Gesichter der Kolleginnen und Kollegen schaue, würde ich sagen: Die Hälfte sagt, es war Freude, die andere Hälfte sagt, es war eher Missvergnügen, an Bundesjugendspielen teilnehmen zu müssen. Insofern liegt da beides beieinander. In der Tat: Sport und Bewegung sind etwas, was auch in allen anderen kognitiven Fächern eine Funktion ausübt, die Möglichkeiten gibt, sich mehr auf das Lernen zu konzentrieren. Ich brauche diese ganzen wissenschaftlichen Untersuchungen, die dazu gemacht worden sind, gar nicht zu zitieren.

Der Antrag des Kollegen Lübke stammt ja schon aus dem letzten Jahr. Diese Petition stammt aus dem Sommer 2015, und das Thema Bundesjugendspiele hat sich möglicherweise ein bisschen wieder in ein ganz normales Fahrwasser begeben, will ich das einmal sagen.

Sport und Wettbewerb sind in der Schule für so manchen Schüler, so manche Schülerin etwas, wo die Leistung für alle sichtbar ist. Es wurde von einigen Kollegen hier gesagt, alle anderen Fächer würden ja auch bewertet. Ja, das ist richtig, aber ich glaube, kein Fach ist so deutlich auch für die Mitschülerinnen

und Mitschüler in der Leistung sichtbar, und da ist es ganz besonders wichtig, dass mit guten Pädagoginnen und Pädagogen, mit Sportlehrkräften Wege gefunden werden, die es allen ermöglichen, an diesen Wettbewerben und Wettkämpfen teilzunehmen.

Da spielt natürlich besonders das Thema Inklusion eine große Rolle, und wir wollen, dass sich alle beteiligen können. Dann braucht es auch eine Veränderung der Bundesjugendspiele hin zu Bewegungs- und Sportspielen, die es allen ermöglichen, sich daran mit ihrer Leistungsmöglichkeit zu beteiligen. Auf dem Weg sehe ich unsere Bremer und Bremerhavener Schulen. Im Übrigen haben wir ja über Jahre eine gute Tradition, was die Sportabzeichenwettbewerbe in den Schulen angeht und so weiter.

Ich sehe eigentlich keinen Anlass für den Antrag, der hier von dem Kollegen und von der Fraktion der CDU gestellt worden ist. Wir haben große Sympathie seitens der SPD für die Bundesjugendspiele; wir wollen sie auch nicht abschaffen. Der Staatsrat aus dem Bildungsressort wird uns, so hoffe ich, berichten.

Das ist jedenfalls meine kleine Recherche an den Schulen gewesen: dass es an den Schulen stattfindet, dass teilweise nicht nur die Bundesjugendspiele in den Sommermonaten mit den Wettbewerben Laufen, Springen, Werfen, möglicherweise Schwimmen stattfinden, sondern wir auch Bundesjugendspiele in den Wintermonaten im Geräteturnen haben. Insofern gibt es, glaube ich, keinen Anlass, die Bildungsbehörde in irgendeiner Weise dazu aufzufordern. Gleichwohl wünsche ich mir auch – die Bundesjugendspiele stehen am Ende von Üben, und Üben kann nur in den Sportstunden stattfinden –, dass wir an der Stelle stärken und uns alle anstrengen, dass eins, zwei, drei, also auch die dritte Sportstunde in den Schulen gegeben werden kann. – Vielen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Herr Lübke das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! An den Kollegen von der LINKEN: Ich habe gar kein Problem damit, dass man die Bundesjugendspiele dahin gehend verändert, dass man sie effektiver macht und das Ganze so anpasst, dass man nicht so viel rumsteht. Darum soll es ja nicht gehen. Ich habe in meinem ersten Redebeitrag auch schon erwähnt, dass man die Bundesjugendspiele der Realität anpassen sollte.

Mir geht es eher um das Grundsätzliche, nämlich dass man aufgrund dieser Argumente die Bundesjugendspiele grundsätzlich infrage stellt. Da finde ich, dass es für die Kinder und Jugendliche eine wichtige Erfahrung ist, dass andere auf manchen Gebieten besser sind. Der Umgang mit Misserfolgen ist ein wichtiger Lerninhalt. Im Übrigen gibt es auch schon

Klassenwettbewerbe. Es ist also nicht so, dass es nur Einzelwettbewerbe gibt; es gibt auch Klassenwettbewerbe, und die könnte man noch ausbauen. Damit hätte ich auch gar kein Problem. Ich finde aber auch, dass gute Pädagogik und Leistungsförderung durch Wettbewerbe in dieser Lesart gern als Widerspruch verstanden werden – zu Unrecht, wie ich finde.

Die Anerkennung der gezeigten Leistung im realen Leben ist eine kostbare Währung. Wer mit Schülerinnen und Schülern spricht, die mehrfach an Wettbewerben teilnahmen, kann erfahren, dass häufig nicht die ausgelobten Preise zu Einsatz und Höchstleistung beflügeln. Es ist vielmehr die Aussicht, mit dem eigenen Wissen und Können von der Umwelt in einer Weise ernst genommen zu werden, wie es sonst nur Fachleuten vorbehalten ist.

Vieles, was mit Leistung und Sich-auch-mal-Quälen zu tun hat, wird heute aber scheel angeguckt, und das finde ich nicht richtig. Deshalb fordern wir den Senat auf, sich für den Erhalt der Bundesjugendspiele einzusetzen. – Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat der Staatsrat Herr Pietrzok das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erst einmal vielen Dank an das Präsidium, dass Sie mir die Möglichkeit eingeräumt haben, mit einer sportlichen Einlage noch gerade rechtzeitig zu dieser Debatte antreten zu können!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf Abg. Röwekamp [CDU])

Den ersten Debattenbeitrag konnte ich deswegen nicht ganz wahrnehmen, Herr Röwekamp, aber wichtige andere Debattenpunkte sehr wohl!

Ich will das, was hier angesprochen worden ist, ganz deutlich auch für den Senat sagen: Der Senat ist der Auffassung, dass es die Bundesjugendspiele geben soll, und es wird sie in Bremen auch weiterhin geben.

(Beifall SPD)

Sie ist die einzige verpflichtende, übergreifende Sportveranstaltung, die wir hier in Bremen haben, und sie wird sehr begrüßt. Wir haben hier in Bremen die Situation, dass wir den Schulen dabei eine ganze Menge an Kompetenzen zugewiesen haben, auf welche Art und Weise sie diese Bundesjugendspiele betreiben können. Insofern kann ich den Hinweis aus der Linksfraktion nicht unterstützen: Es ist durchaus so, dass die Schulen die Möglichkeit haben, die Bundesjugendspiele in unterschiedlicher Art und Weise an ihren Schulen durchzuführen. Das begrüßen wir, weil wir natürlich anerkennen, dass vielleicht nicht

für alle die Rahmenbedingungen, operiert man mit den klassischen Bundesjugendspielen – wie ich sie beispielsweise noch erfahren durfte –, die Richtigen sind, bei denen man feste Leistungsdaten hatte, die dann bepunktet wurden, und am Ende bekam man dann für die Punktzahl entsprechend eine Sieger- oder eine Ehrenurkunde.

So läuft das ja an den Schulen zum Teil überhaupt nicht mehr. Vielmehr haben wir eine schon ganz erhebliche Modernisierung eingeführt und sind deswegen der Meinung, dass wir diesen Weg weitergehen wollen. Wir sehen auch keinen Anlass, aus dieser Petition, die ja hier auch schon angesprochen worden ist, die gegenwärtige Praxis in Zweifel zu ziehen. Der Senat bekennt sich eindeutig zu dem, was in den Bundesjugendspielen bisher stattgefunden hat und auch weitergeführt worden ist.

Natürlich ist es so, dass wir ab und zu einmal praktische Probleme haben. Wenn wir eine Abfrage machen, an welchen Schulen die Bundesjugendspiele stattgefunden haben, dann kann es durchaus sein, dass wir einmal nicht zum Wert 100 Prozent kommen. Das kann in Einzelfällen aber auch daran liegen, dass wir eine Wetterproblematik haben, die dazu führt, dass die Bundesjugendspiele an den vorgesehenen Terminen an den Schulen ausgefallen sind. Dieses schon 65 Jahre alte Konzept soll es in der von den Schulen jeweils angepassten Variante weiter geben; das wird von uns unterstützt.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Das war ein gutes Schlusswort!)

Ja, ich versuche, mich ein bisschen kurz zu fassen!

(Zurufe – Heiterkeit)

Es gibt Oberstufen mit einem sportlichen Profil wie die Oberschule an der Egge, die sportbetonte Oberschule in der Ronzelenstraße, die das in Zusammenarbeit mit den umliegenden Grundschulen nutzen, um ihre Leistungskursschüler in die Organisation eines Sportfests einzuführen und somit auch die Grundschulen dabei zu unterstützen. Schulen des Sekundarbereichs I führen ein großes Sportfest mit schulinternen Staffelwettbewerben, Ballspielturnieren und anderen sportlichen Angeboten durch. Im Rahmen dessen werden die Bundesjugendspiele als Teil des gesamten sportlichen Angebots eingebunden.