Ich werde das erläutern. In Punkt 1 c) wird gefordert, dass Sicherheitsgesetze so auszugestalten sind – ich
zitiere aus dem Antrag –, „dass Grenzen der Zuständigkeit … keine Rolle spielen.“ – Liebe CDU, was meinen Sie denn damit? Meinen Sie die per Grundgesetz und durch höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts festgelegte getrennte Zuständigkeit von Polizeibehörden und Geheimdiensten?
Es ist aber höchstrichterlich durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geregelt, Herr Hinners. Das wissen Sie auch.
Dieses Trennungsgebot ergibt sich historisch übrigens aus einer ganz wichtigen Erfahrung, nämlich aus der Erfahrung mit dem Nationalsozialismus und der Gestapo, die ein Hybrid aus Polizei und Geheimdienst war.
wenn Sie sagen, dass Grenzen der Zuständigkeit keine Rolle mehr spielen sollen. Da argumentieren Sie explizit für eine Vermischung der Aufgaben und die Aufhebung der Trennung, wobei, wie gesagt, Grenzen der Zuständigkeit laut Antragstext keine Rolle mehr spielen sollen.
Ich finde diese Forderung gefährlich und schaue einmal in Richtung der SPD: Ich weiß nicht, ob Sie das in der Fraktion diskutiert haben, aber das wäre eine Abkehr von dem, wie unser Rechtsstaat und unser Gemeinwesen aufgebaut sind.
Wir sind bisher gut damit gefahren, dass die Polizei für Gefahrenabwehr und strafrechtliche Ermittlungen zuständig ist, dass sie versucht, Straftaten mit einem begründeten Anfangsverdacht aufzuklären und sie an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Bearbeitung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens weiterzugeben und dass bei der Aufklärung von Straftaten im Rahmen der StPO ein Verfahren durchgeführt wird und die Vorwürfe geprüft werden. Die Geheimdienste
wiederum arbeiten, wie ihr Name sagt, im Geheimen. Sie ermitteln nicht, sondern sie sammeln möglichst viele Informationen. Das ist ihr Auftrag. Diese Informationen münden nicht in einem Ermittlungsverfahren und auch nicht in einem rechtsstaatlichen Verfahren vor einem Gericht; sie können auch nicht von Richtern oder Rechtsanwälten überprüft werden. Es werden Informationen gesammelt. Sie dienen einem anderen Zweck.
Ich muss an dieser Stelle noch einmal klar sagen: Wir brauchten nicht erst den NSU-Skandal, um zu wissen, dass die Geheimdienste auch mit äußerst zweifelhaften Informanten zusammenarbeiten, die für die gewünschten Informationen der jeweiligen Nachrichtendienste auch noch Geld erhalten. In der Vergangenheit war die Praxis der sogenannten V-Leute bei Geheimdiensten durchaus noch uferloser, noch unkontrollierter als jetzt und noch problematischer als in Bezug auf die V-Leute, die von der Kriminalpolizei beigezogen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deshalb sagen wir als LINKE ganz klar: Wir brauchen nicht weniger Rechtsstaat durch eine „Vergeheimdienstlichung“ der Polizei, wir brauchen mehr Rechtssicherheit, eine Abschaffung anlassloser Überwachungsinstrumente und insbesondere eine Beendigung der unkontrollierten V-Leute-Praxis.
Ein weiterer Punkt des Antrags der CDU ist altbekannt: In Punkt 2 b) werden härtere Strafen auch für Kinder und Jugendliche, schnellere Verurteilungen, mehr und längere Haft und weniger Bewährung gefordert. Das Motto lautet hier: Strafen und Abschreckung statt Resozialisierung. – Das ist natürlich mit den Regeln des Strafgesetzbuches und des Strafvollzugs nicht vereinbar, denn er sieht nicht nur die Sühne der Tat, sondern auch die Resozialisierung vor, die angestrebt werden soll, um die Menschen auf einen Weg zu bringen, der sie möglichst keine Straftaten mehr begehen lässt, und damit Haftvermeidung anzustreben. Ich halte es für sehr schwierig, was Sie hier zu Papier gebracht haben. Es gibt ein Land auf der Welt, in dem dieser Ansatz umgesetzt wird: die USA. Dort ist das klare und legalistisch definierte Ziel, möglichst viele Verurteilte auch zu inhaftieren. Wir wissen, dass über 2,2 Millionen Menschen in den Haftanstalten sitzen.
Die allgemeine Sicherheit hat sich in den Vereinigten Staaten dadurch aber nicht verbessert, wie wir wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb lehnen wir diesen Vorschlag ab. Eine massive und allgemeine Verschärfung des Strafrechts mit dem Ziel einer Inhaftierungsoffensive finden wir rückwärtsgewandt. Vor allem gaukelt dies Lösungen vor, die
Ich könnte jetzt noch etwas zum Thema Vorratsdatenspeicherung sagen, das Sie früher immer wieder aufgeworfen haben. Jetzt gibt es sie ja, deshalb haben Sie in Ihrem Antrag darauf verzichtet, das anzusprechen, aber Sie gehen in einigen anderen Punkten in diese Richtung. Ich erspare mir das, zumal ich auch abgeklingelt worden bin. Wir werden diesen Antrag ablehnen, werden uns einer Überweisung aber natürlich nicht verschließen. Unseres Erachtens hätten wir Ihren Antrag heute schon ablehnen und auf einen vernünftigeren warten können. – Danke!
Abg. Zicht (Bündnis 90/Die Grünen)*) : Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mir geht es ähnlich wie Frau Vogt: Ich konnte mit Ihrer Rede, Herr Röwekamp, wesentlich mehr anfangen als mit Ihrem Antrag, aber ich denke, wir debattieren hier nicht über Ihren Redebeitrag, sondern über den Antrag. Ich konnte allerdings auch diesem etwas Positives abgewinnen. Damit möchte ich auch beginnen. Es wäre in der Tat schön, wenn sich die Diskussion um die innere Sicherheit auf Bundesebene nicht nur darum drehte, welche Gesetze man verschärfen könnte, welche Befugnisse man ausweiten, welche zusätzlichen Überwachungsmöglichkeiten man schaffen oder welche zusätzlichen Daten man sammeln könnte. Es wäre schön, wenn es vielmehr darum ginge, wie man Polizei und Justiz eigentlich aufstellen und personell so ausstatten kann, dass die bestehenden Gesetze auch einmal durchgesetzt werden.
Eine gut ausgestattete und hoch qualifizierte Polizei stärkt nicht nur die innere Sicherheit, sondern ist auch ein Garant für Rechtsstaatlichkeit. Die Polizei als Trägerin des Gewaltmonopols des Staates muss in der Lage sein, ihre Schutzfunktion für alle Menschen wahrzunehmen. Gerade die Schwachen in unserer Gesellschaft sind darauf angewiesen, dass sie im Falle des Falles von einer starken Polizei geschützt werden. Darum haben wir in Bremen eine deutliche Erhöhung der Personalzielzahl um 70 Stellen vereinbart; darum werden wir wie schon im Jahr 2015 auch 2016 und wohl auch 2017 die Ausbildungskapazitäten der Hochschule für öffentliche Verwaltung voll ausreizen, um möglichst viele Polizeianwärter auszubilden. Darum stellt die Polizei für die Verkehrsüberwachung, den Objektschutz und andere Nichtvollzugstätigkeiten
Angestellte ein, und darum gibt die Polizei Tätigkeiten wie die Begleitung von Schwertransporten in geeigneten Fällen an private Firmen ab. All diese Maßnahmen werden von uns Grünen ausdrücklich unterstützt, denn wir wollen möglichst viele Polizisten direkt in die Kriminalitätsbekämpfung bringen.
Natürlich fragen wir uns: Müssen wir noch mehr tun? Die anschließende Frage lautet aber auch: Können wir noch mehr tun? So einfach, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben, ist es natürlich nicht. Sie schreiben, die Politik zur Stärkung der inneren Sicherheit müsse unabhängig von Haushaltsrahmenbedingungen gestaltet werden können. Spätestens an dieser Stelle wird Ihr Antrag ein wenig populistisch.
Staatliches Handeln hat sich danach zu richten, wie viel Geld eingenommen wird. Wenn das eingenommene Geld nicht reicht, um die notwendigen Ausgaben – zum Beispiel für die innere Sicherheit – bezahlen zu können, kann man nicht einfach sagen: „Egal, innere Sicherheit ist halt so wichtig, da muss immer genug Geld vorhanden sein“, sondern man muss überlegen, wie man die Einnahmesituation des Staates verbessern kann.
Aber die CDU lehnt auf Bundesebene jeden Vorschlag, wie man Vermögende oder den Finanzsektor stärker beteiligen kann, generell ab. Stattdessen – das scheint Ihre Entscheidung zu sein – gewinnen Sie lieber alle vier Jahre die Bundestagswahl mit dem Wahlversprechen „keine Steuererhöhungen“. Das kann man natürlich so machen, dann kann man sich aber anschließend nicht hinstellen und sagen, für die innere Sicherheit muss immer genügend Geld vorhanden sein. Das geht eben nicht so einfach.
Insofern ist die Argumentation der Linksfraktion in diesem Punkt etwas seriöser, da sie zumindest Ideen für Deckungsvorschläge vorlegt. Aber auch DIE LINKE will letztlich Geld ausgeben, das nicht da ist. Sie stellt auf Bundesebene zwar die richtigen Forderungen auf, die zu einer Verbesserung der Finanzsituation der Bundesländer führen würden, ignoriert aber letztlich den Umstand, dass diese Forderungen bisher dank der Großen Koalition nicht erfüllt wurden. Damit macht man es sich wiederum auch zu einfach.
Was im Antrag der CDU zu kurz kommt, ist ein realistischer Abgleich des Wünschenswerten mit dem Machbaren. Darum können wir dem Antrag nicht einfach zustimmen, sondern wollen ihn in die Innendeputation überweisen. Ich sage Ihnen aber schon
jetzt: Einige Formulierungen des Antrags werden die Befassung in der Deputation sicherlich nicht überleben.
Im Beschlusspunkt 1 schreiben Sie beispielsweise – das hat Ihnen die Kollegin Vogt auch schon vorgehalten, ich wiederhole es noch einmal –, der Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden sei so zu gestalten, „dass Grenzen der Zuständigkeit oder von Gebietskörperschaften keine Rolle spielen“; außerdem: „Die internationale Zusammenarbeit ist in gleicher Form einzubeziehen.“ Da frage ich mich: Denken Sie sich eigentlich irgendetwas bei diesen Formulierungen? Meinen Sie das wirklich ernst? Ich wäre ja bei Ihnen, wenn Sie geschrieben hätten, dass es einheitliche Datenschutzstandards geben muss, damit überhaupt ein Informationsaustausch stattfinden kann. Natürlich muss er stattfinden, aber nur in dieser Reihenfolge: erst klare Datenschutzregelungen, dann Informationsaustausch. Natürlich muss Schluss sein mit der egoistischen Praxis einiger Sicherheitsbehörden, Herrschaftswissen zu horten, ohne es an die Stellen zu übermitteln, die dieses Wissen brauchen, um ihre Arbeit verrichten zu können. Wenn Sie das geschrieben hätten, wäre ich ganz bei Ihnen, aber dass Grenzen der Zuständigkeit oder von Gebietskörperschaften keine Rolle spielen sollen, geht nun wirklich zu weit.
Das Trennungsgebot leitet sich durchaus aus dem Grundgesetz ab. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts leitet es sich aus zumindest dem Rechtsstaatsprinzip und dem Schutz der Grundrechte ab.
Wenn es tatsächlich so wäre, dass das alles keine Rolle spielt, würde das bedeuten, dass die Polizei sämtliche Daten einfach so an Geheimdienste im In- und Ausland übermitteln dürfte. Dass so etwas gerade nicht möglich ist, hat das Bundesverfassungsgericht, auch wenn Sie nur die Pressemitteilung gelesen haben, erst gestern wieder einmal ins Stammbuch geschrieben. Dabei geht es übrigens nicht um Sieg oder Niederlage, sondern um etwas viel Grundsätzlicheres. Mir scheint, Sie haben mittlerweile eine sehr lapidare Einstellung zu den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts gewonnen. Ich möchte aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts zum Urteil über das BKA-Gesetz zitieren:
„Die Übermittlung von Daten zur Gefahrenabwehr ist verfassungswidrig, soweit sie unabhängig von einem konkreten Ermittlungsansatz eine Übermittlung allgemein zur Verhütung terroristischer Straftaten erlaubt. Mit der Verfassung nicht vereinbar ist die Regelung zur Übermittlung von Daten zur Strafverfolgung. Weder sichern die in Bezug genommenen Vorschrif
ten der Strafprozessordnung (§ 161 Abs. 1, 2 StPO) die verfassungsrechtlich geforderte Begrenzung der Datenübermittlung ausreichend noch beschränkt sich die Übermittlung von Daten aus Wohnraumüberwachungen oder Online-Durchsuchungen auf die Verfolgung von hinreichend gewichtigen Straftaten; auch schließt die Vorschrift die Übermittlung von Daten aus optischen Wohnraumüberwachungen an die Strafverfolgungsbehörden nicht aus, obwohl die optische Wohnraumüberwachung nach Art. 13 Abs. 3, 4 GG nur für die Gefahrenabwehr, nicht aber für die Strafverfolgung erlaubt ist. Unverhältnismäßig weit sind die Befugnisse zur Datenübermittlung an die Verfassungsschutzbehörden, den Militärischen Abschirmdienst und den Bundesnachrichtendienst (§ 20v Abs. 5 Satz 3 Nr. 1, Satz 4 BKAG).
Hinsichtlich aller Übermittlungsbefugnisse fehlt es im Übrigen an einer hinreichenden Gewährleistung der auch hier geltenden Anforderungen an eine effektive Kontrolle durch die Bundesdatenschutzbeauftragte.“
„Die Übermittlung von Daten an das Ausland setzt eine Begrenzung auf hinreichend gewichtige Zwecke, für die die Daten übermittelt und genutzt werden dürfen, sowie die Vergewisserung über einen menschenrechtlich und datenschutzrechtlich vertretbaren Umgang mit diesen Daten im Empfängerland voraus.“